Gekommen – um zu dienen

Kapitel 11

Gekommen – um zu dienen

Der Einzug in Jerusalem

„Und als sie sich Jerusalem, Bethphage und Bethanien nähern, gegen den Ölberg hin, sendet er zwei seiner Jünger und spricht zu ihnen: Geht hin in das Dorf euch gegenüber; und sogleich, wenn ihr dort hineinkommt, werdet ihr ein Fohlen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat; bindet es los und bringt es herbei. Und wenn jemand zu euch sagt: Warum tut ihr dies?, so sagt: Der Herr benötigt es, und er sendet es sogleich hierher. Und sie gingen hin und fanden ein Fohlen angebunden an einer Tür draußen auf der Straße; und sie binden es los. Und einige von denen, die dort standen, sprachen zu ihnen: Was tut ihr, dass ihr das Fohlen losbindet? Sie aber sprachen zu ihnen, wie Jesus gesagt hatte. Und sie ließen sie gewähren. Und sie bringen das Fohlen zu Jesus und legen ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Und viele breiteten ihre Kleider auf den Weg aus, andere aber Zweige, die sie auf den Feldern abgehauen hatten; und die Vorangehenden und die Nachfolgenden riefen: Hosanna! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn! Gepriesen sei das kommende Reich unseres Vaters David! Hosanna in der Höhe! Und er zog in Jerusalem ein, in den Tempel; und als er über alles umhergeblickt hatte, ging er, da es schon spät an der Zeit war, mit den Zwölfen hinaus nach Bethanien“ (11,1–11).

Mit Kapitel 11 beginnt die letzte Woche für den Herrn, die mit seinem Begräbnis am Ende von Kapitel 15 endet. Sein Weg führt immer näher nach Jerusalem hinauf. Auf diesem Weg finden wir, wie Gott wirkt, um seinem Sohn ein letztes Lob von Seiten des Volkes zukommen zu lassen. Die Szene, die wir hier vor uns haben, ist ein Vorgeschmack der Huldigung, die dem Herrn bei seinem Einzug in Jerusalem zu Beginn des Friedensreiches zuteilwerden wird.

Nahe bei Jerusalem, Bethphage und Bethanien sendet der Herr zwei Jünger in ein Dorf, wo sie ein Eselsfohlen angebunden finden würden, das sie lösen und zu Ihm bringen sollen. So eine Anordnung konnte Er, als Herr der ganzen Schöpfung, geben. Hier – und auch in Kapitel 14,13 – wird wieder deutlich, dass der Herr, auch wenn Er seinen Weg in Niedrigkeit und Demut als der Knecht Gottes ging, doch zugleich auch der allwissende Sohn Gottes ist.

Die Jünger gehen in das Dorf, finden alles so vor, wie der Herr es ihnen gesagt hatte, und bringen das Fohlen zu Ihm. Diesen jungen Esel benutzt der Herr dann, um in Jerusalem einzuziehen. Damit handelt Er ganz in Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes. Zum einen erfüllt Er die Prophezeiung aus Sacharja 9,9. Er kam nicht in Macht und Herrlichkeit, sondern in aller Demut und Sanftmut, reitend auf einem Eselsfohlen.

Zum anderen war der Esel das von Gott vorgesehene „Fortbewegungsmittel“ für sein Volk. Pferde waren dem Volk Israel und besonders seinen Königen lediglich in Maßen erlaubt (5. Mo 17,16). Diesem Gebot Gottes wurde wohl auch bis zur Zeit Salomos Folge geleistet. So finden wir z. B. im Buch der Richter, dass hochgestellte Leute im Volk Israel auf Eseln ritten (Ri 5,10; 10,4; 12,14). Erst Salomo fing an, sich die Rosse zu mehren (1. Kön 10,26–29). Es ist daher schön, zu sehen, dass, wenn der Herr sich als der König Israels zeigt, Er in allen Teilen nach den Gedanken Gottes handelt.

In diesen Versen wird ganz besonders deutlich, dass Gott in allem der Handelnde ist. Er bewirkt, dass der Besitzer des Fohlens es bereitwillig dem Herrn zur Verfügung stellt.

Er bewirkt auch, dass dieses Fohlen, auf dem bis dahin kein Mensch gesessen hatte, willig folgt, als der Herr es benutzt, um darauf nach Jerusalem zu reiten. Normalerweise ist ein junger Esel sehr störrisch, wenn zum ersten Mal jemand auf ihm reiten will. Hier jedoch nicht, der Esel ist unter der Leitung des Herrn folgsam.

Ganz besonders wird das Wirken Gottes in der Huldigung sichtbar, die die Mengen dem Herrn Jesus entgegenbringen. Viele von ihnen verstanden nicht, was sie mit ihren Worten sagten. Aber Gott führte es so, dass seinem Sohn auf dem Weg zum Kreuz diese Huldigung noch gebracht wurde.

Was für Empfindungen müssen in dem Herzen des Herrn gewesen sein, als Er so in seine Stadt, die „Stadt des großen Königs“, einzog, und das in dem Bewusstsein, dass dort das Kreuz auf Ihn wartete und dass ein Großteil derer, die Ihm hier huldigten, dann rufen würde: „Kreuzige Ihn!“ (Kap. 15,13.14).

Hier ist es nur eine kurzzeitige Bewegung in den Herzen der Menschen. Aber in der Zukunft, wenn die Prophezeiung aus Sacharja 9,9 und 10 ganz erfüllt und Er in Jerusalem einziehen wird, um sein Reich aufzurichten, wird Ihm ein aufrichtiges Lob gebracht werden und sein Volk beständig „voller Willigkeit sein“ (Ps 110,3).

In Jerusalem angekommen, stößt der Herr sofort in das Zentrum des jüdischen Gottesdienstes vor – in den Tempel. Er hatte das Tun der Menschen gesehen und ihre Worte gehört, aber jetzt kommt Er, um sich alles von innen zu besehen. Das tut Er bei jedem Menschen, auch bei den Gläubigen. Denn das, was nach außen sichtbar ist, kommt aus dem Herzen des Menschen hervor. Was findet Er in unseren Herzen? Ist das, was nach außen sichtbar ist, in unseren Herzen gegründet, oder täuschen wir etwas vor, so dass der Herr zu anderen weitergehen muss, wo Er das findet, was Er sucht?

So war es hier. Er bleibt nicht über Nacht in Jerusalem, sondern geht hinaus nach Bethanien, wo Herzen sind, die Ihm entgegenschlagen, und wo Er so kurz vor dem Kreuz noch etwas Ruhe finden kann.

Im Matthäusevangelium wird nichts davon berichtet, dass der Herr zunächst einmal in den Tempel geht, um sich alles anzusehen. Dort wird sofort von der Tempelreinigung berichtet, die Er in richterlicher Autorität durchführt (Mt 21,12.13). Hier geht Er zunächst in den Tempel, um sich in Ruhe mit eigenen Augen ein Bild von der Situation zu machen. Das ist in Übereinstimmung mit dem Charakter dieses Evangeliums, indem es uns den Herrn zeigt, wie Er persönlich in die Situation eintritt, die sich vor Ihm abspielte. Dieses Handeln des Herrn zeigt etwas von der Langmut Gottes, die z. B. auch in 1. Mose 18,20 und 21 bei Sodom deutlich wurde.

Der fruchtlose Feigenbaum

„Und am folgenden Tag, als sie von Bethanien weggegangen waren, hungerte ihn. Und als er von weitem einen Feigenbaum sah, der Blätter hatte, ging er hin, ob er vielleicht etwas an ihm fände; und als er zu ihm kam, fand er nichts als Blätter, denn es war nicht die Zeit der Feigen. Und er hob an und sprach zu ihm: Nie mehr esse jemand Frucht von dir in Ewigkeit! Und seine Jünger hörten es“ (11,12–14).

Am folgenden Morgen kehrt der Herr aus der schönen Atmosphäre von Bethanien wieder zurück nach Jerusalem. Sein Auftrag an dem Volk Israel und auch an der Stadt Jerusalem war noch nicht erfüllt. Daher geht Er als der treue Diener wieder nach Jerusalem zurück. Auf dem Weg dorthin „hungert Ihn“ und Er sucht Frucht an einem Feigenbaum, der aber nur Blätter und keine Früchte hat.

Um richtig zu verstehen, warum der Herr diesen Feigenbaum verfluchte, weil er nur Blätter hatte, und warum es doch am Ende von Vers 13 heißt, dass es nicht die Zeit der Feigen war, ist es hilfreich, wenn wir zwei Dinge bedenken:

  1. Ein Feigenbaum in Palästina trägt dreimal im Jahr Früchte. Die ersten Früchte, die sogenannten Vorfeigen bilden sich im Frühjahr zusammen mit den ersten Blättern. Obwohl sie nicht saftig sind, werden sie trotzdem gegessen. Zu Beginn des Sommers entwickeln sich dann die Frühfeigen. Ihnen folgen dann die Spätfeigen, die am Ende des Sommers die Haupternte bilden.
  2. Wenn es heißt, dass es nicht die Zeit der Feigen war, meint das, dass es nicht die Erntezeit der Feigen war.

Da dieser Feigenbaum Blätter hatte und die Früchte normalerweise schon vor, bzw. mit den Blättern da sind, hätte dieser Feigenbaum Früchte haben müssen, es sei denn, sie wären schon abgeerntet gewesen. Dies wird jedoch mit dem Hinweis darauf, dass es nicht die Erntezeit der Feigen war, ausgeschlossen.

Der Baum täuschte also durch die Blätter nach außen vor, Frucht zu tragen, obwohl sie gar nicht da war. Das war es, was der Herr richten musste.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Feigenbaum hier ein treffendes Bild von dem Zustand des Volkes Israel zur Zeit des Herrn war. Rein äußerlich gesehen waren viele „Blätter“ einer religiösen Form und eines frommen Bekenntnisses vorhanden, aber es war keine Frucht für Gott da.

Diese Frucht suchte der Herr bei seinem Volk (s. a. Lk 13,6–9), aber Er fand nichts als nur Blätter, nichts als nur eine äußere Form. Daher musste der Herr das Volk Israel in seinem verderbten Zustand verfluchen und beiseitesetzen.

Bedeuten die Worte des Herrn in Vers 14, dass Israel nie wiederhergestellt werden wird? Sicherlich nicht, denn aus vielen anderen Stellen wissen wir, dass Gott sein Volk in der Zukunft wieder annehmen wird. Aber dann wird das Volk in einem völlig anderen Zustand vor Gott sein. Die Wiederannahme des Volkes wird in Römer 11,15 mit „Leben aus den Toten“ verglichen. Erst in diesem neuen Zustand kann Gott die Frucht bei seinem Volk finden, die Er so lange vergeblich gesucht hat.

Wir können diese Begebenheit auf uns anwenden, denn auch bei uns sucht Gott Frucht (Röm 7,4).

Aus Psalm 1 und Jeremia 17,7 und 8 wissen wir, dass die Menschen oft mit Bäumen verglichen werden. Ein Baum ist durch Wurzeln, Blätter und Früchte gekennzeichnet. Das, was man nach außen von einem Baum sieht, sind die Blätter. Sie reden von dem Zeugnis eines Menschen, von dem, was man von ihm sieht. Das Zeugnis ist wichtig, aber wenn es ohne Frucht ist, ist es wertlos für Gott. Frucht gibt es jedoch nur, wenn die Wurzeln des Baumes im Wasser gegründet sind. So können auch wir nur aus der Gemeinschaft mit Gott heraus Frucht hervorbringen (Joh 15,5); Frucht, die Ihm wohlgefällig ist und die Er sucht. In der allgemeinen Christenheit heute kann Er sie nicht finden. Findet Er sie bei uns? Oder täuschen auch wir durch ein frommes Bekenntnis oder einen nach außen tadellosen Wandel etwas vor, was in Wirklichkeit bei uns gar nicht vorhanden ist?

Die Tempelreinigung

„Und sie kommen nach Jerusalem. Und als er in den Tempel eingetreten war, fing er an hinauszutreiben, die im Tempel verkauften und kauften; und die Tische der Wechsler und die Sitze der Taubenverkäufer stieß er um. Und er erlaubte nicht, dass jemand ein Gefäß durch den Tempel trug. Und er lehrte und sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben: „Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Nationen“? Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht. Und die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten es und suchten, wie sie ihn umbringen könnten; denn sie fürchteten ihn, weil die ganze Volksmenge sehr erstaunt war über seine Lehre. Und wenn es Abend wurde, ging er zur Stadt hinaus“ (11,15–19).

In Jerusalem angekommen, geht Er wieder in den Tempel und beginnt mit Autorität den Tempel zu reinigen. Was für ein Schmerz muss es für den Herrn gewesen sein, zu sehen, was die Menschen aus dem Haus Gottes gemacht hatten! Es war ein Ort, um Gott zu nahen und um zu beten, diese Menschen aber hatten es zu einer „Räuberhöhle“ gemacht, wo sie der Geldliebe und dem Handel nachgingen.

Es war der Wunsch Gottes, dass man in seinem Haus Ihn und seine Ehre suchte. Aber die Menschen hatten sein Haus zu einer Räuberhöhle gemacht, zu einem Ort, wo sie etwas für sich selbst suchten und sich in den Mittelpunkt stellten. Sie missachteten zwei große Grundsätze des Hauses Gottes: zum einen, dass dem Haus Gottes Heiligkeit geziemt (Ps 93,5), und zum anderen, dass es ein Bethaus für alle Nationen sein sollte (Jes 56,7; 1. Tim 2,1). Dies musste Er richten, denn mit einer äußeren Form kann Er sich nicht zufrieden geben.

Der Zusammenhang, in dem die hier vom Herrn zitierten Worte aus Jeremia 7,8–11 stehen, zeigt den schlimmen Zustand, der hier herrschte. Diese Worte hätten die, die diese Schriftstelle kannten, treffen und verurteilen müssen. Aber anstelle einer Umkehr bewirkten sie nur noch mehr Hass und Ablehnung bei den Schriftgelehrten. Sie wollten Ihn töten, weil sie um ihren Einfluss bei den Volksmengen fürchteten. Da seine Stunde noch nicht gekommen war, konnten sie ihre Pläne nicht ausführen, aber was für einen Schmerz fügten sie dem Herrn damit zu. Doch in dem Bewusstsein, dass auch diese Leiden zum Ratschluss Gottes für Ihn gehörten, ertrug Er sie still, ging jedoch abends wieder aus der Stadt hinaus.

Diese Begebenheit können wir auch auf uns anwenden. Sie zeigt uns wieder den Gedanken der Unterscheidung zwischen dem Inneren und dem Äußeren (s. a. Verse 11.13). Auch in Verbindung mit dem Gottesdienst geht es dem Herrn um den Zustand unserer Herzen. Wir können nach außen einen perfekten Gottesdienst ausüben, aber doch in unseren Herzen Dinge haben, die damit nicht in Verbindung zu bringen sind und die der Heiligkeit Gottes völlig entgegengesetzt sind. Davor müssen wir uns hüten.

Die Kraft des Glaubens und des Gebets

„Und als sie frühmorgens vorbeigingen, sahen sie den Feigenbaum verdorrt von den Wurzeln an. Und Petrus erinnerte sich und spricht zu ihm: Rabbi, siehe, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt. Und Jesus antwortete und spricht zu ihnen: Habt Glauben an Gott. Wahrlich, ich sage euch: Wer irgend zu diesem Berg sagen wird: „Werde aufgehoben und ins Meer geworfen!“, und nicht zweifeln wird in seinem Herzen, sondern glaubt, dass geschieht, was er sagt –, dem wird es werden. Darum sage ich euch: Alles, um was ihr betet und bittet – glaubt, dass ihr es empfangt, und es wird euch werden. Und wenn ihr dasteht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemand habt, damit auch euer Vater, der in den Himmeln ist, euch eure Vergehungen vergebe. Wenn ihr aber nicht vergebt, so wird euer Vater, der in den Himmeln ist, auch eure Vergehungen nicht vergeben“ (11,20–26).

Frühmorgens ist der Herr wieder auf dem Weg nach Jerusalem. Obwohl sein Dienst zu Ende ging und der Widerstand immer stärker wurde, finden wir den Herrn als den treuen Diener wieder früh unterwegs, um seinen Dienst fortzusetzen. Auf dem Weg geht Er mit seinen Jüngern an dem verfluchten Feigenbaum vorbei und sie sehen diesen verdorrt. Die Schnelligkeit, mit der dies geschah, und die Tatsache, dass der Baum nicht wie gewöhnlich von außen, sondern von den Wurzeln an verdorrte, unterstreicht die Tatsache, dass es ein vom Herrn bewirktes Wunder war. So schnell, wie dieser Baum verdorrte, so schnell verfiel auch das Volk Israel nach der Kreuzigung des Herrn in die Bedeutungslosigkeit und „verdorrte“.

Petrus und die anderen Jünger hatten mit offenen Ohren (V. 14) und Augen (V. 20) das verfolgt, was der Herr gesagt und getan hatte, und jetzt spricht Petrus darüber mit dem Herrn (V. 21). Dies benutzt der Herr, um den Jüngern noch mehr zu zeigen.

Er fordert sie auf, Glauben an Gott zu haben. Der Gott, der Ihm geantwortet hatte, war auch bereit, ihre Bitten zu erhören und jedes Hindernis in ihrem Dienst für Ihn aus dem Weg zu räumen. Wenn sie so einen bedingungslosen Glauben hätten, könnten sie zu einem Berg sagen, dass er aufgehoben und ins Meer geworfen werden solle. Damit ist sicherlich nicht buchstäblich ein Berg gemeint, sondern der Herr benutzt das Bild des Berges als eine weitere Beschreibung Israels.

Der Berg scheint hier somit ein Bild von Israel als Nation und Volk auf dieser Erde zu sein. Israel würde als etablierte Nation in dieser Welt weggetan und ins Meer der Nationen geworfen werden. Damit erweitert der Herr das Bild des verdorrten Feigenbaums in Bezug auf Israel. Israel hatte nicht nur aufgehört, das fruchtbringende Volk Gottes zu sein, es würde auch als Nation an sich bedeutungslos werden und sich in den Nationen verlieren. Der Glaube, der sich immer auf das Wort und den Willen Gottes stützt, konnte dies voraussagen, da es im Alten Testament bereits vorausgesagt worden war (z. B. 5. Mo 28,64.65).

Zum anderen ist ein Berg auch ein Symbol für ein Hindernis auf dem Weg. Unter diesem Aspekt können wir in dem Berg ein Bild des Widerstandes und der Feindschaft des Volkes gegen den Herrn sehen. Angesichts dieses Widerstandes, der sich wie ein großer Berg auch vor den Jüngern auftürmte – was besonders auch in der Apostelgeschichte deutlich wird –, brauchten sie Glauben an Gott, um nicht zu verzagen. Der Herr sagt ihnen daher mit diesem Bild, dass auch dieser Widerstand zerbrochen werden würde.

In Verbindung mit den Worten über das Gebet nennt der Herr in diesen Versen zwei Voraussetzungen für die Erhörung eines Gebetes.

Zum einen ist es ein bedingungsloser Glaube (V. 23.24). Ein Gott wohlgefälliges Gebet des Glaubens ist immer durch Vertrauen zu Gott untermauert. So war es in vollkommener Weise bei dem Herrn Jesus. Er kannte den Willen Gottes völlig und setzte sein Vertrauen auf Ihn (Heb 2,13).

Je mehr wir in unseren Gebeten Ihm ähnlich werden und durch glaubensvolles Vertrauen gekennzeichnet sind, desto eher können wir mit der Erhörung unserer Gebete rechnen, da dann jeder Selbstzweck aus unseren Gebeten verschwindet und wir in Übereinstimmung mit seinem Willen bitten.

Die andere Voraussetzung ist eine vergebungsbereite Herzenshaltung. Wenn jemand gegen uns gesündigt hat und wir somit berechtigterweise etwas (es geht nicht nur um große Dinge) gegen ihn haben, sollten wir doch jederzeit zum Vergeben bereit sein. Dies fällt uns umso leichter, wenn wir daran denken, wie viel Gott uns vergeben hat. Sind wir nicht zum Vergeben bereit, können wir in der täglichen Praxis unseres Lebens auch nicht mit der Vergebung Gottes rechnen.

Um Gebetserhörungen zu erleben (V. 24), muss also unsere Beziehung zu Gott (V. 23) und unsere Beziehung zu unseren Mitmenschen (V. 25.26) in Ordnung sein.

In Verbindung mit der Erhörung unserer Gebete werden in der Bibel noch verschiedene andere Voraussetzungen gezeigt:

  1. Joh 9,31: Gottesfurcht und das Tun seines Willens
  2. Joh 14,13; 16,23: in seinem Namen bitten
  3. Joh 15,7: in Ihm und in seinem Wort bleiben
  4. 1. Joh 3,21.22: seine Gebote halten und das Ihm Wohlgefällige tun
  5. 1. Joh 5,14.15: nach seinem Willen bitten

Es werden jedoch auch verschiedene Dinge gezeigt, die einer Erhörung unserer Gebete entgegenstehen können:

  1. Ps 66,18: Sünde bei uns
  2. Spr 21,13: Gleichgültigkeit gegenüber der Not anderer
  3. Spr 28,9: Eigenwille / Ungehorsam
  4. Jak 1,6: Zweifel
  5. Jak 4,3: falsche, üble Bitten
  6. 1. Pet 3,7: falsches Verhalten den Ehefrauen gegenüber

Diese Voraussetzungen und Hindernisse sollten wir gut bedenken, wenn wir mit der Erhörung unserer Gebete rechnen wollen. Aber zugleich brauchen wir uns auch nicht vor jedem Gebet ängstlich zu fragen, ob wir alle Punkte erfüllen. Denn es gilt auch das Wort aus Römer 8,26 und 27, dass der Geist sich unserer Schwachheit annimmt und sich für uns verwendet, da wir nicht wissen, was wir bitten sollen. Gott ist „eingedenk, dass wir Staub sind“ (Ps 103,14), und darauf können wir uns stützen, wenn wir in Umständen sind, die unseren Glauben niederdrücken, und wir kaum noch beten können.

„In welchem Recht tust du diese Dinge?“

„Und sie kommen wieder nach Jerusalem. Und als er im Tempel umherging, kommen die Hohenpriester und die Schriftgelehrten und die Ältesten zu ihm und sagten zu ihm: In welchem Recht tust du diese Dinge? Oder wer hat dir dieses Recht gegeben, dass du diese Dinge tust? Jesus aber sprach zu ihnen: Auch ich will euch ein Wort fragen, und antwortet mir, und ich werde euch sagen, in welchem Recht ich diese Dinge tue: Die Taufe des Johannes, war sie vom Himmel oder von Menschen? Antwortet mir. Und sie überlegten miteinander und sprachen: Wenn wir sagen: Vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt? Sagen wir aber: Von Menschen – sie fürchteten die Volksmenge, denn alle dachten von Johannes, dass er wirklich ein Prophet war. Und sie antworteten Jesus und sagen: Wir wissen es nicht. Und Jesus spricht zu ihnen: So sage auch ich euch nicht, in welchem Recht ich diese Dinge tue“ (11,27–33).

Als der Herr und seine Jünger wieder in Jerusalem sind, konfrontieren die Obersten des Volkes den Herrn mit der Frage, in welchem Recht Er die Dinge tat, die geschehen waren. Diese Frage war insbesondere eine Reaktion auf das Handeln des Herrn in den Versen 15–18, das die Obersten sehr verärgert hatte. Als der Herzenskenner wusste der Herr sofort, dass es keine aufrichtige Frage war, und beantwortet ihre Frage daher nicht direkt.

Um ihre Herzen offenbar zu machen, stellt Er ihnen stattdessen eine Gegenfrage. Er fragt sie in seiner Weisheit, ob die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen war.

Mit dieser Frage traf Er die Herzen der Führer des Volkes. Denn die Taufe des Johannes war mit dem Aufruf zur Buße verbunden. Diesen hatten sie abgelehnt, weil sie nicht Buße tun wollten. Aber diese Frage brachte die Obersten auch in Verlegenheit. Wenn sie anerkannten, dass die Autorität Johannes` vom Himmel kam, verurteilten sie ihren eigenen Unglauben. Schrieben sie seine Autorität jedoch den Menschen zu, hätten sie sich den Ärger des Volkes zugezogen, an dessen Gunst ihnen doch sehr gelegen war.

Ihre Überlegungen „wenn wir sagen: Vom Himmel, … sagen wir aber: Von Menschen …“ zeigen, dass sie an einer aufrichtigen Antwort nicht interessiert waren. Es war offenbar, dass Johannes in der Autorität und Vollmacht des Himmels handelte. Welcher Mensch hätte ihm auch so eine Vollmacht geben können? Aber da sie die Autorität vom Himmel nicht anerkennen wollten, flüchteten sie sich in geheuchelte Unwissenheit, die jedoch in Wirklichkeit Unwahrheit war.

Mit ihrer Antwort stellten sie sich selbst ein Armutszeugnis aus. Wenn sie schon in Bezug auf Johannes die Frage der Vollmacht – die ebenso wie die des Herrn vom Himmel kam – nicht beurteilen konnten, wie wollten sie es dann im Fall des Herrn Jesus tun? Der Herr beantwortet ihre Frage daher auch nicht weiter.

Aus diesen Versen können wir einige praktische Anwendungen ziehen:

Wird es in unserem Leben deutlich, in wessen Auftrag und Vollmacht wir handeln? Das kann man sehen, wenn wir in der täglichen Praxis ein „Brief Christi“ sind und wenn es in unserem Dienst deutlich wird, dass wir Ihm dienen möchten und nicht unsere eigene Ehre suchen (1. Pet 4,11). Bei dem Herrn Jesus war jederzeit klar und deutlich zu erkennen, dass Er seinem Gott und Vater diente.

Wenn es bei uns um die Anerkennung von Autoritäten geht, müssen wir uns die Frage stellen, ob diese Autorität von Gott gegeben ist oder von Menschen angemaßt ist. Ist sie von Gott, müssen wir sie anerkennen. Tun wir das nicht, müssen wir die Folgen tragen.

Wir finden auch noch einen praktischen Hinweis für das Bibelstudium in dieser Begebenheit. Da die Obersten unaufrichtig und nicht bereit waren, die Autorität des Herrn Jesus anzuerkennen, bekamen sie keine Antwort auf ihre Frage. Auch wir empfangen nur dann weiteres Licht über Ihn und sein Wort, wenn wir aufrichtig sind und das, was wir bereits erkannt haben, in unserem praktischen Leben verwirklichen.

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