Die Psalmen
Eine Auslegung für die Praxis

Psalm 68

Das vorige ‚Lied‘ begann mit Segensworten. Im Unterschied dazu wird dieses letzte der vier Lieder mit dem Aufruf zur Gottesherrschaft auf der ganzen Erde eingeleitet. Das entspricht dem Charakter des Psalms, den man als ‚Siegeszug Gottes‘ umschreiben kann. Dieses triumphale Geschehen ist in einiger Hinsicht bereits in viel früherer Zeit vorgebildet worden in dem Aufbruch und dem Zug der Bundeslade durch die Wüste bis in das verheißene Land. Auch damals zerstreuten sich angesichts der Bundeslade die Feinde, und jedes scheinbar unüberwindliche Hindernis wurde überwunden (4. Mo 10,33–35; Jos 3,6;6,6–9). Der vorliegende Psalm schließt mit dem Ergebnis ab, dass die Offenbarung der Macht Gottes den Sieg zur Rettung Seines Volkes herbeiführt und jede Rebellion gegen Seinen Namen zum Schweigen gebracht wird. Der Psalm nennt verschiedene Namen Gottes und beschreibt Eigenschaften, die das Kennzeichen des göttlichen Wesens sind. Er spricht darüber, was Gott umgibt und wo Er wohnt, auch wie Er hervortritt. In den Anfangsversen wird herausgestellt, dass die Gottlosen vor Ihm fliehen und umkommen, weil sie keinen Augenblick vor Seinem Angesicht bestehen können (Vers 3b). Anschließend ist von ihnen kaum mehr die Rede. Die Gerechten hingegen haben für immer einen gesegneten Platz „vor dem Angesicht Gottes“ (Vers 4). Wir finden Gott in den Versen 21 und 22 beschützend zwischen Seinem Volk und den Feinden stehend. Er ist bei Seinem Volk, um ihm zu helfen und seine Last zu tragen. Es zeigt sich fortwährend, dass Er für Sein Volk da ist; zugleich ist Er um jeden Einzelnen besorgt, besonders für die Witwen und die Waisen. Die Schar der treuen Gläubigen wohnt in Seinem Land unter Seiner Güte (Vers 11). Er möchte, dass sie alle einst gemeinsam mit Freude jubeln und vor Seinem Angesicht frohlocken unter der Herrschaft des Messias, das heißt im Reich Christi auf der Erde.

Die Juden, die in der zukünftigen Endzeit zum Glauben kommen, werden auf die ihnen geltenden irdischen Verheißungen der Schrift vertrauen. Im Unterschied zu ihnen erwarten die gläubigen Christen der jetzigen christlichen Gnadenzeit ihr ewiges Erbteil im Himmel, denn dorthin wird der Herr Jesus sie aufnehmen. Ihr Siegeszug führt sie mit Ihm „in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus“ (2. Pet 1,11); dies wird in 2. Thes 1,4–10 dargestellt (vgl. auch 1. Thes 4,16.17 und Heb 12,22.28). Die Grundlage sowohl für das erste, das israelitische Erbteil als auch für das zweite, das himmlische Erbteil der Christen ist dadurch gelegt worden, dass Christus vor 2000 Jahren aus dem Himmel herabgekommen ist und nach Seinem Sieg „aufgefahren (ist) in die Höhe“ und „die Gefangenschaft gefangen geführt“ hat (Vers 19; Eph4,8). Des Weiteren sagt der vorliegende Psalm manches aus über die Einzelheiten des Siegeszugs Gottes in Christus. Das irdische Ziel der Ratschlüsse Gottes war bereits Gegenstand des vorhergehenden Psalms. Prophetische Aussagen über die härteste Wegstrecke des ‚Siegeszugs', die nur mit großen Mühen und furchtbaren Leiden des Siegers von Golgatha zu überwinden war, finden sich im nachfolgenden Psalm (Jes 42,1–9; 49,1–9; Mt 12,20.28–30.40). Nach Vollendung Seines schweren Weges sagt der Herr Jesus: „In der Welt habt ihr Bedrängnis; aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16,33).

Wenn Gott sich erhebt, um gegen den Einflussbereich Satans vorzugehen, zerstreuen sich die Widersacher. Seine Hasser fliehen angesichts der Offenbarung Seiner furchtbaren Stärke (Verse 2.31.36). Absolute Überlegenheit kennzeichnet von Anfang an den Triumphzug Gottes; er hat das Ziel, Seine Gegner aus dem Feld zu schlagen, Gottes Oberhoheit auf allen Gebieten wiederherzustellen und Sein Volk zu befreien (Jes 26,5.11; 33,3; Dan 2,35; Joel 4,9ff; Off 17,14). Die Macht Seiner Gegner hat Ihm keinen wirksamen Widerstand entgegenzusetzen, sie ist unbeständig und so flüchtig wie eine Rauchfahne, die vom schwächsten Windzug weggeblasen wird. Ihre Kräfte sind dahingeschwunden wie das Wachs, das bereits in der Nähe des Feuers schmilzt (Vers 3a; Jes 33,14; Off 6,16). Dennoch halten sich zahllose Menschen für hinreichend gerüstet, um Gott Widerstand leisten zu können. In ihrer Vermessenheit missachten sie Gottes Ansprüche und gehorchen Seinen Geboten nicht. Indessen „werden die Gottlosen umkommen vor dem Angesicht Gottes“ (Vers 3b). Auf der anderen Seite freuen sich und frohlocken alle Gerechten, die ihre Gerechtigkeit von Gott und aus Ihm haben, vor Gottes Angesicht (Verse 3 und 4; Jes 45,25; 54,17). Die Gerechten gehen ins ewige Leben ein, die anderen in die ewige Verdammnis.

Alle, die Gott kennen, sollen Seinen Namen besingen, sie sollen Wegbereiter für Ihn und Seine Wahrheit sein und Sein Herannahen zum Gericht ankündigen. In der Zeit der Gefangenschaft der Juden in Babel und ebenso in der Zeit des Christentums ist Gottes Lob die vorrangige Aufgabe. Sie wird auch von den Gläubigen des zukünftigen jüdischen Überrests wahrgenommen werden, um den wiederkommenden Messias in Empfang zu nehmen und ihm gleichsam die Bahn freizumachen (Vers 5). In längst vergangener Zeit oblag es zunächst Mose und Aaron, den Gegnern Israels das baldige Einschreiten Gottes vorzustellen (2. Mo 3,11–17). Damals hatte Gott das Elend Seines geknechteten Volkes vom Himmel her gesehen und war zu ihrer Rettung herabgekommen (2. Mo 3,7–10). Anschließend führte Er das Volk mittels Seiner Gegenwart in der Wolken- und Feuersäule durch die Schwierigkeiten der Wüstenwanderung hindurch. In vergleichbarer Weise begleitet Gott auch heute Seine Kinder in gefahrvoller Zeit. Dabei achtet Er besonders auf die Schwachen, die Waisen, die Witwen und die Einsamen. Vom Himmel her vertritt Er ihre Rechtsangelegenheiten und macht ihre Umstände erträglich (Vers 6; Ps 10,14.18; 146,9; Jer 49,11). Von dem Kummer der Vereinsamten und der ihrer Freiheit Beraubten nimmt Gott Kenntnis. Er befreit sie und führt sie ins Glück (Vers 7; Ps 107,9.16; 146,7; 1. Sam 2,5.6; Jes 42,7). Gemeinschaft und Mitleid fehlen diesen Unglücklichen sehr. Doch Gott macht es Freude, ihren Mangel zu beheben und für ihr Wohlergehen zu sorgen. Einem aufrührerischen oder eigensinnigen Geist hingegen wird Gott niemals entgegenkommen, sondern wird ihn in der Dürre wohnen lassen (Vers 7b).

Die Verse 8 bis 11 berichten von dem feierlichen Voranschreiten Gottes in der Wolken- und Feuersäule durch die Wüste hindurch, bis Israel das verheißene Land des Segens erreicht hatte. Damals erlebte das Volk die Gegenwart Gottes unmittelbar, es empfing das täglich Notwendige direkt aus Seiner Hand (Ri 5,4f; Hab 3,13). Es war ein geordneter Zug vieler Menschen, die miteinander durch eine allmächtige Hand gerettet, geführt und versorgt wurden und die ihrem Gott folgten auf dem gemeinsamen Weg zum Ziel hin. Sie gehörten Ihm als Sein Volk. Und Gott betreute sie als Sein Erbteil und Eigentum, dem Er reichlich gute Gaben und die nötige Ruhe und Erfrischung zukommen ließ (2. Mo 12,41; 19,4f). Abseits der Einflüsse der Welt genossen sie miteinander Gottes heilige Nähe und Gemeinschaft (Jes 52,12). Auch als sie das verheißene Land erreicht hatten, blieb Gott ständig an ihrem Ergehen und dem Zustand des Landes interessiert und griff zu ihren Gunsten in ihre Umstände ein (Vers 10; 5. Mo 11,11–15). Als Seine Schar, Sein Eigentumsvolk, das Er Sich erwählt und herangebildet hatte, wohnten sie im ausersehenen Land, dem erklärten Segensgebiet des Herrn, als eine lebendige Gemeinschaft, in der sich der Einzelne als Glied des Ganzen heimisch fühlte (Vers 11; Jes 43,20). Mit großer Güte sorgte Gott für sie wie der Hirte für seine Herde (Mich 7,14). Dort ließ es sich auf angenehme Weise wohnen.

Die Verse 12 bis 15 reden weiter von dieser angenehmen Zeit. Während das Volk im Inneren geeint ist, werden nach außen hin durch Gottes Fügung Siege errungen, die auf Sein Geheiß von Siegesbotinnen verkündet werden (Vers 12; 2. Mo 15,20). Die feindlichen Könige fliehen mit ihren Heeren, weil der HERR mit Israel ist (Ps 48,4ff). In solcher Zeit steht es gut in Gottes Volk. Der Wohlstand und die Kraft wachsen. So ausnehmend günstig waren die Verhältnisse, als Israel mit göttlicher Hilfe das verheißene Land in Besitz nehmen konnte (Verse 12 und 13). Wenn das Volk Gottes geeint unter Seiner Führung steht und in dieser Abhängigkeit verharrt, dann kann es zu allen Zeiten mit reichen Segnungen rechnen und bei den Unternehmungen unter Seiner Leitung ebenfalls günstige Ergebnisse erwarten (Jes 33,3f; 66,10–14). In den Versen 12 bis 15 ist überwiegend von den geschlagenen Feinden, von ihrer Flucht und Zerstreuung mitsamt ihren Königen die Rede. Dagegen wird nicht von den Heerführern und der Streitmacht Israels und ihren Erfolgen gesprochen. Denn es war Gott, der ihnen die Siege, das Land und reiche Beute geschenkt hatte, ohne dass sie selbst entscheidende Beiträge aufzuweisen hatten (Verse 14 und 15). Der Herr bedarf auf Seinem Siegeszug keiner menschlichen Mithilfe. Doch an den Ergebnissen des Sieges (Jes 53,12) lässt Er gerne alle teilhaben, die Ihm gehorchen. Weil „ein Mächtiger, der HERR, bei uns“ war, blieb den Israeliten nur übrig, Ihm zu danken und die Ergebnisse Seines Wirkens anerkennend zu rühmen (Jes 33,17.20–22). Sie selbst konnten ruhig zwischen den Hürden liegen, wie mit Gold und Silber geschmückte friedliche Tauben. Sie hatten nichts Bedrohliches zu fürchten (Jes 32,18). In eine vergleichbare Lage wird der gläubige Überrest des Volkes Israel in zukünftiger Zeit kommen, wenn der Herr Jesus, ihr Messias, wiederkommen wird und Seinen Siegeszug über diese Erde antritt.

Die Verse 16 bis 18 haben den Berg Zion mit Jerusalem zum Gegenstand, weil Christus, Israels Messias, Zion als Ziel für Sein zukünftiges Kommen auf diese Erde erwählt hat (Ps 2,6; 48,2f; 87,2–7; 132,13f; Jes 2,2; Off 14,1), nicht aber andere gipfelreiche, beeindruckende Berge. Der,heilige Berg Zion' wird von diesem Zeitpunkt an eine überragende Geltung haben. Er wird einen absoluten Vorrang erlangen gegenüber Ansprüchen von anderer Seite, denn der über alles erhabene ewige Sohn Gottes wird dort Wohnung nehmen. Auch für diese Wahl gilt, dass Gott „das Verachtete auserwählt und das, was nicht ist, damit er das, was ist, zunichtemache“ (1. Kor 1,28). So machtvoll und weise, wie es stets Seine Vorgehensweise war, wird der Herr auch dann handeln. Als ewiger Gott ist Er der Einzige, dessen Majestät, Weisheit und Ehre niemals etwas hinzugefügt werden kann. Auf Seinem heiligen Berg zu Jerusalem „wird der HERR für immer wohnen“ (Vers 17). Es handelt sich um den Ort, wo Christus als Mensch auf der Erde einst die größte Schmach angetan worden ist. Aber zu jener Zeit und an diesem Ort hat Er Satan besiegt, und gerade dorthin geht der zukünftige Siegeszug des Herrn, um dem Feind von dort aus alle Macht und den ganzen Herrschaftsbereich wegzunehmen. Dabei tritt dann die unendliche Machtfülle des Herrn hervor, die hier in Vers 18 durch die unzählbare Menge der Wagen Gottes bildlich dargestellt wird. Unvorstellbar groß ist auch die Menge der Engel, die Ihm zur Verfügung stehen. So offenbart sich in der Zukunft auf der Erde die Herrlichkeit des HERRN, die einst schon am Sinai in Erscheinung getreten war (Vers 18; 5. Mo 33,2. Vgl. im Unterschied hierzu das,himmlische Jerusalem' und die,Myriaden von Engeln' in Heb 12,22.23).

Der Vers 19 wird in dem Brief an die Epheser Kap. 4,8 entsprechend dem griechischen Text der Septuaginta etwas abgekürzt wiedergegeben. Er beschreibt eine bedeutungsvolle Teilstrecke des ‚Siegeszugs' Gottes. Der Beginn des Verses 19: „Du bist aufgefahren in die Höhe“ ist die prophetische Vorankündigung der inzwischen geschehenen Himmelfahrt des Herrn Jesus, des Sohnes Gottes und des Sohnes des Menschen. Das Auffahren zum Himmel setzt die Auferstehung nach Seinem Sterben am Kreuz voraus: „Das aber: Er ist hinaufgestiegen, was ist es anderes, als dass er auch hinabgestiegen ist in die unteren Teile der Erde?“ (Eph 4,9). Denn Er stieg vorher hinab in den Tod und in das Grab, und das war die tiefste Tiefe Seiner Erniedrigung. Sein Sterben und Auferstehen machte vorab Seine Menschwerdung notwendig und schloss sie als Bedingung mit ein. Der Ausgangspunkt Seines Weges war zuerst der Himmel, als Er Sich zu der Sendung auf diese Erde bereiterklärte (Heb 10,7). Zuletzt führte Sein Erdenweg Ihn durch den Tod, als Sein Leib im Grab war, während Sein Geist im Paradies weilte. Am dritten Tag aber stand Er auf und kehrte dann, nachdem Er vielen Zeugen als Auferstandener begegnet war, in den Himmel zurück, und wir dürfen Ihn dort als verherrlichten Menschen betrachten. Satan hatte sich getäuscht in der Annahme, dass er Ihn durch den Tod in seine Gewalt gebracht und Ihm für immer das Ende bereitet hätte. Der Herr Jesus hingegen setzte Seinen Siegeszug im Triumph über diesen größten aller Feinde fort, indem Er auferstand und Sein Leben wiedernahm. Als einziger Mensch besaß Er die dazu notwendige göttliche Gewalt und den Auftrag. So ist Er erfolgreich „in das Haus des Starken“ eingedrungen (Mk 3,27) mit der Zielsetzung, die Menschen von der Macht des Todes zu befreien, die an Ihn und an Sein Wort glauben (Heb 2,14.15). So ist Satans Macht besiegt, und dieser furchtbare Feind wird vollends in die Grube fallen, die er unzähligen anderen gegraben hat. Dadurch ist nunmehr „die Gefangenschaft gefangen geführt“ (Vers 19; Eph 4,8). Um den Siegeszug Gottes in Christus in der Zukunft zu vollenden, wird Satan zuletzt für immer in den Feuer- und Schwefelsee geworfen werden (Off 20,10). Indessen vollzieht sich in der zukünftigen Auferstehung aller Gläubigen schon deren völlige und endgültige Befreiung von der Macht Satans und des Todes.

Nachdem bereits viele zu Gott bekehrte Menschen durch ihren Glauben von der Macht Satans und von der Macht der Sünde befreit sind (Röm 8,1–5), benutzt der Herr Jesus sie nun als Seine Werkzeuge in der Auseinandersetzung mit dem Bösen und zur Ausbreitung der Wahrheit, denn durch ihre Erlösung und Befreiung hat Er „im Menschen Gaben empfangen“ (Vers 19). Mittels der „Gaben“ (Eph 4,7–16) wirkt der Herr jetzt durch den Heiligen Geist anhand der Belehrungen des Neuen Testaments, um das göttlich Gute allen Menschen nahezubringen. So sind den Ihm gehörenden Menschen Gaben gegeben, die nicht von menschlicher Art sind, sondern ihrem Wesen nach geistlich und göttlichen Ursprungs. Es sind Erkenntnisse und Befähigungen, die die Gläubigen mit den üblichen, menschlichen Mitteln nie hätten bekommen können. Es sind Gaben, die sie nicht nach eigenem Ermessen und in eigener Kraft benutzen dürfen, sondern nur in tatsächlicher geistlicher Abhängigkeit vom Herrn und gelenkt durch den Heiligen Geist. Durch diese Gaben ist Gott tätig, und Sein Wort wirkt durch sie. Sein Wille und Seine Ziele können nun durch Werkzeuge erreicht werden, die in sich selbst nur schwache Menschen sind. Das gründet sich darauf, dass durch Christi Auferstehung und durch Sein Auffahren in die Höhe ein Mensch im Himmel ist, mit dem die Werkzeuge auf der Erde durch den Heiligen Geist in lebendiger Verbindung sind, und die in bewusster, willentlicher Übereinstimmung mit Ihm leben und tätig werden (Eph 4,11f). Was Christus im Himmel als verherrlichter Mensch empfangen hat, das lässt Er in Menschen wirksam werden. Sie wollen nicht selbst hervortreten, sondern Gott als „Lebende aus den Toten“ zu Werkzeugen der Gerechtigkeit dienen (Röm 6,13). Was Gott im Menschen benutzt, muss von Gott herstammen; zudem muss es die geistliche Herkunft auch praktisch unter Beweis stellen. Das Eigenwillige und Ichbezogene, das aus der menschlichen Natur stammt, muss als gänzlich ungeeignet für tot gehalten werden und weggetan sein (Röm 6,11), damit der Geist Gottes auch praktisch in uns wirken kann. Wo das geschieht, da wohnt Gott und Sein Geist, und da sind Seine Liebe und Seine Wahrheit am Werk.

Einst gehörte auch Saulus, der spätere Apostel Paulus, zu den „Widerspenstigen“, die den Herrn und Seine Anhänger verfolgten (Vers 19). Der Herr warnte ihn vor Damaskus: „Es ist hart für dich, gegen den Stachel auszuschlagen“ (Apg 26,14). Saulus wurde überwunden durch die Macht des Herrn und war als Paulus ein sehr nützliches Werkzeug in Seiner Hand. In der noch kommenden Endzeit wird,ein Überrest Israels' zu dem Herrn, seinem Messias, umkehren und errettet werden (Röm 9,27–29; 11,5.26; Zeph 3,12–17). Dieser noch zukünftige Verlauf der Geschichte Israels ist von Gott festgelegt und wird durch die Macht Gottes trotz der Rebellion von „Widerspenstigen“ durchgesetzt werden. Auch diese längst vorausgesagten Ereignisse gehören zum Siegeszug Christi und Gottes, „damit Jah, Gott, eine Wohnung habe“, wo Er Selbst in der Mitte eines zu Ihm umgekehrten Volkes weilt (Vers 19; Zeph 3,15). Sein unwandelbarer Entschluss wird dann zur Wirklichkeit werden: „Ich eifere für Zion mit großem Eifer, und mit großem Grimm eifere ich für es. So spricht der HERR: Ich kehre nach Zion zurück und will inmitten Jerusalems wohnen; und Jerusalem wird ‚Stadt der Wahrheit‘ genannt werden und der Berg des HERRN der Heerscharen ‚der heilige Berg‘... Wenn es wunderbar ist in den Augen des Überrestes dieses Volkes in jenen Tagen, wird es auch in meinen Augen wunderbar sein? spricht der HERR der Heerscharen“ (Sach 8,2.3.6). Trotz größter Anstrengungen wird der durch Christus bereits besiegte Feind diese vorgezeichneten Wege Gottes nicht durchkreuzen können.

In Erfüllung der Prophezeiungen in Vers 20 bis 24 rühmt der oben erwähnte Überrest Israels in der Zukunft die Güte und die Macht Gottes, die ihnen in größter Bedrängnis täglich zu Hilfe kommen wird und zuletzt durch die Zerschmetterung der Feinde Rettung verschafft (Vers 20; Ps 55,23f; 66,9f; Jes 46,3.4). Selbst wenn sie in Todesgefahr geraten, glauben sie unbeirrt an Seine Macht, die ihnen das Entrinnen ermöglicht. Er allein vermag einen Ausgang vom Tod zu verschaffen (Vers 21; Ps 23,4–6). Das hier für ‚Ausgang' verwendete hebräische Wort bedeutet ‚frei ausgehen‘, ‚herauskommen‘ (2. Kön 13,5) und ‚entgehen‘ (Pred 7,18), und zwar auf Wegen, die in jedem Fall aus dem Gefahrenbereich herausführen und in Sicherheit bringen. Wie Vers 19 zeigt, besitzt Gott die Mittel, vom Tod zu befreien. Nur Er vermag Todesfurcht wirklich wegzunehmen. Auch gibt es keine Gefahr, der Er nicht gewachsen wäre. Nach der Prophezeiung der Verse 22 bis 24 wird Er in kommender Zeit das Volk der Juden aus hoffnungsloser Lage wiederbeleben und die Befreiung der Gottesfürchtigen des Volkes durch eine endgültige Bestrafung ihrer Feinde herbeiführen (Ps 58,11; 59,11–14; 149,6–9; 5. Mo 32,41–43).

Die Verse 25 bis 28 beschreiben einen triumphalen Einzug ins Heiligtum (Ps 24,7–10; 47,6–10). Die Herrlichkeit des Gottesdienstes in Israel wird in zukünftiger Zeit wiederhergestellt werden, nachdem der Tempel als Heiligtum von Neuem errichtet ist (vgl. Hes 40 bis 46). Christus, der Messias, ist dann ihr König. Sie wissen, dass Er der ewige Gott ist, der HERR (oder: Jahwe; Jehova), ihr Bundesgott seit alter Zeit. Die in Vers 25 genannten „Züge“ sind die Ihm folgenden Scharen, in etwa vergleichbar mit einer Prozession. Es handelt sich offenbar um die ins Heiligtum einziehende Menschenmenge, das heißt um gottesfürchtige Anbeter. Schon zur Zeit ihres Stammvaters Jakob war dies das Ziel des göttlichen Ratschlusses (Vers 27b). Gott der HERR bildet dann den Mittelpunkt dieses wunderbaren Geschehens. Nunmehr ist der Tempel und auch das, was das Volk darbringt, gereinigt und geheiligt. Sie selbst sind Heilige, ein Besitztum des HERRN, das sich durch Vollständigkeit auszeichnet, da keiner von Seinen Erwählten fehlen wird (Vers 28). Gott ist in ihrer Mitte, Ihm gilt ihr Preisen und Loben. Als Anbeter bilden sie eine geistliche Einheit; ihr Gottesdienst ist durch harmonische Ordnung geprägt. Es ist ihr Wunsch, dem HERRN immerfort Ehre zu bringen und Sein Lob zu mehren. Das hier entworfene Bild macht deutlich, dass nun ein herrliches Ziel erreicht ist: An der heiligen Stätte Seiner Gegenwart angelangt, vollendet sich der Siegeszug im ewigen Lob Gottes, zur Verherrlichung Seines Namens.

Im Zuge der zukünftigen Wiederherstellung aller Dinge durch den Messias wird Israel erstarken, denn ihnen gilt Seine Liebe und besondere Fürsorge. Er tritt für sie ein, Er wirkt unter ihnen und vollendet das Werk Gottes für sie (Verse 29 bis 32; Ps 138,8; Jes 26,12–15; 32,17f; 60,14). Der Tempel ist dann ein beständiger Anziehungspunkt für alle Bewohner des Landes, und in jener kommenden Zeit auch für die umliegenden Völker (Vers 30; Ps 45,13; 72,10; Jes 19,21). Nationen, die vordem als Weltmächte angesehen wurden, haben sich dem HERRN unterworfen. Militärmächte, die viele Völker mit Krieg überzogen hatten, sind aufgelöst und machtlos. Die Macht der Bösen, die Satan für seine zerstörerischen Ziele einsetzte, ist verschwunden, nachdem das Reich Christi auf der Erde errichtet ist und Er von Jerusalem aus herrscht. Kriege gehören der Vergangenheit an (Vers 31; Jes 2,2–4; 9,5). Völker, die den wahren Gott nicht verehrten oder auch bisher gar nicht gekannt haben, werden zu Gott umkehren und sich beeilen, ihre Unterwerfung zu bekunden. Er ist der alleinige Gott; dies wird niemand mehr in Zweifel ziehen können.

In den Versen 33 bis 35 werden die Königreiche der Erde aufgefordert, dem Herrn zu lobsingen und Ihn zu ehren (Ps 67,3.4; 100,1–5). Die Oberhoheit des Königs der Könige steht hier besonders im Blickfeld. Alle Macht und Stärke ist in der Hand des Herrn Jesus Christus vereint (Vers 35; Mt 28,18). Er ist die Quelle aller Kraft und alles Guten. Er ist von Ewigkeit her Derselbe. Die ganze Erde hat dies anzuerkennen. Kein anderer besitzt diese höchste Würde, und niemand wird Gleiches beanspruchen. Vom Himmel her gibt Seine Stimme Zeugnis von Seiner Macht. Seine Stimme genügt vollkommen, um die göttliche Autorität überall aufrechtzuerhalten (Vers 34; Ps 29,3–9; 46,7; Jes 30,30; Joel 3,16). Seinem Willen ist alles unterworfen. Es gibt keinen Ort in der Welt, den Seine Stimme nicht erreicht. Durch das Wort Seiner Macht trägt Er alle Dinge und lenkt alles Geschehen. Allerorts zeigt sich Seine Macht über den Wolken (Vers 34), doch besonders tritt Seine Hoheit über Israel und ihrem Land in Erscheinung (Vers 35; 5. Mo 33,26). Der Himmel ist Sein Thron und die Erde der Schemel Seiner Füße (Jes 66,1). Dann ist die Herrlichkeit des HERRN über Israel und den dortigen Heiligtümern Gottes aufgegangen, über Israel strahlt der HERR auf und über Israel erscheint Er (Jes 60,2). Seine Verbindung mit ihnen stellt sich für alle Völker offenkundig dar. Die Nationen sehen diese Erscheinung zugleich als die Herrlichkeit Israels an und streben dorthin (Jes 60,1–5). Der HERR ist „zur Herrlichkeit in seiner Mitte“ (Sach 2,9). Offenbar ist die Darstellung Seiner Hoheit und Macht so übermächtig und gewaltig, dass gar nichts anderes in Betracht kommt als sofortiger Gehorsam. Alles ist Seinen Füßen unterworfen; es gibt nichts, das Ihm nicht unterworfen wäre. Denn alle Dinge bestehen um Seinetwillen, sie existieren durch Ihn (Heb 1,3; 2,8.10). Sein Erscheinen ist für jedes Geschöpf überwältigend und gebietet uneingeschränkte Ehrfurcht. Niemand kann Ihm die Anerkennung verweigern, jedes Knie muss sich vor Ihm beugen. „Gepriesen sei Gott!“ (Vers 36; Röm 9,5b).

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