Botschafter des Heils in Christo 1861

Ist Christus auch für mich?

Vor einiger Zeit traf ich zufällig mit jemanden zusammen, der in einer sehr einfachen Weise über die so manches Herz beunruhigende Frage der Anwendung des Werkes Christi sprach. Es ist vielen Seelen nützlich gewesen und in der Hoffnung, dass dies auch noch ferner der Fall sein möge, will ich es hier einfach mitteilen. Er erzählte Folgendes: Ein lieber Knabe, dessen geistliches Wohl mir sehr am Herzen lag und es auch noch tut, wurde mehrere Tage durch die Frage beunruhigt: „Wie kann ich wissen, dass Christus für mich starb?“ Er kannte einen großen Teil der Wahrheit. Dem Verstand nach war er so klar und so gut unterrichtet, dass er fähig war, jede falsche Darstellung in einem Traktat oder in einer anderen Lektüre aufzufinden. Er war mit dem Heilsplan ganz genau bekannt und an der Frage des Christentums zeigte er im Allgemeinen großes Interesse. Doch hatte er keinen persönlichen Genuss an, Christus; er konnte sein eigenes Interesse an Ihm nicht erkennen. Seine große und beständige Schwierigkeit fiel in dieser einen Frage zusammen: Wie kann ich wissen, dass Christus auch für mich starb?
Wie so oft, gefiel es auch jetzt dem Herrn, durch eine ganz einfache Sache das Herz des Knaben zu erleichtern. Er saß eines Morgens neben mir in meinem Zimmer, und wir unterhielten uns über den Gegenstand seiner Errettung. Er sagte unter anderen, dass er überzeugt sei, dass Christus für Sünder gestorben wäre; aber er konnte nicht die Überzeugung gewinnen, dass dies auch für ihn sei. – Gott meinem Fenster aus war auf dem Bahnhof eine große Tafel aufgerichtet, worauf folgende Worte zu lesen waren: „Kinder unter sechs Jahren fahren frei.“ Ich richtete seine Aufmerksamkeit auf diese Worte und fragte ihn: Wenn du ein Kind unter sechs Jahren wärst, würdest du dann irgendwelche Schwierigkeit haben, jene Worte auf dich anzuwenden? Würde es dir nicht vielmehr schwer, ja unmöglich sein, sie nicht auf dich anzuwenden? Bevor du diese Anwendung verweigern könntest, müsstest du beweisen, dass du mehr als sechs Jahre alt wärst. Jedes Kind unter sechs Jahren wird jene Verordnung ebenso völlig und so sicher auf sich anwenden, als wenn es das einzige Kind in der Welt wäre. Freilich ist es wahr, dass du auf jener Tafel nicht deinen Namen findest; doch wenn du ihn fändest, so würde es dir dennoch nichts helfen können, da ja möglicher Weise noch ein anderes Kind denselben Namen tragen könnte, – du würdest stets ungewiss sein. Wenn du aber dein Alter, deinen Zustand, deine Stellung siehst, so kannst du weiter keine Schwierigkeit haben. Du magst dich weigern, deinen Platz zu nehmen, aber du kannst die Überzeugung nicht von dir weisen, dass es dich angeht.
Lass uns nun diese Sache auf den wichtigen Gegenstand unserer Unterredung anwenden. Ich lese in 1. Timotheus 1,15: „Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten.“ Bist du ein Sünder? „O, ja.“ sagte er, „das bin ich in Wahrheit.“ „Nun, wenn du im Herzen und im Gewissen auf dem Grund eines verlorenen Sünders stehst, dann ist Christus gekommen, um dich zu erretten; ebenso sehr, als wenn du der einzige Sünder in der Welt wärst. Du musst zuerst beweisen, dass du kein Sünder bist, bevor du die Anwendung der evangelischen Botschaft auf dich verweigern kannst. Das Evangelium wendet sich an alle verlorenen Sünder. Es ist für dich, um es zu glauben und dich in der Anwendung zu erfreuen.“
Der Geist Gottes segnete diese Unterhaltung. Die einfache Wahrheit des Evangeliums fiel gleich einem Sonnenstrahl in die Seele des Knaben und er kniete an meiner Seite nieder und dankte Gott, dass er jetzt wusste, was er solange vergeblich zu wissen gesucht hatte, dass nämlich Christus auch für ihn starb. Es war ein klarer, bestimmter und unverkennbarer Fall. Kurz nachher sagte er zu einem Freund: „Weißt du, dass alle Teufel in der Hölle jetzt meinen Glauben nicht erschüttern können?“ „Wirklich!“ sagte der Freund, erstaunt über diesen kühnen Ausspruch aus dem Mund eines solchen, der so viel von Zweifel und Furcht gequält worden war; „wie kommt denn das?“ – „Weil mein Glaube auf das Wort Gottes gegründet ist!“ gab er zur Antwort. – Gesegnete Grundlage! Nicht auf das Gefühl, nicht auf Vernunftschlüsse, nicht auf Folgerung, sondern einfach auf das Wort Gottes! Das ist genug. „Christus ist für unsere Sünden gestorben nach den Schriften; Er ist begraben worden, und Er ist am dritten Tage auferstanden nach den Schriften“ (1.Kor 15,3–4).
Möge der Herr diesen einfachen Vorfall an vielen ängstlichen Seelen segnen, so wird sein Name gepriesen werden!

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