Das Kommen des Herrn, Israel und die Gemeinde

Gottes Handeln mit Israel und der Welt

Wie wir gesehen haben, sind die alttestamentlichen Verheißungen auf die Erde bezogen. Ihre Erfüllung wird in dem zweiten Menschen stattfinden, aber nicht in der Christenheit, die ein himmlisches und kein irdisches Teil hat. Die Erde war jedoch der Bereich, für den der Mensch ursprünglich geschaffen worden war und Gott hat diesen nicht dem Herrschaftsbereich Satans und der Sünde überlassen, sondern wird seine Absichten, die Er mit der Erde hatte, völlig ausführen.

Vor der Flut war der Mensch auf der Erde einfach seiner eigenen Führung überlassen. Ein Mörder wurde von Gott bestraft. Es war nicht erlaubt, dass die Bestrafung durch Mitmenschen, als Werkzeug Gottes einer rechtmäßigen Regierung, vorgenommen wurde. Nach der Flut wurde den Menschen das Schwert der Regierung übergeben und Noah empfing das Gebot, einen Mörder mit der Todesstrafe zu richten. Hier hat die zivile Regierung, als direkte Anordnung Gottes, ihren Ursprung. In Babel wurde die zentralisierte Organisation der Menschheit, die zu Überheblichkeit und Eigenwillen geführt hatte, beendet und es wurden Nationen gebildet, die als Instrumente Gottes dienen sollten, um Arroganz und Selbstsicherheit im Zaum zu halten (1. Mo 11,6). Gott hatte jedoch ein spezielles Volk im Auge. Seine Absichten mit diesem Volk offenbart Er erst viel später: „Als der Höchste den Nationen das Erbe austeilte, als er voneinander schied die Menschenkinder, da stellte er die Grenzen der Völker fest nach der Zahl der Kinder Israel. Denn des Herrn Teil ist sein Volk, Jakob die Schnur seines Erbteils“ (5. Mo 32,8.9). Gott dachte also an dieses Volk bereits lange bevor Abraham geboren war. Im Lauf der Zeit wurde ihnen ein Land, vom Euphrat bis zum Fluss Ägyptens, zugeteilt, das sie „zum ewigen Besitztum“ haben sollten; sie sollten das „Tor ihrer Feinde besitzen“, die sie segneten, sollten gesegnet werden und die sie verfluchten, sollten verflucht werden (1. Mo 12,3). Gottes Plan von irdischer Regierung war, soweit dieser bereits enthüllt wurde, dass eine Nation über alle anderen gestellt werden sollte, um seine gerechten Urteile zu vollstrecken.

Dieser Plan, der vollkommen unter dem zweiten Menschen ausgeführt werden wird, war ursprünglich dem ersten Menschen anvertraut, zwar nicht in vollem Umfang, aber hinreichend genug, um seine Unfähigkeit, Gottes Absichten zu erfüllen, unter Beweis zu stellen. Israel nahm das Land in Besitz und sollte Gottes gerechtes Gericht über die Kanaaniter ausüben, sein Gesetz halten und den ersten Platz unter den Völkern einnehmen. Das Volk war in dieser Sache Gottes Werkzeug einer gerechten Regierung über die Erde. Wenn es den Auftrag erhielt, die Kanaaniter zu vernichten, dann als Vollstrecker des gerechten Gerichts Gottes. Wenn sie in ihrem Gesetz nach dem Grundsatz handeln sollten „Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brandmal um Brandmal, Wunde um Wunde, Strieme um Strieme“ (2. Mo 21,23–25), dann als solche, die Gottes gerechte Regierungsabsichten ausführten. Wenn es heißt, dass ihre Feinde vor ihnen fliehen würden und sie der Kopf und nicht der Schwanz sein sollten, dann deshalb, weil sie als Werkzeuge Gottes seine Autorität auf der Erde bewahren sollten. Kein einsichtsvoller Christ kann das, was Israel anvertraut wurde, betrachten, ohne dabei festzustellen, in welch gegensätzliche Stellung der Gläubige heute gebracht ist. Liegt das womöglich daran, wie bereits argumentiert wurde, dass die Welt heutzutage einen höheren Bildungsstand hat? Stellen wir uns dazu einmal eine Frage: Hat Gott sich weitergebildet? Hat Er entdeckt, dass Dinge, die einmal für richtig erachtet wurden, tatsächlich falsch sind und deshalb fallengelassen wurden? Allein die Vorstellung ist erschreckend! Worin begründet sich dann der Unterschied? Ein aufmerksames Auge sieht es sofort. Die Israeliten waren die Werkzeuge Gottes gerechter Regierung auf der Erde, der Gläubige ist der Vertreter von Gottes Gnade auf der Erde. Von den Gläubigen heißt es, dass sie der lebendige Beweis des göttlichen Handlungsprinzips sind. Er handelt nun in Geduld und Langmut und die Seinen sollen ebenfalls geduldig und langmütig sein. In seinem Handeln mit den Nationen durch Israel handelte Er in Gerechtigkeit und Gericht und sein Volk sollte als sein Werkzeug Gerechtigkeit und Gericht ausüben.

Hierin haben sie jedoch versagt und ihr Versagen hat einen anderen Teil von Gottes Plan hervorgerufen. Da Israel das Werkzeug Gottes zur Vollstreckung seiner Gerechtigkeit unter den Nationen sein sollte, musste es auch in Israel eine Person geben, die fähig war, im Volk Recht und Gerechtigkeit zu üben. Aus diesem Grund wurde die königliche Autorität eingerichtet und den Nachkommen Davids eine beständige Herrschaft verheißen. Aber auch hier finden wir wieder, dass die dem Ersten gegebene Verheißung, nur zeigte, dass auch er unfähig war, den Segen zu empfangen und die Absichten Gottes auszuführen. Erst mit dem Erscheinen des zweiten Menschen, dem wahren Nachkommen Davids, wird diese Verheißung erfüllt werden.

Gottes Absichten irdischer Regierung waren damals, dass die Nationen der Erde durch ein gerechtes irdisches Volk unter einem gerechten irdischen Herrscher regiert werden sollten. Alles, was dem ersten Menschen anvertraut wurde, war von Versagen geprägt: die Nachkommen Davids nach dem Fleisch, die Nachkommen Abrahams nach dem Fleisch, der Mensch nach dem Fleisch in jeglicher Form hat stets seine Unfähigkeit bewiesen, Gottes Gedanken zu erkennen oder auszuführen. Die Israeliten „vertilgten die Völker nicht, von denen der Herr ihnen gesagt hatte; und sie vermischten sich mit den Nationen und lernten ihre Werke; und sie dienten ihren Götzen, und sie wurden ihnen zum Fallstrick“ (Ps 106,34–36). Die Nachkommen Davids führten nicht Gottes gerechte Regierung in Israel aus. Das Königreich wurde geteilt und sie wurden zur Beute, statt eine Vorrangstellung gegenüber den Nachbarvölkern einzunehmen. Anstatt Gottes Herrlichkeit auf der Erde zu erhalten, wurde durch sie sein Name unter den Völkern gelästert. Es gab einen allgemeinen Verfall und Durcheinander. Nachdem die geschichtliche Entwicklung auf eindrückliche Weise die Feindschaft des Menschen gegenüber Gott und die Langmut Gottes zu dem Menschen illustriert hatte, wurden sie schließlich vertrieben. Israel kam in assyrische, Juda in babylonische Gefangenschaft. Das Zepter der irdischen Regierung, das durch die Könige von Juda missbraucht und geringgeachtet wurde, wurde Nebukadnezar übergeben und ist seitdem in der Hand der Nationen.

An dieser Stelle endet die Geschichte Israels. Sie wird erst wieder aufgenommen, wenn die Zeit der Nationen abgeschlossen und das Zepter wieder Gottes auserwähltem Volk zurückgegeben wird. Es wird in die Hand des zweiten Menschen, dem wahren Samen Abrahams und Davids – der allein würdig ist – Gottes Pläne mit der Erde auszuführen, gegeben. Die Geschichte Judas nimmt jedoch einen anderen Verlauf. Sie wurden nach 70 Jahren Gefangenschaft in ihr Land zurückgeführt, eine kleine, kraftlose Menge, Diener der Nationen, von deren Herrschaft sie danach nie wieder befreit wurden. Was war dann Gottes Absicht, als Er diesen schwachen Überrest in ihr Land zurückbrachte? Er wollte die Menschen, insbesondere die Juden, einer weiteren Prüfung unterziehen. Der erste Mensch sollte Gottes Pläne ausführen und versagte. Nun sandte Gott den zweiten Menschen, der sowohl seinem auserwählten Volk als auch der Welt in Gnade erschien, um von diesen entweder angenommen oder abgelehnt zu werden. Das Resultat dessen ist uns gut bekannt. Er ist der Mittelpunkt der Verheißungen Gottes, der die Absichten Gottes ausführen sollte, der Schöpfer der Welt, der rechtmäßige Herr der Nationen und der angekündigte Messias der Juden. Er kam auf die Erde als der geliebte, von Gott anerkannte, Sohn Gottes und die Welt kreuzigte Ihn zwischen zwei Dieben. „Er war in der Welt, und die Welt wurde durch ihn, und die Welt kannte ihn nicht. Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,10.11). Die Welt hatte sich mit ihrer Ignoranz schon schuldig gemacht, die Schuld der Juden war jedoch noch um ein Vielfaches größer. Nachdem sie wegen ihrer Auflehnung gegenüber Gott bereits über sechs Jahrhunderte ihrer eigentlichen Stellung als Nation beraubt waren, hatten sie nun ihre Schuld noch um eine furchtbare Tat vergrößert, indem sie den Sohn Gottes töteten und in ihrer unglaublichen Torheit den ablehnten, in dem alle ihre Verheißungen und Segnungen erfüllt werden sollten. Dennoch blieb eine kleine Zeit der Gnade und es gab noch einmal das Zeugnis des Heiligen Geistes. Aber das Volk blieb seiner Stimme gegenüber taub, genau wie sie es bei der Stimme des Messias gewesen waren und so traf sie ein großes Gericht als unweigerliche Folge.

Obwohl er offenbart worden war, kam Gottes Plan irdischer Administration nicht zur Ausführung. Das Volk, das sein Werkzeug sein sollte, wurde geteilt. Ein Teil ist wegen ihres Götzendienstes unter den Nationen bis heute verloren gegangen. Ein anderer Teil ging zwar nicht verloren, wurde aber zerstreut, weil sie den Messias abgelehnt hatten. Der gerechte Herrscher kam und wurde verworfen und gekreuzigt. War Gottes Plan etwa gescheitert? Er war vor der Gefangenschaft und Zerstreuung der Juden nicht ausgeführt worden. Die Nationen konnten ihn nicht ausführen, denn damit wären Gottes Verheißungen gegenüber Abraham und David nicht erfüllt, sondern verleugnet worden. Das wäre auch nicht in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken für die Kirche, deren Wirkungsbereich ein ganz anderer ist. Die Kirche hat ein himmlisches und kein irdisches Teil und, wie wir gesehen haben, können die Verheißungen ihre vollständige Erfüllung nicht durch sie erlangen. Was kommt danach? Entweder werden Gottes Absichten mit der Erde und den Menschen auf ihr auf ganzer Linie scheitern oder sie müssen durch die Wiederherstellung von Juda und Israel als Zentrum der irdischen Verwaltung und der Errichtung des Reiches Christi als Herrscher über die Könige der Erde erfüllt werden. Jedem Gläubigen dürfte ohne Zweifel klar sein, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft.

In den folgenden Kapiteln werde ich zeigen, dass das ganze Versagen von Gott vorhergesehen wurde, seine Absichten trotzdem unverändert geblieben sind und dass Er ihre Erfüllung durch seinen Sohn vorhergesagt hatte als die Boshaftigkeit und Torheit des Menschen ihren Höhepunkt und das Elend seines auserwählten Volkes den absoluten Tiefpunkt erreicht hatte.

Wenn wir infrage stellen, dass Gott tut, was Er gesagt hat, ist das schlimmer Unglaube. Für Ihn gibt es keine Schwierigkeiten. Menschen sprechen davon, dass etwas unmöglich ist, und bewerten Möglichkeiten nach ihrem eigenen Können. Was Menschen unmöglich ist, ist für Gott möglich, denn Gott sind alle Dinge möglich. Einige mögen fragen, warum es so lange dauert, bis Gottes Pläne zur Ausführung kommen. Ganz einfach deshalb, weil Gott den ersten Menschen bis zur Ankunft des zweiten Menschen prüfte, ob Er Gutes in ihm finden würde. Aber warum wurden seine Absichten nicht unmittelbar mit dem Kommen des zweiten Menschen erfüllt? Denen, die diese Frage stellen, möchte ich fragen: Wo wärest du, wenn es so gewesen wäre? Wenn Christus nicht abgelehnt worden wäre, wie wolltest du vor Gott bestehen? Oder, wenn das Zeugnis des Heiligen Geistes nach der Auferstehung Jesu angenommen worden wäre und Er vom Himmel gekommen wäre, um das jüdische Reich wiederherzustellen, wo wäre dann der Platz der Kirche gewesen? Was wäre mit dieser wunderbaren Zeit, in der wir nun leben, in der Gott ein Volk für den verworfenen Christus sammelt und den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern anhand der Kirche seine unendliche Weisheit zeigt? Diese Verzögerungen entspringen ausschließlich der Gnade und Weisheit Gottes und sicherlich können wir, der bevorzugte Gegenstand seiner Liebe, nur bewundernd zur Seite treten, angesichts der Enthüllung dieses Geheimnisses, in dem gerade die Himmel die Weisheit Gottes anschauen.

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