Titus 2

Der Brief an Titus

Die christliche Freiheit geht vereint mit der Aufrechterhaltung der Ordnung Gottes, in dieser Welt. Der Geist Gottes anerkennt jede Beziehung, in die uns Gott auf Erden gestellt hat. Alte und Junge, Männer und Frauen, Eltern und Kinder, Knechte und Herren sollen alle gegeneinander die wahre, gottgewollte Stellung einnehmen und die Gesinnung pflegen, die der Herr in ihnen sehen will. Titus sollte auch in dieser Hinsicht das reden, was mit der gesunden Lehre übereinstimmt. Er sollte in der Versammlung lehren, „dass die alten Männer nüchtern seien, würdig, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren“ (Vers 2), so dass sie für die andern ein gutes Beispiel seien. Das ist von größter Wichtigkeit, denn es ist klar, dass die Jüngeren auf sie schauen und sich von ihnen leiten lassen. Was ist trauriger in seinen Folgen, als der Leichtsinn eines alten Mannes und sein Abweichen vom Glauben und vom rechten Weg des Herrn!

„Die alten Frauen desgleichen in ihrem Betragen, wie es dem heiligen Stand geziemt, nicht verleumderisch, nicht Sklavinnen von vielem Wein, Lehrerinnen des Guten, dass sie die jungen Frauen unterweisen, ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben, besonnen, keusch, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig, den eigenen Männern unterwürfig zu sein, dass das Wort Gottes nicht verlästert werde“ (Verse 3–5). Welch ein schöner Beruf für die Mütter in Christus! Wie viel anders stände es in der Gemeinde des Herrn, wenn diese Ermahnungen mehr beachtet würden. Wahrlich, das Wort Gottes wird verlästert, wenn es in den Häusern der Gläubigen unordentlich zu- und hergeht, wenn keine Gottseligkeit geübt wird auch in den Dingen des täglichen Lebens, in den Beziehungen, in denen wir zueinander stehen.

„Die Jünglinge desgleichen ermahne, besonnen zu sein“ (Vers 6), und da Titus selber noch jung war, so sollte er vor allem für junge Männer in allem ein Vorbild sein, und darum fügt Paulus hinzu: „indem du in allem dich selbst als ein Vorbild guter Werke darstellst“ (Vers 7). Aber vor allem war es nötig, gegenüber den Widersachern so zu reden und zu handeln, dass sie keinen Anlass fanden, etwas Böses zu sagen. Titus sollte „in der Lehre Unverderbtheit“ beharren. Darauf kommt es vor allem an. Ist ein Prediger des Evangeliums nicht mehr rein in der Lehre, redet er nicht mehr die gesunden Worte Gottes, fügt er seine eigenen Gedanken hinzu, dann ist der wahre Grund des Friedens, der Ruhe und Heiligung untergraben, und das Ende wird, wenn es auch nicht immer sofort zu sehen ist, traurig sein. Darum kommt Paulus in seinen Briefen an Timotheus und Titus so oft darauf zurück und dringt so sehr auf Reinheit und Unverfälschtheit in der Lehre. Damit muss verbunden sein: „würdiger Ernst“ und „gesunde, nicht zu verurteilende Rede“, so dass nicht nur keine tadelnde Bemerkung über die Lehre selbst, sondern auch keine solche über die Art ihrer Darstellung gemacht werden kann (Verse 6–8).

„Die Knechte ermahne, ihren eigenen Herren unterwürfig zu sein“ (Vers 9). Das Los dieser armen Sklaven war ohne Zweifel hart, und der christliche Sklave, der die Ungerechtigkeiten seines Gebieters beurteilen konnte und verabscheuen musste, konnte leicht dazu kommen, sich zu widersetzen oder auch davonzulaufen. Darum war die Ermahnung so nötig, dass sie ihren Herren untertan sein sollten. Doch mit Unterwürfigkeit allein war der Herr nicht zufrieden, nein, der christliche Sklave sollte danach trachten, das Wohl seines Meisters zu suchen, „in allem sich wohlgefällig zu machen, nichts unterschlagend, sondern alle gute Treue erweisend, dass sie die Lehre, die unseres Heiland- Gottes ist, zieren in allem“ (Verse 9–10). Welch ein herrlicher Beweggrund! Welch ernster, zwingender Grund, die Lehre Gottes, unseres Erlösers, der uns errettet hat, aus dieser gegenwärtigen, bösen Welt, der uns, wie arm und elend wir auch sein mögen, reich gemacht und gesegnet hat mit allen geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern in Christus, in allem zu zieren! Ist das nicht der Mühe wert? Ist das nicht herrlich und kostbar? Und nach dem Maß, in dem die Stellung, die wir einnehmen, mühsam ist, ist das Vorrecht größer, darin unserm Gott zu dienen und Ihn zu verherrlichen.

Die Lehre Gottes, unseres Heilandes, die wir in allem zieren sollen, wird nun durch den Apostel in den folgenden Versen dargestellt. Wir finden hier eine beachtenswerte Beschreibung des Christentums, sowohl in seiner praktischen Bedeutung für alle Menschen, als auch in Bezug auf seinen Einfluss, den es in dieser Welt ausübt. Diese Beschreibung umfasst die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Christus hat uns von dieser bösen, gottlosen Welt befreit und der Heilige Geist uns gesammelt zu einem Volk des Herrn, Ihm allein geweiht; zubereitet für die ewige Herrlichkeit im Vaterhaus. Stehen wir hier ein wenig still.

„Denn die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für alle Menschen, und unterweist uns, dass wir, die Gottlosigkeit. und die weltlichen Lüste verleugnend, besonnen und gerecht und gottselig leben in dem jetzigen Zeitlauf, indem wir erwarten die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, dass Er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und reinigte sich selbst ein Eigentumsvolk, eifrig in guten Werken“ (Verse 11–14).

Die Gnade Gottes ist erschienen! Nachdem der Mensch auf alle mögliche Art auf die Probe gestellt und es erwiesen war, dass er unfähig war, Gottes Gebote zu halten, obschon er deren Berechtigung beipflichten musste; nachdem Gott in Gerechtigkeit den Menschen auf verschiedene Weise gezüchtigt und gerichtet hatte, nachdem der Herr sich durch die Gesetzgebung ein Volk abgesondert hatte, um Seinen Namen zu heiligen, und dieses Volk sich mehr verderbt hatte als alle andern Völker, ist in Christus die Gnade Gottes erschienen. Denn obschon Gott in der alten Haushaltung manchmal in Gnade gehandelt hatte, so war doch damals die Zeit der Gerechtigkeit und des Gesetzes, und es ist erst jetzt in Christus die Gnade Gottes erschienen. Diese Gnade beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Volk, sondern erstreckt sich auf alle Menschen. Die ganze Welt ist vor Gott verurteilt und darum musste sich die Gnade notgedrungen an alle Menschen wenden. Alle haben gesündigt; alle entbehren die Herrlichkeit Gottes; und darum müssen auch alle durch Seine Gnade gerechtfertigt werden, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist. Die Gnade, die erschienen ist, bringt allen Menschen das Heil, keine zeitlichen Segnungen und irdischen Vorrechte, sondern ewiges Heil in Christus – eine vollkommene Erlösung von dieser gegenwärtigen, bösen Welt.

Diese Gnade, die den Menschen das Heil bringt, unterweist alle, welche dasselbe angenommen haben hinsichtlich ihres Wandels in dieser Welt. Alle Gottlosigkeit und alle Lüste, die ihre Befriedigung in der Welt finden, verleugnend, sollen die Gläubigen den Willen des Fleisches in jeder Hinsicht im Zaum halten, Gottes Rechte über unsere Herzen anerkennen und also „Gottseligkeit“ üben.

Doch nicht nur das; die Gnade Gottes lehrt uns, unsern Blick auf die „glückselige Hoffnung und Erscheinung unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus“ zu richten. Durch die Gnade erwarten wir diese glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit von Jesus Christus. Durch die völlige Erlösung, die uns gebracht ist, sind wir nicht nur tüchtig gemacht, um in Gottes Gegenwart zu erscheinen, sondern wir werden bei Seiner Erscheinung auch Seine Herrlichkeit mit Ihm teilen. Diese Aussicht erfüllt unsere Seelen mit seliger Freude. Gottes Absicht ist nicht, die Welt in ihrer Gottlosigkeit stets fort zu tragen. Er wird Seine Feinde mit mächtiger Hand fällen. Er wird nicht zulassen, dass Seine Auserwählten immer der List Satans und der Bosheit der Menschen preisgegeben bleiben. Christus wird in Herrlichkeit erscheinen und wir mit Ihm.

Die Herrlichkeit, die erscheinen wird, ist die Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus. Der Herr Jesus Christus ist sowohl Gott – ein großer Gott – als auch unser Erlöser. Seine Erniedrigung als Mensch brachte Ihn in Umstände, in denen Seine göttliche Herrlichkeit verborgen war, was der feindliche Mensch und vor allem Satan, der mächtige Widersacher des Sohnes Gottes, benutzten, um Seine Herrlichkeit zu leugnen und Seine Gnade zu verachten. Darum wird in den Briefen, wie in den Evangelien, stets mit heiliger Eifersucht über die Herrlichkeit des Christus gewacht, und wenn über Seine Erniedrigung gesprochen wird, stets gezeigt, dass Er, der unter die Engel herabstieg, der als Mensch unter sündigen Menschen wohnte, der die menschliche Natur annahm und unter den Menschen den geringsten Platz einnahm, der große Gott war und blieb – der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.

Wie herrlich ist Er! Voll Anbetung beugen wir uns vor Ihm. Wie ist Seine Liebe so unendlich groß! Er hat sich selber für uns dahingegeben. Nicht nur wurde Er Mensch; nicht nur unterwarf Er sich allem menschlichen Leid und allem Elend dieser Erde; sondern Er übergab sich selber dem schmachvollen Tod am Kreuz, „dass er uns loskaufte von aller Gesetzlosigkeit und reinigte sich selbst ein Eigentumsvolk, eifrig in guten Werken“ (Vers 14). Durch Sein Leiden und Sterben an unserer Stelle hat Er uns von aller Ungerechtigkeit erlöst und uns hernach für sich selber zu einem Volk abgesondert, das eifrig sei in guten Werken. Welche Gnade! In unserer Ungerechtigkeit waren wir fern von Gott, standen unter Gottes Zorn, vor uns die ewige Verdammnis als gerechte Strafe, jetzt, von aller Ungerechtigkeit erlöst, sind wir ein Volk für Ihn, ein Volk, das Ihm angehört, das Er Sein Volk nennt, in dessen Mitte Er weilen will und sagt: „Ich schäme Mich nicht, sie Brüder zu nennen.“ „Siehe, Ich und die Kinder, die Gott Mir gegeben hat.“ Und während wir früher in der Ungerechtigkeit lebten und an der Sünde unsere Freude hatten, sind wir nun ein Volk, eifrig in guten Werken. Möchten wir es recht verwirklichen. Es sollte unsere größte Freude und unser herrlichstes Vorrecht sein. Gott hasst die Sünde – wir auch. Gott hat Wohlgefallen an guten Werken – wir auch. Von der Sünde freigemacht, sind wir Sklaven der Gerechtigkeit geworden und sind von Herzen dem Inhalt der Lehre gehorsam, in der wir unterwiesen worden sind.

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