Der 1. Brief an die Korinther

Kapitel 3

Der 1. Brief an die Korinther

Gleich in den Anfangsversen dieses Kapitels stellt der Apostel den Korinther ihren wahren Zustand in sehr deutlichen Worten vor Augen. Sie waren wirklich reich gemacht „in allem Wort und aller Erkenntnis“, aber sie mögen sich eingebildet haben, dafür höchsten Lobes würdig zu sein. Tatsächlich aber mussten sie getadelt werden. Sie waren nicht geistlich, sondern fleischlich.

Die Korinther waren nicht natürlich, denn der „natürliche Mensch“ ist der Mensch in seinem unbekehrten Zustand. Sie waren auch nicht geistlich, denn der geistliche Mensch ist der vom Geist Gottes erleuchtete und beherrschte Mensch. Sie waren fleischlich, denn der fleischliche Mensch, wie er in dieser Stelle gesehen wird, ist der Mensch, der zwar den Geist besitzt, aber nicht vom Geist, sondern vom Fleisch beherrscht wird. Weil sie fleischlich waren, hatte Paulus sie bisher nicht mit fester Speise, sondern mit Milch genährt, das heißt, er hatte sie nur in den elementaren Dingen des Glaubens unterwiesen und ihnen noch nicht viel über die verborgene Weisheit Gottes gesagt, auf die er in Kapitel 2 anspielte.

Die Korinther mochten jedoch den Vorwurf des Paulus übel nehmen und ihn zu widerlegen wünschen. Deshalb beweist der Apostel seinen Anklagepunkt, indem er noch einmal auf ihre Spaltungen unter Parteiführern zurückkommt, eine Ursache zu Neid und Streit in ihrer Mitte. Das war ein Verhalten nach Menschenweise, nicht nach der Weise des Geistes Gottes.

Wenn der Apostel heute an uns schriebe, was würde er sagen? Könnte er etwas anderes vorstellen als genau dieselbe Sache mit noch weit stärkerem Nachdruck? Die Zertrennung der wahren Gläubigen in so viele Abspaltungen oder Sekten könnte kaum noch weiter fortschreiten, als sie gekommen ist. Auch wir würden vielleicht gern die Anklage zurückweisen. Wir könnten sagen: Meinen wir es denn nicht ernst? Haben wir nicht viel Licht? Legen wir die Schrift nicht richtig aus? Die Antwort würde lauten: Solange einige sagen: Ich bin des A., und ein paar andere: Ich bin des B., solange viele sagen: Ich bin des X., und eine Menge sagt: Ich bin des Y. ‑ seid ihr nicht fleischlich?

Wenn wir so sprechen, übersehen wir nicht, dass es einige gibt, die geistlich gesinnt sind. Auch unter den Korinthern gab es solche, wie ein späteres Kapitel zeigt. Aber wir meinen, dass solche, die wirklich geistlich sind, die letzten auf der Erde sein werden, die wünschten, als angesehene und berühmte Ausnahmen hervorzutreten. Sie wissen, dass sie damit das hier angeprangerte Böse nur noch fördern würden, denn man würde sie selbst unverzüglich zu Führern von Parteiungen machen! Nein. Vielmehr würde ihre geistliche Haltung sich in einer demütigen Gesinnung äußern und in einem Bekenntnis, das die Sünde des Volkes Gottes zu ihrer eigenen macht. Sie werden im Sinn von Esra 9 beten. Esra sagte: „Unsere Missetaten sind uns über das Haupt gewachsen, und unsere Schuld ist groß geworden bis an den Himmel“, obwohl er persönlich kaum Anteil an all der Ungerechtigkeit gehabt hatte, vielmehr zeichnete ihn eine außergewöhnliche Frömmigkeit aus.

Dieselbe demütige Gesinnung kennzeichnet hier Paulus. Für sich selbst und auch für Apollos weist er jeden Platz der Wichtigkeit sofort zurück. Offensichtlich hatte er völliges Vertrauen, dass Apollos in dieser Sache genauso dachte wie er selbst, und darum konnte er dessen Namen freimütig erwähnen. Den Namen Kephas (Petrus) lässt er aus, vermutlich aus Zartgefühl, denn Petrus und er hatten sich einmal in einer ernsten Auseinandersetzung gegenübergestanden, wie es Galater 2 bezeugt.

Weder Paulus noch Apollos waren irgendetwas mehr als Diener, durch die zu wirken Gott gefallen hatte. Gott war der große Werkmeister. In diesem Abschnitt (Verse 5‑11) werden die Korinther in zweifacher Weise gesehen: als Gottes Ackerfeld und als Gottes Bau. Paulus und Apollos waren nur „Gottes Mitarbeiter“. Das ist die klare Aussage am Anfang von Vers 9. Sie waren nicht miteinander konkurrierende Arbeiter, noch viel weniger arbeiteten sie gegeneinander. Sie waren Mitarbeiter und standen beide im Dienst Gottes.

Jeder hatte Jedoch seine eigene besondere Arbeit. Paulus pflanzte auf dem Ackerfeld, Apollos kam später, um die jungen Pflanzen zu begießen. Paulus war ein weiser Baumeister, der den Grund legte; Apollos baute weiter darauf auf. Ihre Arbeiten waren verschieden, aber sie hatten ein Ziel. Die Verse 7 und 8 stellen das deutlich heraus. In sich selbst waren Paulus und Apollos nichts, doch sie wirkten ein jeder in dem ihm zugewiesenen Bereich. Und beide waren eins in ihren Plänen und Zielen, obwohl jeder zuletzt nach seinem eigenen Werk belohnt werden würde. So hält Gott unter Seinen Dienern zugleich Einheit und Verschiedenartigkeit aufrecht, nie sollten sie einander gegenübergestellt oder gegeneinander ausgespielt werden.

Soviel über Paulus und Apollos. Doch sie waren nicht die einzigen Arbeiter an dem Werk in Korinth. Am Schluss von Vers 10 wird die Anwendung des Bildes ausgeweitet, um “jeden“ einzuschließen, der an dem Werk in Korinth mit Hand angelegt hatte. Das trifft natürlich gleicherweise auf jeden Menschen zu, der sich in irgendeinem Werk Gottes betätigt, irgendwo und zu irgendeiner Zeit. So gilt es auch für uns heute.

Der Grund war von Paulus gut und endgültig gelegt worden, als er Korinth zuerst besuchte und sich eineinhalb Jahre dort aufhielt. Es war die einzig richtige Grundlage gewesen: Jesus Christus. Nun waren die ihm folgenden Arbeiter gefragt. Es ging nicht so sehr darum, wie sie bauten, sondern was sie in den Bau einbrachten. Waren die Baustoffe kostbar, und konnten sie dem Feuer standhalten? Oder war es gewöhnliches Material, das zudem leicht verzehrt wurde? Der Tag kommt, an dem der Feuertest stattfindet. Er wird alles offenbar machen. Der wahre Charakter aller unserer Werke wird sich zeigen. Nicht bloß, wie viel wir getan haben, sondern „von welcher Art“ die Werke waren. Wie erforschend ist der Gedanke: „DER TAG wird es klar machen.

Wenn dieser Tag sein Licht auf uns wirft und seine Prüfung über uns bringt, kann es geschehen, dass unser Werk bestehen bleibt. Wenn ja, werden wir Lohn empfangen. Gott möge es jedem von uns gewähren!

Anderseits kann das Werk auch verzehrt werden und nichts davon übrig bleiben, doch wir selbst werden gerettet werden, „so wie durchs Feuer“. Als die drei Hebräer durch das Feuer gingen, wie es in Daniel 3 berichtet wird, blieben sie selbst und ihre Kleider von den Flammen gänzlich unberührt: nur ihre Fesseln wurden verzehrt. Was für ein Verlust für uns, wenn wir nackt aus dem Feuer kämen und alles abgestreift wäre, womit wir uns hier als dem Ertrag unserer Arbeit bekleidet hatten.

Offensichtlich hegte der Apostel aber Zweifel, ob alle jene, die in Korinth gearbeitet hatten, wahrhaft bekehrte Menschen waren. Deshalb die ernste Warnung in den Versen 16 und 17. Es mag Arbeit getan worden sein, die sich zerstörerisch auf den Bau auswirkt. Das wirft eine weitere wichtige Frage auf: Welcher Art ist dieser Bau Gottes?

Der Apostel fragt die Korinther, ob sie nicht wüssten, dass sie als Gottes Bau den Charakter Seines Tempels hatten. In ihnen als Seinem Tempel wohnte Gott durch Seinen Geist. Das gab ihnen gemeinschaftlich einen heiligen Charakter. Ein Werk zu betreiben, das den Tempel Gottes „verderben“ oder „zerstören“ würde, wäre äußerst ernst. Wenn an dem künftigen Tag das Werk irgendeines Menschen einen solchen verderblichen Charakter aufweist, wird Gott jenen Menschen ebenso verderben.

Anscheinend gab es damals Männer, die umhergingen und, wie Paulus befürchtete, dieses Zerstörungswerk betrieben, die allerlei Weisheit dieser Welt zur Verfügung hatten und sich den Gläubigen als gewichtige Personen darstellten. Die scharfen Worte in den Versen 18‑20 würden hierin eine Erklärung finden. Die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott. Niemand möge sich in dieser Hinsicht täuschen. Und wenn verderbliche Arbeiter immer noch umhergehen und sich selbst und andere betrügen, so lasst uns ihren Betrügereien nicht erliegen.

Wehe und Verderben haben die zerstörerischen Kritiker zu erwarten, diese halb‑abtrünnigen modernistischen Lehrer der Christenheit! Aufgebläht von der Weisheit dieser Weit, wagen sie es, die Weisheit Gottes zu leugnen oder ihr zu widersprechen. Sie mögen denken, nur ungelehrte und altmodische Christen würden ihnen widerstehen. Sie vergessen den Tag, an dem Gottes Gericht alles klar machen wird ‑ DEN TAG!

Rühmen wir uns nicht der Menschen. Vielleicht sind einige von denen, deren sich die Korinther gerühmt hatten, gar nicht von besonders anziehender Art. Aber auch der besten Menschen dürfen wir uns nicht rühmen. Zum einen ist kein Mensch des Rühmens wert, wie Kapitel 1 uns gezeigt hat. Zum anderen wird hier betont, dass die Gnade uns einen Platz gegeben hat, der uns weit höher erhebt, als dass wir uns noch eines Menschen rühmen sollten. „Alles“ ist unser. Alles? Das ist ein Ausdruck, der uns stutzen lässt. Ist wirklich alles gemeint? Jawohl, betrachte den weiten Bereich von Vers 22. Die besten der Gläubigen einerseits und die Welt anderseits. Leben auf der einen Seite und Tod auf der anderen. Gegenwärtiges und Zukünftiges: alles ist unser.

Wie sind sie denn unser? Vers 23 beantwortet die Frage. Sie sind unser, weil wir Christi sind und Christus Gottes ist. Alles gehört Gott. Niemand kann das bestreiten, und da beginnen wir. Aber dann hat Gott Seinen Christus, und Er ist der Erbe aller Dinge. Und ‑ es ist wundervoll, das auszusprechen ‑ Christus will Seine gewaltigen Besitztümer dadurch praktisch in Besitz nehmen, dass Er sie Seinen Heiligen übergibt. Das wird schon in Daniel 7 angedeutet. Der „Alte an Tagen“ setzt sich auf den höchsten Thron. In dem Augenblick erscheint „einer gleich dem Sohn des Menschen“, und Ihm wurden „Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum“ gegeben. Aber das ist noch nicht der Abschluss der Geschichte, denn wir lesen weiter „, und die Zeit kam, da die Heiligen das Reich in Besitz nahmen“. Lies dieses Kapitel, bevor du hier fortfährst.

So ist alles unser, und wir dürfen das nie vergessen. Die Erinnerung daran wird uns erheben über die Welt mit ihren falschen Verlockungen, über die Weisheit dieser Welt und darüber, uns eines Menschen zu rühmen, sei es auch der beste der Gläubigen.

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel