Botschafter des Heils in Christo 1863

Betrachtung über den zweiten Brief von Paulus an die Korinther - Teil 3/7

Wie am Ende des vorigen Kapitels, so sehen wir auch in diesem, dass mit der uns vorgestellten Herrlichkeit de persönliche Gewissheit verbunden ist, daran Teil zu haben. „Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus (dieser) Hütte zerstört wird, wir einen Bau aus Gott haben, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist in den Himmeln“ (V 1). So konnte der Apostel im Namen aller Gläubigen sprechen. Dachte er auch zunächst an eine gewaltsame Zerstörung dieses Leibes, durch die mannigfachen Leiden und Gefahren, die ihn fast täglich an den Rand des Todes stellten, so ist es doch nicht weniger ein herrlicher Trost und eine selige Gewissheit für alle Gläubigen im Blick auf das Elend und die Hinfälligkeit dieser irdischen Hütte. Auch an dieser wird die Kraft des Lebens Christi offenbart werden, und unser Teil wird alsdann völlig und für immer mit Christus in der Herrlichkeit sein, zu welcher Er vorangegangen ist. Dies köstliche Bewusstsein ermutigte und ermunterte den Apostel, in all seinen Drangsalen. Jene Herrlichkeit war durch die Kraft des Heiligen Geistes eine lebendige und praktische Hoffnung in seinem Herzen. Er verwirklichte sie durch Glauben; er wusste, dass sie sein war, und er sehnte sich nach ihrem völligen Besitz. Bis jetzt hinderte ihn noch der Leib der Niedrigkeit, diese irdische Hütte, daran. Deshalb sagte er: „Denn in diesem freilich seufzen wir, uns sehnend, mit unserer Behausung, die aus dem Himmel ist, überkleidet zu werden“ (V 2). Er seufzte aber nicht, wie leider so viele in unseren Tagen, deren Gewissen nicht befreit ist, und die über ihre Annahme bei Gott in Unsicherheit sind; auch nicht, weil er die Wünsche seines Fleisches nicht vollbringen konnte, oder weil er sich überhaupt in dieser Welt als Mensch unbefriedigt fühlte; o nein – sein Seufzen hatte einen ganz anderen Grund. Seine irdische Hütte hinderte ihn, wie gesagt, in den völligen Genuss jener Herrlichkeit einzutreten, die er als die seinige erkannte, und wonach das neue Leben, dessen er in Christus teilhaftig geworden war, sich sehnte. Sein Leib war für ihn eine Bürde, die ihn an diese Erde fesselte, und ihn mit dieser seufzenden Schöpfung verband – ein Gefängnis, dass ihm den Vollgenuss jener himmlischen und herrlichen Freiheit raubte, und ihn verhinderte, den zu schauen, den seine Seele liebte.

Bei der herrlichen Aussicht auf die baldige Erlösung war das Herz des Apostels jedoch weniger mit dem Ablegen dieser irdischen Hütte als mit dem Anlegen einer neuen beschäftigt. Er sah in dem verherrlichten Christus eine Macht des Lebens, die vermögend war, jeden Zug der Sterblichkeit dieses niedrigen Leibes zu verschlingen und ihn in einen verherrlichten zu verwandeln; und diese Verwandlung sollte „in einem Augenblick, in einem Nu“ bei der Ankunft des Herrn erfüllt werden. Deshalb war auch sein Herz allezeit auf jenen glückseligen Augenblick gerichtet; alle seine Gedanken und Gefühle, all sein Dichten und Trachten, all sein Wirken, sein Leiden und Ausharren stand in steter Verbindung mit der Wiederkunft Christi zur Aufnahme seiner Versammlung (vgl. 1. Kor 15,51–52; 1. Thes 4,15–18). Und nicht der Apostel allein, sondern alle, die bei jenem herrlichen Augenblick seiner Ankunft noch mit dem Leib der Niedrigkeit bekleidet oder angetan sind, werden alsdann, wenn sie anders nicht nackt, d. i. entblößt von dem Leben Christi erfunden werden, an dieser plötzlichen Verwandlung, um mit Christus in den völligen Besitz seiner Herrlichkeit einzutreten, Teil haben (V 3). „Denn wir freilich, die in der Hütte sind, seufzen beschwert; wiewohl wir nicht entkleidet, sondern überkleidet sein wollten, damit das Sterbliche vom Leben verschlungen werde“ (V 4). Dies war kein oberflächlicher Wunsch bei dem Apostel, sondern war auf die Macht des Lebens in Christus gegründet – eine Macht, die vollkommen hinreichend war, ihn am Tod vorüber direkt in jene Herrlichkeit einzuführen. Die Gegenwart Christi droben war das Resultat dieser Macht. Auch war die Hoffnung im Herzen des Apostels nicht bloß durch die Aussicht auf jene Herrlichkeit bewirkt, sondern er selbst war auch von Gott zu deren Empfang zubereitet; und mit ihm sind es alle Christen. Sie sind für die himmlische Herrlichkeit gebildet – für jene Herrlichkeit, in welche Christus, der zweite Adam, schon eingegangen und zur Rechten Gottes seinen Platz genommen hat. Und alle die Seinen werden jene Herrlichkeit, die kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in – keines Menschen Herz gekommen ist, mit Ihm teilen. Welch eine Hoffnung! Und Gott selbst ist die Quelle von allem; Er hat alles bereitet. Es ist seine Herrlichkeit und wir sind sein Werk. Er hat uns für seine eigene Herrlichkeit fähig gemacht. In allem, von Anfang bis zum Ende, offenbart sich der Reichtum seiner Gnade, die Fülle seiner Liebe und die Größe seiner Macht; und wir sind die Gefäße dieser Gnade, die Gegenstände dieser Liebe und die Werke dieser Macht. Dies Bewusstsein gibt unserem Glauben große Zuversicht. Um sich aber ohne Furcht darin zu erfreuen und es in ruhiger Gewissheit zu genießen, war die Innewohnung des Heiligen Geistes nötig. Und Er ist uns von Gott als Unterpfand gegeben, bis wir zum völligen Besitz jener Herrlichkeit gelangt sind (V 5). „Daher sind wir allezeit gutes Mutes und wissen, dass wir, weil einheimisch in dem Leib, vom Herrn abwesend sind“ (V 6). Ist auch unser Leib noch nicht verwandelt, das Sterbliche vom Leben noch nicht verschlungen, und sind wir auch in Folge dessen noch nicht persönlich beim Herrn, so sind wir dennoch getrost. Wir wissen, dass wir für jene Herrlichkeit gebildet sind, und dass wir den Geist als Unterpfand haben. Außerdem ist Christus, der die siegreiche Macht, durch welche Ihm selbst der Weg zum Himmel geöffnet worden, offenbart hat, unser Leben. Und dieses Leben bleibt unangetastet, sowohl in als außer dieser irdischen Hütte, d. i. bevor wir noch jene himmlische Behausung empfangen haben, weil es schon in Jesu über alle Macht des Todes triumphiert hat. Solange wir aber noch einheimisch in dem Leib sind, sind wir in der Fremde und abwesend von dem Herrn; „denn wir wandeln kraft des Glaubens und nicht des Schauens“ (V 7). Es ist jetzt durch Glauben unser Vorrecht, in Gemeinschaft mit dem Herrn durch diese Wüste inmitten der mannigsten Umstände und Schwierigkeiten zu gehen, und wir sind gutes Mutes; doch möchten wir „lieber ausheimisch von dem Leib, und einheimisch bei dem Herrn sein“ (V 8). Die Liebe zu Ihm erweckt und nährt dies Verlangen, bei Ihm zu sein, und erhält uns stets eifrig, Ihm wohlzufallen, mag Er uns nun, wenn Er kommt, um uns zu sich zu nehmen und uns seiner Herrlichkeit teilhaftig zu machen, in oder außer diesem Leib antreffen (V 9).

Es gab aber für das Herz des Apostels noch einen anderen Beweggrund zu einem lauteren Wandel; es war der ernste und feierliche Gedanke, vor dem Richterstuhl Christ! offenbart werden zu müssen. „Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbart werden, auf dass jeglicher empfange, was er durch den Leib getan, nachdem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“ (V 10). Dort wird alles in dem vollkommenen Licht Gottes, das alle Finsternis hasst, beurteilt werden; und wir selbst werden alles erkennen, wie Gott es erkennt. Werden wir dieses Licht ertragen können? Wird es möglich sein, ohne Furcht vor diesem Richterstuhl zu stehen? Und können wir jetzt, ohne zu erschrecken, an dieses Offenbarwerden denken? Es wird unmöglich sein, solange wir nicht wirklich die Gnade verstanden haben, und darin ruhen, solange wir Gott nicht als die vollkommene Liebe gegen uns erkennen. Ist aber dies der Fall, so werden wir es lieben, völlig im Licht zu sein. Es würde uns sogar ein peinlicher Gedanke sein, wenn etwas verborgen bliebe. Ohne die Erkenntnis der Gnade fürchten wir das Licht; und wie kann es angesichts der Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes und im Bewusstsein dessen, was wir sind und was wir getan haben, auch anders sein? Wenn wir aber die Gnade kennen, wenn wir wissen, dass unsere Sünde völlig getilgt und unsere Missetat nicht mehr vor dem Auge Gottes ist, so ist es uns eine Freude, in diesem Licht zu sein. Wir wissen dann, dass Gott in diesem Licht, in welches wir gestellt sind, nichts als Liebe für uns ist. Und in diesem Licht allein findet das Leben des neuen Menschen seine wahre Befriedigung. Es ist in völliger Übereinstimmung mit demselben; es liebt die Helligkeit und hasst das Böse.

Wir werden aber nur dann in dem Licht jenes Richterstuhls bestehen können, wenn wir der Vollkommenheit jenes Lichtes gemäß sind. Selbst jetzt wird der Gedanke an unsere Offenbarwerdung vor demselben das Herz mit Furcht und Schrecken erfüllen, wenn wir nicht in Wahrheit die Tragweite des Werkes Christi verstehen, sowohl in Bezug auf unsere Sünden, als auch in Bezug auf unseren Zustand von Natur. Wir müssen überzeugt sein, dass nicht nur unsere begangenen Sünden völlig getilgt, sondern auch die Sünde selbst, unser Zustand im Fleisch, durch das Kreuz Christi ganz und gar vor Gott beseitigt worden ist. Die Früchte des natürlichen Herzens sind so schlecht, wie der Baum, worauf sie wachsen, und darum muss beides, Frucht und Baum, für immer vor Gott hinweggetan werden. Und Dank der unergründlichen Gnade Gottes, dass beides für uns in Christus Jesus geschehen ist! „Welcher unserer Übertretungen wegen dahingegeben, und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt ist“ (Röm 4,25). Und „Gott hat den, der Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in Ihm die Gerechtigkeit Gottes würden“ (V 21). Die Sünden und die Sünde – die gottlosen Taten und der gottlose Zustand – alles ist für immer auf dem Kreuz Christi vor Gott beseitigt worden, und dies ist auf eine Weise geschehen, dass die Gerechtigkeit Gottes völlig befriedigt und die Gnade und Liebe Gottes vollkommen offenbart sind. Unsere Sünden sind getilgt; wir sind so vollkommen gereinigt, als das Blut Christi uns zu reinigen vermochte, so vollkommen, dass nach der Heiligkeit und im Licht Gottes kein Flecken von Sünde mehr zu finden ist. Wir sind sogar die Gerechtigkeit Gottes geworden. Nach unserem ersten Zustand, der nichts als Sünde war, sind wir nicht mehr vor Gott; wir sind mit Christus gestorben und begraben und mit Ihm auferweckt. Wir sind jetzt schon in Christus in das Licht Gottes gebracht. „Wie Er ist“, sagt die Schrift, „so sind auch wir in dieser Welt.“ Durch Glauben und im Geist teilen wir jetzt schon seine Stellung, sind, wie Er, die teuren Gegenstände der Gunst und Liebe Gottes. „Da ist keine Verdammnis für die, welche in Christus Jesus sind;“ und „wer will uns scheiden von der Liebe des Christus?“ (Röm 8,1.35)

Es ist auch wohl zu beachten, dass wir vor dem Richterstuhl Christi offenbart werden müssen. Es ist der Richterstuhl dessen, „der uns geliebt und uns von unseren Sünden in seinem Blut gewaschen hat“ – dessen, der uns während der ganzen Reife durch diese Wüste mit so großer Langmut und Liebe getragen und geleitet hat – dessen, der selbst herniederkommt und uns aus unserer Fremdlingschaft in seine Herrlichkeit abholt, um auch an unseren sterblichen Leibern die Macht des Lebens zu offenbaren und seinem verherrlichten Leib gleichförmig zu machen. Was kann nun angesichts dieser unvergleichlichen Liebe beim Gedanken an seinen Richterstuhl uns noch Furcht einflößen? Wenn wir dort sein werden wie der Richter selbst ist, was kann uns erschrecken? Wahr ist es, dass, wenn wir von jenem Richterstuhl aus auf unser ganzes Leben zurückblicken, wir alle unsere Schwachheiten und Torheiten im Licht Gottes erkennen, und klar einsehen werben, mit welchem Unverstand wir oft seine Wege beurteilt und über seine Züchtigungen gemurrt haben; aber wir werden dennoch ohne Furcht sein; denn wir werden in jenem Licht ebenso völlig seine Gnade und Liebe, seine Güte und Treue, seine Langmut und Weisheit in all seinen Wegen mit uns erkennen; wir werden völlig einsehen, mit welcher Geduld Er uns getragen, aus wie vielen Gefahren Er uns errettet, und durch wie viele Versuchungen Er uns geleitet hat. Ja, dort allein werden die Wege Gottes in all ihrer Vollkommenheit von uns erkannt und verstanden werden. Das vollkommene Licht wird den ganzen Lauf unseres Lebens und seiner Handlung gegen uns erhellen, und wir werden dann voll Anbetung hinsinken und die Liebe und Gnade dessen preisen, vor dem wir stehen. Wir wissen zwar, dass dort alles nach dem Licht Gottes beurteilt wird; aber wir erschrecken nicht. Unser Herz wünscht und liebt es vielmehr, weil wir ein Licht in Christus sind. Es ist Zugleich ein Tag der Belohnung: „Auf dass ein jeglicher empfange, was er durch den Leib getan hat, es sei Gutes oder Böses.“ Alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbart werden, – Gläubige und Ungläubige; aber bei jenen handelt es sich nicht im Geringsten um das Gericht. Christus hat an ihrer Stelle im Gericht gestanden – der Gerechte für die Ungerechten. Alles Gericht, was sie treffen musste, hat Ihn getroffen; deshalb kann es sich bei ihnen nicht mehr um eine Bestrafung handeln. Sie sollen vielmehr den Lohn für das Gute empfangen, was die Gnade durch sie gewirkt hat. Erkauft durch das teure Blut Christi, gehören wir Ihm allein an; wir sind seine Diener, und sind als solche, wenn auch unter einer unumschränkten Gnade, verantwortlich, ganz und gar für Ihn zu leben, alles, was wir besitzen – unsere Zeit, unser Leben, unsere Gaben, unser Vermögen – nach seinem Wohlgefallen zu gebrauchen. Für alles aber, was wir in seinem Dienst und zu seiner Ehre Gutes gewirkt haben, sollen wir am Tag der Offenbarwerdung Belohnung finden. Wir sollen für das belohnt werden, was nicht unser Werk, obgleich durch uns vollbracht, sondern das Werk des Geistes Gottes in uns ist. Ja, alles ist von Gott. Er hat uns als Verlorene durch Jesus errettet; Er hat uns die ewige Herrlichkeit geschenkt und für dieselbe zubereitet. Er hat uns gereinigt, um ein Tempel des Heiligen Geistes zu sein; Er hat uns in Christus zu guten Werken geschaffen, und auch diese zuvor bereitet, um darin zu wandeln; (Eph 2,10) und dennoch sollen wir am Ende den Lohn dieser Früchte genießen, die ganz und gar von Ihm sind. Was Er gewirkt hat, soll uns als unsere eigene Handlung zugerechnet werden. Unaussprechliche Gnade!

Andererseits aber ist der Gedanke an den Richterstuhl im Blick auf unsere Verantwortlichkeit eine höchst ernste und feierliche Sache, die sehr geeignet ist, uns in unserem Dienst hienieden nüchtern und eifrig zu erhalten. Wenn wir die Gnade und das Zeugnis des Geistes in uns vernachlässigt und durch unsere Untreue jene gesegneten Früchte verhindert haben, so werden wir die Folgen tragen müssen; unser Lohn wird verloren sein. Ein nachlässiger Wandel entbehrt aber auch schon hienieden vieles, und vor allem das süße Vorrecht der Gemeinschaft mit Gott. Er wird uns nimmer aufgeben, weil wir sein sind; aber anstatt uns mit seiner lieblichen Gemeinschaft zu erfreuen, muss Er uns züchtigen. Der Geist Gottes muss in unseren Gewissen wirken und unser Fleisch richten; kurz, Er muss das aus dem Weg räumen, was uns verhindert, die natürliche Frucht der Gegenwart und Wirksamkeit des Heiligen Geistes in dem neuen Menschen hervorzubringen. Vor dem Richterstuhl Christi werden wir selbst dies alles völlig erkennen; jedes Hindernis, um die gesegneten Früchte des Geistes hervorzubringen, wird dann völlig von uns verstanden werden; aber wir werden auch ebenso völlig, wie schon bemerkt, seine Mühe mit uns, seine Geduld, seine Sorge, seine herablassende Liebe erkennen. Alle Wege seiner Gnade werden dann in all ihren Einzelheiten vor unserer Seele stehen, und die Vollkommenheit und Zärtlichkeit seiner Liebe in allen seinen Handlungen wird eine ewige Erinnerung in unseren Herzen sein. Dort werden wir das Licht ohne Wolken, ohne irgendeinen Schatten von Finsternis in seiner ganzen Vollkommenheit verstehen; und es zu verstehen, ist darin zu sein und sich darin zu erfreuen. Gott selbst ist das Licht. Wenn wir in diesem Licht völlig offenbart sind und ein jeder den ihm vom Vater bereiteten Platz eingenommen hat, werden wir die Liebe erkennen, die in ihrer völligen Weisheit und in ihren wunderbaren Wegen über alles Böse geherrscht, und solche wie wir waren, dahingebracht hat, dies ungetrübte Licht zu genießen und sich der gesegneten Gegenwart Gottes in Christus Jesus mit ewiger Herrlichkeit zu erfreuen.

Es ist auch sehr wichtig, daran zu denken, dass Gott durch das Gericht seine heilige Autorität behauptet – seine Majestät bewahrt. Es wird deshalb für unser Gemüt von heilsamer Wirkung sein, wenn wir dieses Gericht stets vor unserer Seele haben, damit das Gefühl der unveränderlichen Majestät Gottes wach erhalten bleibt. Es erweckt und bewahrt die Furcht Gottes in unseren Herzen. Wir gedenken daran, dass Gott heilig ist, und dieser Gedanke bewegt unsere Herzen, uns stets zu beeifern, auf alle Weise Ihm wohlzugefallen, und unterhält das Gefühl, welch eine feierliche Sache es ist, vor jenem heiligen Gott zu erscheinen. Bei diesem Gedanken aber kann nur das Bewusstsein seiner Liebe und Gnade uns beruhigen. Es würde unerträglich sein, wenn wir nicht unter der Gnade wären; denn wer könnte einen Augenblick den Gedanken ertragen, zu empfangen, was er in dem Leib getan hat? Aber unter der Gnade wird dieser Gedanke auf die rechte Weise vorhanden sein und seine gesegnete Wirkung nicht verfehlen. Der Gedanke an seinen Richterstuhl, verbunden mit dem völligen Genuss der Gnade, bildet einen Teil unserer geistlichen Zuneigung zu Ihm. Sobald aber die Überzeugung geschwächt ist, dass die Liebe Gottes völlig und ewig auf uns ruht, ist der allein mögliche Grund, zu Gott in irgendwelcher Beziehung zu stehen, ganz und gar abgeschafft. Doch in der süßen und friedvollen Atmosphäre der Gnade bewahrt das Gewissen die Rechte und Autorität Gottes, gegenüber den listigen Eingriffen des Fleisches, welches stets seine Heiligkeit und Gerechtigkeit zu schwächen sucht. Zugleich wird dies Bewusstsein uns antreiben, in heiliger Furcht in jenem Licht der Heiligkeit Gottes zu wandeln. Und wer jetzt in diesem Licht wandelt und dessen gesegneten Strahlen wiedergibt, wird es an jenem Tag, wenn es in seinem ganzen herrlichen Glänze erscheinen wird, nicht fürchten. Wir müssen offenbart werden; aber wandelnd in dem Licht, in dem Gefühl der Furcht, sind wir jetzt schon Gott offenbart. Dies Werk der Offenbarung ist schon wahr, insoweit wir das Licht verwirklicht haben. Wir können auf das zurückblicken, was wir vor unserer Bekehrung waren und auf alle unsere Fehltritte während derselben, und dennoch Frieden haben. Wir werden mit Demut die Gnade Gottes in allem anbeten, was Er für uns getan hat; aber keine Furcht, kein Gedanke an Zurechnung wird uns beschweren. Wir werden ein tiefes Gefühl von allem haben, was Gott ist; aber in Betreff seiner Gnade und unserer Annahme in dem Geliebten werden wir völlig gewiss sein. Der Gedanke an seinen Richterstuhl wird dies Bewusstsein nicht im Geringsten schwächen; aber er wird uns antreiben, alles in uns selbst zu richten, was böse ist. Und in diesem Licht richten wir alles, wie Gott selbst es richtet, und treten in seine Gemeinschaft ein. Dies ist außerordentlich köstlich. Im Bewusstsein seiner überschwänglichen Gnade, im Genuss seiner vollkommenen Gunst und Liebe erfreuen wir uns in seiner Gegenwart und wandeln vor Ihm in heiliger Furcht, in dem Gefühl seiner Autorität und Majestät, und nichts hindert den süßen und freien Strom seiner unvergleichlichen Liebe. Auf diese Weise rechtfertigt der Wandel einen solchen vor dem Gewissen der anderen; er ist offenbart, als wandelnd im Licht. So war es mit dem Apostel. „Da wir nun das Schrecken des Herrn kennen, überreden wir die Menschen, und sind offenbart; ich hoffe aber auch in eurem Gewissen offenbart zu sein“ (V 11). Hier haben wir die zwei großen und praktischen Grundsätze des Dienstes: Wer selbst mit einem guten Gewissen in dem Licht wandelt und von dem Gefühl des feierlichen Gerichts Gottes über alle durchdrungen ist, wird durch dasselbe getrieben werden, das Herz derer in Liebe zu suchen, welche in Gefahr sind, von diesem Gericht ereilt zu werden. Ein solcher kennt das Schrecken des Herrn; er hat es vor seinen Augen, und was ist die Folge? Er fängt an, andere zu überreden, die es bedürfen. Dies war es, was Paulus tat. Für seine eigene Person hatte der Gedanke an den Richterstuhl nichts Schreckliches. Er kannte wohl die Gerechtigkeit Gottes, welche alles richtet; aber er kannte auch seine vollkommene Liebe. Beide sind in Christus vereinigt, und beide sind in Ihm das Teil eines jeden Gläubigen. Der Gläubige ist in Christus die Gerechtigkeit, welche nötig ist, um bei Gott zu sein und Ihn zu genießen. Christus ist seine Gerechtigkeit. Er richtet durch die Gerechtigkeit, welche Er ist; aber wir sind jene Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit Gottes in Ihm. Dies Bewusstsein wird nicht nur alle Furcht beseitigen, sondern wird uns auch zur Anbetung für solche Gnade hinreißen. Je mehr wir erkennen, was Gott für solche ist, wie wir sind, desto mehr werden wir die Größe der Gnade verstehen; und je mehr wir die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes erkennen, desto mehr werden wir es zu schätzen wissen, dass wir an jenem feierlichen und schrecklichen Gericht keinen Anteil haben werden. Weil wir aber das Schrecken des Herrn kennen, so überreden wir die Menschen. Beim Blick auf jenen feierlichen Augenblick wusste der Apostel, dass er die Gerechtigkeit, welche er im Gericht sah, wirklich besaß; denn der, welcher richtet, war seine Gerechtigkeit; aber er suchte gemäß des Werkes, welches ihn selbst so nahe zu Gott gebracht hatte, auch andere dorthin zu führen. Dieser Blick auf jenes Gericht und unsere völlige Offenbarwerdung an jenem Tag hatten eine gegenwärtige Wirkung auf seinen Wandel. Er verwirklichte es schon jetzt durch Glauben. Er war offenbart, und fürchtete nicht, offenbart werden zu müssen. Er wusste, dass der Richterstuhl alle die Wege Gottes mit ihm völlig enthüllen würde; aber er war schon jetzt Gott offenbart; sein Gewissen war in dem Licht Gottes, in Übung. Er besaß auf diese Weise eine gegenwärtige und heiligende Macht.

Wie aber der Apostel Gott offenbart war, so hoffte er auch in den Gewissen der Korinther offenbart zu sein; er hoffte, dass sein Wandel und sein Dienst ihnen bekannt sein würde und dass es nicht nötig wäre, noch etwas hinzuzufügen. „Denn wir empfehlen uns selbst euch nicht wiederum, sondern wir geben euch Anlass zum Rühmen über uns, auf dass ihr (etwas) für die habt, die sich nach dem äußeren Schein und nicht nach dem Herzen rühmen. Denn wenn wir außer uns sind, so sind wir es Gott; wenn wir vernünftig sind, so sind wir es euch“ (V 12–13). Der Apostel wollte sie in den Stand setzen, sich seinetwegen vor den falschen Lehrern rechtfertigen zu können – vor jenen, die nur einen äußeren Schein hatten, aber nicht nach dem Herzen bewährt waren. War nun der Apostel außer sich, war er ganz von Gott erfüllt, außer dem Bereich alles Sinnlichen – im göttlichen Sinne besinnungslos – so war er es für Gott; mit Ihm allein war er beschäftigt. War er aber vernünftig oder mäßig; war er mit seinem Dienst beschäftigt und ging besonnen in alle Mängel und Gebrechen der Kinder Gottes ein, so war er es für die Korinther; er war dann allein auf ihr Wohl und auf ihren Nutzen bedacht. Welch ein Leben! Es war in zwei Teile geteilt. Er war entweder in einem Zustand, wo seine Seele so ganz und gar mit Gott beschäftigt und erfüllt war, dass alles andere schwand, oder in einem Zustand, wo er, erfüllt von der Liebe Gottes, nur das Heil anderer suchte.

In seinem persönlichen Wandel und in seinem Dienst für das Evangelium wurde er aber nicht allein durch den Gedanken an den Richterstuhl Christi geleitet, sondern vor allen Dingen durch die Liebe. Dessen, der am Kreuz sein Leben für seine Feinde dahingegeben, der für verlorene Sünder sein kostbares Blut vergossen hatte; deshalb sagt er: „Denn die Liebe des Christus drängt uns, indem wir also urteilen: dass, wenn einer für alle gestorben ist so denn alle gestorben sind“ (V 14). Die Wahrheit, dass Christus für alle gestorben war, bewies, dass alle tot waren. Dies ist der allgemeine Zustand der Seelen; deshalb suchte sie der Apostel alle auf, verkündigte allen das Evangelium, damit sie durch Christus Gott leben möchten. „Und Er ist für alle gestorben, auf dass die Lebenden nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt ist“ (V 15). Man merke hier den Unterschied, den der Apostel zwischen den Gläubigen und den Ungläubigen macht. Er sagt, Christus sei für alle, d. h. für alle Menschen, gestorben – ein Beweis, dass alle tot sind; und darum dringt ihn die Liebe des Christus, allen das Evangelium zu verkündigen. Für die Gläubigen aber ist Er nicht allein gestorben, sondern auch auferweckt. Seine Auferweckung ist der Beweis ihrer Rechtfertigung. Alle ihre Sünden ließ Er mit dem Leben, mit welchem Er sie trug, im Grab zurück und machte sie seines Auferstehungslebens teilhaftig. Sie sind jetzt völlig sein; sie gehören Ihm mit allem, was sie sind und haben. Er hat sie für sich erkauft und darum ist es auch die alleinige und völlige Pflicht der Seinen, nur für Ihn zu leben. Zugleich hat Er sie in eine ganz neue Sphäre, in eine neue Schöpfung gebracht, wovon Er selbst das Haupt ist. Sie befinden sich gleichsam in einer anderen Welt und haben alles zurückgelassen, was der natürlichen Existenz im Fleisch hier unten angehört. Sie sind in Verbindung mit einer neuen Ordnung der Dinge, in welcher Christus, als auferstanden, existiert. Allem anderen ist der Stempel des Todes aufgedrückt; alles ist unter dem Tod verschlossen. Christus, soweit Er in Verbindung mit der Welt hier unten war, ist gestorben. Er mochte als Messias gekannt worden sein, lebend auf der Erde und in Verbindung mit den Verheißungen, welche den auf der Erde im Fleisch lebenden Menschen gemacht worden waren; aber auf diese Weise kannte der Apostel Ihn nicht mehr. Als diesen Charakter tragend, war Er gestorben, und jetzt, nachdem Er auferstanden, hatte Er einen neuen und himmlischen Charakter erhalten. „So denn kennen wir von nun an niemand nach dem Fleisch; wenn wir aber auch Christus nach dem Fleisch gekannt haben, so kennen wir Ihn doch jetzt nicht mehr“ (V 16). alle Beziehungen zu dem Fleisch und der Welt sind in Christus verschwunden. „Also, wenn jemand in Christus ist, – eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen; siehe! Alles ist neu geworden“ (V 17). Er gehört dieser neuen Schöpfung an; er ist ein Teil derselben. Auferweckt mit Christus ist er der früheren Schöpfung ganz entrückt; alles ist vergangen; alles ist neu geworden. „Alles aber aus Gott, der Ans mit sich selber durch Jesus Christus versöhnt hat, und uns den Dienst der Versöhnung gegeben“ (V 18). In dieser neuen Ordnung der Dinge, in dieser neuen Schöpfung ist alles von Gott. Und wir sind im Frieden dort, weil Gott, der Mittelpunkt und die Quelle der Schöpfung, uns mit sich selbst versöhnt hat. Wir waren nichts als Sünde und Finsternis waren dem Leben Gottes völlig entfremdet, und sogar Feinde Gottes; aber Gott hat uns durch das Blut seines Geliebten versöhnt. In Ihm hat Er jedes Hindernis beseitigt und uns angenommen, und uns zu sich selbst in die innigste Beziehung gebracht. Wir sind neue Geschöpfe in Christus geworden und befinden uns in einer neuen Schöpfung, die von Ihm ist und die mit der neuen Natur in Verbindung steht. Zugleich war auch dem Apostel der Dienst der Versöhnung übertragen. Dieser Dienst war der Ordnung jener Dinge gemäß, in welche er selbst eingeführt war. Er war versöhnt und wusste es durch die Offenbarung Gottes. Gott selbst hatte es für ihn erfüllt, und als die Wirkung des Genusses dieser Versöhnung verkündigte er dieselbe.

Also haben wir in Vers 18 die Wirkung dessen, was Gott für die Gläubigen getan hat, – Er hat uns versöhnt – während uns in Vers 19 der Charakter dargestellt wird, in welchem Gott uns nahegetreten ist, nämlich: „dass Gott in Christus war, die Welt mit Ihm selber versöhnend, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnend und in uns das Wort der Versöhnung legend“ (V 19). Gott war in Christus, als Er auf Erden war, und zwar mit dieser Absicht: die Welt zu versöhnen, die Sünde nicht zuzurechnen und das Wort der Versöhnung in den Apostel zu legen. Solange nun die Diener Gottes noch mit diesem Dienst betraut und beschäftige sind, ist es offenbar, dass jene, zu denen Gott seine Diener sendet, noch nicht versöhnt sind, und Zugleich, dass Gott die Absicht hat, es zu tun. Und in Christus findet der verlorene Sünder alles, um mit Gott versöhnt zu werden und in seine Gemeinschaft einzutreten. Gott sandte und sendet noch seine Boten zu diesem Zweck, die Menschen zu bitten: „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (V 20) Welch eine Gnade. Nicht genug, das Werk der Versöhnung in Christus für seine Feinde vollbracht zu haben, lässt Er diese auch immer noch zum Genuss dieser Segnungen dringend einladen. Der Apostel war ein Gesandter von Christus, während seiner Abwesenheit. Er handelte an Christi statt, als ob Gott durch sein Mittel ermahnte. Und diese Gesandtschaft war auf eine Wahrheit von unermesslichem Wert gegründet, nämlich: „dass Gott den, der Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht hat, auf dass wir in Ihm die Gerechtigkeit Gottes würden“ (V 21). Dies war der wahre Weg, um uns mit Gott zu versöhnen, und war nach der Vollkommenheit Gottes völlig offenbart. Er liebte uns, da wir noch Sünder waren. Er gab seinen geliebten Sohn, der Sünde nicht kannte, in welchem kein Flecken, ja nicht ein Gedanke von Sünde war. Wir aber waren nichts als Sünde, und darum musste Er an unserer statt zur Sünde gemacht werden, um uns völlig aus diesem Zustand zu erretten und in seine Stellung vor Gott zu bringen. In dieser Stellvertretung nun hat Christus Gott vollkommen für uns verherrlicht; und in Ihm hat Gott uns für immer vor den himmlischen Fürstentümern zum Ausdruck seiner göttlichen Gerechtigkeit und zum Gegenstand seiner Liebe und Wonne dargestellt. Der Mensch hatte keine Gerechtigkeit vor Gott; aber Gott hat uns in Christus zu seiner Gerechtigkeit gemacht; ja seine Gerechtigkeit ist in uns völlig offenbart und erwiesen worden. Unergründliche Gnade! Christus nimmt den Platz des Sünders im Gericht, damit dieser seinen Platz in der Herrlichkeit nehmen möchte. Sicher, wo diese Gnade erkannt wird, da wird das Herz nichts anders vermögen, als in Demut nieder zu sinken und mit Inbrunst Gott zu loben und anzubeten (Fortsetzung folgt).

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