Kapitel 6

In diesem Kapitel kehrt Nehemia zurück zu dem Kampf mit dem Feind, der ihm in Verbindung mit dem Bau der Stadtmauer begegnete. Kapitel 5 stellt daher einen Einschub dar, obwohl es uns, wie wir gesehen haben, im Zusammenhang mit dem sechsten Kapitel eine wichtige Wahrheit lehrt. Dort war Nehemia darum bemüht, innere Missstände zu korrigieren. Nachdem er die Beziehungen des Volkes in Übereinstimmung mit dem Wort wiederherstellen konnte, nimmt er seine Erzählung über die Aktivität des Feindes wieder auf. Obwohl das Thema das gleiche ist, gibt es doch einen großen Unterschied zwischen den Kapiteln 4 und 6. In Kapitel 4 brachte der Feind seinen Widerstand offen zum Ausdruck. In Kapitel 6 arbeitet er unterschwellig und versucht Nehemia unter dem Deckmantel der Freundschaft zu täuschen, anstatt ihn durch die Zuschaustellung seiner Macht abzuschrecken. Dementsprechend werden wir Spuren seiner Anwesenheit sowohl innerhalb als auch außerhalb des Volkes finden. Während er in Kapitel 4 als ein brüllender Löwe auftritt, versucht er in Kapitel 6, mit seinen Listen zu umgarnen – die zwei Formen, in denen er das Volk Gottes immer bekämpft (siehe Eph 6,11; 1. Pet 5,8.9).

„Und es geschah, als Sanballat und Tobija und Geschem, der Araber, und unsere übrigen Feinde erfuhren, dass ich die Mauer gebaut hätte und dass keine Lücke mehr darin wäre – doch hatte ich bis zu jener Zeit die Flügel noch nicht in die Tore eingesetzt –, da sandten Sanballat und Geschem zu mir und ließen mir sagen: Komm und lass uns in einem der Dörfer in der Talebene von Ono miteinander zusammentreffen! Sie beabsichtigten aber, mir Böses zu tun“ (6,1–2).

Die ersten beiden Verse eröffnen uns die erste List des Widersachers. Der Fleiß und das Durchhaltevermögen Nehemias, der durch den Segen Gottes alle Hindernisse überwand, hatten das Werk fast bis zur Fertigstellung vorangebracht. „Keine Lücke“ befand sich mehr in der Mauer und folglich gab es keinen versteckten Weg mehr, um einzudringen. Die Tore waren noch nicht eingehängt sondern waren unter Bewachung offen und somit konnten nur hier die Feinde des Volkes Gottes ansetzen. Es war daher an der Zeit, ihren letzten Versuch zu wagen. Demnach schlagen sie eine Beratung vor, als ob sie ebenfalls am Wohlergehen Israels interessiert wären! Doch wenn der Diener Gottes in Seiner Gegenwart lebt und mit Herzensentschluss die Wege Seines Willens verfolgt, wird er von den Listen Satans nie getäuscht. So war es auch bei Nehemia, und so fügt er hinzu: „Sie beabsichtigten aber, mir Böses zu tun.“ Er wusste, dass Finsternis keine Gemeinschaft mit Licht haben konnte, und dass Satan den Fortschritt des Werkes des Herrn nicht mit Wohlgefallen betrachten konnte; und dass er, da er seinen Meister hasste, auch Seinen Diener hassen musste. Folglich durchschaute er sofort die Wurzel des Vorhabens, das Sanballat und seine Begleiter ins Auge gefasst hatten.

„Und ich sandte Boten zu ihnen und ließ ihnen sagen: Ich führe ein großes Werk aus und kann nicht hinabkommen. Warum sollte das Werk ruhen, wenn ich es ließe und zu euch hinabkäme?“ (6,3).

Als der Herr seine Jünger aussandte, wies Er sie an, niemanden auf dem Weg zu grüßen (Lukas 10). Sie sollten verstehen lernen, dass sie keine Zeit hatten, um sich durch freundliche Grußformeln abhalten zu lassen, wenn sie in seinem Dienst tätig waren. Stattdessen sollten sie unentwegt ihren Auftrag verfolgen. Nehemia lässt daher den Geist Gottes erkennen in der Antwort, die er sandte, zusätzlich, dass er das Böse ihrer Pläne erkannt hatte. Er tat ein großes Werk und es war seine Aufgabe, auszuharren, sogar dann, wenn Freunde ihn dazu drängten, es zu verlassen. Es auch nur für einen Augenblick zu verlassen, würde dazu führen, dass es ganz ruhte. Es war ihm unmöglich – in Übereinstimmung mit den Ansprüchen seines Dienstes – dass er zu ihnen „hinabkäme“. Viele von uns mögen sich von dem Beispiel dieses treuen Dieners zu ihrem Segen belehren lassen. Tatsächlich würde uns dies vor vielen Fallstricken bewahren. Das Werk des Herrn, wenn es sein Werk ist, kann nicht nach dem eigenen Gutdünken aufgenommen und wieder abgelegt werden. Vielmehr sollte es unsere höchste und ständige Aufmerksamkeit erlangen, wenn Er es unseren Händen anvertraut, und ist aller unserer Energie wert, um es zu erreichen. „Alles, was deine Hand zu tun findet“ (wenn es vom Herrn ist), „das tu mit deiner Kraft“ (Pred 9,10).

„Und sie sandten auf diese Weise viermal zu mir, und ich erwiderte ihnen auf dieselbe Weise“ (6,4).

Der Feind war nicht bereit, die Sache einfach so auf sich beruhen zu lassen. Während die Weigerung Nehemias zu gehen, seine Treue erkennen lässt, ist in der Art seiner Antwort genauso die göttliche Weisheit zu sehen. Sie geschah immer „auf dieselbe Weise“. Die Umstände hatten sich nicht verändert und daher war seine erste Antwort ausreichend. Doch Satan missbrauchte die Schwäche des menschlichen Herzens. Er wusste, dass Seelen oft durch beharrliches Aufdrängen betrogen werden konnten. Es gab zuletzt genauso viel Grund für Simsons Weigerung sein Geheimnis zu verraten, wie zuerst. Doch als Delila „ihn alle Tage mit ihren Worten drängte und ihn plagte, da wurde seine Seele sterbensmatt; und er tat ihr sein ganzes Herz kund“ (Ri 16,16.17). Auch mit uns ist es oft so, da wir zu unserer Schande unwissend über die Methoden Satans sind.

Nachdem Satan scheiterte, Nehemia mit diesem Plan zu verführen, kommt nun eine andere seiner Listen zum Zuge.

„Da sandte Sanballat auf diese Weise zum fünften Mal seinen Diener zu mir mit einem offenen Brief in seiner Hand. Darin stand geschrieben: Unter den Nationen verlautet, und Gaschmu sagt es, dass ihr, du und die Juden, beabsichtigt, euch zu empören; darum bauest du die Mauer; und du wollest, nach diesem Gerücht, ihr König werden; auch habest du Propheten bestellt, damit sie in Jerusalem über dich ausrufen und sagen: Es ist ein König in Juda! Und nun wird der König diese Gerüchte vernehmen. So komm nun, dass wir uns zusammen beraten“ (6,5–7).

Sanballat täuscht vor, um Nehemias Ruf besorgt zu sein und zu fürchten, dass seine Fortschritte fehlinterpretiert werden! Es war eine äußerst raffinierte Masche, die er anwandte, denn in seinem Brief bringt er drei verschiedene Anschuldigungen an. Sollte der König davon erfahren, hätten sie Nehemias Ruf, wenn nicht sogar sein Leben, gefährdet. Erstens spricht er von Rebellion und führt sogar einen Zeugen an – Gaschmu oder Geschem, der Araber. Dann führt er an, was damit verbunden wäre, wenn die erste Behauptung wirklich wahr gewesen wäre, nämlich dass Nehemia beim Bau der Mauer im Sinn hatte, sich selbst zum König zu machen. Und schließlich sagt er, es sei ihm berichtet worden, dass er Propheten bestellt habe, um in Jerusalem über ihn auszurufen und zu sagen: „Es ist ein König in Juda!“ Es ist mehr als wahrscheinlich, dass in der letzten Aussage ein Funken Wahrheit steckte. Ein Mann wie Nehemia, dem so viel an dem Volk lag, würde nicht vergessen, dass all ihre Hoffnungen sich auf den verheißenen Messias zentrierten. Er könnte versucht haben, durch den Dienst von Propheten die erschlaffende Kraft des Volkes zu erneuern, indem er ihnen die strahlenden Beschreibungen des zukünftigen Königreiches unter der Herrschaft des wahren David in Erinnerung rief, wie sie z. B. in den Schriften Jesajas aufgezeichnet sind. Ein Fremder konnte dies nicht verstehen und leicht schlussfolgern, dass Nehemia Aufruhr und Rebellion säte. Das Geschick Satans ist daher in Sanballats Brief deutlich erkennbar. Doch er hatte es mit jemandem zu tun, dessen Vertrauen auf Gott ihm Weisheit und Stärke gab. Und so kam es, dass dieser Anschlag auf Nehemia – wie auch der frühere – gänzlich scheiterte. Seine Antwort ist ganz einfach, nämlich eine kurze und entschiedene Leugnung der Wahrheit dieser angeblichen Berichte, während er sie gleichzeitig auf ihre wahre Quelle zurückführte – Sanballats eigenes böses Herz.

„Da sandte ich zu ihm und ließ ihm sagen: Es ist nicht geschehen nach diesen Worten, die du sprichst; sondern aus deinem eigenen Herzen erdichtest du sie. Denn sie alle wollten uns in Furcht versetzen, indem sie sprachen: Ihre Hände werden von dem Werk ablassen, und es wird nicht ausgeführt werden.

Und nun, stärke meine Hände!“ (6,8–9).

Diese Antwort lehrt uns, dass wir mit dem Versucher nie in die Auseinandersetzung treten sollten. Wir dürfen seine Anklagen zurückweisen, doch wenn wir einmal anfangen, mit ihm zu diskutieren oder uns auch nur zu erklären, werden wir mit Sicherheit überwältigt werden. Wenn Nehemia allein davon betroffen gewesen wäre, wäre das in Ordnung gewesen. Aber obwohl er der Anführer war und für das Volk agierte, konnte er diesem sein Vertrauen in Gott und seinen Mut nicht einflößen. Das will seine Aussage erklären: „Denn sie alle wollten uns in Furcht versetzen“ (das „uns“ war in Wirklichkeit das Volk, mit dem Nehemia sich identifizierte), „indem sie sprachen: Ihre Hände werden von dem Werk ablassen, und es wird nicht ausgeführt werden.“ Das war die Absicht Satans, nämlich das Volk durch diese ständigen beunruhigenden Angriffe zu zermürben und unaufhörlich feurige Pfeile auf sie loszulassen – Pfeile, die nur der Schild des Glaubens abwehren und auslöschen konnte, und die ohne diesen Schild unweigerlich Mutlosigkeit und Angst, wenn nicht sogar Zerstörung anrichten mussten. Niemand wusste dies besser als dieser treue und hingebungsvolle Diener. Auch wusste er sich der Verteidigungswaffen gegen den raffinierten Feind zu bedienen. So betete er ohne Unterlass, während er die unermüdliche Wachsamkeit gegenüber dem Feind aufrechterhielt. Der Feind hatte gesagt: „Ihre Hände werden von dem Werk ablassen“. Nehemia betete: „Nun, stärke meine Hände!“ Nichts ist schöner als das Verhalten dieses Mannes Gottes, der – von allen Seiten bedrängt – sich für die nötige Kraft an Gott wandte. Was konnte der Feind mit einem solchen Mann tun – einem Mann, der sich auf den allmächtigen Gott als seinen Schutz und seine Deckung stützte? Er war machtlos, völlig machtlos, und er gestand seine Niederlage ein, indem er die Seite wechselte und mit dem Legen einer weiteren Schlinge fortfuhr.

„Und ich kam in das Haus Schemajas, des Sohnes Delajas, des Sohnes Mehetabeels, der sich eingeschlossen hatte. Und er sprach: Lass uns im Haus Gottes, im Innern des Tempels, zusammenkommen und die Türen des Tempels verschließen, denn sie werden kommen, um dich zu ermorden. Und zwar werden sie bei Nacht kommen, um dich zu ermorden“ (6,10).

Sanballat versuchte, nachdem er die Nutzlosigkeit dieser Angriffe von außen eingesehen hatte, als nächstes eine Intrige von innen zu schmieden. Wie der Leser bemerken wird, war Nehemia das hauptsächliche Hindernis für den Erfolg des Feindes und somit der Gegenstand dessen ganzen Hasses. Denn inmitten allgemeiner Untreue war er treu und wurde durch die Gnade Gottes auf seinem Weg gehalten. In dieser Hinsicht erkannte er, dass dieser Weg ein einsamer war. Er wusste, dass es Feinde von außen gab, doch jetzt musste er entdecken, dass angebliche Freunde unter seinen Feinden waren. Er folgte daher – wenn auch mit großem Abstand – dem Weg, den unser gesegneter Herr ging, dessen schlimmstes Leid, das Ihm Menschen zufügten, es war, dass einer seiner eigenen Jünger Ihn verriet. Man beachte den geistlichen Scharfsinn dieser letzten Versuchung. Nehemia hatte offensichtlich Schemaja, der „sich eingeschlossen“ hatte, einen anteilnehmenden und freundschaftlichen Besuch abstatten wollen. Dieser Freund, der sich sehr um das Leben Nehemias zu sorgen schien, schlug vor, dass sie sich zur Sicherheit im Tempel treffen und einschließen sollten, wobei er davor warnte, dass seine Feinde in der Nacht kommen würden, um ihn umzubringen. Es war ein Aufruf, der ihn ängstigen sollte, und der scheinbar von Liebe und Freundschaft motiviert war sowie offenbar geheiligt sein sollte durch die Heiligkeit des Ortes, in welchem er gedrängt wurde, sich zu verstecken. Doch wieder verfehlt der Verführer sein Ziel – oder besser gesagt: seine Pfeile schafften es nicht, den unbezwingbaren Glauben dieses rechtschaffenen und treuen Knechtes zu durchdringen.

„Aber ich sprach: Ein Mann wie ich sollte fliehen? Und wie könnte einer, wie ich bin, in den Tempel hineingehen und am Leben bleiben? Ich will nicht hineingehen!“ (6,11).

Was bedeutet einem treuen Soldaten das Leben? Der Ort, an dem ein Soldat sterben sollte, ist auf dem Posten seiner Pflicht. Zu fliehen hätte für Nehemia bedeutet, seinen wahren Charakter zu verleugnen und seine Nachfolger der siegreichen Macht des Feindes zu überlassen. Durch Gnade war Nehemia jemand, der am Tag des Krieges seinem Feind nicht den Rücken kehrt. Und so begegnete er der Aufforderung seines „Freundes“, indem er seinen Rat entschieden abwies (vgl. Ps 55,12–14).

Es ist bemerkenswert, dass Nehemia in dem Moment, in dem er der Versuchung widerstand, den wahren Charakter der Pläne des Feindes erkannte. Während er all seine Tarnungen durchschaute, entdeckte er die Boshaftigkeit und die Scheinheiligkeit, die am Werk waren, um seine Füße zu umschlingen und ihn zu Fall zu bringen. So ist es immer. Wir sind nur so lange durch eine Versuchung geblendet, solange ihr noch widerstanden werden muss. Wenn sie dann überwunden ist, ist alle Verschleierung hinweggetan und Satan steht völlig entblößt da. Daher schreibt Nehemia:

„Und ich merkte, dass nicht Gott ihn gesandt hatte, sondern er sprach diese Weissagung gegen mich, und Tobija und Sanballat hatten ihn gedungen. Darum war er gedungen worden, damit ich mich fürchten und so handeln und mich versündigen sollte und damit sie ein böses Gerücht hätten, um mich in Verruf zu bringen“ (6,12–13).

Dies war also das Geheimnis. Der Feind hatte die Propheten Gottes mit seinem Gold bestochen, Nehemia im Namen des Herrn zu warnen, obwohl Gott sie gar nicht gesandt hatte. Sie konnten nicht Gott und dem Mammon dienen. In dem Augenblick, in dem sie das Bestechungsgeld des Letzteren annahmen, waren sie mit Händen und Füßen an seinen Dienst gebunden und disqualifizierten sich darüber hinaus als Boten des Herrn. Welchen Herzenskummer muss es dem treuen Nehemia bereitet haben, den bestechlichen Einfluss des Widersachers innerhalb des heiligen Kreises des Volkes Gottes zu entdecken – und das unter denen, die das Sprachrohr Gottes zu Seinen Dienern sein sollten. Was für ein Kontrast zu dem, was wir in Esra lesen: „... und mit ihnen“ (Serubbabel und Jeschua, die das Haus Gottes bauten) waren „die Propheten Gottes, die sie unterstützten“ (Esra 5,2b). Die Propheten der Zeit Nehemias unterstützten den Feind anstatt das Werk des Herrn. Ach! Wie oft ist es seit diesen Tagen so gewesen, dass solche, die den Platz von Propheten eingenommen haben und behaupteten, die Gedanken Gottes an ihre Gefährten mitzuteilen, von Satan gedungen und in dessen Dienst standen. Auch heute werden auf den Kanzeln des Christentums die raffiniertesten Widersacher der Wahrheit Gottes und des Baus der Mauer der Absonderung unter dem Deckmantel der Brüderlichkeit aller Menschen gefunden.

Und was ist die Absicht Schemajas, der Prophetin Noadja und der übrigen Propheten? Den Ruf des Führers des Volkes Gottes zu ruinieren. Sie versuchten ihm Angst zu machen, indem sie sein Vertrauen auf Gott zerstörten und ihn so zur Sünde zu verleiten, „damit sie ein böses Gerücht hätten, um mich in Verruf zu bringen“. Dieser eine treue Mann, wie wir bereits bemerkt haben, war der Gegenstand aller Anschläge und Listen Satans. Unter seinen Füßen waren die raffiniertesten Fallstricke ausgebreitet – denn wenn er bezwungen und überwältigt werden konnte, war der Sieg sichergestellt. In diesem Moment, soweit es uns enthüllt wird, war das Werk Gottes in Jerusalem von dem Mut und der Treue Nehemias abhängig, und folglich versuchte Satan, ihn auf jede erdenkliche Weise zu überlisten. Doch obgleich Welle für Welle ihm entgegenrauschte, stand er durch die Gnade Gottes fest wie ein Fels. Unbeeindruckt von dem offenen Widerstand wurden auch seine Füße bewahrt, auch wenn ihm auf allen Seiten Gruben gegraben wurden. Gott bewahrte seinen Diener durch diese Rechtschaffenheit, Redlichkeit und durch sein Durchhaltevermögen, die nur durch ein ehrliches Auge erzeugt werden können, und durch die Aufrechterhaltung der ständigen Abhängigkeit von der göttlichen Kraft. Daher verfehlte der Anschlag ein weiteres Mal sein Ziel.

Das Geheimnis der Stärke Nehemias liegt in dem vierzehnten Vers. Nachdem er die Absichten der Propheten aufgedeckt hat, die vom Feind gedungen worden waren, richtet er seinen Blick nach oben und sagt:

„Gedenke es, mein Gott, dem Tobija und dem Sanballat nach diesen ihren Werken, und auch der Prophetin Noadja und den übrigen Propheten, die mich in Furcht versetzen wollten!“ (6,14).

Indem er jeglichen öffentlichen Kampf wegen seiner Nutzlosigkeit vermeidet, übergibt er die Sache Gott – wie Paulus, der sagt: „Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erwiesen; der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken“ (2. Tim 4,14). Es wäre gut für uns, diesen Beispielen unsere besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Es gibt viele Formen des Bösen, die nicht ohne Schaden für uns selbst und andere öffentlich bloßgestellt werden können, und es gibt viele Mitarbeiter des Bösen in der Versammlung Gottes, mit denen man keinen Umgang pflegen sollte. Sie anzugreifen, würde nur den Absichten des Feindes dienen. Doch unsere Zuflucht in solchen Umständen ist es, gegen sie zu Gott zu schreien. So lesen wir auch im Judasbrief: „Michael aber, der Erzengel, als er, mit dem Teufel streitend, Wortwechsel hatte um den Leib Moses, wagte nicht, ein lästerndes Urteil über ihn zu fällen, sondern sprach: Der Herr schelte dich!“ (Jud 9). Möge der Herr uns mehr Einsicht geben, damit wir uns in unseren geistlichen Konflikten weise zu verhalten wissen.

Der Leser wird zur Kenntnis nehmen, dass das Werk des Mauerbaus in keiner Weise gehindert wurde, obwohl dieses Kapitel der Aufdeckung der Listen des Feindes gewidmet ist. Der Glaube und Mut Nehemias wankten nie und obwohl er dahin geleitet wurde, zu unserer Belehrung eine detaillierte Beschreibung der Listen Satans zu geben, finden wir jetzt, dass der Bau mit ungetrübtem Eifer weiter vorangebracht worden sein muss, denn wir lesen:

„Und die Mauer wurde vollendet am Fünfundzwanzigsten des Elul, in zweiundfünfzig Tagen“ (6,15).

Die Geschwindigkeit der Ausführung des Werkes ist ein Zeugnis von der Energie der Arbeiter unter der Leitung Nehemias, denn „die Stadt aber war geräumig und groß“ (7,4) und sie in 52 Tagen mit einer Mauer zu umgeben war keine schlechte Leistung. Es fällt uns jedoch leicht, dies zu verstehen, wenn wir uns daran erinnern, dass das Werk von Gott und für Gott war, und dass Er mit den Arbeitern baute. Sogar die Gegner Israels waren gezwungen, sich dies einzugestehen, denn Nehemia sagt uns:

„Und es geschah, als alle unsere Feinde es hörten, da fürchteten sich alle Nationen, die rings um uns her waren, und sie sanken sehr in ihren Augen; und sie erkannten, dass dieses Werk von unserem Gott aus geschehen war“ (6,16).

Sie waren so völlig besiegt worden und jetzt, als sie „hörten“ und „sahen“, dass die Mauer vollendet war, wurden ihre Hoffnungen zunichte gemacht, denn diese Mauer – die Sicherheit und der Schutz des Volkes Gottes, solange es diese in Heiligkeit bewahrte – war für die Feinde ein unbezwingbares Hindernis. Das wusste diese, und so „sanken [sie] sehr in ihren Augen“. Diese Beschreibung ist sicherlich ein Vorschatten auf die Zeit, von der der Psalmist sagt: „Groß ist der Herr und sehr zu loben in der Stadt unseres Gottes auf seinem heiligen Berg. Schön ragt empor, eine Freude der ganzen Erde, der Berg Zion, an der Nordseite, die Stadt des großen Königs. Gott ist bekannt in ihren Palästen als eine hohe Festung. Denn siehe, die Könige hatten sich versammelt, waren herangezogen allesamt. Sie sahen, da erstaunten sie; sie wurden bestürzt, ängstlich flohen sie weg“ (Ps 48,2–6).

„Auch ließen in jenen Tagen Edle von Juda viele Briefe an Tobija abgehen, und solche von Tobija kamen an sie. Denn es gab viele in Juda, die ihm Treue geschworen hatten, denn er war ein Schwiegersohn Schekanjas, des Sohnes Arachs; und sein Sohn Jochanan hatte die Tochter Meschullams, des Sohnes Berekjas, genommen. Auch redeten sie vor mir von seinen guten Taten und hinterbrachten ihm meine Worte; und Tobija sandte Briefe, um mich in Furcht zu versetzen“ (6,17–19).

Die letzten drei Verse des Kapitels widmen sich der Beschreibung einer anderen Form des Bösen, mit der sich Nehemia inmitten des Volkes Gottes auseinandersetzen musste. Diesmal ging die Handlung nicht von Tobija, sondern von den Edlen von Juda aus. Das Böse, das durch die Vollendung der Mauer abgehalten wurde, sprießt jetzt von innen auf und versucht, sich mit dem Bösen von außen zu verbinden. Die Edlen von Juda traten mit Tobija in den Austausch. Und in der Tat haben sie ihm „Treue geschworen“, denn er war durch ein zweifaches Band mit ihnen verbunden. „Denn er war ein Schwiegersohn Schekanjas, des Sohnes Arachs; und sein Sohn Jochanan hatte die Tochter Meschullams, des Sohnes Berekjas, genommen.“ Sie hatten sich also mit den Ammonitern vereinigt, von denen keiner „in die Versammlung Gottes kommen sollte in Ewigkeit“ (13,1), was direkter Ungehorsam gegenüber dem Wort Gottes war (5. Mo 7,3). Darüber hinaus verleugneten sie die Wahrheit des besonderen Ortes, den sie als das Volk, das Gott für sich auserwählt und zu sich abgesondert hatte, besaßen. Dies ist unter dem Volk Gottes die ständige Quelle der Schwachheit und des Verfalls gewesen, denn in dem Moment, in dem irgendwelche, wie diese Edlen, sich auf Beziehungen mit der Welt einlassen, müssen sie sich dem Grundsatz der für sie geltenden Absonderung widersetzen. Ja sogar mehr, denn Jakobus schreibt: „Ihr Ehebrecherinnen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer nun irgend ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes“ (Jak 4,4). Ernste, aber wahre Worte. Die Edlen von Juda waren folglich die Feinde Gottes, wie es alle sind, die danach trachten, Freunde der Welt zu sein.

Man bemerke, wie sie unverzüglich jeden Sinn für die Trennung zwischen dem Volk Gottes und seinen Feinden verloren hatten, denn wir lesen, dass sie vor Nehemia „von seinen (Tobijas) guten Taten“ redeten, und er schreibt, sie „hinterbrachten ihm meine Worte“. Als ob von einem Feind des Volkes Gottes gute Taten vollbracht werden könnten! Sie versuchten zu beweisen, wie so viele auch in heutigen Tagen, dass es letztlich keinen Unterschied zwischen Heiligen und Weltmenschen gibt – dass die Handlungen beider gleicherweise gut sind. Doch was bewiesen sie dabei? Dass sie selbst keine Vorstellung davon hatten, was einem heiligen Gott angemessen war, und dass sie sich in ihren eigenen Seelen auf dem Boden derer befanden, die Ihn nicht kennen. Kein Wunder, dass Tobija mit solchen Verbündeten innerhalb der Stadt seine Anschläge auf Nehemia wieder aufnahm, indem er Briefe schrieb, die ihn in Furcht versetzen sollten.

Wir sehen also, dass der Mann Gottes keine Ruhe hatte und dass er unaufhörlich gegen Feinde von innen und außen Krieg führen musste. Doch, allein arbeitend wie er war, wurde er durch seinen Glauben an Gott gestärkt und war so aller Macht des Feindes überlegen. Es ist ein wunderbarer Bericht, und einer, der die Allgenügsamkeit Gottes zur Erhaltung seiner Diener klar beweist, was auch immer für Schwierigkeiten oder Gefahren auftreten in jedem Dienst, zu dem Er sie beruft. Ihm allein sei alles Lob!

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