Als Christ in irdischen Beziehungen leben
Eine Studie zu Kolosser 3,18 – 4,1

Nachdem Paulus den vorherigen Abschnitt (Kolosser 3,12–17) mit den Worten beendet hat, jegliche Tätigkeit in Wort und Werk im Namen des Herrn Jesus zu tun, spricht er aber Kapitel 3,18 bis Kapitel 4,1 darüber, wie die Grundsätze des neuen Lebens (des Auferstehungslebens) in irdischen Beziehungen praktiziert werden.

Dabei werden – ähnlich wie in Epheser 5 und 6 – drei Beziehungen behandelt:

  • Frau und Mann
  • Kinder und Eltern (bzw. Väter)
  • Knechte und Herren

Es wird klar, dass das Leben in Christus und unsere Stellung in Ihm diese irdischen Beziehungen keineswegs auflösen oder wegnehmen, sondern dass wir gerade darin das neue Leben wirken und sichtbar werden lassen. Wir verhalten uns in diesen Beziehungen anders als wir es vorher getan haben. Es könnte argumentiert werden, dass diese Beziehungen für uns keine Bedeutung mehr haben. Im Himmel gibt es keine Ehen und keine Familien mehr und auch keine irdischen Herren und Knechte. Dennoch macht Paulus hier klar, dass diese Beziehungen auf der Erde bestehen bleiben, solang wir hier leben. Gerade in diesen Beziehungen lassen wir jetzt himmlisches Licht scheinen und zeigen die Merkmale des neuen Lebens. Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass die neue Schöpfung in Christus die alte Schöpfung außer Kraft setzt. Was Gott in der Schöpfungsordnung festgelegt hat, ist für uns so lange gültig, wie wir uns auf dieser Erde befinden. Es handelt sich um geistliche Ordnungsprinzipien, die diese Beziehungen kennzeichnen sollen.

Es geht nicht um geistliche Beziehungen, sondern um Beziehungen, die zum Leben auf der Erde gehören. Diese Beziehungen leiden durch die Sünde in der Welt und unter dem Einfluss des Teufels. Dennoch sollen Kinder Gottes in ihnen die Kennzeichen des neuen Lebens aufweisen, sie also mit Liebe, Gnade, Gerechtigkeit, Heiligkeit etc. füllen. Diese Beziehungen sind – zumindest was Ehe und Familie betrifft – von Gott gegeben. Es ist in seinen Augen richtig, dass jeweils ein Teil in der Beziehung die Führung übernimmt und der andere Teil sich unterordnet.

Drei Dinge fallen besonders auf:

  1. In allen drei Fällen wird zuerst der untergeordnete Teil angesprochen. Gleichzeitig wird der untergeordnete Teil immer mit dem Herrn in Verbindung gebracht. Dadurch hebt Paulus die untergeordnete Stellung auf die höhere Ebene. J.N. Darby schreibt dazu: „Es ist bemerkenswert, wie der Apostel immer wieder Christus in diese Verhältnisse einführt, besonders im Hinblick auf solche, die einen Platz der Unterwürfigkeit darin einzunehmen haben, auf Frauen und Kinder, um durch einen so erhabenen Beweggrund den ihrer Stellung geziemenden Gehorsam zu heiligen“1.
  2. Es wird in allen Fällen auf einen bestimmten Schwachpunkt hingewiesen, d.h. einen Bereich, wo die Gefahr am größten ist. Frauen sollen untergeordnet sein, weil es ihnen schwerfällt. Männer sollen ihre Frauen lieben, weil es ihnen schwerfällt. Kinder sollen gehorchen, Väter sollen ihre Kinder nicht provozieren, Knechte sollen gehorchen und Herren sollen sich gerecht verhalten. Gott weiß sehr gut, wo unsere Schwachpunkte sind. Gleichzeitig kennt Gott die Bedürfnisse und Erwartungshaltungen der einzelnen Personengruppen und weiß ihnen zu entsprechen.
  3. Verglichen mit dem parallelen Text in Epheser 5 und 6 sind die Hinweise in unserem Text deutlich knapper gehalten. Im Epheserbrief wird häufig Bezug auf Christus und seine Versammlung genommen. Deshalb ist Paulus dort ausführlicher. Hier wird alles in Verbindung zu dem Herrn gebracht, dem alle Autorität gehört und der in allem den Vorrang haben muss. Der Ausdruck „Herr“ – verbunden mit Autorität – kommt in den wenigen Versen insgesamt sieben Mal vor. Am ausführlichsten wird das Verhältnis von Sklaven und Herren beschrieben. Die Ursache liegt vermutlich darin, dass die Flucht und Rückkehr des Sklaven Onesimus zu seinem Herrn einen konkreten Anlass dazu gab (vgl. den Brief an Philemon).

Familiäre Beziehungen sind – ebenso wie die Beziehungen in der Arbeitswelt – nicht nur vom Sündenfall belastet, sondern stark von Meinungen und Gefühlen beeinflusst. Es sind Themen, die in unseren modernen Gesellschaften eine große Rolle spielen und in denen die gängige Meinung vieler Menschen heute diametral von dem abweicht, was Gott uns in der Bibel sagt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns als Christen nicht von Gefühlen und Meinungen der Menschen, sondern von Gottes Wort leiten lassen. Ausgangspunkt ist im Kolosserbrief der Hinweis aus Kapitel 3,1, dass wir mit dem Christus auferweckt worden sind. Wir sind in der Lage, die Kennzeichen des neuen Lebens in diesen Beziehungen sichtbar werden zu lassen.

Familiäre Beziehungen – Ehe und Familie (Kolosser 3,18–21)

Die Ehe

Paulus beginnt mit der ehelichen Beziehung und die Anforderungen an Frau und Mann. Die Ehe ist eine Institution, die von Gott selbst gegeben wurde. Mann und Frau sind von Gott unterschiedlich geschaffen worden. Diese Unterschiede beziehen sich auf Geist, Seele und Körper. Sie haben unterschiedliche Gedanken und Empfindungen. Mann und Frau haben vor Gott den gleichen Wert, aber nicht die gleiche Art.2 Jeder hat sein eigenes Wesen. Gott in seiner Schöpferweisheit hat es so gewollt. In der Ehe sind nach Gottes Gedanken eindeutig zwei unterschiedliche Geschlechter (man könnte sagen: Menschentypen) miteinander verbunden. Es ist völlig klar, dass diese Gedanken im Gegensatz zur gängigen Meinung in dieser Welt stehen und mit dem Gedankengut von Gender Mainstreaming3 heftig kollidieren. Das ändert jedoch nichts daran, dass Gottes Gedanken richtig und maßgeblich sind.

Die christliche Ehe leidet bis heute ohne Frage unter den Folgen des Sündenfalls. Gott beschreibt sie so: „Zu der Frau sprach er: Ich werde die Mühsal deiner Schwangerschaft sehr mehren, mit Schmerzen sollst du Kinder gebären; und nach deinem Mann wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen“ (1. Mo 3,16). Trotzdem steht die Ehe unter dem besonderen Schutz Gottes. Er weiß um mögliche Probleme und gibt uns deshalb entsprechende Richtlinien. Der Mann soll die berufliche Arbeit tun und kann sich deshalb seiner Frau nicht so zuwenden, wie sie es gerne hätte. Deshalb wird sie aufgefordert, sich nicht gegen ihn aufzulehnen und er wird aufgefordert, sie zu lieben.

Kolosser 3,18: Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich geziemt im Herrn.

Unterordnung

Die Aufforderung an die Frau ist klar und unmissverständlich. Sie soll sich ihrem eigenen Ehemann unterordnen. Der Zeitgeist des Feminismus und von Gender Mainstreaming, der uns im 21. Jahrhundert umgibt, macht es allerdings nicht einfach, dieser Aufforderung nachzukommen. Dennoch ist es der Weg zu Glück und Segen in der Ehe. Wir müssen mehr denn je lernen, gegen den Strom zu schwimmen.

Wenn später es um die Kinder und die Knechte geht, wird ausdrücklich vom Gehorsam gesprochen. Das ist in der Beziehung von Mann und Frau nicht der Fall. Unterordnung ist vielmehr eine innere Haltung und zwar in Demut und Bescheidenheit. Unterordnung ist zwar nicht von Gehorsam zu trennen, aber doch deutlich zu unterscheiden. Dennoch ist Unterordnung nicht passiv, sondern etwas, das die Frau aktiv tut. Sie ordnet sich bewusst unter – und zwar unter ihren eigenen Mann.

Das Wort „unterordnen“ bedeutet wörtlich „sich darunter stellen“, d.h. sich unterwerfen oder sich fügen. In der Militärsprache – aus der das Wort stammt – beschreibt es die Unterordnung eines Rangniedrigeren unter den Ranghöheren. Das Wort kommt relativ häufig im Neuen Testament vor. Dazu einige Beispiele:

  • Der Herr Jesus war als Sohn seinen Eltern untergeordnet (Lk 2,51).
  • Als Sohn des Menschen ist Er Gott unterworfen (1. Kor 15,28).
  • Wir sollen der Obrigkeit untertan sein (Röm 13,1; Tit 3,1).
  • Wir sollen einander unterwürfig sein in der Furcht Christi (Eph 5,21).
  • Die Versammlung ist dem Christus unterworfen (Eph 5,24).
  • Wir sollen uns Gott unterwerfen (Jak 4,7).
  • Jüngere sollen den Älteren unterwürfig sein (1. Pet 5,5).

Das Gegenstück zur Unterordnung ist Rebellion. Die Ehefrau soll keine rebellischen Gedanken gegen ihren Mann haben. Sie soll nicht dominieren und die Führung in der Ehe übernehmen.

Die Unterordnung der Ehefrau unter ihren Mann zeigt, dass sie ihn als ihr Haupt anerkennt. Sie respektiert die Stellung, die Gott ihm in seiner Schöpfungsordnung gegeben hat. Damit erkennt sie zugleich den Herrschaftsanspruch des Herrn Jesus an. „Ich will aber, dass ihr wisst, dass der Christus das Haupt eines jeden Mannes ist, das Haupt der Frau aber der Mann, das Haupt des Christus aber Gott“ (1. Kor 11,3). Mit dieser Anweisung antwortet Gott auf das grundsätzliche Bedürfnis des Mannes nach Anerkennung und Respekt und beugt gleichzeitig einer latenten Schwäche vieler Frauen vor. Als Eva im Garten Eden von der Frucht nahm, handelte sie zunächst unabhängig von ihrem Mann. Sie übernahm die Führung und traf eine folgenreiche Entscheidung, ohne sich mit Adam abzustimmen.

Nicht ohne Grund spricht das Neue Testament sieben Mal von dieser Unterordnung der Frau (1. Kor 14,34; Eph 5,22.24.33; 1. Tim 2,11; Tit 2,5; 1. Pet 3,1). In drei Abschnitten geht es dabei konkret um die Ehe. Im Epheserbrief ist der Maßstab für die Unterordnung die Beziehung der Versammlung zu Christus. Im 1. Petrus-Brief ist die Unterordnung besonders ein Zeugnis für den – ungläubigen – Ehemann. Hier im Kolosserbrief geht es darum, dass Unterordnung sich im Herrn geziemt. Hier wird alles mit dem Herrn verbunden.

Sich geziemen im Herrn

Frauen sollen sich nicht deshalb unterordnen, weil sie schwächer sind als Männer, sondern weil es sich so im Herrn geziemt. Der Herr möchte es so haben. Tun sie es, machen sie ihrem Herrn Freude. Paulus gibt hier auch kein Maß an, in dem die Unterordnung erfolgen soll. Es geht vielmehr darum, dass die Unterordnung der Frau etwas ist, das sich im Herrn so gehört.

Etwas, das sich geziemt ist etwas, das sich so gehört oder das angemessen ist. Das Wort kommt außer in unserem Vers noch in Epheser 5,4 und Philemon 1,8 vor. Es beschreibt etwas, das einem anderen zusteht. In diesem Zusammenhang wird auf den Herrn verwiesen. Es ist nicht „in Christus“, sondern „im Herrn“. Wenn es um unsere Stellung geht, dann ist sie „in Christus“. Wenn es um unsere Verantwortung geht, dann ist sie „im Herrn“. Er ist die höchste Autorität, der wir uns zu unterwerfen haben.

Unterordnung ist heute kaum noch angesagt. Für christliche Frauen ist es im aktuellen gesellschaftlichen Umfeld nicht einfach, dieser Anweisung Folge zu leisten. Eine Frau, die das tut, braucht Kraft und Durchhaltevermögen, um gegen den Strom gängiger Meinungen zu schwimmen. Die Erinnerung, dass es sich im Herrn geziemt, wird ihr dabei helfen. Sie gehorcht damit einem ausdrücklichen Gebot des Herrn oder – wenn sie es nicht tut – ist Ihm ungehorsam.

Darüber hinaus werden die Worte „im Herrn“ die Frau gleichzeitig davor bewahren, sich ihrem Mann in solchen Dingen unterzuordnen, die ausdrücklich gegen den Willen Gottes sind. Die Unterordnung unter den Mann darf nie so weit gehen, dass eine Frau deshalb in Böses einwilligt.

Die Unterordnung unter den Mann bedeutet nicht, dass eine Frau ihre geistlichen Gaben und Fähigkeiten, die sie von dem Herrn bekommen hat, nicht ausüben kann. Im Gegenteil. Die Unterordnung unter den Mann schränkt eine Frau nicht ein (vgl. die tüchtige Frau in Sprüche 31). Die Bibel zeigt uns Beispiele von Frauen, die deutlich geistlicher waren als ihr Mann und die dennoch nicht unabhängig, sondern in Unterordnung unter ihren Mann handelten und seine Autorität anerkannten. Ein Beispiel ist Sara in 1. Mose 21. Sie war in der Frage von Ismael einsichtsvoller als Abraham und forderte ihn auf, dass er die Magd hinaustreiben sollte (1. Mo 21,10). Anders als Eva handelte sie nicht eigenmächtig, sondern überließ das Abraham. Ihre Aufforderung fand Gottes Zustimmung (1. Mo 21,12). Ein weiteres Beispiel ist die Frau aus Sunem in 2. Könige 4. Sie hatte die geistlichen Gedanken, handelt jedoch jeweils in Abstimmung mit ihrem Mann und nicht eigenmächtig.

Kolosser 3,19: Ihr Männer, liebt eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie.

Liebt eure Frauen

Mit dieser Aufforderung entspricht Gott einem Grundbedürfnis jeder Frau und begegnet gleichzeitig einer großen Schwäche vieler Ehemänner. Im Epheserbrief spricht Paulus deutlich ausführlicher über die Aufgaben des Mannes in der Ehe und gibt weitere Erklärungen über die Liebe des Mannes zu seiner Frau. Das große Beispiel für den Mann ist das Verhalten von Christus seiner Versammlung gegenüber. Ein Mann soll seine Frau nicht nur lieben, sondern er soll sie nähren und pflegen (Eph 5,29). Petrus spricht davon, dass der christliche Ehemann seiner Frau Ehre gibt und bei ihr als dem schwächeren Gefäß wohnt (1. Pet 3,7). Hier im Kolosserbrief reduziert Paulus die Anweisungen auf ein wesentliches Minimum. Der Mann soll seine Frau lieben und nicht bitter gegen sie sein.

In allen drei Abschnitten, die über die Pflicht des Ehemannes sprechen, wird die Liebe erwähnt. Sie ist das Hauptbedürfnis einer Frau. Sie will vor allem geliebt werden. Leider entsprechen viele Ehemänner diesem Grundbedürfnis ihrer Ehefrau nicht. Hier erkennen wir einen Problembereich vieler Ehen, der seine Ursache in dem Sündenfall findet. Gott sagte nämlich zu Eva: „... nach deinem Mann wird dein Verlangen sein, er aber wird über dich herrschen“. Die Frau sehnt sich nach Liebe und nach Zuwendung, bekommt aber häufig etwas, das völlig entgegengesetzt ist.

Die Liebe, von der hier die Rede ist, ist keine menschliche Zuneigung. Es ist nicht die jugendliche Verliebtheit, die durchaus ihren Stellenwert in der Beziehung von Mann und Frau hat. Es ist auch nicht die Liebe, die sich darauf gründet, dass der andere sich liebenswert verhält oder Charaktereigenschaften zeigt, die anziehend sind. Diese Liebe spielt selbstverständlich in der Ehe eine große Rolle, aber hier geht es um etwas anderes. Das griechische Wort ist „Agape“ – bekannt als die göttliche Liebe. Es ist in der Tat das Wort, das an fast allen Stellen im Neuen Testament gebraucht wird, wo es um die Liebe Gottes geht4.

Seine Frau so zu lieben, wie es hier steht, geht deutlich weiter als Sympathie für sie zu empfinden. Es ist eine bedingungslose und fürsorgliche Liebe, die bereit ist, selbst zu verzichten und Opfer für andere zu bringen. Wahre Liebe ist erstens selbstlos und zweitens gibt sie. Das große Beispiel für diese Liebe ist Gottes Liebe zu uns und die Liebe unseres Herrn. Gott hat seine Liebe bewiesen, indem Er das größte Opfer überhaupt gebracht hat – seinen Sohn. Der Herr Jesus hat seine Liebe bewiesen, indem Er sich selbst für uns hingegeben hat. Diese Liebe wird – wenngleich in einem anderen Zusammenhang – in 1. Korinther 13 beschrieben. Dieses Kapitel zeigt uns, wie sich Liebe äußert – und das ist für die Ehe durchaus anzuwenden.

Johannes schreibt: „Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit“ (1. Joh 3,18). Die Liebe des Mannes zu seiner Frau beschränkt sich nicht darauf, dass er ihr seine Liebe bezeugt (obwohl das gesprochene Wort durchaus seinen Wert hat). Entscheidend ist nicht, was der Ehemann sagt, sondern was er tut. Die Liebe des Mannes zu seiner Frau zeigt sich in dem, was er seiner Frau an tätiger Wertschätzung entgegenbringt.

Man kann diese kurze Aufforderung unter drei Gesichtspunkten überdenken:

  1. Der Mann soll seine Frau lieben, d.h. es gibt in seinem Leben auf dieser Erde nichts Wichtigeres als seine Ehefrau5. Sie muss die höchste Priorität in seinem Leben haben und nicht irgendwelche anderen Dinge, wie z.B. der Beruf oder sein Hobby.
  2. Der Mann soll seine Frau lieben. Das Gegenstück zu Liebe muss nicht unbedingt Hass sein (es bleibt zu hoffen, dass kein Ehemann seine Ehefrau hasst), sondern es kann auch Gleichgültigkeit sein. In Ehen, wo Mann und Frau nebeneinanderher laufen, kann sich schnell Indifferenz breit machen.
  3. Der Mann soll seine Frau lieben. Seine Liebe soll sich nicht einer anderen Frau zuwenden, mit der er eine geistig/geistliche, seelische oder gar körperliche Beziehung aufbaut und pflegt.

Die Aufforderung an den Mann, seine Frau zu lieben, hängt eng mit der Aufforderung an die Frau zusammen, sich ihrem Mann unterzuordnen und ist doch gleichzeitig unabhängig davon zu sehen. Ein Mann, der der Aufforderung zur Liebe nachkommt, macht es seiner Frau leicht, sich ihm unterzuordnen. Eine Frau, die sich ihrem Mann unterordnet, macht es ihm leicht, sie zu lieben. Wenn es ein solches „Hand-in-Hand“ in der Ehe gibt, dann wird sie von Harmonie und Frieden gekennzeichnet. Dennoch ist das Verhalten des einen keine Voraussetzung für das Verhalten des anderen. Jeder wird für sich aufgefordert, seiner Verantwortung nachzukommen. Selbst wenn die Ehefrau sich nicht unterordnet, bleibt die Aufforderung an den Mann, seine Frau zu lieben.

Seid nicht bitter gegen sie

Bitterkeit ist eine Gefahr, die im zwischenmenschlichen Leben nicht unterschätzt werden darf. Hebräer 12,15 spricht von einer „Wurzel der Bitterkeit“ und Apostelgeschichte 8,23 vergleicht die Bitterkeit mit Galle. Bitter zu sein oder sich zu erbittern bedeutet, dass jemand hart, unnachgiebig und ärgerlich wird. Wer bitter gegen einen anderen ist, ist häufig launenhaft, unbeherrscht und unbarmherzig. Offenbarung 8,11 spricht von bitteren Wassern, deren Genuss tödlich sein konnte. Wasser soll ein Grundbedürfnis des Menschen stillen. Hier führt es jedoch zum Tod. Übertragen auf die Ehe besteht die Gefahr, dass Männer die Bedürfnisse ihrer Frau ignorieren. Bitterkeit kann dann – im übertragenen Sinn – zum Tod einer Ehe führen. Das Heilmittel dazu ist die Person des Herrn Jesus selbst.6

Der Ehemann steht in der besonderen Gefahr, gegen seine Frau bitter zu werden. Er kommt vielleicht gestresst nach Hause und lässt seine schlechte Laune an seiner Frau aus. Die Ehefrau soll „Blitzableiter“ sein, obwohl Gott sie dazu nicht gegeben hat.

Deshalb ist diese Ermahnung angebracht. Ehemänner sollten sich vor jeder Launenhaftigkeit, Rücksichtslosigkeit, Härte, Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit warnen lassen. Es sind alles „Triebe“ der alten Natur, die nicht zu dem neuen Leben passen, das wir besitzen. Eine Frau hat – ihrer Natur entsprechend – oft zartere Empfindungen als ihr Mann. Der Mann kann das oft nicht nachempfinden und steht in Gefahr, dass er diese Empfindungen seiner Frau zertritt (vielleicht ohne es zu merken). Gerade die Andersartigkeit von Mann und Frau kann sehr leicht eine solche Bitterkeit hervorbringen und wachsen lassen, weil der Mann sich keine Mühe gibt, seine Frau in seiner Andersartigkeit zu verstehen und anzunehmen. Ein Mann, der seine Frau wirklich liebt, wird sich jedoch nicht zur Bitterkeit hinreißen lassen, denn Liebe lässt sich nicht erbittern (1. Kor 13,5). Sollte Bitterkeit dennoch vorkommen, ist es wichtig, sie sofort zu entfernen, damit sich gar nicht erst eine Wurzel der Bitterkeit festsetzt.

Kolosser 3,20: Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem, denn dies ist wohlgefällig im Herrn.

Ihr Kinder

Zweimal in den Briefen des Neuen Testamentes werden Kinder unmittelbar angesprochen. Das betrifft die Kinder in Kolossä und in Ephesus (vgl. Eph 6,1). Dieser Umstand ist durchaus bemerkenswert. Er macht deutlich, dass Paulus offensichtlich davon ausging, dass die Kinder beim Vorlesen des Briefes in der Zusammenkunft anwesend waren. Sie mögen bis zu diesem Augenblick wenig von dem Vorgelesenen verstanden haben. Doch was Paulus jetzt schreibt, konnte auch ein kleineres Kind bereits verstehen. Wir lernen daraus erstens, dass es gut ist, wenn Kinder in den Zusammenkünften anwesend sind. Wir lernen zweitens, dass die redenden Brüder darauf achten sollten, dass die Kinder zumindest etwas für sich mit nach Hause nehmen können.

Was Paulus den Kindern zu sagen hat, galt offensichtlich den Kindern, die noch im Haus ihrer Eltern waren. Die Pflicht zum Gehorsam, die deutlich unterstrichen wird, gilt nicht für erwachsene und eigenständige Kinder. Sie gilt Kindern, die sich noch im Elternhaus unter der Obhut ihrer Eltern befinden. Erwachsene Kinder sind wohl gehalten, ihre Eltern zu ehren (Eph 6,2), nicht jedoch ihnen zu gehorchen. Spätestens dann, wenn Kinder heiraten, haben Eltern ihnen keine Anweisungen mehr zu geben7.

Obwohl die Aufforderung zu gehorchen hier konkret den Kindern gilt, gibt es auch für die Eltern darin eine Verantwortung. In 1. Timotheus 3,4 ist von einem Aufseher die Rede, der seine Kinder in Unterwürfigkeit (Unterordnung) hält. Es ist die Aufgabe der Eltern, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Kinder es leicht haben, Gehorsam zu lernen. Weil Kinder von Natur aus ungehorsam sind, ist das keine leichte Aufgabe. Es kostet Zeit und Energie.

Die Aufforderung widerspricht den Theorien moderner Erziehungswissenschaftler. Dennoch ist sie Gottes erklärter Wille. Antiautoritäre Erziehung ist antibiblische Erziehung. Gott hat den Eltern Autorität gegeben. Es ist die Pflicht der Kinder, sich dieser Autorität unterzuordnen. Tun sie es, wird es zu ihrem Segen sein. Tun sie es nicht, werden sie Schaden erleiden.

Gehorsam in allem

Die Aufforderung ist klar und unmissverständlich. Paulus erklärt hier den Grundsatz des Gehorsams der Kinder. Er ist „in allem“. Gehorsam soll beständig und umfassend sein. Es handelt sich um eine grundsätzliche innere Haltung des Kindes. In Epheser 6,1 ist der Gehorsam „im Herrn“. Das schränkt den Gehorsam zumindest insoweit ein, als dass ein Kind – in dem speziellen Fall wo die Eltern etwas fordern, das gegen Gottes Willen ist – Gott mehr gehorchen muss als seinen Eltern. Dieser Zusatz fehlt hier.

Von Natur sind Kinder nicht gehorsam. Sie werden in Sünde geboren und gehören zu den „Söhnen des Ungehorsams“ (Eph 2,2; 5,6; Kol 3,6). Ungehorsam ist darüber hinaus ein Kennzeichen der letzten Tage (2. Tim 3,2). Deshalb ist diese Aufforderung unbedingt nötig.8

Das Wort Gehorsam bezeichnet das Hören und Befolgen eines Untergeordneten gegenüber dem, der ihm übergeordnet ist. Es geht um die Bereitschaft zuzuhören und die Anweisung zu befolgen. Insofern geht Gehorsam weiter als Unterordnung. Wir finden diese Aufforderung deshalb wohl in Vers 22 bei den Knechten (Sklaven), nicht jedoch bei der Ehefrau. Sie ist ihrem Mann zwar untergeordnet, jedoch niemals seine Befehlsempfängerin.

Es geht bei dieser Anweisung nicht darum, ob ein Kind versteht, warum ein bestimmtes Gebot gegeben wird. Bei heranwachsenden Kindern ist es in jedem Fall gut, wenn wir Gebote begründen und erklären. Es ist anzustreben, dass Kinder mit Einsicht und Liebe gehorchen. Trotzdem ist das hier nicht der Punkt. Gehorsam ist auch dann eine Pflicht, wenn ein Kind die Anweisung nicht versteht. Noch viel weniger ist erforderlich, dass das Kind das Gebot gut findet.

Gehorsam ist eine Lektion für das ganze Leben. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder früh im Haus der Eltern den Gehorsam lernen. Die Bekehrung ist nicht nur ein Akt des Glaubens, sondern ebenfalls eine Folge des Gehorsams (Apg 17,30; 2. Thes 1,8). Kinder, die zu Hause den Gehorsam lernen, haben es leichter, sich zu bekehren. Und nicht nur das. Gehorsam begleitet uns das ganze Leben lang. Im Haus, in der Schule, in der Ausbildung, im Beruf, dem Staat gegenüber und auch in der Versammlung (vgl. Eph 5,21).

Dabei sollten Eltern sich jedoch vor der Gefahr hüten, wie Despoten aufzutreten, die ihre Kinder mehr oder weniger „dressieren“. Sinnlose Gebote und Verbote sollten vermieden werden. Eltern sind Erzieher und Bezugspersonen ihrer Kinder und lieben sie, sie sind in keinem Fall ihre „Herren“ oder „Sklaventreiber“. Das Verhältnis von Eltern zu Kindern ist völlig anders als das von „Herren“ und „Knechten“. Gott hat den Eltern die Autorität nicht gegeben, damit sie für ihre eigenen Machtziele missbraucht wird. So wie der Mann nicht über die Frau „herrschen“ soll, sollen Eltern das nicht über ihre Kinder tun.

Von J.N. Darby soll folgende Aussage stammen: „Rebellion ist ein zerstörender Grundsatz. Gehorsam und Unterwürfigkeit sind die heiligenden Prinzipien der Menschheit. An deren Missachtung hat sich die Sünde entzündet. Unter deren Beachtung wird im Tausendjährigen Reich die Menschheit wieder gesunden“.9

Für Gott ist Gehorsam jedenfalls sehr wichtig. Wir denken an die Worte Samuels an Saul: „Hat der Herr Gefallen an Brandopfern und Schlachtopfern, wie daran, dass man der Stimme des Herrn gehorcht? Siehe, Gehorchen ist besser als Schlachtopfer, Aufmerken besser als das Fett der Widder“ (1. Sam 15,22).

Mut machende Beispiele

Ein sehr schönes Beispiel für den Gehorsam liefert uns die Geschichte Josephs. Er hatte offensichtlich gelernt, seinem Vater zu gehorchen. Als der Auftrag an ihn erging, zu seinen Brüdern zu gehen, gab es keine Widerrede. Joseph folgte umgehend und er erfüllte den Auftrag seines Vaters komplett.

Das vollkommene Beispiel ist allerdings unser Herr Jesus. In allem hat Er das getan, was sein himmlischer Vater Ihm auftrug. Er tat es nicht nur umgehend und vollständig, sondern Er tat es jederzeit bereitwillig und von Herzen10. Sein Gehorsam war immer ein Gehorsam aus Liebe (vgl. Joh 14,31). Dennoch lesen wir von Ihm, dass Er den Gehorsam lernte (Heb 5,8). Der Grund dazu war allerdings ein anderer als bei unseren Kindern. Unsere Kinder lernen zu gehorchen, weil sie von Natur aus ungehorsam sind. Jesus lernte als Mensch den Gehorsam, weil Er als Gott nie zu gehorchen hatte. Für Ihn war es eine neue Erfahrung, als Mensch auf dieser Erde seinem Gott zu gehorchen. Dennoch ist sein Gehorsam beispielhaft für jedes Kind Gottes.

Wohlgefällig im Herrn

Es heißt hier nicht – wie in Epheser 6,1 – dass die Kinder im Herrn gehorchen sollen, sondern dass der Gehorsam wohlgefällig ist im Herrn. Im Herrn zu gehorchen bedeutet erstens, dass der Herr selbst das Vorbild für den Gehorsam der Kinder ist. In der Tat war Er seinen Eltern „untertan“. Der Herr Jesus ist zweitens der Beweggrund für den Gehorsam. Wer Ihn liebt, wird seinen Eltern gehorchen. Drittens ist der Herr die Grenze des Gehorsams, d.h. die Pflicht zum Gehorsam entfällt, wenn Eltern etwas fordern, das gegen seinen Willen ist. In unserem Vers liegt die Betonung etwas anders. Hier wird der Gehorsam der Kinder als etwas gezeigt, das im Herrn wohlgefällig ist.

Etwas, das wohlgefällig ist, ist angenehm. In Römer 12,1 beschreibt das Wort ein Opfer, an dem Gott Freude hat (vgl. Phil 4,18). In Römer 14,18 ist von einem „wohlgefälligen Dienst“ die Rede. In Epheser 5,10 werden wir aufgefordert zu prüfen, was dem Herrn „wohlgefällig“ ist und in Titus 2,9 sollen die Knechte in allem wohlgefällig sein.

Der Herr als die höchste Autorität schaut vom Himmel auf die Kinder herab. Wenn Er gehorsame Kinder sieht, freut Er sich darüber. Der Gehorsam findet seine besondere Anerkennung. Im Epheserbrief ist ein solches Verhalten „recht“ oder „richtig“. Hier geht es weiter. Es findet das ausdrückliche Lob unseres Herrn. Das ist ein besonderes Motiv zum Gehorsam.

Kolosser 3,21: Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit sie nicht mutlos werden.

Kinder nicht reizen

Nun werden die Väter angesprochen. Sie haben eine besondere Autorität und damit verbunden eine besondere Verantwortung. Mütter haben zwar einen besonders starken Einfluss auf die Kinder, weil sie normalerweise deutlich mehr Zeit mit ihnen verbringen. Dennoch trägt der Vater die Hauptverantwortung für die Erziehung der Kinder (vgl. Apg 7,20). Dieser Verantwortung sollte sich kein Vater entziehen.

Gerade die Position der Autorität den Kindern gegenüber kann leicht dazu führen, dass die Kinder gereizt werden. Im Epheserbrief konkretisiert Paulus das: „Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Zucht und Ermahnung des Herrn“ (Eph 6,4). Der Zusatz „zum Zorn“ fehlt hier genauso wie der Hinweis, Kinder in der Zucht und Ermahnung des Herrn zu erziehen“. Paulus weist hier lediglich darauf hin, dass die Väter ihre Kinder nicht reizen sollen.

Das Wort „reizen“ ist positiv wie negativ belegt. In 2. Korinther 9,2 wird damit das Verhalten der Gläubigen beschrieben, die durch den Eifer anderer angespornt wurden. Hier ist die Bedeutung eindeutig negativ. Väter sollen ihre Kinder wohl erziehen, aber nicht reizen. Reizen bedeutet hier so viel wie erbittern, verärgern, provozieren, kränken oder herausfordern. Stattdessen sollen Väter ihren Kindern – bei aller Autorität, die sie haben – in herzlicher Liebe begegnen. Kinder gleichen zarten Pflanzen, die gepflegt werden müssen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, unsere Kinder zu reizen und zu provozieren. Dazu zählen unter anderem:

  • Der Missbrauch von Autorität, indem die Position der Überlegenheit ausgenutzt wird. Ein Kind kann sich dagegen nicht wehren.
  • Das Überfordern der Kinder mit Befehlen und Anforderungen. Es ist richtig, dass wir unsere Kinder fordern. Dennoch sollten wir sie nie überfordern.
  • Die Launenhaftigkeit, die das Kind nicht einschätzen und bewerten kann.
  • Die mögliche Ironie, die – besonders ein kleineres Kind – ebenfalls nicht nachvollziehen kann.
  • Die offensichtliche Unbeherrschtheit und Ungerechtigkeit. Kinder verstehen nicht, wenn der Vater sich in ähnlichen Situationen völlig unterschiedlich verhält. Noch viel weniger verstehen sie, wenn Väter ein Kind ganz anders behandeln als ein anderes Kind.
  • Öffentliche und unangemessene Kritik und fehlendes Lob und Motivation.
  • Die Weigerung, heranwachsenden Kindern entsprechend Freiräume zu geben, die sie zur Entwicklung unbedingt nötig haben.

Das große Vorbild für einen irdischen Vater ist der himmlische Vater in seinem Umgang mit uns. Davon sollen wir lernen.

Mutlos werden

Gereizte Kinder werden mutlos, d.h. sie verlieren jede Motivation. Wir kennen das alle aus dem Berufsleben, wo ein ständiges Provozieren durch den Vorgesetzten demotiviert und die Leistung sinkt. Das Wort „mutlos“ kommt nur an dieser Stelle vor. Es bedeutet so viel wie „entmutigt“ oder „verzagt“ zu sein. Die Folge davon wird eine Entfremdung zwischen Vater und Kind sein, die in vielen Fällen kaum noch zu beseitigen ist.

Statt Kinder zu entmutigen, sollten wir vielmehr vorsichtig mit ihnen umgehen. Wir dürfen besonders bei kleinen Kindern den Schutzwall nicht zerstören, den Gott ihnen gegeben hat. Kinder sind nicht vollkommen. Aber Väter sind es auch nicht. Wir sollten mehr daran denken, wie viel Geduld und Langmut unser himmlischer Vater mit uns hat. Wenn wir nur die Fehler unserer Kinder auflisten und sie ihnen immer wieder vorhalten, verlieren sie nicht nur den Mut, sondern zugleich das Vertrauen, das sie in uns haben.

Berufliche Beziehungen – Knechte und Herren (Kolosser 3,22–4,1)

Nachdem Paulus über das Verhältnis von Frauen und Männern sowie von Kindern und Eltern (Vätern) gesprochen hat, wendet er sich nun einer dritten Beziehung zu. Es geht um Knechte und um Herren, d.h. um das Berufsleben des Christen.

Kolosser 3,22: Ihr Knechte, gehorcht in allem euren Herren nach dem Fleisch, nicht in Augendienerei, als Menschengefällige, sondern in Einfalt des Herzens, den Herrn fürchtend.

Knechte und Herren

Das Wort „Knecht“ bedeutet wörtlich Sklave. Es beschreibt jemanden, der mit Leib und Seele einem anderen (seinem Herrn) gehört. Ein solcher Sklave hatte damals keine eigenen Rechte und keinen eigenen Willen. Er war ein Leibeigener seines Herrn und musste tun, was dieser sagte. Das Neue Testament gebraucht ein weiteres Wort, das häufig mit „Diener“ übersetzt wird. In Matthäus 20,26–27 werden beide Worte nebeneinander gestellt. Ein Diener handelt mit einer gewissen Einsicht, während ein Knecht (Sklave) nur aus Gehorsam handelt11.

Der Sklave stand damals auf der untersten Stufe der sozialen Leiter. Er wurde nicht als „Person“, sondern vielmehr als eine „Sache“ angesehen. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass manche Sklaven hochqualifizierte Aufgaben, wie z.B. die eines Lehrers, wahrnahmen. Es gab gebildete Sklaven. Dennoch waren und bleiben es Sklaven.

Das Wort „Herr“ wird gebraucht, um eine Person zu beschreiben, die über Autorität verfügt und absolute Besitzansprüche hat. Es ist das Wort, das ebenfalls benutzt wird, um den Autoritäts- und Herrschaftsanspruch des Herrn Jesus anzuzeigen. Der Ausdruck „Herren nach dem Fleisch“ zeigt, dass es um die irdische Autoritätsperson geht. Sie steht in einem gewissen Gegensatz zu dem „Herrn im Himmel“ (Kol 4,1), der jedenfalls die höchste Autorität besitzt.

Sklaverei in den Augen Gottes

Die Beziehung zwischen Mann und Frau resultiert aus der Schöpfung, d.h. sie war vor dem Sündenfall von Gott selbst gegeben. Die Beziehung von Eltern zu ihren Kindern resultiert unmittelbar aus der Zeit nach dem Sündenfall. Es war Gott, der Adam und Eva Nachkommen gab. Von der Existenz von Knechten (und Herren) lesen wir jedoch zunächst nichts.

Die Arbeit selbst stammt aus dem Paradies (1. Mo 2,15.19). Adam sollte den Garten bebauen und bewahren (manuelle Arbeit) und den Tieren Namen geben (intellektuelle Arbeit). Nach dem Sündenfall verband sich die Arbeit allerdings mit Schweiß und Mühe (1. Mo 3,19). Das war vorher nicht der Fall. Erst deutlich später – nach der großen Flut – lesen wir von Knechten. Noah sagte von seinem Nachkommen: „Gepriesen sei der Herr, der Gott Sems; und Kanaan sei sein Knecht!“ (1. Mo 9,26). Wir können sicher sein, dass diese Beziehung von Knechten und Herren nie Gottes Absicht war. Der Mensch ist im Bild und im Gleichnis Gottes geschaffen (1. Mo 1,26) und es ist nicht sein Wille, dass ein Mensch der Eigentümer eines anderen Menschen sein sollte. Dennoch erkennt Gott dieses Verhältnis – als eine Folge des Sündenfalls – an.

Selbst in der christlichen Zeit des Neuen Testamentes gibt es keine Aufforderung, die Sklaverei abzuschaffen. Das Thema wird in den Briefen häufig behandelt (1. Tim 6,1; Titus 2,9f; 1. Pet 2,18ff; Epheser 6,5ff und hier). An keiner Stelle werden die Sklaven jedoch aufgefordert, gegen ihr Los zu rebellieren oder es mit Gewalt abzuwerfen. Wenn sie frei werden konnten, dann sollten sie die Chance nutzen, wenn nicht, sollten sie es so belassen, wie es war (1. Kor 7,21–24).

Das Christentum ändert nicht die Beziehungen auf dieser Erde oder schafft sie ab, sondern es verändert die Menschen, die in diesen Beziehungen leben. Es ist nicht unsere Aufgabe, gesellschaftliche Strukturen zu verändern oder zu verbessern. Es macht keinen Sinn, etwas verbessern zu wollen, was nicht zu verbessern ist und was Gott sehr bald dem Gericht übergeben wird. Ein Sklave sollte vielmehr in seinem Leben als Sklave zeigen, was es bedeutet, jetzt als Christ in dieser Beziehung zu leben. Durch sein Verhalten konnte er die Lehre über den Heiland-Gott zieren (Tit 2,10). Ein Sklave sollte – wie wir alle – als Licht in einer verdrehten und verkehren Welt scheinen (Phil 2,15).

Obwohl der gläubige Knecht mit Christus gestorben war und damit zur Auferstehungswelt gehörte, änderte das nichts daran, dass er in seiner Beziehung auf der Erde ein Sklave blieb. „In Christus“ gab es zwischen einem gläubigen Sklaven und seinem gläubigen Herrn keinen Unterschied (1. Kor 12,13; Gal 3,28; Eph 5,8; Kol 3,11). Dennoch bleiben die irdischen Beziehungen erhalten.

Welche Lektion ziehen wir nun aus den Anweisungen für die Knechte und die Herren? Wir sind dankbar, dass die Sklaverei in der westlichen Welt seit vielen Jahrhunderten abgeschafft ist12. Dennoch können wir diese Verse auf unser Berufsleben anwenden. Sie zeigen uns etwas von der Verantwortung, die wir als Arbeitnehmer und Arbeitgeber, als Untergebene und als Vorgesetzte haben. Dennoch müssen wir das mit einer gewissen Vorsicht tun. Damals gab es keine freiwilligen vertraglichen Vereinbarungen. Es gab keinen Kündigungsschutz und es gab kein Kündigungsrecht. Die Situation ist nur bedingt vergleichbar. Dennoch helfen uns die Verse, unser Berufsleben besser nach Gottes Gedanken zu gestalten. Viele von uns verbringen einen großen Teil ihrer wachen Zeit am Arbeitsplatz. Das gibt uns besondere Gelegenheit, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein, indem wir unseren Mitmenschen zeigen, wie ein Christ sich richtig und korrekt verhält.

Gehorcht in allem

Das ist die erste Aufforderung für einen Sklaven. Sie sollen gehorchen, so wie die Kinder ihren Eltern gehorchen sollen. Jemand, der gehorcht, befindet sich unter der Autorität eines anderen, der ihm etwas sagt. Er hört und befolgt die Anweisungen, die ihm gegeben werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob er den gegebenen Auftrag gern oder ungern ausführt. Es spielt keine Rolle, ob der Auftraggeber ihm angenehm ist oder nicht. Petrus schreibt den Hausknechten: „Ihr Hausknechte, ordnet euch den Herren in aller Furcht unter, nicht allein den guten und milden, sondern auch den verkehrten“ (1. Pet 2,18). Jemand, der mit Christus gestorben und auferweckt ist, hat nun die Kraft, so zu leben und zu gehorchen, wie Gott es möchte und das auch bei den unangenehmen Vorgesetzten.

Der Gehorsam wird nun näher beschrieben:

  • „In allem“: Hier wird nichts eingeschränkt, obwohl natürlich der Grundsatz gilt, dass man Gott mehr gehorchen muss als Menschen (Apg 5,29). Wenn etwas verlangt wird, das ausdrücklich gegen Gottes Gebote ist, entfällt die Pflicht zum Gehorsam. W. Kelly macht hier folgende Anmerkung: „Wir sehen, dass die im Kolosserbrief angeführten Fälle sämtlich ohne Einschränkung sind. Im Epheserbrief ist das anders, denn dort wird auf Dinge hingewiesen, vor denen man auf der Hut sein muss. Ich möchte der Meinung Ausdruck geben, dass dies der glücklicheren und besseren Einstellung der Epheser zuzuschreiben ist. Sie bedurften nicht so sehr eines nachdrücklichen Hinweises auf ihre Pflicht, als vielmehr gewisser Warnungen. Die Kolosser hatten dagegen nötig, zum Gehorchen ermahnt zu werden“13.
  • Nicht in Augendienerei: Das Wort steht im Grundtext in der Mehrzahl und deutet an, dass es mehrere Möglichkeiten der Augendienerei gibt. Der Ausdruck steht sonst nur noch in Epheser 6,6. Er bedeutet, dass man nur dann etwas vernünftig tut, wenn man sich beobachtet fühlt und dass man nachlässt, wenn keine Aufsichtsperson mehr zugegen ist. Es geht hier um die innere Haltung, in der wir gehorsam sind. Vergessen wir darüber hinaus nicht, dass unser Herr im Himmel uns jederzeit bei der Arbeit zuschaut.
  • Nicht als Menschengefällige: Dieses Wort steht ebenfalls nur noch in Epheser 6,6, kommt auch nur hier und in Epheser 6 vor. Es beschreibt den Wunsch, dass jemand Menschen gefallen möchte, aber nicht Gott. Nun wollen wir unsere Arbeit ohne Frage zur Zufriedenheit unserer Vorgesetzten tun, dabei jedoch nie vergessen, dass wir alles im Namen unseres Herrn tun (Kol 3,17). Wer menschengefällig arbeitet, wird dem Maßstab Gottes niemals gerecht werden. Paulus fragt die Galater: „Denn suche ich jetzt Menschen zufrieden zu stellen oder Gott? Oder suche ich Menschen zu gefallen? Wenn ich noch Menschen gefallen wollte, so wäre ich Christi Knecht nicht“ (Gal 1,10).
  • In Einfalt des Herzens: Das bedeutet, dass wir keine doppelten Motive und Ziele haben. Ein einfältiges Herz kennt nur eine einzige Ausrichtung. Es geht um eine Herzenshaltung, die frei ist von niederen Motiven (vgl. Röm 12,8; 2. Kor 1,12; 9,2; 9,11; 11,3, Eph 6,5). Gemeint ist Aufrichtigkeit, Schlichtheit und Unzweideutigkeit. Einfalt des Herzens ist das Gegenteil von Heuchelei und Zwiespältigkeit (Mt 6,22; Lk 11,34). David sagte einmal: „Und ich weiß, mein Gott, dass du das Herz prüfst und Wohlgefallen hast an Aufrichtigkeit: Ich nun, in Aufrichtigkeit meines Herzens habe ich dies alles bereitwillig gegeben; und ich habe jetzt mit Freuden gesehen, dass dein Volk, das sich hier befindet, dir bereitwillig gegeben hat“ (1. Chr 29,17).
  • Den Herrn fürchtend: Hier ist nicht der „Herr nach dem Fleisch“, sondern der „Herr im Himmel“ gemeint. Furcht ist nicht Angst, sondern Ehrfurcht. Es geht um Respekt. Als „Sklaven Christi Jesu“ (1. Kor 7,22) haben wir es nicht nur mit unserem irdischen Vorgesetzten zu tun, sondern mit der höchsten Autorität im Himmel. Es geht alles um Christus. Wir tun unsere irdische Pflicht nicht nur im Blick auf den irdischen Herrn, sondern im Blick auf den Herrn im Himmel. Der Herr sieht uns immer. Deshalb haben wir eine höhere Verpflichtung, als nur unserem Herrn auf der Erde zu dienen.

Kolosser 3,23: Was irgend ihr tut, arbeitet von Herzen, als dem Herrn und nicht den Menschen.

Für den Herrn arbeiten

Obwohl dieser Vers sehr allgemein gehalten ist und deshalb allgemein angewandt werden kann, zeigt der Zusammenhang, dass es vornehmlich um berufliche Aktivitäten geht. Das „Tun“ beschreibt allgemein eine Tätigkeit. Wie sie inhaltlich ausgestaltet ist, kann sehr unterschiedlich sein. Es kann eine einfach manuelle Tätigkeit oder eine hochqualifiziert geistige Arbeit sein. Für jede Art der beruflichen Arbeit gilt das, was dieser Vers sagt. Die Tatsache, dass wir etwas „von Herzen“ (oder von der Seele) tun zeigt an, wie wir etwas tun, nämlich mit einer inneren Überzeugung und nicht nur einer äußeren Pflicht genügend.

Es gibt Arbeiten, die uns Freude machen und motivieren. Es gibt Arbeiten, die uns langweilig erscheinen und die wir lieber meiden. Es gibt Dinge, die uns leicht von der Hand gehen und solche, die uns schwer fallen. Es gibt Aufgaben, die in der Gesellschaft angesehen sind und solche, die weniger angesehen oder sogar erniedrigend sind. Für jede Art der Arbeit gilt, dass wir sie so tun sollen, als ob wir direkt für unseren Herrn arbeiten würden. Paulus orientiert die Briefempfänger immer wieder auf den „Herrn“ – die höchste Autorität, die es gibt.

Dass wir „nicht den Menschen“ arbeiten sollen heißt nicht, dass wir nicht als Untergebene eine Verantwortung unseren Vorgesetzten gegenüber haben. Die haben wir ganz sicher. Wir sollen uns alle Mühe geben, unsere Aufgaben für unseren irdischen Arbeitgeber so gut wie möglich und mit Fleiß zu tun. Der Punkt ist, dass die höchste Autorität nicht der irdische Arbeitgeber, sondern der himmlische Herr ist.

Kolosser 3,24: da ihr wisst, dass ihr vom Herrn die Vergeltung des Erbes empfangen werdet; ihr dient dem Herrn Christus.

Die Vergeltung des Erbes

Paulus erinnert die Sklaven in Kolossä daran, dass sie etwas wussten. Dieses Wissen ist hier ein grundsätzliches Wissen, die Anerkennung einer ihnen bekannten Tatsache. Es geht nicht um ein Wissen, das man durch einen kürzeren oder längeren Prozess erlernt hat. Man ist sich eines Tatbestandes bewusst.

Wieder ist es der Herr im Himmel, der etwas tut. Er gibt die Verheißung des Erbes. Diese Sklaven damals wussten das, weil sie es vermutlich vorher schon gehört hatten. Es war ihnen nicht unbekannt. Dennoch wurden sie zu ihrer Ermutigung daran erinnert.

Manche Sklaven mochten damals nicht nur generell ungerecht behandelt, sondern auch ungerecht bezahlt werden. Bis heute ist es so, dass ein irdischer Arbeitgeber die Behandlung und Entlohnung nicht gerecht handhabt und Unterschiede macht. Dann wollen wir daran denken, dass es Vergeltung von unserem Herrn gibt. Ein voller und überströmender Lohn wartet auf uns. Diese Vergeltung muss uns etwas wert sein. Sie darf uns nicht gleichgültig sein. Vergessen wir nicht, dass derjenige, der den Lohn missachtet, den Geber missachtet.

Ein Knecht muss keinen Dank von seinem irdischen Herrn erwarten (Lk 17,7–10). Es mag sein, dass er ihn bekommt. Ein Recht dazu hat er nicht. Ein irdischer Herr wird ganz sicher sein Erbe nicht mit einem Sklaven oder einen Untergebenen teilen. Er wird vielmehr seine Kinder zu Erben einsetzen. Doch unser Herr im Himmel handelt anders. Dank und Lohn kommt von Ihm in der Vergeltung des Erben. Er selbst bekommt ein Erbe, das Er mit seinen Knechten teilt. Dieses Erbe wird an einem Ort ausgeteilt werden, wo nichts vergessen wird, was hier auf der Erde zu seiner Ehre getan worden ist. Dieses zukünftige Erbe ist unverweslich, unbefleckt und unverwelklich und wird in den Himmeln für uns aufbewahrt (1. Pet 1,4). Es dient hier als Motivation für uns, unsere tägliche Arbeit in Treue zu erfüllen. Materielle Arbeit auf dieser Erde zieht ein geistliches Erbe im Himmel nach sich. Das Erbe wird hier wie ein Lohn vorgestellt. Der Herr belohnt jede Arbeit, die wir getan haben. Das adelt die berufliche Tätigkeit. Wir sollten darüber niemals geringschätzend denken. Berufliche Aktivität ist ein Segen und eine Pflicht zugleich.

Das Wort Vergeltung kommt nur an dieser Stelle vor. Es beschreibt eine vollkommene und gerechte Kompensation, die jemand für sein Tun bekommt. Das Erbe bezieht sich auf das Teil, den der Gläubige einmal mit Christus im Tausendjährigen Reich teilen wird (Eph 1,11.14.18; 5,5; 1. Kor 6,9.10). Darin wird es Unterschiede geben. Das erkennen wir aus Lukas 19,11–27. Entsprechend der Treue auf der Erde wird das Erbe größer und kleiner ausfallen. Am Richterstuhl des Christus wird der Lohn ausgeteilt. Das Gute, das wir für unseren Herrn getan haben, wird dann belohnt werden (1. Kor 6,5).

Die Vergeltung kommt „vom Herrn“. Das bedeutet, dass Er die Quelle dieser Vergeltung ist. In Epheser 6,8 lesen wir: „da ihr wisst, dass, was irgend ein jeder Gutes tut, er dies vom Herrn empfangen wird, er sei Sklave oder Freier“. Dort steht allerdings eine andere Präposition. „Vom Herrn“ bedeutet dort, dass wir es aus seiner Hand empfangen werden. Hier im Kolosserbrief ist Er die Quelle. Es gibt eine unmittelbare Verbindung und Beziehung zwischen dem Geber und dem Empfänger. Unterstrichen wird das dadurch, dass vor „Herr“ kein Artikel steht. Das betont besonders die Autorität des Gebers und die Beziehung zwischen Empfänger und Geber.

Ihr dient dem Herrn Christus

Noch einmal unterstreicht Paulus diesen Gedanken, um die Sklaven in Kolossä in ihrem teilweise schwierigen und mühevollen Sklavendienst zu ermutigen. Sprachlich kann das zweierlei bedeuten. Man kann es erstens beschreibend oder zweitens auffordernd interpretieren. Wenn man es beschreibend versteht, ist es das Feststellen einer Tatsche. Wenn man es auffordernd versteht, hat es den Charakter einer Ermahnung. Der Zusammenhang zeigt, dass Paulus vermutlich an eine Tatsache erinnert. Die Knechte sollten nicht vergessen, dass sie letztlich nicht dem irdischen Herrn, sondern dem Herrn Christus dienten.

Der bescheidenste und geringste Dienst hier auf der Erde wird dadurch geadelt, dass es ein Dienst für Christus ist. Das ist Ermunterung und Ansporn für jeden, der im täglichen Einerlei des Berufslebens manchmal mutlos werden mag. Wir dienen nicht zuerst einem irdischen Herrn, sondern wir denken daran, dass wir einem himmlischen Herrn dienen.

Der Ausdruck „Herrn Christus“ ist ungewöhnlich. Er wird nur noch einmal in Römer 16,18 gebraucht, wo von Menschen die Rede ist, die nicht „unserem Herrn Christus“ dienen, sondern ihrem eigenen Bauch. Das Wort „Herr“ erinnert an Autorität. Das Wort „Christus“ erinnert an Beziehung. Es ist in der Tat eine besondere Bezeichnung, in der beide Seiten (Autorität und Beziehung) vor uns kommen.

Es ist wahr, dass diese Aussage zugleich für jeden Dienst gültig ist, den wir im Werk unseres Herrn tun. Dort dienen wir ebenfalls dem Herrn Christus und stehen Ihm zur Verfügung. Dennoch ist das nicht die eigentliche Belehrung dieses Verses.

Kolosser 3,25: Denn wer unrecht tut, wird das Unrecht empfangen, das er getan hat; und da ist kein Ansehen der Person.

Das Gesetz von Saat und Ernte

Paulus schreibt den Galatern: „Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6,7). Das ist ein Grundsatz der Regierung Gottes mit Menschen, auf den Paulus hier anspielt. Den Knechten in Ephesus hatte er geschrieben: „ ... „da ihr wisst, dass, was irgend ein jeder Gutes tut, er dies vom Herrn empfangen wird, er sei Sklave oder Freier“ (Eph 6,8). In diesem Vers wird es positiv ausgedrückt. Knechten in Kolossä zeigt er die Kehrseite. Beides gilt. Wer Gutes tut, wird Gutes ernten. Wer Böses tut, wird Böses ernten.

Unrecht tun meint einem anderen gegenüber etwas zu tun, was nicht gerecht ist, oder jemanden weh tun, ihn verletzen oder ihm zu schaden (vgl. z.B. Apg 7,26; 25,11; 2. Kor 7,2; Off 6,6). Etwas zu empfangen bedeutet, es zu bekommen oder zurückbekommen, wiederbekommen (vgl. z.B. Heb 10,36; 11,19; 1. Pet 1,9). Petrus benutzt das Wort in 2. Petrus 2,13: „ ... indem sie den Lohn der Ungerechtigkeit empfangen“.

Die Aussage scheint sich in erster Linie auf das zu beziehen, was am Richterstuhl des Christus stattfinden wird14. „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder empfange, was er in dem Leib getan hat, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“ (2. Kor 5,10). Dieser Vers verwendet für „empfangen“ das gleiche Wort wie hier.

Es ist eine Frage, ob sich diese Aussage ausschließlich auf die Sklaven bezieht oder ob sie sich ebenfalls auf die Herren bezieht. Da dieser Vers das Bindeglied zwischen den Ermahnungen an die Sklaven und denen an die Herren ist, können wir den Hinweis auf beide Personengruppen beziehen. Beide werden davor gewarnt, ein ungerechtes Verhalten an den Tag zu legen. Für beide besteht die Gefahr, Unrecht mit Unrecht zu vergelten. Wir haben kein Recht, so etwas zu tun.

Wenn ein Vorgesetzter sich ungerecht verhält, soll der Untergebene das Verhalten akzeptieren. Er mag mit seinem Vorgesetzten darüber reden. Er soll sich aber jedenfalls nicht dagegen auflehnen. Petrus schreibt den Hausknechten: „Denn dies ist wohlgefällig, wenn jemand um des Gewissens vor Gott willen Beschwerden erträgt, indem er zu Unrecht leidet. Denn was für ein Ruhm ist es, wenn ihr ausharrt, indem ihr sündigt und geschlagen werdet? Aber wenn ihr ausharrt, indem ihr Gutes tut und leidet, das ist wohlgefällig bei Gott. Denn hierzu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten, euch ein Beispiel hinterlassend, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt“ (1. Pet 2,19–21). Die Kraft dazu bekommen wir, wenn wir verwirklichen, dass wir mit Christus auferweckt sind.

Kein Ansehen der Person

Im Alten Testament gab es eine klare Anweisung Gottes: „Ihr sollt nicht unrecht tun im Gericht; du sollst nicht die Person des Geringen ansehen und nicht die Person des Großen ehren; in Gerechtigkeit sollst du deinen Nächsten richten“ (3. Mo 19,15). Hier ist es weniger eine Aufforderung, sondern vielmehr eine Feststellung. Paulus macht deutlich, dass das ungerechte Verhalten eines Menschen (egal in welch einer Position und Beziehung er sich befindet) das unparteiliche Gericht Gottes nach sich zieht. Obwohl hier nicht gesagt wird, bei wem kein Ansehen der Person ist, scheint sich die Aussage auf Gott zu beziehen. Der Ausdruck „kein Ansehen der Person“ ist im Grundtext ein Wort und wird noch in Römer 2,11, Epheser 6,9 und Jakobus 2,1 verwandt. Besonders der Vergleich mit den ersten beiden Referenzstellen zeigt, dass es hier um Gott gehen muss. Bei Gott gibt es keine Parteilichkeit. Seine Beurteilung ist absolut gerecht. Menschen verfallen immer wieder in die Schwäche, je nach Situation und Person unterschiedlich zu beurteilen. Gott tut das nicht.

J.N. Darby fasst die Hinweise an die Sklaven wie folgt zusammen: „... dem armen Sklaven wird Christus in besonderer Weise als eine Hilfsquelle vorgestellt. Er kann seinem Herrn, mag er gut oder schlecht sein, mit Treue, Sanftmut und Ergebenheit dienen; denn dadurch dient er dem Herrn selbst und ist sich dessen auch bewusst. Er wird seinen Lohn da finden, wo von dem, was zur Verherrlichung Christi getan worden ist, nichts vergessen wird, und wo Herren und Sklaven alle sich dem gegenüber befinden, bei dem kein Ansehen der Person ist“15.

Kolosser 4,1: Ihr Herren, gewährt euren Knechten das, was recht und billig ist, da ihr wisst, dass auch ihr einen Herrn im Himmel habt.

Ihr Herren

Dieser Vers gehört ohne Frage noch zu Kapitel drei und schließt die dort vorgestellten Gedanken ab. Am Ende von Kapitel 3 ging es um die Knechte (Sklaven), jetzt geht es um deren Herren.

Offensichtlich gab es unter den Gläubigen in Kolossä solche, die Paulus hier als „Herren“ anredet. In seinen Anweisungen an Titus spricht Paulus wohl über die Sklaven, nicht aber über die Herren (vgl. Tit 2,9–10). Es ist denkbar, dass es in den Versammlungen von Kreta keine gläubigen Herren gab. In Kolossä war das anders. Der Brief an Philemon ist dafür der Beweis.

Wie bei den Knechten (Sklaven) dürfen wir auch bei den Herren nicht vergessen, dass die Anweisungen unmittelbar für die damalige Zeit galten. Natürlich übertragen wir diese Anweisungen auf unser Arbeitsleben heute und denken an das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. Vorgesetzten und Mitarbeitern. Wir müssen es allerdings mit einer gewissen Vorsicht tun. Heute haben wir es mit einem beiderseitig und freiwillig eingegangenen Arbeitsverhältnis mit entsprechenden Rechten und Pflichten auf beiden Seiten zu tun. Das war damals anders.

Gewähren, was recht und billig ist

Herren sollten im Umgang mit ihren Knechten christliche Grundsätze befolgen. Sie werden – ebenso wie die Knechte – aufgefordert, sich korrekt zu verhalten. Knechte sollten damals wie heute wie Menschen behandelt werden, die Empfindungen und Bedürfnisse haben. Ein Herr soll nichts verlangen oder tun, was dem Geist, der Seele oder dem Körper des Knechts unmittelbaren Schaden zufügt. Wir bedenken, dass ein Knecht damals kein Recht darauf hatte, so behandelt zu werden, wie Paulus es vorschreibt. Dennoch erwartet Paulus von den gläubigen Herren ein solches Verhalten.

Die Aufforderung richtet sich an gläubige Herren, wobei es keine Rolle spielt, ob der Knecht ebenfalls gläubig ist oder nicht. Das Verhalten des Arbeitsgebers und Vorgesetzten ist dabei nicht von dem Prinzip der Gnade und Liebe geprägt, die Betonung liegt vielmehr auf einem gerechten Verhalten.

Jemanden etwas zu gewähren bedeutet, es ihm zu geben oder anzubieten (vgl. z.B. Lk 6,29; Apg 17,31; 1. Tim 5,17). Der Arbeitgeber und Vorgesetzte hat dem Arbeitnehmer und Mitarbeiter gegenüber eine gewisse Sorgfaltspflicht, der er nicht aus Zwang, sondern aus gutem Willen nachkommt. Er soll ihm eine faire Behandlung geben und ihm mit dem versorgen, was er gerechterweise verdient. Er soll ihn nicht ausbeuten, so wie es damals häufig geschah. Jakobus schreibt dazu: „Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder abgemäht haben, der von euch vorenthalten worden ist, schreit, und das Geschrei der Schnitter ist zu den Ohren des Herrn Zebaoth gekommen“ (Jak 5,4).

Paulus beschreibt das korrekte Verhalten der Herren mit zwei Ausdrücken:

  • Recht: Gemeint ist ein Verhalten, das gerecht ist und zwar nicht nur in den Augen der Menschen, sondern vor allem in den Augen Gottes. Das Wort wird im Neuen Testament häufig gebraucht. Die Herren der Knechte sollten nicht denken, dass alle Rechte allein bei ihnen lägen und alle Pflichten bei den Knechten. Sie sollten vielmehr ihre eigenen Pflichten sehen und ihnen nachkommen.
  • Billig: Gemeint ist ein Verhalten, das nicht willkürlich ist. Das Wort kann mit „Gleichheit“ oder „Gleichmäßigkeit“ übersetzt werden. Paulus benutzt es nur noch zweimal in 2. Korinther 8,13–14: „Denn nicht damit andere Erleichterung haben, ihr aber Bedrängnis, sondern nach der Gleichheit: In der jetzigen Zeit diene euer Überfluss für deren Mangel, damit auch deren Überfluss für euren Mangel diene, damit Gleichheit werde“. Gemeint ist nicht, dass ein gläubiger Arbeitgeber alles gleichmäßig mit seinen Arbeitnehmern teilen soll, sondern dass ein Herr seine Knechte nicht nach Willkür oder persönlichen Präferenzen behandeln soll. Er soll keine prinzipiellen Unterschiede in der Behandlung seiner Knechte machen. Das betrifft deren Bezahlung ebenso wie sonstige Zuwendungen, die er seinen Mitarbeitern gibt.

Der Herr im Himmel

Paulus setzt voraus, dass die gläubigen Herren wissen, dass sie einen Herrn im Himmel haben. Das Wort „wissen“ bedeutet hier, sich an etwas erinnern oder an etwas zu denken. Sie sollten diese wichtige Tatsache immer vor Augen haben und sie nicht vergessen. Ob Herr oder Knecht, jeder Christ hat einen Herrn im Himmel. Darin gibt es keinen Unterschied (vgl. 1. Kor 7,22). Er ist die höchste Autorität. Das betont in diesem Brief einmal mehr die Souveränität des Herrn Jesus. Er muss in allem – auch in dieser Sache – den Vorrang haben. Die Beziehung zu Christus, seinem Herrn im Himmel, muss der Maßstab für das gerechte und billige Verhalten eines irdischen Herrn sein. Jeder irdische Herr wird einmal vor seinem Herrn Rechenschaft ablegen müssen. Deshalb sollte er nie vergessen, was der Herr Jesus einmal sagte: „ ...denn mit demselben Maß, mit dem ihr messt, wird euch wieder zugemessen werden“ (Lk 6,38).

Hiob, einer der „Herren“ im Alten Testament, sagte einmal: „Wenn ich das Recht meines Knechtes und meiner Magd missachtete, als sie mit mir stritten, was wollte ich dann tun, wenn Gott sich erhöbe; und wenn er untersuchte, was ihm erwidern? Hat nicht er, der mich im Mutterleib bereitete, auch ihn bereitet, und hat uns nicht einer im Schoß gebildet?“ (Hiob 31,13–15).

Ein Arbeitgeber und Vorgesetzter, der sich so verhält, ehrt seinen Herrn im Himmel und ist damit zugleich ein gutes Vorbild für seinen (ungläubigen) Arbeitnehmer und Mitarbeiter.

Fußnoten

  • 1 J.N. Darby: Der Brief an die Kolosser (in: Synopsis der Bücher der Bibel)
  • 2 Es ist klar, dass es bezüglich der Stellung in Christus keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt (Gal 3,28). Unserer Stellung nach sind wir alle – unsere erretteten Kinder eingeschlossen – mit dem Christus auferweckt. „In Christus“ sind diese Unterschiede nicht vorhanden. Wenn es hingegen um die innere und äußere Beschaffenheit und die Stellung in dieser Schöpfung geht, sind die Unterschiede wichtig und müssen anerkannt werden, wenn eine Ehe funktionieren soll.
  • 3 Der englische Ausdruck Gender bezeichnet im Unterschied zum biologischen das sogenannte soziale oder psychologische Geschlecht des Menschen. Nach den Gedanken dieser Geistesströmung (Mainstream) gibt es keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau. Bestehende Unterschiede sollen dem Umfeld bzw. der Erziehung geschuldet sein. Hintergrund ist, dass Gender-Mainstreaming die vollständige Gleichstellung (nicht nur Gleichberechtigung) der Geschlechter auf allen Ebenen bewirken will. Dass dieses Gedankengut dem biblischen Menschenbild von Mann und Frau völlig entgegensteht, liegt auf der Hand. Die bestehenden Unterschiede sind von unserem Schöpfer gewollt, der uns „männlich“ und „weiblich“ geschaffen hat (1. Mo 1,27)
  • 4 Es gibt Ausnahmen. In Titus 3,4 lesen wir von der Güte und der Menschenliebe unseres Heiland-Gottes. Dort wird das Wort benutzt, das häufig für die Liebe und Zuneigung unter Menschen und Freunden gebraucht wird (Phileo). Es sei darüber hinaus darauf hingewiesen, dass das Wort „Agape“ nicht ausschließlich für Gott gebraucht wird. Dies wird manchmal behauptet, entspricht aber nicht den Tatsachen. Unser Vers in Kolosser 3 ist eine der Stellen, wo das Wort gebraucht wird, um die Liebe unter Gläubigen zu beschreiben. In diesem Sinn finden wir es in vielen anderen Versen (besonders in den Schriften des Apostels Johannes).
  • 5 Es ist klar, dass der Herr Jesus immer den ersten Platz einnehmen muss. Er soll in allem den Vorrang haben. Hier geht es jedoch nicht um die Beziehung zu Ihm, sondern um Beziehungen, die wir auf dieser Erde pflegen. Auf dieser Erde gibt es keine engere Beziehung als die der Ehe. Deshalb muss der Ehepartner jeweils den ersten Platz in irdischen Beziehungen haben.
  • 6 Das erinnert an die Begebenheit in 2. Könige 4,38-41. Dort hatte einer der Prophetensöhne wilde Koloquinten gesammelt, die eine Speise ungenießbar machten. Erst als auf Anweisung von Elisa Mehl in den Topf geworfen wurde, konnte man das Gericht essen. Das Mehl spricht in dieser Begebenheit von der Person des Herrn. Wir denken ebenfalls an das bittere Wasser von Mara, das erst dann zu Trinkwasser wurde, als Mose ein Holz hineingeworfen hat. Das Holz spricht ebenfalls von der Person unseres Herrn.
  • 7 Es ist etwas anderes, wenn zwischen Eltern und ihren erwachsenen (vielleicht verheirateten) Kindern ein gutes Vertrauensverhältnis besteht und Eltern mit Rat und Hilfe zur Seite stehen. Einen Rat zu geben und anzunehmen ist jedoch etwas ganz anderes, als Autorität auszuüben und Gehorsam einzufordern.
  • 8 Im Gegensatz dazu gibt es keine Aufforderung an die Kinder, ihre Eltern zu lieben. Es liegt in der Natur eines kleinen Kindes, dass es seine Eltern liebt.
  • 9 Quelle unbekannt, zitiert nach einem Vortrag von K.H. Weber
  • 10 In diesem Zusammenhang spricht man manchmal von den drei großen „G“ des Gehorsams. Kinder müssen lernen, „ganz“, „gerne“ und „gleich“ zu gehorchen.
  • 11 Für unseren Herrn wird das Wort „Sklave“ im Neuen Testament nicht gebraucht. Er war der Diener, der mit Einsicht und aus Liebe diente. Die einzige Ausnahme finden wir in Philipper 2,7. Dort wird uns die tiefe Erniedrigung des Sohnes Gottes vorgestellt, der „Knechtsgestalt“ (wörtlich Sklavengestalt) angenommen hat. Das bedeutet, dass Er dem Wesen nach Knecht (Sklave) geworden ist. An allen anderen Stellen, die uns den Herrn Jesus als Diener oder Knecht vorstellen, wird ein anderes Wort gebraucht.
  • 12 Wir verkennen dabei nicht, dass es andere Sklavereien gibt, in denen der Teufel die Menschen gefangen und gebunden hält. Jeder Mensch ist von Natur ein „Sklave der Sünde“ (Röm 6,17). Hier geht es jedoch nicht um diese Sklaverei oder um andere Gebundenheiten, sondern um die Sklaverei und Ausbeutung im Berufsleben.
  • 13 W. Kelly: The Epistle of Paul to the Colossians
  • 14 W. Kelly weist allerdings darauf hin, dass es sich seiner Meinung nach nicht nur auf die Zukunft, sondern ebenfalls auf die Gegenwart beziehen kann. Er sieht darin einen Grundsatz, der von allgemeiner Bedeutung ist (vgl. W. Kelly: The Epistle of Paul to the Colossians).
  • 15 J.N. Darby: Der Brief an die Kolosser (in: Synopsis der Bücher der Bibel)