Botschafter des Heils in Christo 1863

Betrachtung über den zweiten Brief von Paulus an die Korinther - Teil 4/7

Als Mitarbeiter Gottes und Zugleich als das Mittel, wodurch Gott ermahnte, setzt Paulus im vorliegenden Kapitel durch den Geist dieses Werk fort. Er sah die Korinther in einer götzendienerischen, im Übermaß von Sünden lebenden Stadt, wo jede Gemeinschaft und jedes Band ihr inneres Leben in große Gefahr bringen konnte, und war deshalb eifrig bemüht, sie zur Nüchternheit und Wachsamkeit zu ermuntern, und jede Verbindung mit der Welt und ihren Grundsätzen abzuschneiden. „Mitarbeitend aber, ermahnen auch wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen haben möget“ (V 1). Er spricht hier nicht, wie bei den Galatern, die Befürchtung aus, „dass er vielleicht vergeblich an ihnen gearbeitet habe“, dass sie etwa keine Christen seien; (Gal 4,11) aber er bittet sie sehr dringend, ernstlich zu verhüten, dass ihnen die Gnade umsonst gebracht sei, zumal da „jetzt die angenehme Zeit, der Tag des Heils“ war. Es war jene Zeit, wovon der Prophet Jesaja gesprochen – aus welchem der Apostel hier eine Stelle anführt – dass nämlich, wenn Christus durch die Juden verworfen war, die Segnung auf die Heiden kommen sollte. dieser große Gnadentag, deren Erstlinge sie waren, war angebrochen und wie schrecklich für sie, wenn sie gleich den Juden ihre Errettung vernachlässigten!

In den vorhergehenden Kapiteln hatte der Apostel von den großen Grundsätzen und der Quelle seines Dienstes gesprochen; und jetzt erinnert er daran, auf welche Art und Weise er seinen Dienst inmitten der vielfachen, ihn umgebenden Umstände ausgeübt habe (V 3–10). dieser Dienst war vor allem ein Dienst Gottes; Paulus vertrat Gott selbst darin, indem er zu den Menschen in seinem Namen sprach. Und er erfüllte diesen Dienst, wie jemand, der sowohl das hohe Vorrecht, als auch die ernste Verantwortlichkeit desselben völlig kennt. Im Gefühl seiner Schuld gegen Gott und seiner Abhängigkeit von Ihm – ein Gefühl, was nur die Verwirklichung seiner Gegenwart und der Ergebenheit gegen Ihn hervorbringen kann – widmete er sich diesem Dienst mit einem Eifer und einer Hingebung, die demselben ganz angemessen war. Er war stets beflissen, in allen Dingen ohne Anstoß zu sein und in allen Umständen und Versuchungen, durch welche er hienieden zu gehen hatte, den wahren und göttlichen Charakter seines Dienstes aufrecht zu erhalten. „In keiner Sache irgendeinen Anstoß gebend, auf dass der Dienst nicht verlästert werde, sondern in allem uns erweisend als Gottes Diener in vieler Geduld usw“ (V 3–4). Lehre und Leben standen in völliger Harmonie. Mit ausharrender Geduld vermied er jede Gelegenheit, was eine Ursache zur Lästerung des Dienstes hätte werden können. Er erwies sich überall und in allen Umständen als Diener Gottes. Zuerst in den mannigfachen äußeren Bedrängnissen, in welchen er erprobt wurde: – „in Trübsalen, in Nöten, in Drangsalen, in Streichen, in Gefängnissen, in Empörungen, in Mühen, in Wachen, in Fasten“ (V 4–5). Auch wandelte er in „Reinheit“ – sowohl im Umgang mit Gott, als auch mit Menschen; – „in Erkenntnis“ – von deren Tiefe und Ausgedehntheit jeder Brief Zeugnis gibt; – „in Langmut, in Gütigkeit, in Heiligem Geist, in ungeheuchelter Liebe“ (V 7). Wir haben hier nicht nur einfach den moralischen Zustand seiner Seele, sondern Zugleich die Wirkung des Geistes in ihm. – In Vers 7 nennt er die Werkzeuge, die er in diesem Dienst anwandte: – „im Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, durch die Waffen der Gerechtigkeit – der praktischen Gerechtigkeit – zur Rechten und zur Linken.“ Ferner haben wir in Vers 8 und 9 die Umstände, durch welche der Feind ihn und seine Mitarbeiter in Verlegenheit zu bringen suchte. Sie gingen „durch Ehre und Unehre, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte, als Verführer“ – in den Augen der Welt, die sie als gefährliche Schwärmer betrachtete – „und Wahrhaftige“ – deren Inneres stets wahr und offen vor Gott dalag; – „als Unbekannte“ – bei der Welt – „und Wohlbekannte“ – bei Gott; – „als Sterbende“, – die durch große und viele Drangsale stets am Rand des Todes einhergingen – „und siehe! wir leben“, – weil sie aufrechterhalten wurden durch die mächtige Hand Gottes; – „als gezüchtigt“, – indem sie im Feuer der mannigfachsten und schwersten Verfolgungen geläutert wurden – „und nicht getötet;“ (vgl. Röm 8,36–37; 1. Kor 15,30–31) – „als traurig“ – in den äußeren Versuchungen, – „aber allezeit fröhlich“ – im Hinblick und im Vertrauen auf Gott; – „als arm“ – entblößt von den Dingen dieser Welt – „aber viele bereichernd“ – durch die Mitteilung der herrlichen und ewig bleibenden Dinge Gottes; „als nichts habend und alles besitzend“ – (V 10) ja, alles in Christus Jesus (vgl. 1. Kor 3,22–23).

Hiermit schließt die Beschreibung der Quelle und des Charakters des evangelischen Dienstes – eines Dienstes, der über alle Schwierigkeiten triumphierte, und der in einem irdenen Gefäß die große und herrliche Kraft Gottes offenbarte. Zugleich redet hier der Apostel über dies alles mit einer Offenheit, die wir im vorigen Briefe ganz und gar vermissen. Zu jener Zeit war er ihretwegen etwas in Furcht; jetzt aber öffnet die Freude über die Wiederherstellung ihres moralischen Zustands, verbunden mit den Umständen, durch welche er augenblicklich zu gehen hatte, seinen Mund, und macht sie vertrauensvoll mit all den Umständen und Schwierigkeiten bekannt, die mit diesem Dienst verbunden waren. Er schüttet sein ganzes Herz vor ihnen aus; und indem er dieses tut – welch ein Bild von Eifer und Hingebung enthüllt sich vor unseren Blicken! Ach, wie beschämend und Zugleich ermunternd für uns! Und was war der Beweggrund, dass er in diesem Dienst mit solch ausharrender Geduld und Treue voranging? Nur die innige Liebe zu seinem Herrn und das tiefe Gefühl von der Wichtigkeit des ihm anvertrauten Dienstes. Er warmem Diener Christi, der ihn als einen Boten der freien Gnade, die nach Vollendung seines Werkes für alle geöffnet war, berufen hatte. Und dass er jetzt den Korinthern, die seine geliebten Kinder im Glauben waren und zu denen er die innigste Zuneigung fühlte, sein ganzes Herz so offen darlegte, geschah auch deshalb, um in ihren Herzen ein gleiches Vertrauen gegen Ihn hervorzurufen. „Unser Mund ist zu euch aufgetan, ihr Korinther; unser Herz ist weit geworden; ihr seid nicht verengt in uns, sondern ihr seid in euren Herzen verengt. Zur gleichen Vergeltung aber (ich rede als zu den Kindern) werdet auch ihr weit“ (V 11–13). Erwünscht, dass sie seine väterliche Zuneigung, die von seinem Herzen gegen sie ausströmte, erkennen und vergelten möchten. Sie alle fanden Raum in seinem mit Liebe gegen sie erfüllten Herzen, ja sogar einen ganz bevorzugten Platz; und sehnlichst wünscht er, dass auch ihr Herz sich gegen ihn erweitern und jeden Argwohn fahren lassen möchte.

Zugleich benutzt er dann diese zärtliche Verwandtschaft, um sie zu ermahnen, den Platz zu bewahren, worin Gott sie gestellt hatte. Er ist bemüht, sie von allem zu trennen, was das Fleisch anerkennt – von jeder Verbindung mit demselben, wodurch diesem irgendeinen Wert vor Gott eingeräumt würde, ja von allem, wodurch die Stellung eines Menschen verleugnet würde, der sein Leben und sein Interesse in der neuen Schöpfung hat, deren Haupt der verherrlichte Christus ist. „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit den Ungläubigen“, 1 – begebt euch in keine Gemeinschaft, in keine Verbindung mit ihnen; – „denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Und welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung hat Christus mit Belial? Oder welches Teil hat der Gläubige mit dem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang hat der Tempel Gottes mit Götzenbildern?“ (V 14–15) Wir befinden uns als Christen in der Welt; sie ist der Schauplatz unserer Tätigkeit; aber wir sind nicht von der Welt. Der Herrlichkeit Christi teilhaftig geworden, haben wir unser Bürgerrecht, unser Leben und unsere Beziehung da, wo Christus schon eingegangen ist; und darum muss auch unser Betragen und der Beweggrund all unserer Handlungen ganz und gar verschieden sein von denen, die von der Welt sind. Unsere Grundsätze, unsere Gedanken über alles Sichtbare, unsere Wünsche und Neigungen, unsere Hoffnung, unser Verhältnis zu Gott – kurz alles steht im völligsten Gegensatz zu der Welt. Als Christen sollen wir völlig abgesondert dastehen; denn nur alle wahren Christen, als solche, bilden den Tempel Gottes. „Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein“ (V 16). Gott will nicht, dass Ungläubige – solche, die Ihn nicht kennen, die tot in Sünden und Übertretungen und Kinder des Zorns sind – einen Teil seines Tempels ausmachen sollen. Wie könnte der heilige und lebendige Gott inmitten eines solchen Tempels wohnen und wandeln! Wie könnte Er jene anerkennen, die grundsätzlich seinen Sohn verworfen haben! Würde nicht der Eifer seiner Heiligkeit sie verzehren? O wie wenig wird die Natur dieses Tempels und Gott selbst von denen erkannt, welche bemüht sind, Gläubige und Ungläubige zu gemeinsamer Anbetung und Teilnahme an den Vorrechten der Kinder Gottes zu vereinen, oder die persönlich in einer solchen Vereinigung beharrlich vorangehen! Zugleich ist es aber auch eine große Unehre für Gott und seinen heiligen Tempel. Manche suchen sich zwar dadurch zu beruhigen, dass sie obige Ermahnung des Apostels allein auf die Heiden anwenden. Aber ich frage: Gibt es vor Gott einen moralischen Unterschied zwischen einem Ungläubigen, der noch Heide ist, und einem solchen, der sich Christ nennt? Beide sind Feinde Gottes; Beide sind tot in Sünden und Übertretungen; Beide werden ohne eine neue Geburt das Reich Gottes weder sehen, noch in dasselbe eingehen. Und wenn es auch wahr ist, dass der so genannte Christ durch sein Bekenntnis äußerlich mit Christus in Verbindung steht, und darum ein schwereres Urteil als der Heide davontragen wird, so gibt es dennoch ebenso wenig Gemeinschaft zwischen ihm und dem Gläubigen, als zwischen diesem und einem Heiden – als zwischen Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, zwischen Licht und Finsternis usw.

Die Trennung von dieser Welt wird aber jedenfalls mannigfache Leiden, Schmach und Verfolgung hervorrufen, und dies umso mehr, je mehr diese Trennung verwirklicht wird. Der Hass beginnt, sobald wir uns für Christus bekennen, und in dem offenbaren Treiben der Sünde nicht mehr mitlaufen; sobald wir aber auch mit den gottesdienstlichen Übungen der Kinder dieser Welt jede Gemeinschaft, die vor Gott ebenso verwerflich ist als die Gemeinschaft mit der Sünde, abbrechen, dann ist der Hass allgemein und völlig. Dies sehen wir bei dem Apostel und werden es zu aller Zeit bei allen treuen Bekennern Christi sehen. Und wie wird es auch anders sein können, da man alsdann durch Wort und Wandel die Werke der Welt und ihre Grundsätze, selbst das Beste, womit sie sogar vor Gott zu bestehen meint – ihre gottesdienstlichen Übungen – verurteilt? Doch ist Gott auf unserer Seite, was mehr als alles ist. Er hat gesagt: „Geht aus ihrer Mitte und sondert euch ab, und rührt nicht Unreines an;“ aber auch Er selbst, da Er wohl weiß, was die Folge dieser Absonderung sein wird, fügt Zugleich die tröstliche zusage hinzu: „Und ich werde euch aufnehmen und werde euch zum Vater sein und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein usw“ (V 17–18). Er will in der Mitte derer sein, die sich von der Welt getrennt haben; Er will unter ihnen wohnen, wie er früher in der Wüste unter Israel wohnte. Er will mit denen, die seinen Tempel ausmachen, in dem Verhältnis eines Vaters zu Söhnen und Töchtern stehen. Dies ist die besondere Verwandtschaft, in welche Gott mit uns eintritt, und die Er, sobald wir abgesondert von der Welt unseren Wandel vollbringen, praktisch verwirklichen will. Bemerkenswert ist auch die zärtliche Ausdrucksweise: „Ich will euch zum Vater sein usw.“ – Und wer ist es, der also spricht? „Der Herr, der Allmächtige“ – der Gott, der sich Abraham als der Allmächtige und Israel als Herr oder Jehova offenbarte – der Gott, der Abraham aus Ur in Chaldäa führte und ihn als Fremdling in Kanaan versorgte, beschirmte und segnete, und der Israel aus Ägypten erlöste, das Meer vor ihm trocknete und vierzig Jahre in der Wüste vor ihm Herzog und es in allem versorgte. Und derselbe Gott, „der Herr, der Allmächtige“, erklärt jetzt den Seinen, dass Er ihr Vater sein will. Er tritt mit ihnen in die innigste Verwandtschaft; Er will das zärtlichste Verhältnis mit ihnen verwirklichen, während sie durch die Wüste gehen. Und deshalb können sie in den schwersten Versuchungen ausrufen: „Wenn Gott für uns ist, wer mag wider uns sein?“ Er leitet sie als seine geliebten Kinder, sorgt für sie, als ein Vater, und pflegt sie, wie eine Mutter ihre eigenen Kinder pflegt. Auch weiß Er alles, sieht alles und vermag alles. Welch ein Trost inmitten einer versuchungsvollen und feindlich gesinnten Welt! Seine unsichtbare Gegenwart ersetzt hienieden alles und eröffnet Zugleich dem Auge des Glaubens den herrlichen und ewigen Genuss einer himmlischen Freude, die wir bald mit allen Heiligen, mit allen Kindern dieses treuen Gottes und Vaters teilen werden.

Es ist aber sehr bemerkenswert, dass Gott seine Verheißung, Vater sein zu wollen, hier unmittelbar mit dem „Sichtrennen von der Welt“ verbindet. Wir haben aus der Mitte der Ungläubigen – nicht aus der Welt – auszugehen, um praktischer Weise in diese Beziehung als Söhne und Töchter einzutreten. Wir können dies Verhältnis praktisch nur dann verwirklichen, wenn wir uns von der Welt getrennt haben. Nach dem Maß dies geschehen ist, wird auch jene innige Verwandtschaft hienieden genossen werden. Gott kann weder die Kinder der Welt als Söhne und Töchter anerkennen, weil sie nie in dies Verhältnis zu Ihm eingetreten sind, noch kann Er jene, die mit der Welt in Gemeinschaft bleiben, die süße Verwirklichung genießen lassen; denn die Welt hat seinen Sohn verworfen, und „die Freundschaft der Welt ist Feindschaft wider Gott; und wer ein Freund der Welt sein will, ist ein Feind Gottes.“ Sobald wir aber von der Welt getrennt sind, werben wir praktisch die ganze Innigkeit und Wahrheit dieses Verhältnisses als Söhne und Töchter erfahren, und die gesegneten Folgen desselben genießen. Kapitel 7

„Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen, und die Heiligkeit in der Furcht Gottes vollenden“ (V 1). Unsere Verwandtschaft mit Gott erfordert eine völlige Absonderung von allem, was unrein ist – nicht nur eine Reinheit des Fleisches, eine Reinheit in Bezug auf unseren äußerlichen Wandel, sondern auch des Geistes, der innersten Gedanken – eine Reinheit in unserer Beziehung zu Gott. Die vollkommene Heiligkeit wird freilich erst dann vorhanden sein, wenn kein Fleisch mehr da ist; aber hier sind wir ermahnt, nach unserer Erkenntnis in vollkommener Heiligkeit zu wandeln, weil dann auch unser Gewissen praktischer Weise vor Gott stets vollkommen sein wird. Wir werden immer Eigenliebe finden, sobald wir uns mit Jesu vergleichen; und wenn unsere Herzen nicht in der Gegenwart Gottes sind, werden wir nicht einmal darüber beschämt sein, obgleich wir es sehen. Sobald wir uns aber im Geist in seiner Gegenwart befinden, und verstehen, was diese Gegenwart ist, so werden wir uns mit Eifer bemühen, sowohl unseren äußerlichen Wandel als auch unsere innersten Gedanken seiner Heiligkeit gleichförmig zu machen, oder mit anderen Worten, „Misere Heiligkeit in der Furcht Gottes vollenden.“ „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, spricht der Herr.“ Und je mehr dies verwirklicht wird, desto mehr wird seine Gegenwart gefühlt, seine Verwandtschaft mit uns genossen, seine Gnade erkannt und alle seine gesegneten Führungen mit uns verstanden und gepriesen werden. Welch ein Vorrecht, dieses innige, gesegnete Verhältnis inmitten einer abgefallenen Welt mit „dem Herrn, dem Allmächtigen“, zu verwirklichen!

Der Apostel kehrt jetzt zu seiner eigenen Verwandtschaft mit den Korinthern zurück. Sie waren das Werk seines Dienstes, dessen Quelle, Charakter und Tragweite er in den vorhergehenden Kapiteln dargelegt hatte. Durch diesen Dienst hatte sich durch die Macht des Heiligen Geistes zwischen ihm und den Korinthern das innigste Band der Liebe gebildet; und wenn es auch für eine Zeit durch die Einflüsse falscher Lehrer locker geworden war, so war es doch jetzt wieder erneuert, und der Apostel ist bemüht, es noch mehr zu befestigen. „Nehmt uns auf“ – d. i. in euren Herzen; – „wir haben niemand Unrecht getan“ – haben uns durch keine willkürliche Handlung eurer Zuneigung unwürdig gemacht; – „wir haben niemand verdorben“ – durch falsche Lehre; – „wir haben niemand übervorteilt“ – weil wir nicht das Unsrige unter euch gesucht haben (V 2). Und damit sie nicht denken möchten, dass er aus Misstrauen gegen sie also rede, fügt er hinzu: „Nicht zur Verurteilung rede ich. Denn ich habe vorhin gesagt, dass ihr in unseren Herzen seid, um mit zu sterben und mit zu leben“ (V 3). Er fühlt sich so innig mit ihnen verbunden, dass Er alles mit ihnen teilen will – Leben und Tod. Ihr Schmerz ist der seinige und ihre Freude die seinige, und zwar so völlig, dass er seinen eigenen Kummer ganz und gar darüber vergisst. „Groß ist meine Freimütigkeit gegen euch; groß mein Rühmen über euch; ich bin mit Trost erfüllt; ich bin von Freuden ganz überströmend in all unserer Trübsal“ (V 4). Welch eine Liebe ohne Selbstsucht! Inmitten der mannigfachen Trübsale, worin der Apostel selbst augenblicklich war, erfreut er sich mit überströmender Freude, sobald er die gute Botschaft von dem veränderten Zustand der Korinther hört. Er verstand es in Wahrheit, „sich zu freuen mit den sich Freuenden und zu weinen mit den Weinenden“ (Röm 12,15). Er entfaltet hier nicht die Grundsätze des Dienstes, sondern die Gefühle eines Dieners Gottes. Er öffnet den Korinthern aufs Neue sein Herz und teilt ihnen mit, was er ihretwegen in Mazedonien gefühlt habe. Wir wissen, dass er dorthin gekommen war, nachdem er Troas verlassen hatte, weil er Titus, den er mit Nachricht aus Korinth über die Wirkung seines ersten Briefes erwartete, daselbst nicht fand. Aber „auch als wir nach Mazedonien kamen“ – sagt er – „fand unser Fleisch keine Ruhe, sondern allenthalben waren wir bedrängt; von außen Kampf – vielleicht waren auch dort Feindseligkeiten ausgebrochen – von innen Furcht“ (V 5), weil er nicht wusste, welch einen Erfolg sein erster Brief in Korinth gehabt hatte. Nichts, weder die offene Tür in Troas noch die Trübsale in Mazedonien, konnten seinen Kummer, in Betreff jener Versammlung, wegnehmen. „Aber der Gott, der die Niedrigen tröstet, tröstete uns durch die Ankunft des Titus“ (V 6). In diesen wenigen Worten liegt eine köstliche Wahrheit. Gott wird erkannt am Trösten der Niedergebeugten; hierin offenbart Er sich allezeit; und nur Er vermag es auch auf die rechte Weise zu tun. Paulus wurde aber nicht allein durch die Ankunft des Titus, den er so sehnlichst mit Nachricht von Korinth erwartet hatte, getröstet, „sondern auch“ – fügt er hinzu – „durch den Trost, womit er (Titus) über euch getröstet ward, indem er uns euer Verlangen, eure Trauer, euren Eifer um mich kundtat, so dass ich mich desto mehr freute“ (V 7). Der Trost des Titus, verbunden mit dem gesegneten Erfolg, den sein erster Brief in den Herzen der Korinther hervorgebracht hatte, machte seine Freude noch überschwänglicher. Es waren durch die Wirkung des Geistes die wahren Früchte hervorgebracht, und so konnte er sich jetzt mit seiner ganzen zärtlichen Zuneigung zu ihnen wenden, um alle die Wunden völlig zu heilen, die sein erster Brief in ihren Herzen geschlagen hatte. Und wie schön ist es, hier zu sehen, wie Pflicht und Liebe in dem Herzen dieses treuen und tief fühlenden Dieners Gottes gekämpft hatten! Auf der einen Seite war er wegen des Zustandes der Korinther gezwungen, mit Ernst und Strenge an sie zu schreiben, und auf der anderen Seite war er mit der innigsten Liebe und Zuneigung für sie erfüllt; und diese Liebe hatte ihn, wenn auch nur für einen Augenblick, so sehr hingenommen, dass er sogar wegen des ihnen dadurch bereitenden Schmerzes bereute, jenen Brief geschrieben zu haben. Er befürchtete, dass ihre Herzen noch mehr möchten abgewandt worden sein. Jetzt aber, da er den gesegneten Erfolg desselben gesehen hatte, reute es ihn nicht mehr. „Denn wenn ich auch“ – sagt er – „durch den Brief euch betrübt habe, so reut es mich nicht, wenn es mich auch gereut hat; (denn ich sehe, dass jener Brief, wenn auch für eine kurze Zeit, euch betrübt hat) Jetzt freue ich mich, nicht, dass ihr betrübt worden, sondern dass ihr zur Buße betrübt worden seid; denn ihr seid Gott gemäß betrübt worden, damit ihr in nichts von uns Schaden leiden möchtet“ (V 8–9). In welch einer Schönheit wird durch diese Worte das Herz des Apostels vor unseren Blicken enthüllt! Welch eine tiefe und zärtliche Liebe für die Korinther, deren Herzen doch so enge für ihn waren, und welch eine treue und ausdauernde Sorge für die Versammlung Gottes! Es könnte uns auffallen, dass es ihn, wenn auch nur für einen Augenblick, gereut hat, jenen ersten Brief geschrieben zu haben, da er doch durch Eingebung des Geistes geschrieben war; und wir sehen im 7. Kapitel desselben, wie bestimmt er die Gebote des Herrn von seinen eigenen Ratschlägen, in Bezug auf das eheliche Verhältnis, die eine Frucht seiner langjährigen Erfahrungen waren, wasche er durch die Kraft und Hilfe des Geistes erlangt hatte, unterscheidet. Doch müssen wir hier die Persönlichkeit des Apostels von der Inspiration unterscheiden. Der Heilige Geist hatte jenen Brief, wie alle die übrigen, diktiert oder eingegeben; aber Paulus zittert beim Gedanken an die Folgen desselben. Seine große Liebe für die Korinther erfüllt ihn mit Sorge und Angst, indem er befürchtet, sie, anstatt wieder nahe zu bringen, noch weiter entfernt zu haben, und somit vergisst er für einen Augenblick den Charakter seines Briefes, und überlässt sich seinen Gefühlen. Der Heilige Geist selbst teilt uns diese Gefühle mit, damit wir einerseits den Unterscheid sehen zwischen dem Apostel, als Individuum, und ihm als dem inspirierten Schreiber, andererseits aber auch seine innige und zärtliche Liebe und Sorgfalt, sowie sein tiefgehendes Interesse für die Versammlung Gottes erfahren. Eine höchst wichtige Belehrung für uns! Die Liebe allein ist die wahre Quelle jedes Dienstes unter den Heiligen. Sie allein gibt uns jene zärtliche Sorge und befähigt uns, die Herzen zu gewinnen und zu leiten.

Der Apostel freute sich jetzt; sein Herz war völlig befriedigt, weil er die gesegnete Wirkung seines Briefes sah. Die Korinther waren Gott gemäß betrübt worden. „Und die Betrübnis Gott gemäß, bewirkt die unbereubare Buße zum Heil; aber die Betrübnis der Welt bewirkt den Tod“ (V 10), indem das Herz mit einem Schmerz erfüllt ist, der es verzehrt. Was aber waren die Früchte jener göttlichen Traurigkeit? Es hatte vor allem großen Fleiß unter ihnen bewirkt, den ernsten Worten der Ermahnung Folge zu leisten; – „sogar Verantwortung“, indem sie bewiesen, dass sie jene Tat nicht billigten; – „sogar Unwillen“, oder Abscheu gegen die Sünde; – „sogar Furcht“, im Blick auf die ernsten Züchtigungen Gottes; – „sogar Verlangen“, um den Apostel zu sehen und ihm vollkommene Genugtuung zu geben; – „sogar Eifer“ gegen die Sünde und für die Ehre Gottes, sowie für die Heiligkeit der Versammlung; – „sogar Ahndung“ oder strenge Zucht, die sie an jenem Schuldigen ausgeübt hatten. Erfüllt mit einem heiligen Eifer verwarfen sie jede Verbindung mit der Sünde, so dass der Apostel jetzt sagen konnte: „Ihr habt euch in allem dargestellt, dass ihr an der Sache rein seid“ (V 11). – In dem folgenden Verse sehen wir dann, wie er jetzt den Nichtschuldigen von dem Schuldigen trennt. Sie hatten sich früher durch ihren nachlässigen Wandel, indem sie das Böse in ihrer Mitte duldeten, der Sünde teilhaftig gemacht; jetzt aber, nachdem sie sich selbst gerichtet und die Sünde hinweggetan hatten, waren sie von dem Bösen getrennt. Zugleich sagt er, dass er durch jenen Brief nur seine Sorge und seinen Eifer für ihre Wohlfahrt habe an den Tag legen wollen (V 12). Und die Korinther hatten diese Liebe verstanden und waren ihr durch ihr Betragen entgegengekommen. Und dies erfüllte das Herz des Apostels mit überschwänglicher Freude. „Deshalb sind wir getröstet worden über euren Trost; und noch überschwänglicher haben wir uns an der Freude des Titus erfreut, weil sein Geist an euch allen erquickt worden ist“ (V 13).

Am Schluss dieses Kapitels finden wir noch einen anderen Beweis der Liebe des Apostels. So schlecht der moralische Zustand der Versammlung gewesen war, so hatte er dennoch den Titus ermuntert, nach Korinth zu gehen, und hatte ihm versichert, dass er jedenfalls Herzen unter ihnen finden würde, die seine Zuneigung erkennen und seinen Ermahnungen Folge leisten würden. Und er war nicht zu Schanden geworden. So wie er die Wahrheit unter ihnen verkündigt hatte, so war auch das als wahr erfunden, was er gegen Titus über sie gerühmt hatte (V 14). „Und sein Herz“ – sagt er in Bezug auf Titus – „ist überströmender von Gefühlen gegen euch, indem er sich des Gehorsams eurer aller erinnert, wie ihr ihn mit Furcht und Zittern empfangen habt“, d. i. mit tiefer Ehrerbietung, als einen Gesandten des Apostels und einen Diener Christi. Und vertrauensvoll fügt er die ermunternden Worte hinzu: „Ich freue mich, dass ich in allem Zuversicht zu euch habe“ (V 16). (Fortsetzung folgt)

Fußnoten

  • 1 Dieser Vergleich ist dem Verbot in dem levitischen Gesetz, um verschiedene Tiere, z. B. einen Ochsen und einen Esel, unter ein Joch zu bringen, entlehnt (3. Mo 19,19).
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