Elisa, der Prophet

Der Nachfolger Elias

Als die Dinge unter dem Volk Israel noch weitgehend in Ordnung waren, gab es für den Dienst eines Propheten in der von dem Herrn aufgerichteten Ordnung für sein Volk keinen Anlass. Am Ende der Zeit des Dienstes durch Moses war der Hohepriester das Bindeglied zwischen dem HERRN und seinem Volk. Selbst der ordentliche Führer des Volkes war angewiesen, unter der Leitung des Priesters voran zu ziehen (4. Mo 27,18–23). Als das Priestertum versagt hatte, wurde der König des Volkes zum Bindeglied und der Hohepriester rückte an die zweite Stelle zurück (1. Sam 2,35). Erst als auch das Königtum versagt hatte, wurden Propheten erweckt, denn unser Gott möchte immer einen Weg haben, auf dem Er sein Volk zu deren Unterweisung und Segen erreichen kann. Solche Propheten wurden jedoch nur zeitweise oder mit Unterbrechungen eingesetzt, wenn Gott die Notwendigkeit dazu sah. Es gab bei den Propheten nicht eine fortlaufende Linie wie bei den Priestern und den Königen. Jeder einzelne Prophet stand in seiner eigenen Verantwortung und erfüllte seinen Auftrag und verschwand wieder.

Im Fall von Elia gab es jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz. Er hatte nämlich einen Nachfolger. „Elisa, den Sohn Saphats, sollst du zum Propheten salben an deiner Statt“ (1. Kön 19,16). Elisa ergänzte also den Dienst des Elia. Der Unterschied zwischen den beiden ist bemerkenswert:

  • Der eine furchtbar in seiner Haltung, der andere gnädig;
  • der eine ein Asket, der andere häuslich und gemütlich und zugänglich für alle.
  • Die Wundertaten Elias waren durch Gericht gekennzeichnet, die des Elisa ausnahmslos durch Gnade und Barmherzigkeit.

Gerade die Weise, wie die beiden uns vorgestellt werden, fesselt durch ihren Gegensatz unsere Aufmerksamkeit: der Tisbiter tritt unvermittelt in die Szene, wie ein Blitz aus heiterem Himmel (1. Kön 17,1); der Sohn Saphats wird beim friedlichen Pflügen eines Feldes gesehen (1. Kön 19,19).

Elia und Elisa erinnern uns an Johannes den Täufer und den Herrn Jesus. Der strenge Dienst Elias war dem des Vorläufers sehr ähnlich (Lk 1,17); der gütige Dienst Elisas erinnert sehr an den Heiland selbst (Lk 7,33.34). Auch die Bedeutung seines Namens „Gott ist Rettung“ ist sehr vielsagend.

Elias Auftreten vor Gott gegen Israel (Röm 11,2) führte dazu, dass Elisa als Prophet an seiner statt gesalbt wurde. Sein äußerst geprüfter Geist war in böse Klagen gegen das Volk Gottes ausgebrochen. Er hatte ihre Sünden vor Gott aufgezählt. Sie hatten seinen Bund verlassen, seine Altäre niedergerissen und seine Propheten mit dem Schwert getötet, und schließlich trachteten sie sogar danach, Elia zu vernichten (1. Kön 19,10). Welcher Gegensatz zu der Haltung Moses in 2. Mose 32,31.32!

Außerdem schien der Prophet durch seine ungewöhnliche Erklärung, dass er allein übriggeblieben sei, dem Irrtum verfallen zu sein, außer ihm gäbe es kein einziges treues Herz mehr im ganzen Land. So etwas kann Gott von keinem von uns hinnehmen. Wohl mögen andere in ihrer Absonderung vom Bösen nicht so deutlich Stellung bezogen haben wie Elia; aber der Herr wollte doch seinen Knecht wissen lassen, dass trotzdem noch siebentausend übriggelassen worden waren, die ihre Knie nicht vor dem Baal gebeugt hatten. Bemerkenswert ist, dass ab diesem Punkt in dem inspirierten Bericht das Licht auch auf andere Zeugen geworfen wird – Beispiele dieser siebentausend (1. Kön 19,19; 20,13–22.28–35; 21,3; 22,8).

Möchte uns das Versagen Elias zur Warnung dienen. Auch unsere Tage sind beklagenswert böse, und der Abfall nimmt rasant zu. Gott schätzt solche, die wie Elia dem Bösen gegenüber standhaft bleiben – was es sie auch in Bezug auf Bequemlichkeit und Ehre hier kosten mag. Aber möchte doch niemand die eigene Treue höher bewerten als die Treue anderer. Demut und Sanftmut des Geistes geziemt uns solchen gegenüber, die in ihren Herzen wirklich Christus achten – wie befremdend ihre Verbindungen auch sein mögen. Auch solche sind alle sehr kostbar für Gott. Wie ernst und schwer Er auch das an ihnen tadeln mag, was Ihm nicht wohlgefällig ist, so kann Er doch niemals eine kritische und tadelsüchtige Gesinnung ihnen gegenüber bei uns dulden. In diesen Fallstrick zu fallen würde bedeuten, in dieser kritischen Zeit in der Geschichte der Versammlung Gottes unsere eigene Nützlichkeit aufzugeben. Und wenn selbst ein so hervorragender Zeuge wie Elia darin versagt hatte, dann ist doch diese Gefahr für uns selbst weitaus größer.

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