Botschafter des Heils in Christo 1861

Naaman, der Syrer

Um aus der Geschichte des Naaman den rechten Nutzen zu ziehen, müssen wir sie unter das Licht des Neuen Testaments bringen und durch dasselbe beleuchten. Alsdann werden wir jeden Punkt dieser Erzählung reich an wichtigen Grundsätzen finden. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nütze zur Lehre usw. usw“ (2. Tim 3,16). Diese Erklärung ist mit 2. Könige 5 ganz übereinstimmend. Die Mitteilung von Naamans Zustand, von seinem Gang nach und von dem Jordan, von seiner Reinigung und dessen Folgen ist voll der köstlichsten Belehrung, wenn dies alles in dem Licht, welches das Neue Testament darauf wirft, betrachtet wird. Lasst uns denn in demütiger Abhängigkeit von der Belehrung des Geistes die Betrachtung dieses einfachen, interessanten Abschnitts der heiligen Schrift vornehmen.

„Naaman, der Feldhauptmann des Königs zu Syrien, war ein ansehnlicher Mann vor seinem Herrn, und hochgehalten; denn durch ihn gab der Herr Heil für Syrien. Und er war ein gewaltiger Mann; aber er war aussätzig“ (V. 1). Hier nun haben wir die beiden Seiten von Naamans Zustand. In Betreff seiner äußeren Umstände war er alles, was sein Herz nur wünschen konnte. „Ansehnlich“ – „hoch gehalten“ – „gewaltig;“ was konnte er mehr sein? Er war, wie die Menschen sagen würden, ein wahres Kind des Glücks. Er war der Befehlshaber der syrischen Truppen; er besaß das Vertrauen und die Achtung des Königs; er trug an seiner Stirn die Lorbeeren des Sieges.
„Aber er war aussätzig!“ Ach! das war ein trauriger Niederschlag – ein verzehrender Krebs an allen seinen Würden – eine dunkle Wolke über seine ganze Herrlichkeit. Die verderbliche Krankheit, die seinen Körper bedeckte, raubte ihm nicht nur den Genuss an den Ehren, womit das Glück ihn überhäuft hatte, sondern verwandelte diese tatsächlich in ebenso viele Quellen der Demütigung und des Kummers. Gerade seine hohe Stellung machte seine Krankheit umso sichtbarer und der Glanz des Wohlstandes sein verächtliches Übel umso augenscheinlicher. Seine militärische Kleidung bedeckte die Person eines Aussätzigen, und sein: Sieges–Lorbeeren schmücken die Stirn eines Aussätzigen. Kurz, der niedrigste Diener in Naamans Umgebung würde die Demütigung des Aussatzes bei weitem nicht so schmerzlich gefühlt haben, wie der edle Feldhauptmann sie fühlte. Je höher er gestellt war, desto tiefer musste er die Erniedrigung und die Plage seiner ekelhaften Krankheit empfinden. Wie viel möchte er wohl dem gegeben haben, der seinen Aussatz auf sich genommen hätte? Und dennoch wurde er bald ganz umsonst von ihm weggenommen.
Wenn wir dies alles nun vom evangelischen Gesichtspunkte aus betrachten, so finden wir in der Person Naamans das Bild eines Sünders in seinem natürlichen Zustand. Er ist mit dem Aussatz der Sünde bedeckt; ja, von außen ist er von diesem unheilbaren Übel bedeckt und von Innen davon durchdrungen. Er mag, gleich dem Naaman, mit Glanz und Reichtum umgehen sein; er mag in den Armen des Glücks gebettet und im Schoß des Luxus gepflegt werden – er ist ein Sünder – er ist verloren – er ist verdorben. Und wenn er einmal dahin gebracht ist, seinen wahren Zustand zu erkennen, dann werden alle seine äußeren Ehren und Würden nur dazu dienen, sein innerliches Verderben für ihn umso fühlbarer zu machen. Er ist verloren, und er bedarf der Errettung. Es ist nötig, dass seine Krankheit geheilt, seine Schuld, getilgt und sein Gewissen gereinigt werde. Das ist es, was er bedarf, und das ist es, was Gott in seiner Gnade für ihn zuvor versehen hat. In Betreff des Naaman hatte Gott die Wasser des Jordan, um ihn von jedem Flecken seiner Krankheit zu reinigen, und in Betreff des verdorbenen Sünders hat Er „das kostbare Blut Jesu“ zuvor versehen, um ihn von jeder Schuld zu befreien und ihn vor aller Verdammnis völlig sicher zu stellen.
Doch lasst uns sehen, wie deutlich, dies alles in unserer Erzählung hervortritt. „Die Syrer aber waren streifen gezogen und hatten eine kleine Dirne weggeführt aus dem Land Israel; die war im Dienst des Weibes Naaman. Die sprach zu ihrer Frau: Wollte Gott, dass mein Herr bei dem Propheten zu Samaria wäre, der würde ihn von seinem Aussatz losmachen“ (V. 2–3). Welch ein Unterschied zwischen diesem kleinen gefangenen Mädchen und ihrem edlen Herrn! Und dennoch war sie im Besitz eines großen Geheimnisses, eines Geheimnisses, welches jenem völlig unbekannt war. Sie wusste, dass ihr Herr im Land Israel finden konnte, was er bedurfte. Sie wusste, wo Gnade zu finden war; und die Erkenntnis dieser Gnade erfüllte ihr Herz mit dem Wunsch, dass ihr Herr daran Teil haben möchte. „Wollte Gott“, sagte sie, „dass er dort wäre“. So ist es immer. Die Gnade erfüllt das Herz mit dem Wunsch für das Wohl der anderen. Es tat nichts zur Sache, dass das kleine Mädchen aus dem Land ihrer Väter verbannt und eine Gefangene in dem Haus eines Syrers war. Sie sah, dass ihr Herr ein Aussätziger war, und sie hatte Verlangen, dass er auf den Weg der Heilung gebracht würde. Der Gott Israels aber war der Einzige, der dem Bedürfnis eines Aussätzigen begegnen konnte.
„Und einer ging hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat die Dirne aus dem Land Israel geredet. Der König zu Syrien sprach: So ziehe hin, ich will dem König zu Israel einen Brief senden. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechs tausend Seckel Gold und zehn Feierkleider!“ (V. 4–5). Ach, wie schwer ist es für das menschliche Herz, sich zu den Gedanken Gottes zu erhebend der Gedanke, umsonst gereinigt zu werden, kam nicht in Naamans Sinn. Er war, wie wir mit Gewissheit sagen können, völlig bereit, vieles zu geben, wenn er dadurch von seinem Aussatz gereinigt werden konnte; aber der Gedanke, alles, was er bedurfte, „ohne Geld und ganz umsonst“ zu empfangen, lag außer seinem Bereich, und deshalb machte er auch so große Vorbereitungen. Er kannte nicht die Gnade des Gottes Israels. Er dachte, dass diese Gnade durch Geld zu erkaufen sei. Hierin lag sein Irrtum – der Irrtum der Millionen – der Irrtum des menschlichen –Herzens in jedem Zeitalter und unter jedem Himmelsstrich.
Doch, wenn man es genauer erwägt, so sieht man, was für eine Torheit es ist, zu denken, durch ein wenig Gold und Silber von „dem allmächtigen Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde“ Etwas zu erlangen! Sicher, eine solche Torheit ist leicht zu erkennen; aber es ist nicht ganz so leicht, einzusehen, wie töricht es ist, Gott zu nahen im Vertrauen auf unsere eigenen Werke: auf unsere Moralität, auf unser ehrbares Leben, auf unsere Frömmigkeit, auf unsere christlichen Sitten und Gewohnheiten, auf unsere Teilnahme an christlichen Vereinen und Tätigkeiten, auf unsere Tränen, Gebete, Seufzer, Gelübde, Vorsätze, milden Gaben, auf unsere Gefühle, Betragen und Erfahrungen, kurz, auf irgendetwas, was wir mit unseren Gedanken, Werten und Werken hervorzubringen vermögen. Dennoch bleibt es sich völlig gleich, ob ich ein Stück Silber oder Gold, oder alle die eben genannten Dinge, und noch zehntausend Mal mehr als diese, zum Grund meines Vertrauens mache. Wenn ich alle die guten Werke, die je geschehen, alle Tränen, die je geweint, alle Seufzer, die je der menschlichen Brust entquollen sind – mit einem Wort, wenn ich alles das hätte, was von jeher die menschliche Gerechtigkeit in dieser Welt hervorgebracht hat, und es zehntausend mal zehntausend vervielfältigt würde, so wäre dies nicht im Stand, auch nur einen einzigen Flecken von Sünde von meinem Gewissen zu vergeben und mir einen wirklichen Frieden in der Gegenwart des heiligen Gottes zu geben. Diese Dinge haben an ihrem Platz wohl ihren Wert; aber als Fundament für den Frieden unserer Seele müssen wir nichts anders als Christus haben. Er muss die Stelle von allein einnehmen, worin unsere Herzen Vertrauen setzen wollen. Wir haben alles in Ihm, und haben wir Ihn, so bedürfen wir nichts mehr.
Es bedarf aber oft einer langen Zeit, um uns von der Wertlosigkeit all unser eigenen Wirksamkeit zu überzeugen. Es ist dem menschlichen Herzen fremd, dass wir vor Christus nichts anders bedürfen, als das, was wir haben, nämlich unser gänzliches Verderben; dass wir nicht nötig haben, zuerst auf Misere Zubereitung zu warten, dass jeder Schritt der Selbstbesserung nur ein Schritt auf dem Weg der Selbsttäuschung ist; denn das eigene Ich ist nie im Stand, um sich für Gott oder für den Himmel tüchtig zu machen. Das religiöse Fleisch – die Frömmigkeit des natürlichen Menschen – ist ebenso fern von Gott, ebenso fern von der Gerechtigkeit, ebenso fern vom Himmel, wie das Fleisch in der gröbsten und schlechtesten Gestalt. das ist eine harte Rede, aber sie ist wahr; und es ist gesegnet, wenn sie völlig als wahr erkannt wird. Es ist von der größten Wichtigkeit, dass der Mensch erkennt, dass das, was er bedarf, nicht eine selbst–Bekehrung, sondern ein völlig neues Leben ist; dies Leben ist Christus. Dies ist die große Sache, um welche es sich handelt. Wir müssen alle Hoffnungen und Erwartungen von unserer gefallenen und verdorbenen Natur aufgeben und Christus annehmen als unser alles in allem. Mag jemand mit seinem Fleisch oder mit sich selbst alle nur möglichen Versuche anstellen, er wird es nie für Gott – nie für den Himmel tüchtig machen. Das Fleisch kann nicht im Himmel wohnen; es vermag die Atmosphäre jener heiligen Region nicht einzuatmen. Die Bemühung, um das, was Gott verdammt und als unverbesserlich und unheilbar bei Seite gesetzt hat, verbessern zu wollen, würde die fruchtloseste Arbeit sein, die je unternommen werden könnte.
Es ist nun interessant zu sehen, wie das vorliegende Kapitel diese Seite der Wahrheit auf eine ganz besondere Weise vor unseren Blicken entfaltet. Naaman, mit seinem glänzenden Gefolge und all seinem Gold und Silber vor der Tür des Propheten Elisa stehen sehen, (V. 9). ist das treffende Bild eines Sünders, der auf seine eigene Anstrengung nach Gerechtigkeit rechnet. Jener schien mit allem versehen zu sein, was sein Herz nur wünschen konnte, aber in Wirklichkeit war alles nur eine unnütze Last; und der Prophet gab ihm dies bald zu verstehen. Die kurze, einfache und bestimmte Botschaft: „Gehe hin und wasche dich“ (V. 10). warf plötzlich alles Vertrauen auf Gold, Silber, prächtige Kleidung, glänzendes Gefolge, Empfehlungsbriefe an den König, ja, alles zu Boden. Sie entblößte ihn von allem, und zeigte ihm seinen wahren Zustand, als armer, unreiner Aussätziger, der nötig hatte, gewaschen zu werden. Sie machte keinen Unterschied zwischen dem hohen Befehlshaber der Heere Syriens und dem ärmsten und niedrigsten Aussätzigen in allen Gegenden Israels. Ersterer konnte nicht das geringste dazu tun, und Letzterer bedurfte nichts mehr. Reichtum kann den ruinierten Sünder nicht heilen, und Armut kann das Heilmittel Gottes nicht schwächen. Nichts, was auch ein Mensch getan haben mag, ist fähig, ihm den Himmel zu verschließen, und nichts, was er auch tun mag, ist fähig, ihn zu öffnen. „Gehe hin und wasche dich“, so heißt das Wort in jedem Fall.
Naaman fühlte augenscheinlich die tiefe Demütigung, welche in der Botschaft des Propheten lag. Er war auf eine solch gänzliche Beiseitesetzung aller menschlichen Anmaßung nicht vorbereitet. Er würde gern einen Besuch gemacht und seine Zentner Silber, seine Seckel Gold und seine Feierkleider niedergelegt haben; aber zuhören: „Gehe hin und wasche dich“, ohne die leiseste Anspielung auf alle jene Dinge, das war doch gar zu demütigend. „Da erzürnte Naaman, und zog weg, und sprach: Siehe, ich meinte, er sollte zu mir herauskommen, und hertreten, und den Namen des Herrn, seines Gottes, anrufen, und mit seiner Hand über die Stelle fahren, und den Aussatz also abtun. Sind nicht Amana und Pharphar, die Flüsse zu Damaskus besser, denn alle Wasser in Israel, dass ich mich darinnen wüsche und rein würde? Und er wandte sich und zog weg mit Zorn“ (V. 11–12)
So ist es immer. Der einfache Plan der Errettung Gottes ist so durchaus demütigend für den Stolz des Menschen, dass er sich ihm nicht unterwerfen kann. „Denn die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennend, und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten trachtend, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen“ (Röm 10,3). Und doch, möchten wir fragen, welch ein Recht hatte ein Aussätziger, zu zürnen, zu disputieren und vorzuschreiben? War er gekommen um gereinigt zu werden, oder Vorschriften zu machen? Hatte er versucht, was „Amana“ und „Pharphar“ für ihn zu tun vermochten? Es war nötig, dass er von Elisa belehrt wurde, nichts vor Gott zu bringen als seinen Aussatz. Alles andere war völlig überflüssig. Das war eine schöne Aufgabe. Naaman musste alles nach Syrien zurückbringen, was er von dort mitgebracht hatte, ausgenommen seinen Aussatz. Wenigstens war dies Elisas Vorsatz, obgleich derselbe in etwa durch Gehasis Geldgier vereitelt wurde (V. 20–25). – Der Sünder möchte so gern seine guten Werke zu Christus bringen. „Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten“, so liebt er zu sprechen; aber es ist alles nutzlos. Du musst zu Christus kommen und nur deine Schuld mitbringen. Du musst lernen, dass du der Reinigung bedarfst und dass Christus dieselbe für dich hat. Wenn du meinst, dass du noch irgendetwas Gutes an dir hast, so hast du deinen Zustand noch nicht in Wahrheit erkannt. Du magst die Amanas und die Pharphars des gesetzlichen Systems versuchen, aber nach allem „musst du gehen und dich im Jordan waschen“, bevor du wissen kannst, dass du göttlich rein bist.
Dies ist eine tiefe Demütigung; es bringt den Mann des Gesetzes „in Zorn“. Alle jene, die sich weiser als Gott dünken, müssen früher oder später ihre Torheit kennen lernen; aber jene, welche sich als Verlorene erkennen und bekennen, haben nur ihr Vertrauen auf Jesus zu setzen und sie sind so rein, als das Blut Christi sie rein zu waschen vermag. Dies ist der einfache Weg Gottes zur Errettung. Jesus hat alles getan: Er starb für unsere Sünden nach der Schrift, und Er ist jetzt droben im Himmel als Unterpfand, Bestätigung und Maß der Annahme des Gläubigen vor Gott. Alle, welche durch die Gnade des Heiligen Geistes und auf Autorität der heiligen Schrift ihr Vertrauen auf den gestorbenen und auferstandenen Christus setzen, sind von aller Schuld und Verdammnis ebenso frei, wie Er selbst. Herrliche, erhabene, befreiende und völlig befriedigende Wahrheit! O, möchten alle meine geliebten Leser, ihre überschwängliche Kraft erfahren! Möchten alle erfahren, wie groß die Segnung ist, Gott bei seinem Wort zu nehmen!
Dieses war es, was nach gewaltigem Sträuben Naaman tat. Er lernte nach allem, sein Vertrauen auf „Amana und Pharphar“ gänzlich aufzugeben, und sich in einfachem „Gehorsam des Glaubens“ dem Zeugnis Gottes zu unterwerfen. „Da nahten seine Knechte zu ihm, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dich der Prophet etwas Großes geheißen hätte, Würdest du es nicht tun? Wie vielmehr, so er zu dir sagt: Wasche dich so wirst du rein. Da stieg er ab und tauchte sich siebenmal im Jordan, wie der Mann Gottes, geredet hatte, und sein Fleisch kam wieder, wie das Fleisch eines kleinen Kindes, und er ward rein“ (V. 13–14). das war eine gerade und einfache Rede. „Wenn dich der Prophet etwas Großes geheißen hätte, würdest du es nicht tun?“ Ohne Zweifel; aber dieses Wort: „Gehe hin und wasche dich“ war so demütigend, so selbstverleugnend. Es ließ keinen Ruhm für das Fleisch übrig. „Dem, der nicht wirkt, sondern glaubt“ ... „Nicht durch Werke, damit sich kein Fleisch rühme.“
Dies ist der Grundsatz Gottes, und diesem Grundsatz hatte sich Naaman zu unterwerfen. Er ging und wusch sich im Jordan. Er gehorchte dem Wort des Herrn. Und was war die Folge? „Sein Fleisch kam wieder, wie das Fleisch eines kleinen Kindes, und er ward rein.“ In demselben Augenblicke, wo der Sünder sich der Gerechtigkeit Gottes unterwirft, wird diese Gerechtigkeit sein Eigentum; in demselben Augenblicke, wo er sich auf Christus wirft, ist er so frei, wie Christus ihn frei zu machen vermag. Die Herrlichkeit Gottes erweist sich in der völligen und ewigen Errettung aller derer, die einfach auf Jesus schauen. Naaman mochte sich zehntausend Mal in den Wassern „Amanas und Pharphars“ untertauchen – er blieb, wie er war; aber in dem Augenblick, als er den Weg Gottes einschlug, wurde er. so rein, als Gott ihn rein zu machen vermochte. Würde an der Person Naamans, nachdem er sich im Wasser des Jordan getaucht hatten nur ein einziger Fleck vom Aussatz zurückgeblieben sein, so würde dies eine Unehre auf das Heilmittel Gottes geworfen haben. Es würde, einen ewigen Schimpf auf die Herrlichkeit Gottes bringen und all den Mächten der Finsternis eine bleibende Ursache des Triumphs bereiten, wenn ein Sünder auf die Gerechtigkeit vertraute und doch nicht errettet würde.
Es ist wichtig, dieses recht zu verstehen. Zu wissen, dass die Herrlichkeit Gottes mit meiner völligen Errettung verbunden ist, gibt dem Gewissen einen festen Frieden und dem Herzen eine völlige Befreiung. Ich wünschte dies jedem ängstlichen Gewissen recht tief einzuprägen. Gott ist verherrlicht worden im Wegnehmen der Sünde. Welch eine köstliche Wahrheit für jedes unruhige und bedrückte Herz! Es handelt sich nicht mehr darum, was ich mit meinen Sünden zu tun habe; Christus hat diese Frage schon vor achtzehnhundert Jahren beantwortet. Das ist genug. Ich ruhe hier in der Völligen Gewissheit, dass alles auf eine göttliche Weise und auf ewig in Ordnung gebracht ist. Gott ist verherrlicht – ich bin errettet – der Feind ist zum Schweigen gebracht – ich habe nur mit Freuden meinen Weg zu wandeln.
Lasst uns jetzt die praktischen Folgen von diesem allen betrachten, wie wir sie in dem Weg Naamans, nachdem er vom Jordan zurückkehrte, finden. Nichts kann interessanter sein. „Sein Fleisch kam wieder, wie das Fleisch eines kleinen Kindes, und er ward rein. Und er kehrte wieder zu dem Mann Gottes, samt seinem ganzen Heer. Und da er hineinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, ich erkenne, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel. So nimm nun einen Segen von deinem Knecht. Er aber sprach: So wahr der Herr lebt, vor dem ich stehe, ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, dass er es nähme; aber er weigerte sich“ (V. 15–16)
Welch eine wunderbare Veränderung bei Naaman von dem Augenblick an, wo er von der Tür Elisas umwandte und im Zorn wegging, bis er, gereinigt und gleich einem kleinen Kind, zu dieser Tür wieder zurückkehrte! Er war, als Vorbild, eine neue Schöpfung. Er stand auf einem neuen Grund; er war in einem neuen Zustand. Er hatte sich Gott unterworfen, und er fühlte und offenbarte die köstlichen Folgen eines solchen Tuns. Und so ist es in jedem Fall. Der stolze, hochmütige, sich selbst genügende Gesetzesmensch mag den bitteren Zorn seines Herzens völlig gegen einen Heilsplan auslassen, der ihn mit den schlechtesten unter den Menschenkindern auf gleichen Boden stellt, er mag disputieren, rechten, Vorschriften machen; doch sobald er seinen Nacken beugt, sobald er sich dem von Gott bestimmten Wege der Errettung unterwirft, ist alles verändert. Der Unwille und der Zorn des Gesetzlichen samt der Schuld und der Unreinigkeit des Sünders sind zugleich in den Fluten des Jordans zurückgelassen, und er kommt gereinigt und versöhnt, ruhig und demütig zurück, um alles, was er ist und was er hat, dem Dienst des wahren Gottes zu widmen.
Doch, lasst mich fragen, warum weigerte sich Elisa, von Naamans Hand eine Gabe anzunehmen? Aus einem wahrhaft edlen Grund. Er wollte, dass Naaman mit dem Zeugnis nach Syrien zurückkehren sollte, dass der Gott Israels nichts von ihm genommen hätte, als seinen Aussatz. Er sollte zurückkehren und erklären, dass sein Silber und Gold im Verkehr mit dem, der alles umsonst gibt, nutzlos gewesen sei. Elisa wollte den Glanz der göttlichen Gnade nicht durch die Annahme eines Seckels von dem Geld eines Fremden beflecken. Ach, dass der geldgierige Gehasi die edle Absicht seines Herrn verhinderte! Dieser richtete seinen lüsternen Blick auf das Silber und Gold. Er war gänzlich unfähig, sich zu der Höhe der Gedanken seines Herrn zu erheben. Er verstand nicht die heilige Macht der göttlichen Gnade. Er sehnte sich nach Naamans Gold. „So wahr der Herr lebt“, sagte er, „ich will ihm nachlaufen und etwas von ihm nehmen“ (V. 20). Er konnte nicht, gleich seinem Herrn, sagen: „der Herr, vor welchem ich stehe.“ Elisa stand in der Gegenwart des Herrn – einatmend die Atmosphäre der Gnade. Hierin lag das Geheimnis seiner moralischen Erhebung und seiner heiligen Uneigennützigkeit. Gehasi aber liebte das Geld, und darum beachtete er nicht, wie er den Glanz dieser Gnade, welche den Pfad Naamans, des Syrers, bisher umleuchtet hatte, verdunkelte. Er wollte ihn seine Reinigung bezahlen lassen. Er vergaß, dass es nicht die Zeit war, „Geld und Kleider zu nehmen“ (V. 26). Unglücklicher Mann! Er erreichte den Wunsch seines Herzens; aber als „er von seinem Herrn hinausging, war er aussätzig, so weiß wie Schnee“ (V. 27). Schreckliche Warnung für alle, welche das Geld liebhaben! Die, welche das Gold dieser Welt haben wollen, müssen auch den Aussatz dieser Welt haben. Eine ernste, feierliche Erwägung!
Doch wenden wir uns von dieser traurigen Betrachtung des Gehasi mit seinem Herzen voll Habsucht hinweg und betrachten Naaman mit seinem Herzen voll Dankbarkeit und Lob gegen den Gott Israels. Der Kontrast ist in der Tat sehr groß und schlagend. Naaman kam von dem, der ohne Geld und ganz umsonst, vollkommen seinem Bedürfnis begegnet war. „Möchte denn“, sagte er zu Elisa, „deinem Knecht nicht eine Last, so viel als zwei Maultiere tragen können, von dieser Erde gegeben werden? denn dein Knecht will nicht mehr anderen Göttern, Brandopfer und Schlachtopfer darbringen, sondern dem Herrn“ (V. 17). So stand es mit Naaman. Er hatte als ein unreiner Aussätziger seine Heimat verlassen, und als ein gereinigter Anbeter kehrte er dorthin zurück. Welch eine Veränderung! Und alles war in einem Augenblick geschehen, sobald er den Weg Gottes eingeschlagen hatte. Das Werk war von Gott, und Naaman hatte nur sein Haupt zu beugen und anzubeten. Sobald er seinen Aussatz zurückgelassen hatte, wünschte er einen Altar mitzunehmen, auf welchem er dem wahren Gott Opfer darbringen wollte.
So viel über die praktischen Folgen in Betreff der Anbetung. Lasst uns jetzt noch ganz kurz die Frage des Wandels erwägen. Es ist einleuchtend, dass Naaman mit diesem letzten Punkte beschäftigt war. In seiner Seele waren neue Quellen von Gedanken und Neigungen erweckt worden. Es war ein Gefühl der Verantwortlichkeit in ihm hervorgerufen, was ihm bis dahin ganz fremd geblieben war. Bis zu seiner Reinigung waren alle seine Gedanken auf diese eine Sache, die Befreiung vom Aussatz, gerichtet gewesen; jetzt aber beschäftigte ihn die große Frage in Betreff seines Wandels vor dem einen, welcher ihn gereinigt hatte. „Nur darin wolle der Herr deinem Knecht gnädig sein: wenn mein Herr in das Haus Rimmon geht, daselbst anzubeten, und er sich an meine Hand lehnt, und ich auch in dem Haus Rimmon anbete, so wolle solches, mein Anbeten, der Herr deinem Knecht vergeben“ (V. 18)
Dieser Vorbehalt stand weit unter dem wahren Charakter eines christlichen Wandels. Die völlige Unterwürfigkeit kennt keinen Vorbehalt; sie sucht nie einen Ausweg; sie wünscht nie, dass ein leichterer Weg vorgeschrieben wurde. Wenn jemand fragt: „Darf ich dieses tun? Ist es unrecht, dieses zu tun? Was schadet es, wenn ich es so oder so mache?“ so ist es ganz sicher, dass Christus noch nicht seinen wahren Platz in einem solchen Herzen bekommen hat. Wenn mein ganzes Herz mit Christus erfüllt ist, so mache ich Ihn selbst zu meiner Richtschnur, meinem Vorbild, meiner Standarte, meinem Prüfstein in allen Dingen. Die Frage ist dann nicht: „Was schadet es?“, sondern: „Ist es Christus?“ Du kannst versichert sein, dass es eine elende, jämmerliche Sache ist, zu fragen, wie weit ich mit meiner Selbstverschonung gehen kann, ohne meine ewige Seligkeit aufs Spiel zu setzen. „Leben ist für mich Christus.“ Das ist wahres Christentum. O möchten, wir stets dessen Macht erproben und dessen Früchte offenbaren!
Schließlich finden wir in der kurzen Antwort Elisas an Naaman noch eine tiefe und beherzigenswerte Aufgabe. Er stellte ihn nicht unter eine strenge Regel oder gesetzliche Anordnung. Dieses zu tun, würde der Gnade Gottes ebenso fremd sein, als für seine Reinigung Gold zu nehmen. Alles muss frei sein. Er durfte nicht ein Joch auf den Nacken eines solchen legen, der bis dahin nur ein Gegenstand der Gnade gewesen war. Er konnte nicht sagen: „Gehe“, denn dadurch würde er den Götzendienst bestätigt haben; noch konnte er sagen: „Gehe nicht!“ denn dadurch wurde er das Gesetz bestätigt haben. Das Erste würde eine Verleugnung des Daseins Gottes und das Letztere eine Verleugnung seiner Natur gewesen sein. Bemerke denn wohl, was der Prophet sagt; bemerke seine bewundernswürdige Antwort. „Gehe in Frieden.“ Er wirft den Naaman auf die Gnade zurück, welche er schon erfahren hatte. Er bringt ihn nicht unter irgendeine Knechtschaft. Er lässt einen weiten Raum für die liebliche Handlung der persönlichen Verantwortlichkeit, die in keinem Fall mit irgendetwas vermengt werden sollte. Die Erwiderung des Propheten war vorzüglich berechnet, in der Seele Naamans die heilsamste Wirkung hervorzubringen. Sie war berechnet, die Frage in ihm zu erwecken: „Kann ich in den Tempel Rimmon in Frieden gehen?“ Welch eine erforschende Frage! Welch eine heilsame Übung! Konnte er wirklich von dem Altar in Frieden in den Götzentempel gehen? Konnte er den Altar der Erde mit dem Haus Rimmons verbinden? Das Herz, welches nur ein wenig von der Kostbarkeit Christi geschmeckt hat oder den starken Zug seiner Liebe kennt wird bei allen solchen Fragen nicht in die geringste Verlegenheit kommen.
Möge der Heilige Geist diese interessante und lehrreiche Erzählung Naamans des Syrers, dem Herzen des Lesers recht klar vorstellen und darin zur Anwendung bringen. Es ist in der Tat ein fruchtreiches Kapitel der heiligen Schrift. Es zeigt uns die Tiefe des menschlichen Verderbens – die Wertlosigkeit aller seiner gesetzlichen Anstrengungen – die Freiheit der Gnade Gottes – die Wirksamkeit des Werkes Christi – die köstliche Frucht einer anerkannten Errettung und den wahren Grundsatz eines christlichen Wandels.
Möge der Herr sein Wort segnen, so wird sein Name gepriesen werden!

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