Botschafter des Heils in Christo 1861

Die Wege Gottes mit dem Menschen

Ausgenommen die persönliche Errettung und die Gemeinschaft der Seele mit unserem Gott ist für den Christen nichts von größerer Wichtigkeit und von höherem Wert, als das Zeugnis, welches Gott in dieser Welt voll Finsternis von sich selbst gegeben hat. Zudem hängt auch beides, die Errettung und die Gemeinschaft, von diesem Zeugnis ab. Wie möchte wohl ohne dasselbe der Zustand des Menschen sein? Wie ist sein Zustand da, wo dieses Zeugnis noch nicht durchgedrungen ist? Welch ein köstliches Vorrecht, die Gedanken Gottes selbst über alles, was uns moralisch betrifft, zu besitzen und mittels der Mitteilung seiner Gedanken in Beziehung zu Ihm zu stehen! Welch ein Vorrecht, seine Freunde genannt zu werden und dieses Vorrecht in der Wahrheit genießen zu dürfen durch den Besitz der wahrhaftigsten und innigsten Offenbarung seiner Gedanken und seiner Zuneigungen.

Da nun der Mensch der Gegenstand dieser Zuneigungen war, so entwickeln sich dieselben in den Wegen Gottes mit dem Menschen, in welche selbst die Engel hineinzuschauen begehren. Und in der Tat ist nach der Weisheit Gottes der Mensch dasjenige Wesen, in Betreff dessen sich der Charakter Gottes und alle seine moralischen Wege auf die vollkommenste und die bewundernswürdigste Weise entfalten. Es ist weder der Verstand noch die moralische Kraft des Menschen, die ihn hierzu geschickt machen, da das Urteil, welches er über das Wesen Gottes zu bilden vermag, keineswegs das Mittel ist, um Gott zu offenbaren. Ohne selbst den Fall des Menschen in Betracht zu ziehen, würde dennoch dieses Urteil stets wegen des Umstandes, dass der Mensch im Vergleich mit Gott ein unvollkommenes und fehlbares Geschöpf ist, insoweit unter der Wahrheit bleiben, als der Mensch unter Gott steht. Der unschuldige Mensch hat weder Bedürfnis noch Begierde, um ein Urteil über Gott auszusprechen. Er genießt mit Anbetung seine Wohltaten. Und ein solcher Mensch ist in keiner Beziehung, weder in Betreff seines Zustandes, noch in Betreff seines Verhaltens Gott gegenüber, geschickt, um nach der Wahrheit zu urteilen. Selbst der Wille mangelt ihm dazu. Nein, Gott offenbart sich dem Menschen in seinen eigenen Wegen. Ein Engel gab Ihm hierzu nicht solch eine Gelegenheit wie der Mensch. Ein Engel bedarf nicht der Erbarmung, der Gnade, der Vergebung, der göttlichen Gerechtigkeit und der Kraft, die ihn in seiner Schwachheit unterstützt und ihn aus den Toten auferweckt. Darum ist auch nicht ein Engel Christus, dem verherrlichten Menschen, gleichförmig geworden. Er ist ein Zeuge der schaffenden und bewahrenden Macht Gottes; er zeichnet sich aus in Kraft. In ihm erblickt man ein durch Gott bewahrtes Geschöpf, welches seinen ursprünglichen Zustand nicht verloren hat. Die Gnade, die Geduld, das Mitleid, die göttliche Gerechtigkeit sind für einen solchen Zustand nicht notwendig, wohl aber für den gefallenen Menschen.

Auch begehren die Engel die herrlichen Wege Gottes mit dem Menschen zu ergründen. Es ist das Herz des Menschen, welcher, bis zur tiefsten Stuft moralischer Wesen herabgesunken, in seinen Ungerechtigkeiten Satan gleichförmig geworden ist und, ein Sklave seiner Leidenschaften, stark oder wenigstens übermütig in seinem Geist und in seinen Anmaßungen dahingeht; – es ist das Herz des Menschen, welcher die Kenntnis des Guten und Bösen besitzt, jedoch in einem Gewissen, das ihn verurteilt; – welcher wegen der Leiden nach einem besseren Zustand seufzt, jedoch unfähig ist, denselben zu erringen; – welcher diese irdische Welt mit einer anderen vertauschen möchte, und dennoch fürchtet, dorthin zu gelangen; – welcher die Notwendigkeit der Gemeinschaft mit Gott, als dem einzig würdigen Gegenstand für eine lebendige Seele, erkennt, und dennoch das Gefühl gänzlicher Entfernung von Gott hat, Zugleich verbunden mit solch einer Begierde nach Unabhängigkeit, dass er Gott den Ihm gebührenden Platz nicht einräumen will; – dieses Herz des Menschen, fähig für die höchsten Empfindungen und für die erniedrigendsten Freveltaten, bildet Gott zu einer göttlichen Harfe, worin von Ewigkeit zu Ewigkeit die ganze Harmonie seiner Lobgesänge ertönen sollen. Durch die Gnade und göttliche Macht, die sich in einem neuen, dem Menschen mitgeteilten Leben entfalten, sowie durch die Offenbarung seines Sohnes in der menschlichen Natur, wird der gefallene Mensch fähig gemacht, das Böse Gott gemäß zu beurteilen und das Gute nach der vollkommenen Offenbarung in Christus zu genießen. Zugleich räumt er Gott, der ein Gott der Liebe ist, den Ihm gebührenden Platz ein, während er selbst für sich den Platz der Abhängigkeit wählt, – einer Abhängigkeit, welche nach der Erkenntnis aller Vollkommenheiten Gottes strebt. Wollte Gott in dem Zustand des Menschen seinen Charakter und sein Wesen offenbaren, und sollten unsere Herzen und Gewissen davon in Kenntnis gesetzt werden, dann war es nötig, den Menschen durch verschiedene Perioden zu führen, welche Ihm Gelegenheit gaben, sich in Gnade offenbaren zu können.
Lasst uns daher diese Wege Gottes mit dem Menschen in der Kürze betrachten. Gott hat den Menschen rein, d. h. ohne Sünde und ohne die Erkenntnis des Guten und Bösen geschaffen. Adam bedurfte auch weiter nichts; er hatte nur mit Dankbarkeit die ihn umringenden Segnungen zu genießen. Zugleich aber forderte Gott seinen Gehorsam und stellte denselben auf die Probe durch das Verbot, von einem Baum zu essen, der inmitten des Gartens stand.
Man hat behauptet, dass er die Erkenntnis des Guten besessen und die des Bösen erlangt habe; jedoch hierdurch vernichtete man die Kraft des Ausdrucks: „Siehe, Adam ist geworden als unser einer und weiß, was gut und böse ist“ (1.Mo 3,22). Es war Sünde, von der verbotenen Frucht zu essen, weil es verboten war, davon zu essen. Gott hat dafür gesorgt, dass das Gewissen der stete Begleiter des Menschen in seinem sündhaften Zustand sei.
Der Mensch ist nicht gefallen, ohne versucht zu sein. Der Feind hat seine Seele mit Misstrauen gegen Gott erfüllt; und dieses Misstrauen richtete eine Scheidewand zwischen seinem Herzen und Gott auf und räumte seinem eigenen Willen und den Lüsten, sowie dem Hochmut, Gott gleich zu sein, einen Platz ein. Der eigene Wille, die Lüste und der Hochmut bilden mm den wirklichen Zustand des natürlichen Menschen. Der Mensch hat sich also von Gott geschieden, um sich dadurch, was seinen Willen betrifft, unabhängig zu machen, insofern nämlich die Sünde uns unabhängig von dem höchsten Wesen zu machen vermag.
In diesem Zustand konnte der Mensch die Gegenwart Gottes nicht ertragen. Diese Gegenwart jedoch, die göttliches Licht über den Zustand des Menschen warf und ihn fühlen ließ, was aus ihm geworden war, die ihm seine Sünde und seinen Verlust aufdeckte, musste ihm über alles unerträglich sein. Vermochte er auch in seinen eigenen Augen die Schande der Sünde zuzudecken, – vor Gott wusste er, dass er nackt war.
Die Frage: „Adam, wo bist du?“ – die Gott an Adam richtete, war sehr niederschmetternd. Warum ist der Mensch nicht zu Gott gegangen, als er seine Summe im Paradies vernahm? Wo war er? In der Sünde und in Nacktheit; denn das Wort Gottes entblößte den Menschen. Schreckliche Wahrheit, wenn das Gewissen befleckt ist! Eine Wahrheit, vor welcher jede Anmaßung von Unabhängigkeit gleich der Lüge vor der Wahrheit verschwindet, indem nichts zurückbleibt, als die beschämende Schuld der Anmaßung, der Torheit und der Undankbarkeit, die diese Unabhängigkeit von dem höchsten Wesen gesucht haben.
Der Mensch ist also der Gegenwart Gottes entflohen, bevor Gott ihn aus dem Ort des Friedens, wohin Er ihn gestellt hatte, verjagte. Doch der Befehl Gottes musste gehandhabt werden. Es geziemte Ihm nicht, die Sünde ungestraft zu lassen. Das Urteil musste vollzogen werden. Die Heiligkeit Gottes verabscheut die Sünde, und die Gerechtigkeit Gottes handelt gemäß dieser Heiligkeit durch ein gerechtes Urteil über den, der Böses tut. Der Mensch wurde aus dem Paradies vertrieben, und – die Welt begann. Wie aber im Paradies die Sünde gegen Gott, so wurde in der Welt die Sünde gegen den Nächsten begangen; und der Tod des Gerechten war ein treffliches Vorbild auf den Tod des Herrn. Der Mensch, vertrieben aus der Gegenwart Gottes, hat getrachtet, die Welt zu verschönern und angenehm zu machen. Dies war alles, was ihm übrigblieb. Die Bildung, die Künste und die Gemächlichkeit eines Lebens in Üppigkeit haben zur Genüge die Geschicklichkeit eines Wesens gezeigt, welches keine Verbindung mit der göttlichen Heiligkeit und Vollkommenheit mehr hatte und sich an die Dinge, die unter Gott waren, fesselte und Zugleich mit Hoffahrt auf die Früchte seiner Geschicklichkeit blickte. Doch ohne die Erneuerung des menschlichen Willens durch eine höhere Macht ist es der Bildung unmöglich, der Kraft der Wollust sowie auch der Missetat, ihren Willen zu tun, zu widerstehen und inmitten aller Hindernisse die Leidenschaften zum Schweigen zu bringen. Die Welt war vor Gott verdorben, und die Welt ist erfüllt mit Missetat.
Doch die Gnade Gottes hat ihr Zeugnis nicht zurückgehalten. das Unheil Gottes über die Schlange kündigte den Samen des Weibes an. Abel, wie wohl gestorben, ist ein Zeuge von der Macht des Bösen in der Welt, zugleich aber auch seitens Gottes von der Annahme des Gerechten, der mit einem Opfer, welches die Erkenntnis der Sünde in sich schließt, zu Gott naht. Angenommen von Gott, verworfen von den Menschen und preisgegeben dem Hass des Bösen, ist er der Beweis einer Hoffnung außerhalb dieser Welt. Die Aufnahme Henochs, welcher mit Gott wandelte, hat diese Hoffnung befestigt, und versichert dem Gläubigen, welcher glaubt, dass Gott ist und denen, die Ihn suchen, ein Belohner wird, dass es für den Gerechten bei Ihm ein Glück gibt, welches die Welt nicht geben und nicht nehmen kann. Wiewohl dies alles noch unter einem Schleier verhüllt war, so unterhielt und belebte es doch den Glauben dessen, der mit Gott zu wandeln trachtete, während das Böse mit Macht heranwuchs.
Als die Sünde ihren Höhepunkt erreicht hatte, gab Gott ein anderes Zeugnis in der Person dessen, der durch das Gericht, welches der schrecklichen Ausbreitung der Sünde eine Grenze setzte, hindurchgehen musste. Dieses Zeugnis redet nicht allein von der Hoffnung, welche den Heiligen außerhalb der Welt einen Platz anweist, sondern auch von dem Gericht der Welt selbst – ein Gericht, welches nach den Grundsätzen der göttlichen Regierung notwendig war, in welchem jedoch ein kleiner gerechter Überrest in der von Gott bereiteten Arche errettet werden sollte.
Hier sehen wir also den Zustand, die Geschichte des Menschen, nachdem er als Folge der Übertretung eines Gesetzes aus dem irdischen Paradies, in welches Gott ihn gesetzt hatte, vertrieben und seinem Eigenwillen ohne Gesetz, doch nicht ohne Überzeugung, preisgegeben war. Die Sintflut musste einem Zustand der Dinge ein Ende machen, worin das Verderben und die Gewalt die Oberfläche des Erdreichs bedeckten, und worin nur acht Personen fähig waren, das Zeugnis Gottes über das kommende Gericht zu offenbaren.
Während der Perioden zwischen der Vertreibung Adams aus dem irdischen Paradies und der Sintflut bestanden die Menschen aus einer Familie, aus einem Geschlecht. Es gab damals keine Völker, keine Regierung und – was wahrscheinlich ist – keine Abgötterei. Der Mensch konnte, zwar nicht ohne Zeugnis, doch ohne Zügel seine eigenen Wege gehen; und das Böse ist unerträglich geworden. Die Sintflut hat damit ein Ende gemacht. Nach diesem Ereignis, nach diesem Gericht Gottes begann eine neue Welt und die Regierung wurde eingeführt. Derjenige, welcher einen Menschen töten würde, sollte selbst getötet werden. Doch ungeachtet dieses Hemmnisses der äußeren Sünde dauerte das Verderben des Herzens fort. Noah hat gefehlt in dem Zustand, in welchen er nach der Sintflut gestellt wurde, gerade sowie es Adam in dem Paradies, wie es der Mensch allezeit getan hat, und wie solches geschehen wird bei jedem Wesen, welches nicht direkt durch Gott bewahrt wird. Gleich nach der Sünde Hams bereitete Gott die Verteilung der Menschen in verschiedene Rassen vor, sowie sie heutzutage noch bestehen.
Wie wir bereits sagten, bestand das menschliche Geschlecht sowohl vor als nach der Sintflut aus einer Familie. In Folge des Bauens des babylonischen Turms, der durch den Menschen aufgerichtet ward, um der Mittelpunkt eines Reiches zu sein, zerstreute Gott die Erbauer desselben; und so entstanden Nationen, Sprachen und Völker. Gott wollte, dass die ganze Erde bewohnt werde; und durch die Verwirrung der Sprache hat Er die wirkliche Form der Welt dargestellt. Die persönliche Geisteskraft eines Volkes bildet sich in derselben ein Reich, welches Babel zum Mittel– und Ausgangspunkte hat und später in der Geschichte der Menschheit eine große Rolle spielt.
Nachdem das Gericht Gottes die Welt also verteilt hatte und die Sprache der Völker und der Stämme entstanden waren, tritt in der Geschichte der Welt ein bemerkenswertes Ereignis in die Erscheinung. Bisher hatte sich die Sünde des Menschen nur in dem Verderben des Herzens und in der Wirksamkeit eines unabhängigen Willens gegen Gott offenbart. Jetzt beginnt sie auf eine andere Weise an den Tag zu treten. Dämonen nehmen in den Augen und in der Vorstellung des Menschen den Platz Gottes ein. Die Abgötterei fängt an unter den Völkern und sogar unter demjenigen Geschlecht, welches Gott am nächsten war – dem Geschlecht Sems – zu herrschen. Und wie wohl diese Abgötterei im Prinzip überall dieselbe war, so hatte doch jedes Volk seine besonderen Götter. Der Mensch hatte also nicht allem gegen Gott gesündigt, sondern Ihn auch als Gott verworfen; und ohne Zweifel würde die Erkenntnis des einigen, wahren Gottes und mit derselben die Erfüllung der Verheißung verloren gegangen sein, wenn Gott nicht aus der Mitte dieser Götzendiener einen Mann gerufen hätte, welcher die Erkenntnis seines Namens offenbaren sollte. Er beruft Abraham, um sein Land, seine Verwandtschaft und seines Vaters Haus zu verlassen und selbst in seinen innigsten Beziehungen, mit dem durch den Herrn verurteilten Systeme vollkommen zu brechen. Durch die freie Gnade Gottes auserkoren, hatte er nur für Gott zu leben; und durch den Glauben ist er der Verheißungen teilhaftig geworden.
Diese Berufung nun ist von der höchsten Nichtigkeit. Bis jetzt hatte es zwar treue Diener Gottes gegeben, die mit Ihm wandelten, z. B. Abel, Henoch, Noah usw.; doch keiner derselben war gleich Adam das Haupt und der Stamm eines Geschlechts geworden. Abraham nun wurde nicht Min von den Götzendienern abgesondert, sondern Zugleich zum Haupt und Stamme eines Geschlechts gemacht, welches seine Segnungen nicht in, sondern außerhalb dieser Welt hatte. Die Völker hatten sich die Teufel zu Göttern erkoren, und Gott erwählt sich einen Mann zum Haupt eines Geschlechts, welches Ihm als Eigentum angehören sollte. Die Fettigkeit des Ölbaums Gottes findet sich in allen, die auf dem Stamm Abrahams wachsen, es sei das Volk nach dem Fleisch, es sei der Same, welcher an den geschehenen Verheißungen durch die Vereinigung mit Christus, als dem Samen der Verheißung, sein Teil hat. Diese Berufung und Absonderung, welche auch die Perioden sein mögen, die der Mensch durchlaufen muss, bleiben allezeit fest. Christus selbst – gekommen, um die den Vätern gegebenen Verheißungen zu erfüllen – ist der Zeuge der unveränderlichen Wahrheit Gottes.
Nicht lange jedoch blieb der Zustand der Erben der Verheißung in der ursprünglichen Gestalt. Kurz nachher finden wir ein Volk, das sich wenig um diese Grundsätze kümmert und sich mehr und mehr von dem Glauben entfernt, und welches unter dem Joch einer beklagenswerten Sklaverei seufzt. Dieser Zustand des Volkes Gottes gibt zu einem Ereignis Anlass, welches einen wichtigen Grundsatz aus Licht stellt, nämlich den der Erlösung von den Folgen seiner Sünde und von der Sklaverei, unter welcher dieses Volk gebückt ging. Wir werden in den Früchten dieser Erlösung noch manches finden, was für uns von der höchsten Bedeutung ist.
Das Geschrei des Volkes ist hinauf gedrungen bis zu den Ohren des Herrn der Heerscharen, und Er steigt hernieder, um dasselbe zu erlösen. Doch der Retter ist Zugleich der gerechte Richter; die Vereinigung dieser beiden Charaktere ist eine Notwendigkeit. Um erlösen zu können, muss seine Gerechtigkeit befriedigt sein. Ein Gott, der nicht gerecht ist, kann – moralisch betrachtet – kein Retter sein. Und darum offenbart Er sich in Gerechtigkeit und in Liebe. Er hatte seine Macht an Pharao gezeigt, indem Er erklärte, ein Recht an Israel zu haben, und ihn zwang, das Volk ziehen zu lassen; allein die Erlösung musste ohne den Willen des Menschen durch das Gericht Gottes, sowie durch die volle Offenbarung seines Abscheus gegen die Sünde und Zugleich in Liebe vollbracht werden. Gott erscheint sowohl vor den Ägyptern als auch vor Israel als Richter; denn auch Israel war schuldig, und in gewisser Beziehung schuldiger als die Ägypter. Der Würgengel ging über das ganze Land; und nur durch das an die Türpfosten gestrichene Blut des Passahlammes entging Israel dem Gericht, welches über dasselbe hätte kommen müssen. So hatte die Liebe Gottes ein Mittel gefunden, um das Volk zu erlösen, ohne seiner Gerechtigkeit Abbruch zu tun.
Gott geht als Richter an seinem schuldigen Volk, um des durch den Glauben erkannten Blutes willen vorüber. Doch Israel war noch in Ägypten. Seine Erlösung war noch nicht vollbracht, wiewohl der Preis der Erlösung vorbildlich bezahlt war. Israel begibt sich auf den Weg und erreicht das rote Meer. Hier musste die Frage, betreffs seiner Errettung oder seines Untergangs gelöst werden. Pharao hatte, seines Sieges gewiss, das Volk verfolgt; die Wüste, worin Israel sich befand, bot keine Zufluchtsstätte an, und das rote Meer, ein Bild des Todes und des Gerichts, lag zu seinen Füßen. Dennoch sah Israel am folgenden Tage nichts als die Leichname seiner Feinde, die bis in das Meer gefolgt waren. Der Tod und das Gericht Christi trennen uns von dem Ort unserer Gefangenschaft.
Die Erlösung schließt mehr in sich als die Tatsache, dass wir dem Gericht Gottes entgangen sind. Wir werden durch die Macht Gottes, der die Erlösung selbst bewirkte, in einen ganz neuen Zustand versetzt.
In dieser inhaltsreichen Geschichte sehen wir das Vorbild jener großen Begebenheiten, auf welchen unser ewiges Glück ruht: Die Versöhnung, die Erlösung und die Rechtfertigung. Die Rechtfertigung wird hier vollkommen vorgestellt, 1. die Erlösung durch das Blut, welches uns von aller Schuld der Sünde befreit, und 2. unsere Einführung, kraft des Wertes dieses Blutes, in einen ganz neuen Zustand durch die Auferstehung. Christus ist unserer Übertretungen wegen dahingegen, und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt.
Einige wichtige Grundsätze werden uns als Folgen der durch die Erlösung bewirkten Befreiung offenbart. Gott wohnte in der Mitte der Israeliten. Er hat weder bei dem unschuldigen Adam, noch bei Abraham, dem durch seine Gnade Berufenen und Erben der Verheißung, gewohnt. Sobald Israel durch die Erlösung erkauft und befreit ist, wohnt Gott inmitten seines Volkes (vgl. 2.Mo 15,2 – In den besten Übersetzungen heißt dieser Vers also: „Der Herr ist meine Stärke und Lobgesang, und warf mein Heil. Dieser ist mein Gott, darum will ich Ihm eine liebliche Wohnung machen; Er ist meines Vaters Gott, Ihn will ich erheben.“ – und 29,45–46)
Auch erscheint hier zum ersten Male die Heiligkeit Gottes in den Beziehungen seines Volkes zu Ihm. Mit Ausnahme eines einzigen Falles, wo von der Heiligung des Sabbats die Rede ist, wird im ersten Buch Moses weder die Heiligkeit im Allgemeinen, noch die Heiligkeit des Charakters Gottes vorgestellt. Doch 2.Mose 15 und 19 und 3.Mose 19,30, sowie andere Stellen, zeigen uns an, dass, da die Erlösung einmal vollbracht ist, Gott diesen Charakter annimmt gegenüber allem, was zu Ihm in Beziehung steht. – In unmittelbarer Verbindung mit dieser Wahrheit steht eine andere, die ebenfalls notwendig aus der Erlösung hervorgeht, dass nämlich die Erlösten nicht mehr sich selber angehören, sondern dass sie für Gott gekauft, Ihn: geweiht und für Ihn abgesondert sind.
Israel betritt – ein Vorbild von dieser Welt für das Volk Gottes – die Wüste, wo die Treue Gottes für sein Volk Sorge trägt. Späterhin erreicht es das Land Kanaan, wo von Siegen die Rede ist, die wir davontragen müssen, um in dieser Welt die uns zugehörenden himmlischen Vorrechte zu genießen. Wohl ist es wahr, dass wir uns bereits in denselben erfreuen, bevor wir einen einzigen Sieg davongetragen haben; um sie jedoch zu verwirklichen, müssen wir siegen. Die Wüste und Kanaan machen vorbildlich die beiden Teile des christlichen Lebens aus: die Geduld in dieser Welt unter der uns leitenden Hand Gottes, und der Sieg in dem Streit gegen Satan, um die geistlichen Vorrechte genießen zu können.
Doch noch ein anderer wichtiger Grundsatz wird während der Wanderung Israels durch die Wüste ans Licht gestellt. Betrachtet man 3.Mose 15 und 18 etwas genauer, dann wird man bemerken, dass dort alles Gnade ist, – dass sich jedoch das Volk in 2.Mose 19 unter das Gesetz stellt und unter der Bedingung ihres Gehorsams gegen alles, was der Herr sagt, den Genuss der Verheißungen annimmt. Der Gehorsam war eine Pflicht; indem sie sich aber unter diesen Bund stellten, vergaßen sie ihre eigene Schwachheit und bahnten sich den Weg zu ihrem Fall. Die traurigen Folgen zeigten sich in rascher Eile; denn noch bevor Moses von dem Berg zurückgekehrt war, hatte Israel bereits das goldene Kalb gemacht. Zwar hat die Geduld Gottes durch die Vermittlung Moses die Beziehungen zu seinem Volk nicht unterbrochen, bis endlich, wie Jeremias sagt, keine Heilung mehr möglich war. Jedoch ist unsere Aufgabe, die Wege Gottes zu beschreiben; wir dürfen uns daher nicht auf Einzelheiten einlassen. Die Verheißungen Gottes waren dem Abraham ohne Bedingung gegeben, und demzufolge konnte die Frage der Gerechtigkeit nicht zur Sprache kommen. Jetzt wird diese Frag? behandelt, und zwar zunächst, da die von Gott geforderte Gerechtigkeit des Menschen die Pflicht des Geschöpfs war.
Keine ernstere Frage existiert für die Seele, als diese: Wo soll ich die Gerechtigkeit vor Gott finden? Wir haben gesagt, dass das Gesetz sie enthüllt hat. Es ist von Wichtigkeit, ihren Standpunkt zu betrachten, den sie bei Einführung des Gesetzes einnimmt. Seit des Daseins des Menschen war sie verhüllt. In dem irdischen Paradies stand der Baum des Lebens, bestimmt, das Leben mitzuteilen, sowie der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, an welchen die Verantwortlichkeit geknüpft war. Der Mensch hat nicht von dem Baum des Lebens gegessen; und nach dem Fall hat die Barmherzigkeit Gottes, sowie seine Gerechtigkeit und die moralische Ordnung seiner Regierung ihm den Weg zu diesem Baum versperrt. Ebenso hat der Mensch in seiner Verantwortlichkeit gefehlt. Er kannte zwar die Sünde nicht, jedoch stand er in Beziehung zu Gott. Es war schon Sünde, von dem Baum zu essen, weil Gott es verboten hatte. Sobald der Mensch gefallen war, ist dem Samen des Weibes der zweite Adam angekündigt. Die Erwartungen des menschlichen Geschlechts stehen jetzt auf einem ganz anderen Grund. Es wurde kein Mittel verheißen, wodurch der Mensch mittels seiner moralischen Kraft erlöst werden sollte, sondern eine andere, von Adam unabhängige Person, sollte ein Brunnen des Lebens werden, die Kraft des Feindes vernichten und die Stelle Adams einnehmen. Dieses war der Samen des Weibes. Der erste Adam war eine lebendige Seele und ist verloren; der letzte Adam, der zweite Mensch ist ein lebendig machender Geist. Bis zur Ankunft Christi war die Verheißung der einzige Vorn der Hoffnung; sie unterstützte durch die Gnade den Glauben. – Wir glauben an die Erfüllung der Verheißung.
Als Gott Abraham rief, gab Er ihm die Verheißung, dass in ihm alle Völker gesegnet werden sollten, (1.Mo 12). und späterhin ist die Verheißung seinem Samen zugesagt, (1.Mo 22). Der Samen des Weibes muss Zugleich aus dem Samen Abrahams sein. Also hat Gott eine Verheißung ohne Bedingung gegeben und mithin offenbarte sich weder die Gerechtigkeit noch die Verantwortlichkeit des Menschen. Vierhundert und dreißig Jahre später ist das Gesetz gekommen, und hat die Gerechtigkeit auf dem Grund der Verantwortlichkeit des Menschen offenbart, indem es eine vollkommene Regel von dem feststellte, wie der Mensch als Nachkomme Adams sein musste. Dieses Gesetz muss man aus zwei verschiedenen Gesichtspunkten beschauen. Es enthielt die absolute Wahrheit, welche Jesus vollkommen ans Licht stellte: die Liebe zu Gott und die Liebe zu dem Nächsten. Dieses ist die vollkommene Regel für das Glück des Geschöpfs. Die Engel befolgen sie in dem Himmel. Doch der Mensch ist von der Befolgung dieses Gesetzes weit entfernt. Diese Regel nun ist auch in besonderen Pflichten entwickelt, die der Beziehung entspringen, in welcher der Mensch zu Gott und zu seinem Nächsten steht. Diese Gebote sind nach dem moralischen Zustand des Menschen eingerichtet; sie setzen die Sünde voraus und verbieten. Als Gesetz verurteilt es auf der einen Seite notwendig die Sünde und bekräftigt sie auf der anderen Seite. Unter solchen Umständen kann ein Gesetz nur verdammen und nur, wie Paulus in 2.Korinther 4 sagt, ein Dienst des Todes und der Verdammnis sein. Es forderte die Gerechtigkeit nach einer Vorschrift, die das Gewissen genehmigen musste und die zu gleicher Zeit seine Schuld bewies. Das Gesetz gibt Erkenntnis der Sünde. Gott hat es nicht gegeben, um eine Gerechtigkeit hervorzubringen; dazu gehört eine inwendige Kraft. Das Gesetz bietet eine solche Kraft nicht dar; denn es fordert die Gerechtigkeit und kündigt das gerechte Gericht, den gerechten Zorn Gottes an. Es ist also gerecht und gut und darum die Kraft der Sünde; es ist neben eingekommen, auf dass die Übertretung überströmend sei. Die, welche aus Gesetzes Werken {Der Apostel spricht hier (Gal 3,10). nicht von wahren Werken, sondern von einem Wandel ans dem Grundsätze des Gesetzes.} sind, sind unter dem Fluch. Das Fleisch ist dem Gesetz Gottes nicht unterworfen und kann es auch nicht sein. Der Mensch wurde auf die Probe gestellt, ob er eine menschliche Gerechtigkeit hervorzubringen vermöge.
Das Gesetz ist nun in doppelter Beziehung dem Menschen gegeben. Erstens, das Gesetz als solches, ohne alle Beimischung, zweitens, das Gesetz, vermengt mit Gnade. Die Geschichte des Gesetzes, vom ersten Gesichtspunkte aus betrachtet, ist sehr kurz. Bevor Moses den Berg Sinai verließ, hatte Israel bereits das goldene Kalb gemacht. Die Tafeln des Gesetzes sind nicht ins Lager gekommen. Unmöglich vermochten sie den Grund der Beziehungen des Menschen zu Gott zu bilden. Die Gebote Gottes konnten sich nicht mit der Anbetung eines goldenen Kalbes vereinigen.
In Folge dieser Sünde ist Moses der Fürsprecher des Volkes, und er empfängt aufs Neue das Gesetz. Gott handelt in Barmherzigkeit. Die Beziehungen des Volkes zu Gott sind gegründet auf die Vergebung, welche Gott zusteht; jedoch findet dieses nur als Folge der. Dazwischen kamst Moses statt. Dem ungeachtet ist das Volk unter das Gesetz gestellt, und jeder Übertreter wurde aus dem Buch Gottes ausgetilgt. Zugleich aber wurde auch das Gesetz in der Bundeslade verborgen, und Gott selbst verbarg sich hinter dem Vorhang, wo auf dem Versöhnungsdeckel, welcher mit den Cherubinen den Thron Gottes vorstellte, das Blut gesprengt werden musste. Doch die mit dem Gesetz vermengte Gnade vermochte ebenso wenig, wie das Gesetz allein, die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen aufrecht zu erhalten. Sie konnten nur zum Beweis dienen, dass, wie groß die Barmherzigkeit Gottes auch sein mochte, der verantwortliche Mensch außer Stand war, das Leben durch eine Gerechtigkeit zu erlangen, die es selbst vollbringen musste.
Diese Unmöglichkeit, worin der Mensch sich befindet, um den Forderungen der Herrlichkeit Gottes zu genügen, wird uns in einem bemerkenswerten Bild vor Augen gestellt, dessen sich der Apostel in dem zweiten Briefe an die Korinther bedient. Das Volk bat Mose, sein Angesicht zu bedecken, da der Abglanz der Herrlichkeit des Allmächtigen noch vorhanden war. Der Mensch konnte die Herrlichkeit Gottes nicht ertragen, da Gott von dem Menschen dasjenige forderte, was derselbe vor Ihm sein sollte. Auch der Vorhang stellt, uns dieselbe Wahrheit vor: Gott musste sich verbergen. Der Weg zum Allerheiligsten war noch nicht offenbart. Ein Gesetz ist gegeben, um das Leben des Menschen zu leiten, und ein Opferdienst eingerichtet, um die Beziehung zwischen dem Volk und Gott aufrecht zu erhalten. Der Mensch konnte aber dennoch Gott nicht nahen. Trauriger Zustand! Die Offenbarung der einen Sache, die wirklich geeignet war, Segen in der Gegenwart Gottes zu verbreiten, musste notwendig diejenigen hinwegtreiben, welche diese Segnungen genießen wollten. Wir werden sehen, dass in dem Christentum gerade das Entgegengesetzte stattfindet. Lasst uns nun die Wege Gottes weiterverfolgen.
Wir haben gesehen, dass Israel seiner Verantwortlichkeit unter dem Gesetz nicht entsprochen hat. Nichts desto weniger ertrug Gott dieses Volk in der Wüste und führte es ungeachtet seiner Untreue in das Land Kanaan. Er setzte es in Besitz dieses Landes, indem Er ihm den Sieg über seine Feinde gab; Er erweckte Richter zu seiner Befreiung, als es durch seine Untreue den Feinden preisgegeben war; Er berief Propheten, um es zur Erfüllung des Gesetzes anzuspornen, und sandte endlich mit einer Güte, die das Gericht nicht ausführen wollte, ohne vorher alle Mittel versucht zu haben, seinen Sohn, um Früchte in seinem Weinberg zu suchen, – in dem Weinberg, an welchen Er alle seine Sorgen gewandt und dem er die zärtlichsten Beweise seiner Liebe gegeben hatte. Doch der Weinberg brachte keine Frucht, und die, welche ihn bebauten, verstießen und töteten seine Diener, seine Propheten und endlich sogar seinen Sohn, den Erben des Weinbergs. Dies war das Ende der Probe, auf welche der Mensch unter dem Gesetz gestellt war. Alle Anstrengungen, die Gott in seiner Gnade gemacht hatte, waren fruchtlos geblieben. Das ist die Geschichte des Menschen unter dem Gesetz. Wenn wir die Wirkung des Gesetzes auf das Gewissen untersuchen, dann finden wir, dass es die Verurteilung und den Tod bringt. Es ist von großer Wichtigkeit, dass der Leser ernstlich erwägt, was die Folge ist, wenn das Gesetz auf sein Gewissen und auf sein Leben vor Gott angewandt wird. Wenn er, wie jeder Mensch, verantwortlich ist – wenn er die Gerechtigkeit dessen, was das Gesetz fordert, erkennen muss – wenn er das, was das Gesetz verbietet, vermeiden und die zwei Gebote, worin das ganze Gesetz enthalten ist, vollbringen muss – wenn er endlich entdeckt, dass er dies alles nicht tut, und mithin das Gesetz und sein eigenes Gewissen ihn verurteilen muss, wo ist dann das Leben, welches an den Gehorsam geknüpft ist? Wie wird er dem Urteil entfliehen können, – welches das Gesetz über den Schuldigen ausspricht? Und betrachtet er sich in seiner Verantwortlichkeit, so wird er erkennen müssen, dass der Mensch mehr als böse ist, dass das Gute keinen Raum findet und dass der Mensch in einem Zustand ist, gleich demjenigen der Menschheit vor der Sintflut – ja in einem Zustand, der, da ihm ein reicheres Maß von Licht geschenkt worden, viel schlimmer ist. Das Gesetz ist gerecht und gut und das Gewissen des Menschen bezeugt dieses. Ist aber dieses der Fall, dann ist der Mensch nach seiner Verantwortlichkeit verloren. Er hat das Leben nicht erlangt. Das durch das Gesetz angekündigte Gericht erwartet den Schuldigen.
Die Gegenwart des Sohnes Gottes in der Welt hatte indessen nicht allein den Zweck, Frucht für Jehova in seinem Weingarten zu suchen. Diese Arbeit war sogar der kleinste Teil des Zweckes seiner Ankunft, und darum – so notwendig sie ohne Zweifel sein mochte, um den Zustand des, als Kind Adams vor Gott verantwortlichen Menschen bloß zu stellen – keineswegs der Gegenstand der Ratschlüsse Gottes, noch das Vornehmste dessen, was durch seine Offenbarung in das Licht gestellt ist.
Gott ist offenbart im Fleisch und zwar, weil Er die Liebe ist. Er ist offenbart in Rücksicht auf die Schwachheit, das Elend und die Sünden des Menschen. Er war göttlich in seiner Vollkommenheit, jedoch offenbarte Er diese Vollkommenheit, indem Er sich in die Stellung versetzte, worin sich der Mensch befand. Jesus hat in seinem Leben auf Erden eine Macht gezeigt, die ganz und gar das Reich Satans verwüstete. Er heilte die Kranken, trieb die Teufel aus, weckte Tote auf und speiste Hungrige. Er hatte sich als Mensch mit dem Menschen verbunden. Doch, was noch mehr sagt, der schuldigste Mensch fand in Ihm den Weg, auf welchem er in die Gegenwart Gottes kommen konnte. Gott selbst war gekommen, den Menschen zu suchen; Er zeigte ihm, dass keine Sünde zu groß, keine Übertretung zu schwer für seine Liebe sei. Satan hatte den Menschen verdorben, indem er sein Vertrauen auf Gott vernichtete. Gott wandte alle Mittel an, und zwar mit einer vollkommenen Güte, um dieses Vertrauen wiederherzustellen. Die Güte war der Ausdruck seines Herzens, und durch dieselbe fand Er in dem Elend, in den Sünden und in der Schwachheit des Menschen die Gelegenheit, ihm versichern zu können, dass in Ihm eine Liebe sei, auf welche er allezeit rechnen könne. Man sieht in den, zusammentreffen Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen, wie seine Liebe das Herz anzieht; und ist einmal im Herzen ein Bedürfnis nach seiner Güte erwacht, dann ist in demselben ein Vertrauen aufgeweckt, welches das Herz lebendig macht und von dem Bösen abwendet, und welches die Seele von dem schlechten Einfluss der sie umgebenden Dinge erlöst und sie zu Gott bringt mit einer Aufrichtigkeit, welche beweist, dass sie im Licht Gottes steht. Dieses ist der göttliche Charakter Christi. Er war das Licht, welches alles offenbarte, und die Liebe, welche liebte, als alles offenbar war, welche alles zuvor wusste, und eine vollkommene Zuneigung zu Ihm in dem Herzen bewirkte, weil es eine Erleichterung für das Herz ist, dass Er alles weiß. Der Sünder, der sich schämte vor dem Menschen zu erscheinen, konnte sein Angesicht an der Brust Jesu verbergen, überzeugt, dass kein einziger Vorwurf, betreffs seiner Sünden, sein Ohr treffen werde. Wahrlich, das ist das Herz Gottes!
Mit einem solchen Herzen voll unbeschreiblicher Güte und Liebe hat Christus sich in dieser Welt offenbart; und dennoch – der Mensch hat Ihn verworfen. Er hat gewandelt inmitten der Empörung, des Hasses, der Beleidigung und des Todes. Dieses aber hat den Zustand des Menschen völlig enthüllt. Er ist nicht nur Sünder, hat nicht nur das Gesetz entehrt und die Weckstimmen der Propheten abgewiesen, nein, er hat Gott selbst verworfen. Sein Herz war durchaus feindlich gegen Gott. Und diese Feindschaft hat sich nicht nur der Herrlichkeit Gottes, die den Sünder verzehrt, sondern einer vollkommenen Güte gegenüber offenbart. Der Mensch hat Gott von dem Erdboden vertrieben; er wollte keinen Erlöser. Und darum auch ist der Mensch als Kind Adams vollkommen in dem Tods Jesu gerichtet. Nichts, kein Mittel von Gott selbst blieb deshalb mehr übrig, um in dem Herzen des Menschen das Verlangen nach dem Guten aufzuwecken, als das einzige Mittel der Dazwischenkunft Jesu auf dem Kreuz, wodurch es dem Heiligen Geist möglich wurde, Israel zuzurufen, dass, wenn es sich bekehre, Jesus wiederkommen werde (Apg 3,19–21). Gott hatte den Brunnen seiner Gnade erschöpft; und der Mensch hatte alles abgewiesen.
Es bedurfte daher einer neuen Natur, einer Erlösung, einer Rechtfertigung, hinreichend für den Sünder, um vor dem Thron des heiligen Gottes erscheinen zu dürfen. Der Mensch musste eine Gerechtigkeit besitzen, die ihn von der Sünde absonderte, ja, die ihn in den Augen Gottes angenehm und für die Herrlichkeit fähig machte, welche ihm Gott bereitet hatte. Es musste ein ganz neuer Zustand hervorgerufen sein, in welchem nicht ein einziger Zug des vorigen Zustandes zurückblieb. – zufolge der Lehre des Christentums ist die Frage der Verantwortlichkeit des Menschen beantwortet. Diese Lehre erkennt sie vollkommen an, verkündigt jedoch, dass der Mensch verloren ist. Dies ist eine Botschaft der reinen Liebe, indem sie dem Menschen anzeigt, dass alle Proben mit Ihm missglückt sind, und dass nun, um ihn aus diesem Zustand zu erlösen, der Sohn Gottes gekommen ist, um ihn zu suchen und selig zu machen. – Der Tag des Gerichts, der das gerechte Gericht Gottes offenbaren wird, ist für den Glauben bereits vorübergegangen. Der Zorn Gottes ist offenbart vom Himmel über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen; und Zugleich ist die Gerechtigkeit Gottes offenbart aus Glauben zu Glauben.
Der Tod und die Auferstehung Jesu stellen diese Dinge ins Licht. Sein Tod beschließt die Geschichte des verantwortlichen Menschen – seine Auferstehung ist der Anfang der Geschichte des Menschen, der Gott gemäß ist. Der Tod ist der Punkt, wo sich das Gute und das Böse in all ihrer Kraft entwickeln bis zur Überwindung des Letzteren. Die Auferstehung ist die Ausübung und Offenbarung der Macht, die den Menschen in der Person Christi, welcher überwunden hat, kraft dieser Überwindung in eine neue Stellung versetzt, würdig dem Werk, durch welches Christus den Sieg davongetragen hat und angemessen der Gegenwart Gottes. In diesem neuen Zustand ist der Mensch ohne Sünde und außer der Macht und dem Reich Satans. In der Auferstehung Christi ist dem Menschen, mittels der Versöhnung und der Rechtfertigung, das Leben Gottes geschenkt worden, und ist für die Herrlichkeit Gottes, welche sich an die Auferstehung knüpft, fähig gemacht. Er ist also angenehm vor Gott als eine neue Schöpfung, eine Frucht des Werkes, worin Gott vollkommen verherrlicht ist. Untersuchen wir dies ein wenig näher.
Wir haben gesagt, dass das Gute und das Böse sich in ihrer ganzen Kraft auf dem Kreuz begegnet sind. Es ist nötig, diese Wahrheit zu verstehen, um die Wichtigkeit des Kreuzes in den Wegen Gottes zu begreifen. Früher beschrieben wir die Liebe, in welcher Jesus hienieden in vollkommener Reinheit und ohne Sünde wandelte. Der Mensch wies diese Liebe von sich ab, und seine Feindschaft nagelte den Herrn ans Kreuz. Dort hing Er als der vollkommen Reine.
Doch ebenso sehen wir auf dem Kreuz die Macht des Bösen. Dort herrschte der Tod, die Folge der Sünde. Mochte sich diese Macht auch mehr in Gethsemane, als auf dem Kreuz kundgeben, so war dieses doch nur die Wirkung des Kreuzesleiden selbst auf die Seele Jesu. „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.“ Der Tod, als die Macht der Sünde, lag mit aller Kraft auf Ihm. Der Tod ist das Urteil Gottes über den Menschen im Fleisch, ausgeführt durch die Macht dessen, der der Fürst dieser Welt ist. Dieses musste Jesus erfahren. Es ist wahr, dass Er durch vollkommene Übergabe an seinen Vater den Becher aus seiner Hand genommen hat, und zwar in einem vollkommenen Gehorsam, der Satan keinen Platz einräumte. Doch dieses war seine Vollkommenheit. Er ist völlig auf die Probe gestellt. Der Tod war die Macht Satans über den Menschen wegen der Sünde, jedoch zu gleicher Zeit auch das Gericht Gottes. Und diese Macht Satans hat sich in allen Umständen offenbart. Pilatus, als Richter, wäscht seine Hände, während er den Unschuldigen verurteilt; der Hohepriester, dessen Pflicht es war, für den Menschen zusprechen, zeugt gegen Ihn; seine Freunde, denen Er fortwährend nur Liebe bezeugte, verlassen Ihn.
So ist also das Gute und das Böse an Jesu offenbart, und das Böse hat seinen Höhepunkt an Ihm erreicht: – Jesus ist gestorben. Nie hat Er der Sünde einen Eingang bei sich gestattet; doch nun gibt Er sein Leben hin, in welchem Er den Streit führte. Er bricht durch den Tod jede Beziehung mit dem Zustand ab, wo sich die Sünde befindet. Der Mensch hat jedes Band zwischen sich und Gott zerrissen, und Christus hat allen Beziehungen, worin der Mensch stand, ein Ende gemacht; – es ist ans mit dem Menschen und mit der Sünde. Der Mensch im Fleisch ist in der Sünde zurückgelassen und ein neuer Mensch ist auferstanden – ein Mensch, vollkommen geschieden von dem ersten Zustand, von Sünde und Tod – ein Mensch, der im Stand ist, vor Gott zu leben. Da gibt es kein Band mehr mit dem Menschen im Fleisch, darum sagt Paulus: „Ich kenne niemanden mehr nach dem Fleisch.“
Welch eine herrliche Wahrheit! Christus, der ein vollkommenes Leben hatte, der selbst das Leben war, der, in allen Dingen uns gleich, dieses Leben in Gehorsam und Treue durchpilgerte, der in seinem Wandel die Kraft des Geistes offenbarte und seinen Blick nur auf Gott richtete, der sich endlich unter die Macht stellte, welche der Teufel über den Menschen ausübt, – Er hat durch den Tod in seinem Leib die Geschichte des Menschen zum Abschluss gebracht.
Also begegneten sich das Gute und das Böse ans dem Kreuz, und das Gute hat das Böse überwunden. Zunächst hat das Leben Jesu seinen Gehorsam inmitten einer sündigen Welt und ungeachtet aller Versuchungen des Feindes aus Licht gestellt. Sein Leben war nach dem Geist der Heiligkeit, sein Tod der vollkommene Gehorsam. Alles das Böse, wovon wir gesprochen haben, erhöht? nur den Charakter und den Wert dieses Gehorsams. Doch noch mehr, der Mensch ist durch den Tod von dem Bösen erlöst. Der Tod bricht jede Verbindung mit dem Bösen ab, weil die mit dem Bösen verbundene Natur, wenn anders das Leben vorhanden ist, nicht mehr besteht. Christus hat keine Sünde getan – doch der Tod löste jedes Verhältnis mit dem Schauplatz auf, wo die Sünde herrscht. Er starb, und wir starben in Ihm.
Überdies ist die vollkommene Liebe offenbart und ist selbst dann, als der Mensch sie verwarf, nicht verschwunden, sondern hat ein Werk vollbracht, welches notwendig für die Versöhnung derer war, die sich stets als Feinde offenbarten. Die Liebe Gottes hat bewiesen, dass sie größer ist, als das Böse. Die größte Sünde der Welt ist durch Gott und durch Christus in ein Opfer für die Sünde umgewandelt. Welch eine Weisheit Gottes! Man ist der Sünde gestorben durch eine Tat, welche die Sünde in ihrer ganzen Größe offenbart hat; und in dem Ausdruck des Hasses des Menschen, lässt Gott seine Liebe kund werten. Ist dieses geschehen, um das Böse zu erlauben? Nein, zu gleicher Zeit ist das gerechte Gericht Gottes ausgeübt. Jesus, für uns zur Sünde gemacht, mit den Sünden beladen, hat die Strafe der Sünde ertragen. Die Gerechtigkeit ist in Ihm gegen die Sünde ausgeübt und die Gnade herrscht durch die Gerechtigkeit. Es bleibt uns nun noch übrig, die Früchte und die Folgen dieses Werkes zu untersuchen.
Zunächst ist Christus durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt worden. Alles, was die Herrlichkeit des Vaters, seine Natur, in sich fasst: die Liebe, die Gerechtigkeit, die Beziehung des Vaters zu Christus, als dem Sohn, sein Wohlgefallen an dem Leben des Heilands hienieden, seine Befriedigung in dem, was Er vollbracht, und besonders die Herrlichkeit der Seinen unter den Menschenkindern – kurz alles, was das Herz für den fühlte, der im Grab ruhte, zeigte sich in der Auferstehung des Sohnes des Menschen. Die erste Frucht der Macht Gottes, als Antwort auf das vollbrachte Werk, war die Auferstehung Christi. Hier haben wir bereits den, durch den Menschen eingenommenen neuen Standpunkt. Der Tod ist zurückgeblieben – die Sünde, insofern sie uns von Gott trennt, existiert nicht mehr – das göttliche Leben ist das Leben des Menschen – die Gerechtigkeit ist in der Annahme des Menschen und nicht in seiner Verdammnis offenbart, und der Mensch steht nicht mehr in der Schwachheit seiner eigenen Verantwortlichkeit, sondern ist als Frucht der Macht Gottes bereits verherrlicht in Betreff seiner Gerechtigkeit.
Doch wie wohl die Auferstehung den Herrn, und uns in Ihm, in eine Stellung versetzt, welche die Frucht der Macht Gottes ist, und wie wohl Jesus dadurch anerkannt wird als der Sohn Gottes, so war dieses doch nicht das ganze Resultat seines Werkes. Er musste bei dem Vater verherrlicht werden. Bewundernswürdige Wahrheit! Ein Mensch ist in der Herrlichkeit und sitzt zur rechten Hand Gottes. Jesus nimmt diesen Platz ein nach dem Wert seines Werkes. Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht und Gott in Ihm; wenn aber Gott in Ihm verherrlicht ist, so wird Er Ihn in sich selber verherrlichen. – „Ich habe dich auf der Erde verherrlicht; das Werk habe ich vollbracht, welches du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte. Und jetzt verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ Was Christus gebeten, hat Er erlangt: „Sitze zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege.“
Die Folgen dieser Tatsache sind von der größten Tragweite. Auf der einen Seite sehen wir den ersten Adam verantwortlich, gefallen und in der Sünde und danach das Gesetz und das Gericht – auf der anderen Seite sehen wir den Sohn Gottes vom Himmel herabsteigen, Mensch werden und, nachdem Er die vollkommene Gnade Gottes gegen den Menschen offenbart und das Versöhnungswerk für die Sünde vollbracht hat, nach der Gerechtigkeit Gottes zu seiner Rechten sitzen. Die Tür ist nun für jeden Sünder geöffnet; und Gott kann kraft des Blutes Christi, der seine Liebe, Gerechtigkeit, Wahrheit und Majestät verherrlicht hat, alle annehmen, die zu Ihm kommen.
Der Mensch ist in die Herrlichkeit eingegangen, um das Haupt aller Schöpfung zu sein (Ps 8,3–7; 1.Kor 15,25–27; Eph 1,20–23; Heb 2,5–9; vgl. Kol 1,15 ff.). Christus, als Mensch, ist das Haupt aller Dinge im Himmel und auf der Erde. In dieser Beziehung war der erste Adam ein Vorbild des zweiten. Doch wie der erste Adam eine Gehilfin hatte, so auch der zweite. Eva war kein Teil der irdischen Welt, deren Herr Adam war; sie war nicht Herrin – sie war die Gattin und Gefährtin Adams. In demselben Fall befindet sich die Versammlung, wenn Christus die Herrschaft über alle Dinge übernehmen wird (Siehe Eph 5,25–27 und die vorigen Stellen). Für den Augenblick sitzt Er zur Rechten Gottes; und seine Feinde sind noch nicht unterworfen.
Seine Herrschaft zerfällt in viele Teile. Die Engel sind Ihm unterworfen; (1.Pet 3,22; Eph 1,21). und Zugleich erstreckt sich seine Herrschaft über die ganze Erde. Diese letztere zeigt sich auf zweifache Art, 1. das ganze menschliche Geschlecht, sei es Jude oder Heide, muss Ihm gehorchen. Er führt den Titel des Königs der Juden; jedoch muss Er auch über die Nationen herrschen. 2. Die ganze Schöpfung ist Ihm unterworfen; sie seufzt nach seiner Regierung (Röm 8,22). – Ebenso ist das ganze Gericht dem Sohn gegeben, weil Er des Menschen Sohn ist (Joh 5,25). Er hat Gewalt über alles Fleisch; und das Gericht ist Ihm anvertraut, auf dass alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren (Joh 5,23). Es gibt ein Gericht über die Lebendigen und über die Toten. Das erstere knüpft sich an die Regierung Gottes über die Erde, und ist das Endgericht über die Individuen. Das letzte ist der Schluss aller Wege Gottes, wenn das Verborgene der Herzen und ihre Ratschläge offenbar werden.
Dann wird der Mensch Christus das Königreich dem Vater übergeben, und Gott wird alles in allem sein (1.Kor 15). Diese Übergabe ändert indessen nichts an seiner Gottheit. Bis dahin hat nach dem Ratschluss Gottes der Mensch das Königreich im Besitz gehabt. Dieses tausendjährige Reich endet. Christus ist darum nicht minder Gott. Er war Gott während seiner Erniedrigung auf Erden; Er wird Gott sein, in der Herrlichkeit des Reichs, und Er wird es sein, wenn Er als Mensch sein Königreich dem Vater übergibt.
Wir müssen hier einige Worte hinzufügen über die Wege Gottes, die dieses herrliche Resultat und die tausendjährige Herrlichkeit Christi vorbereiten.
Während der Herr zur Rechten des Vaters seinen Platz eingenommen hat, sammelt Gott durch die Kraft des Heiligen Geistes die Versammlung aus der Welt. Die gute Botschaft der Gnade wird in der Welt gepredigt, um die Welt von der Sünde zu überzeugen, und dieses insbesondere, da sie den Sohn Gottes verworfen hat. Ihr wird nicht gepredigt, dass die Sünde vergeben sei und dass sie dieses nur zu glauben habe, sondern, dass sie im Argen liege; aber zu gleicher Zeit wird ihr angekündigt, dass das Blut auf dem Versöhnungsdeckel sei und ein jeglicher eingeladen werde, zu Gott zu kommen, der den Nahenden nach dem Wert dieses Blutes empfangen wolle (2.Kor 5,20; Kol 1,23; Mk 16,15; Lk 24,47; 1.Kor 15,3 usw.)
Doch noch andere herrliche Wahrheiten fließen aus der Ankunft des Heiligen Geistes auf die Erde. Er ist gekommen, weil Christus gen Himmel gefahren ist (Joh 16,7). Er ist der Beweis, dass Gott in Betreff des Menschen völlige Befriedigung in dem Werk Christi gefunden hat. Er kam hernieder auf die, welche bereits an Jesus glaubten, (Joh 7,39; Lk 24,49; Apg 1,5 und 2). und durch sie verkündigt Er das Evangelium aller Kreatur. Wohnend in dem Gläubigen, gibt Er ihm die Gewissheit, dass alle seine Sünden durch Christus getragen und für immer hinweggetan sind, (Off 1,5; Heb 1,3). usw. und dass er zur Gerechtigkeit Gottes in Christus gemacht ist. Ferner ist der Heilige Geist die Versiegelung auf den Tag der Erlösung, (Eph 4,30). d. h. vor der Ankunft in der Herrlichkeit, und schenkt dem Gläubigen das Bewusstsein, dass er eins mit Christus und dass er ein Kind, ein Erbe Gottes und ein Miterbe Christi ist (Röm 8,16–17; Gal 4,5–8). Er empfängt die Dinge von Christus und verkündigt sie dem Gläubigen (Joh 16,14.16)
Dies alles gilt nur für den einzelnen Christen. Doch es ist ein Geist in allen Gläubigen; Er vereinigt sie alle mit Christus, und folglich bilden sie zusammen einen Leib, (Röm 12,4–5; 1.Kor 12,13 usw.). die Braut des Lammes (Eph 5,25). Er erweckt in der Braut das Sehnen nach der Hochzeit des Lammes (Off 22,17; 19,7). Die Gläubigen haben, als mit Jesus in den Himmel versetzt, eine himmlische Berufung und können, getrennt von der Welt, ihr Blicke nach oben richten. Auch sollen sie aufgenommen werden, um Christus in der Luft zu begegnen (1.Thes 4,15.17). Christus wird kommen, um sie in das Haus seines Vaters zu führen, wo sie allezeit bei Ihm sein sollen (Joh 14,2–3; 1.Thes 4,17)
Dies ist nicht die Gründung des Königreichs, sondern das Versammeln der Erben, die mit Christus herrschen sollen. Sie empfangen dann ihren Platz bei Ihm – einen Platz, weit erhaben über jegliche Regierung auf dieser Erde, wie herrlich letztere auch sein wird. Darauf wird Satan aus dem Himmel geworfen, wohin er nimmermehr zurückkehrt. Er kommt auf die Erde und versammelt alle Völker gegen den Allmächtigen und gegen Christus (Off 12,12; 16,13–14; 17,13–14; 19,18). Alsdann kommt der Herr mit seinen Heiligen (Off 19; Kol 3). Die Macht des Feindes wird von der Erde hinweggenommen, die Erde von dem Fluch erlöst und Satan in den Abgrund geworfen, (Off 20,3) (noch nicht in den See des Feuers) ist nicht mehr der Fürst dieser Welt. Christus und die Seinen herrschen über alle Werke Gottes (Ps 8, angeführt in 1.Kor 15; Eph 1; Heb 2). Die Regierung Gottes ist dann gegründet (vgl. Mt 16,26; 28,17; Mk 9; Lk 9). Die Gerechtigkeit herrscht und die Welt ist im Frieden (Eph 1,10). In diesem Stand des Segens werden alle die Prophezeiungen in Betreff der Segnungen über diese Erde erfüllt. Eine herrliche Zeit wird dann sein, wo kein Krieg mehr sein soll, wo alle die Früchte der Güte Gottes genießen sollen, ohne dass die Leidenschaften die Menschen gegen einander in Empörung zu bringen vermögen. Christus wird das Glück aller aufrechterhalten; und so sich das Böse zeigt, wird es sogleich gerichtet und von der Erde hinweggetan werden.
Auch die Regierung des Sohnes Davids muss wiederhergestellt und alle Verheißungen Gottes in Betreff Israels werden an diesem Volk erfüllt werden. Das Gesetz wird in ihr Herz geschrieben sein. Die Gnade und die Macht Gottes werden dasjenige diesem Volk geben, was es auf dem Grund der Verantwortlichkeit nicht erlangen konnte. Zu gleicher Zeit wird der Herr über die Nationen herrschen, welche unter das bevorrechtete Israel gestellt werden. Also werden alle Dinge unter ein Haupt zusammengebracht: Engel, Mächte, die Gemeinde in dem Himmel, Israel, die Nationen, während Satan gebunden ist. – Doch vor der Erscheinung dieser gesegneten Zeit werden die Gottlosen sich wider Gott erheben. Die Juden, wenigstens der größte Teil dieses Volkes, werden sich ihnen anschließen, und die Nationen werden die Empörung gegen Gott beginnen. Dieser Aufstand wird mit außergewöhnlichen Plagen, sowohl im Land Juda als auch auf der ganzen Erde, begleitet sein. In dieser Zeit wird das Zeugnis Gottes die Welt durchlaufen und endlich das Gericht kommen und über die Mächte unter den Christen, über die aufrührerischen Juden, und über alle Völker, die das Zeugnis Gottes verwarfen, ausgeübt werden. Dies ist das Gericht der Lebendigen, während die erste Auferstehung bereits stattgefunden hat. Mit dieser Periode beginnt die Fülle der Zeit.
Noch einige Worte zum Beschluss dieser Skizze. Satan wird losgelassen werden, wenn die Bewohner der Erde lange Zeit hindurch Ruhe und Glück genossen und die Herrlichkeit Christi geschaut haben. Wenn aber diese Versuchung kommt, dann werden alle fallen, die nicht in Wirklichkeit Jesu angehören. Satan führt die Welt gegen den Thron der Herrlichkeit Gottes auf Erben (Jerusalem) und gegen alle an, die dem Herrn treu sind. Doch er wird vertilgt. Und nun beginnt das Gericht der Toten und die Ewigkeit hat einen Anfang genommen.
Es wird ein neuer Himmel und eine neue Erde sein, in welchen die Gerechtigkeit wohnt. Nachdem Christus das Königreich den Händen des Vaters übergeben hat, wird Er selbst als Mensch, nachdem alles seinen Füßen untergeordnet ist, untergeordnet – doch bleibt Er ewiglich der Erstgeborene vieler Brüder. Auch glauben wir nicht, dass die Versammlung ihren Platz als Braut, als WohnungGottes, verlieren wird (Siehe Eph 3 und Off 21). Nur die Regierung, welche die Sünde voraussetzt, wird endigen. Alle Dinge werden neu gemacht werden und Gott wird alles in allem sein. Wir werden Ihn in vollkommener Glückseligkeit genießen und Ihn nach der Vollkommenheit seiner, in der Geschichte der Menschheit bereits entwickelten Wege, sowie seinen ewigen Sohn – den Ausdruck seiner Gedanken und der Erstling derer, die durch Ihn ewiglich glücklich gemacht sind – in Vollkommenheit kennen. Unaussprechliches Glück, gegründet auf sein kostbares Blut, welches nimmer seinen Wert in der Erinnerung der Glückseligen verliert!

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