Das Evangelium nach Matthäus

Kapitel 24

Das Evangelium nach Matthäus

Alles, was wir von Kapitel 21,23 an gelesen haben, hatte sich im Bereich des Tempels ereignet. Jetzt, in Kapitel 24, 1, geht Jesus von dort weg. Die Jünger traten herzu, um Seine Aufmerksamkeit auf einige der prächtigen Gebäude zu lenken, doch sie bekamen von Ihm nur die Prophezeiung zu hören, dass dies alles dem Erdboden gleichgemacht werden würde. Sie fragten nun nach der Zeit, wann diese Vorhersage eintreffen würde, und dachten dabei an das Ende des Zeitalters. Die ersten Worte Seiner Antwort zeigen, dass Seine Ankündigungen uns vorwarnen und wappnen und nicht etwa nur unsere Neugierde oder ein Verlangen nach sehr genauer Kenntnis befriedigen sollten. Wir haben auf uns selbst Acht zu haben.

Falsche Christusse zusammen mit Kriegen und Kriegsgerüchten werden vorausgesagt, doch diese Erscheinungen bedeuten noch nicht das Ende. Es wird Hungersnöte, Seuchen, Erdbeben geben, ebenso wie Kriege, aber sie sind erst der Beginn der Wehen. Verbunden damit werden Verfolgung und Märtyrertum der Jünger einsetzen, Abfall einiger, die Jüngerschaft bekannt haben, Hervortreten falscher Propheten, ein Überhandnehmen der Gesetzlosigkeit und Rückfall in den Herzen vieler Bekenner. In jener Stunde werden die Treuen ausharren bis zum Ende, und dann werden sie errettet werden. Außerdem wird Gott zu aller Zeit Sein eigenes Zeugnis unter den Nationen aufrechterhalten, und wenn diese Dinge vollendet sind, wird das Ende kommen.

Dreimal spricht der Herr in diesen Versen vom „Ende“, und in jedem Fall meint Er das Ende des Zeitalters, worauf sich auch die Frage der Jünger richtete. Seinen wahren Jüngern, die ausharren, wird das Ende Errettung bringen. Das hebt der Herr ausdrücklich hervor und spricht dann erst davon, dass es Seinen Feinden Gericht bringen wird. Lasst uns beachten, dass es „dieses Evangelium des Reiches“ ist, das aller Welt verkündigt werden muss, bevor das Ende kommt. Es ist das Evangelium, das der Herr selbst gepredigt hatte ‑ siehe 4, 23; 9,35 ‑, indem Er verkündete, dass das Reich der Himmel nahe gekommen sei. Das Evangelium, das wir heute predigen (siehe 1. Korinther 15,1‑14), konnte ‑ das lag in der Natur der Sache ‑, nicht verkündet werden, bevor Christus gestorben war.

Zu der Zeit des Endes wird der Gräuel der Verwüstung, wovon Daniel 12,11 spricht, an heiliger Stätte gefunden werden, und dabei geht es um Jerusalem, wie Vers 16 unseres Kapitels zeigt. Offensichtlich wird es wieder einen Tempel mit heiliger Stätte zur Zeit des Endes geben, der durch abscheulichen Götzendienst geschändet werden wird. Um diese Zeit wird sich die Prophezeiung aus Kapitel 12,43‑45 erfüllen: der böse Geist des Götzendienstes wird sich des Volkes mit siebenfacher Gewalt bemächtigen, und die Masse des Volkes wird diesen Gräuel an heiliger Stätte gutheißen ‑ höchstwahrscheinlich „das Bild des Tieres“, wovon Offenbarung 13,14.15 spricht. Weil dadurch die Gesetzlosigkeit ihren Höhepunkt erreicht, wird in den Regierungswegen Gottes Verwüstung über sie hereinbrechen. Die Aufstellung dieses Gräuels nun soll den Gottesfürchtigen das Zeichen sein, dass die prophezeite große Drangsal begonnen hat und dass ihre Sicherheit in der Flucht weg von Jerusalem und Judäa liegt, wo der Ofen der Trübsal am heißesten brennen wird. Der Herr sprach zu Seinen Jüngern, die in diesem Augenblick nur gottesfürchtige Israeliten waren, die ihren Messias auf der Erde umgaben, obwohl sie bald darauf in das Fundament der zukünftigen Kirche eingebaut werden sollten. Deshalb stellten sie zu der Zeit nicht die Kirche, sondern den gottesfürchtigen Überrest Israels dar, der noch sorgfältig das Sabbatgebot beobachtete (Vers 20) und wovon viele sich in Judäa befanden. Unverzügliche Flucht war ihnen geboten. Dies stimmt mit dem überein, was uns in Offenbarung 12,6 in symbolischer Form mitgeteilt wird.

Die große Drangsal übersteigt alles bisher Dagewesene, ist mit nichts zu vergleichen, auch in Zukunft nicht. Das sagt der Herr in Vers 21. Der Grund dafür liegt, wie das Buch der Offenbarung zeigt, in der Tatsache, dass Zorn vom Himmel her ‑ das Ausgießen der Gerichtsschalen ‑ diese Zeit der Gerichte hervorbringen wird. Es wird sich nicht nur darum handeln, dass Menschen sich gegenseitig Not und Leid bereiten oder eine Nation anderen Nationen zur Geißel wird, wie wir es heute in so auffallender Weise erleben, sondern darum, dass Gott die Nationen züchtigt und sie zur Rechenschaft zieht. Es wird „geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her“ (Röm 1,18); bisher wird er noch zurückgehalten, doch dann wird er die Nationen treffen. Nationen als solche werden nur in dieser Welt gefunden; sie bestehen nicht jenseits des Grabes, wohl aber die Menschen, die ihnen hier angehören.

Während der Drangsalszeit werden Auserwählte auf der Erde sein, und um ihretwillen wird sie verkürzt werden, wie uns Vers 22 sagt. In Römer 9,28 lesen wir von dieser Zeit, dass der Herr „eine abgekürzte Sache... auf Erden“ tun wird, und zwar zu dem Zweck, dass ein Überrest gerettet wird. Heute gewährt Gott Gnade durch das Evangelium; es ist ein Werk Seiner Langmut, indem Er es auf mehr als neunzehn Jahrhunderte ausgedehnt hat. Wenn Er aber Gericht übt, wird Er ein rasches Werk tun, es abkürzend in Gerechtigkeit. Einen kurzen Zeitraum von dreieinhalb Jahren wird es umfassen, wie andere Schriftstellen zeigen. So wird sich die Güte Gottes sowohl in Barmherzigkeit als auch im Zorn kundtun.

In dieser Zeit wird der Teufel sehr gut wissen, dass die Ankunft Christi bevorsteht; deshalb wird er versuchen, diesem Ereignis durch allgemeine Verwirrung entgegenzuwirken, indem er Betrüger erweckt und sie mit übernatürlichen Kräften ausstattet, in der Hoffnung, die Auserwählten, die Ihn erwarten, zu verführen. Vers 24 zeigt deutlich an, dass nicht alle wunderbaren Zeichen von Gott herrühren. Es gibt zwei Arten – göttliche und teuflische. In den göttlichen Zeichen offenbart sich Gottes Charakter in Gnade und Macht, teuflische Zeichen mögen für unbekehrte Menschen vielfach auffallender, überraschender und verlockender sein. Menschen dieser Tage, die ein brennendes Verlangen nach Übernatürlichem haben, bedürfen großer Vorsicht, um nicht getäuscht zu werden.

Die Ankunft des wahren Christus Gottes wird, einem Blitz gleich, in höchstem Maß öffentlich bekannt sein. Niemand braucht, um Ihn zu sehen, eine entfernte Wüste aufzusuchen oder sich in ein geheimes Gemach zurückzuziehen. Ebenso, wie Adler sich dort aufhalten, wo das Aas ist, wird Sein Gericht gegenwärtig sein, wo immer Menschen sich im faulenden Morast der Sünde und ihren Seuchen verderben.

Der Drangsal folgt die Erschütterung und der Zusammenbruch der bestehenden Mächte in den Himmeln und auf der Erde, und danach wird der Sohn des Menschen in Seiner Herrlichkeit offenbart werden. Zweimal hatte der Herr vorher von dem „Zeichen des Propheten Jonas“ (12,39.40; 16,4) gesprochen, dadurch andeutend, dass der Sohn des Menschen drei Tage im Grab sein würde. Hier haben wir das Zeichen des Sohnes des Menschen im Himmel, das Zeichen dafür, dass Gott schließlich Seine Rechte auf dieser rebellischen Erde behaupten und ihnen Geltung verschaffen wird durch den Mann Seiner Ratschlüsse und Seiner Wahl. Beide Zeichen sind gewaltig! Wer will sagen, welches von ihnen das größere ist? Beide sind gleicherweise groß zu ihrer Zeit und gebieten uns ehrfurchtsvolle Anbetung.

Nach Seiner Erscheinung in Herrlichkeit wird der Herr Seine Auserwählten versammeln, um derentwillen die Tage der Drangsal verkürzt worden sind. Durch den Dienst von Engeln und bei starkem Posaunenschall werden sie zusammengebracht. Damit kommt das Fest des Posaunenhalls (3. Mose 23,24.25) zu seiner Erfüllung, genauso wie das Passah im Tod Christi und das Fest der Wochen in der Ausgießung des Geistes und der Bildung der Versammlung erfüllt worden sind. Die Auserwählten werden versammelt angesichts der Segnungen des Tausendjährigen Reiches. Eine Entrückung in den Himmel oder gar eine Auferstehung werden nicht erwähnt, denn es sind auf der Erde lebende Menschen, die hier versammelt werden. In Kapitel 16 hatte der Herr offenbart, dass Er Seine Versammlung bauen würde, aber ihre himmlische Berufung und Bestimmung waren nicht enthüllt worden, deshalb darf die Versammlung auch nicht in den Vers 31 hineingelesen werden.

Mit Vers 32 beginnt eine Reihe von Gleichnissen und gleichnishaften Reden. Der Feigenbaum ist ein Gleichnis der Juden; und wenn wir bei diesem Volk ein Wiedererwachen ihres nationalen Lebens wahrnehmen, sollen wir erkennen, dass der Sommer nahe ist, aber „dieses Geschlecht“ wird nicht vergehen, bis all dieses geschehen ist und jener Augenblick kommt. Der Herr hat einige Male von diesem Geschlecht gesprochen – siehe 11,16; 12,39.45, 16,4. Es ist ein sehr altes und hartnäckiges Geschlecht, denn Mose klagte es schon an in 5. Mose 32,5.20 – „Kinder, in denen keine Treue ist“. Das ungläubige Geschlecht wird seinen Untergang finden, wenn der Herr Jesus kommt, doch nicht früher. Sie werden vergehen, aber die Worte Christi werden nicht vergehen.

Die genaue Zeit Seiner Ankunft ist ein Geheimnis, das nur dem Vater bekannt ist, der alle Zeiten und Zeitpunkte Seiner eigenen Gewalt unterstellt hat (siehe Apostelgeschichte 1,7); und weil das so ist, wird Sein Kommen eine jähe Überraschung für die sorglose Welt sein. Es wird wie in den Tagen Noahs sein; die Menschen sind nur mit ihren Vergnügungen beschäftigt, bis das Gericht über sie hereinbricht. Eine ewige Trennung für Männer wie für Frauen wird dann stattfinden. Zephanja 3,11–13 wird sich erfüllen. Die Übertreter werden im Gericht weggerafft werden. Das elende und arme Volk, das auf den Namen des Herrn vertraut, wird für die Segnungen des Tausendjährigen Reiches übrig gelassen, und sie sind „der Überrest Israels“.

Indem wir Vers 42 erreichen, sehen wir erneut, wie der Herr diese prophetischen Gegebenheiten auf das Verhalten Seiner Jünger anwendet. Da sie die Stunde nicht wussten, sollte Wachsamkeit und treuer Dienst sie auszeichnen. Der Knecht, dem Aufsicht anvertraut ist, muss seiner Verantwortlichkeit nachkommen. Tut er es, wird er gesegnet sein und belohnt werden. Andererseits ist es möglich, dass Menschen die Stelle von Dienern einnehmen und doch böse sind. Sie verleugnen ihre Verantwortung und misshandeln ihre Mitknechte, indem sie in ihren Herzen sprechen: „Mein Herr verzieht zu kommen.“ Das denkt die Welt immer. Sie hören die Prophezeiung und sagen dann: „Das Gesicht, das dieser schaut, ist auf viele Tage hin; und auf ferne Zeiten hin weissagt er“ (Hes 12,27). Der wahre Diener harrt in Bereitschaft der Ankunft Seines Herrn entgegen und ist eifrig um Seine Interessen besorgt, während er wartet.

Die Verse 50 und 51 zeigen, dass der vorgestellte „böse Knecht“ nicht ein Mensch ist, der wohl schlimm versagt, im Grunde aber treu ist, nein, er ist durch und durch falsch. Sein Herr wird ihn richten und ihm sein Teil setzen mit den Heuchlern, eben weil er ein Heuchler ist. Das Gericht verbannt ihn zu seinesgleichen. Wenn der Heuchler entlarvt und verdammt wird, so ist sein Los in der Tat Weinen und Zähneknirschen.

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