Das Evangelium nach Markus

Kapitel 4

Das Evangelium nach Markus

Das vorhergehende Kapitel schloß mit der ernsten Erklärung des Herrn, daß Er von jetzt ab nur noch Beziehungen anerkennen würde, die ihre geistliche Grundlage im Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes hatten. Eine solche Feststellung aus Seinem Mund weckte bei den Jünger natürlich die Frage, wie sie denn den Willen Gottes erkennen könnten. Indem wir uns nun diesem Kapitel zuwenden, finden wir die Antwort. Wir erkennen diesen Willen durch Sein Wort, das uns Mitteilungen darüber gibt, was Er ist und was Er für uns getan hat. Was Er von uns will, geht daraus klar hervor.

Immer noch wartete eine große Volksmenge auf Ihn, so daß Er in ein Schiff stieg und sie lehrte. Von diesem Zeitpunkt ab sprach Er in Gleichnissen zu ihnen. Der Grund dafür wird in den Versen 11 und 12 mitgeteilt. Die Führer des Volkes hatten Ihn bereits verworfen, wie im vorigen Kapitel deutlich wurde; die Menge des Volkes verhielt sich eher gleichgültig, abgesehen von Neugierde und Sensationslust, auch „Brote und Fische“ waren ihnen wichtig. Zur bestimmten Zeit würden sie umschwenken und sich der mörderischen Feindseligkeit ihrer Führer anschließen. Der Herr wußte darum, und deshalb gab Er Seiner Unterweisung die Form von Gleichnissen, deren Gehalt für die bestimmt war, die Ohren hatten zu hören. Er sprach in Vers 11 von solchen, „die draußen sind“.

Hier zeigt sich, daß sich schon eine Scheidung anbahnte zwischen solchen, die „drinnen“, und anderen, die „draußen“ waren. Jene drinnen vermochten zu sehen und zu hören, indem sie wirklich wahrnahmen und verstanden, so daß sich ihnen das „Geheimnis“ oder das „Verborgene“ des Reiches Gottes klar enthüllte. Die übrigen waren blind und taub, der Weg zu Bekehrung und Vergebung war ihnen versperrt. Wenn Leute nicht hören wollen, kommt eine Zeit, wo sie nicht hören können. Das Volk wünschte sich einen Messias, der ihnen weltliches Wohlergehen und Ruhm brachte. Einen Messias, der ihnen das Reich Gottes in der geheimnisvollen Form von Bekehrung und Sündenvergebung brachte, brauchten sie – die Ereignisse bewiesen es – nicht.

In eben dieser geheimnisvollen Form besteht das Reich Gottes auch heute, und wir gehen darin ein durch Bekehrung und Vergebung, so daß auf diese Weise Gottes Herrschaft in unseren Herzen Geltung verschafft wird. Auf die Entfaltung des Reiches in Herrlichkeit und Macht warten wir noch.

Das erste Gleichnis dieses Kapitels ist das vom Säemann, dem Samen und den Ergebnissen des Aussäens. Nachdem Er es gesprochen hat, schließt Er mit den Worten: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“ Ob jemand hörende Ohren hat oder nicht, würde sofort deutlich machen, ob er „drinnen“ oder „draußen“ ist. Die Menge Seiner Zuhörer dachte offensichtlich, es handelte sich um eine hübsche und nett anzuhörende Geschichte, und weil sie es dabei beließen, bewiesen sie, daß sie draußen waren. Einige andere und auch die Jünger waren damit nicht zufrieden. Sie wünschten die innere Bedeutung zu kennen und forschten weiter nach. Sie gehörten zu denen, die drinnen sind.

Die Worte des Herrn in Vers 13 zeigen, daß dieses Gleichnis vom Sämann verstanden werden muß, wenn nicht alle anderen Gleichnisse uns unverständlich bleiben sollen. Es ist der Schlüssel, um gleichsam die ganze Reihe aufzuschließen. Der Herr Jesus unterwarf mit Seinem Kommen an erster Stelle Israel einer entscheidenden Prüfung. Würden sie den geliebten Sohn aufnehmen und dadurch die Frucht bringen, die Gott von ihnen, für die der Boden durch das Gesetz bearbeitet worden war, erwarten konnte? Sie würden sie nicht bringen, wie nach und nach deutlich zutage trat. Nun, wenn es so war, sollte ein Zweites aufgerichtet werden. Statt etwas von ihnen zu fordern, würde Er das Wort aussäen, und zu gegebener Zeit würde es, wenigstens in einigen Fällen, die gewünschte Frucht bringen. Diese wichtige Tatsache macht das Gleichnis klar, und wenn wir das nicht erfassen, werden wir auch nicht verstehen, was Er uns anschließend noch zu sagen hat.

Ohne Zweifel war der Herr selbst der Sämann; und das Wort war das göttliche Zeugnis, das Er ausbreitete, denn die „so große Errettung ... hat den Anfang ihrer Verkündigung durch den Herrn empfangen und ist uns von denen bestätigt worden, die sie gehört haben“ (Heb 2,3). Im Johannesevangelium entdecken wir, daß Jesus das Wort ist. Hier sät Er das Wort. Wer könnte es säen wie Er, der es selbst war? Doch sogar dann, wenn Er selbst es säte, würde nicht jedes von Ihm ausgestreute Korn Frucht bringen. Nur in einem von vier Fällen kam es zur Frucht.

Es ist gleicherweise sicher, daß dieses Gleichnis sich in seinen Grundsätzen auf alle nachfolgenden Säer anwenden läßt, die mit dem Wort, als von Ihm gesandt, von jenem Tag an bis heute ausgezogen sind. Jeder Säer des Samens muß deshalb mit diesen mannigfaltigen Erfahrungen rechnen, wie sie dieses Gleichnis in Aussicht stellt. Die unvollkommenen Diener heute können nicht bessere Ergebnisse erwarten, als der vollkommene Diener sie bei der Aussaat damals erzielte. Der Same war in allen Fällen derselbe. Die Unterschiede ergaben sich aus dem Zustand des Bodens, auf den der Same fiel.

Bei den Hörern der ersten Gruppe („an dem Wege“) fand das Wort überhaupt keinen Eingang. Ihre Herzen glichen einem festgetretenen Fußpfad. Selbst an der Oberfläche blieb nicht einmal eine Spur zurück; vielerlei Werkzeuge Satans nahmen das Wort vollständig weg. Völlige Gleichgültigkeit kennzeichnet diese Gruppe.

Die Hörer, die durch steinigen Boden gekennzeichnet werden, sind leicht beeindruckbare, doch oberflächliche Menschen. Sie nehmen das Wort sogleich mit Freuden auf, ohne dafür empfänglich zu sein, welche notwendigen Folgerungen daraus zu ziehen sind. Von wahrhaft Bekehrten wurde gesagt, daß sie „das Wort in vieler Drangsal mit Freude des Heiligen Geistes aufnahmen“ (1. Thes 1,6). Diese Bedrängnisse, die ihrer Freude vorausgingen, rührten daher, daß die überführende Kraft des Wortes sie zum Bewußtsein ihrer Sünde aufgeweckt hatte. Der Hörer des Steinigen überspringt diese Betrübnisse, weil er seine wirkliche Not nicht fühlt, und stürzt sich in eine bloß oberflächliche Freude, die, wenn eine Prüfung kommt, schwindet, und er mit ihr.

Die nächsten Hörer („unter die Dornen gesät“) sind vielbeschäftigte Leute. Ihr Denken ist von weltlichen Dingen beansprucht. Sind sie arm, werden sie von ihren Sorgen verschlungen; sind sie reich, nehmen ihre Reichtümer und alle Vergnügungen, die sie sich dadurch leisten können, sie gefangen; sind sie weder arm noch reich, werden sie von den Begierden nach den übrigen Dingen gefesselt. Sie sind der Armut entronnen, doch um so mehr begehren sie von den guten Dingen dieser Welt, die in Reichweite gerückt zu sein scheinen. Das Wort wird erstickt, weil sie von Irdischem ausgefüllt sind.

Die Hörer der letzten Gruppe („auf die gute Erde gesät“) sind solche, die das Wort nicht nur hören, sondern es aufnehmen und Frucht bringen. Der Boden ist von Pflug und Egge bearbeitet worden. Deshalb ist er zubereitet. Doch auch dann ist nicht jeder gute Boden im selben Grad fruchtbar. Der Ertrag mag nicht der gleiche sein, aber Frucht ist doch da.

Die Auslegung des Gleichnisses bedeutete eine wichtige Belehrung für die Jünger und so auch für uns. Bald würde Er sie aussenden zu predigen, und dann würden sie auch Säer werden. Sie mußten wissen, daß sie das Wort und nur das Wort zu säen hatten, und weiter sollten sie wissen, was zu erwarten war, wenn sie es säten. Es sollte sie auch nicht übermäßig bekümmern, wenn viel von dem Samen verloren zu sein schien oder wenn sich eine Wirkung anzeigte, die nach kurzer Zeit verblaßte, oder auch, wenn Frucht erschien, es aber doch nicht soviel war, wie man erhofft hatte. Wenn einmal das gesteckte Ziel klar gesehen wird, und zum anderen, wie weit die Erwartungen gehen sollten, so trägt das sehr zur Befestigung und Ermutigung in unserem Dienst bei.

Wir müssen bedenken, daß dieses Gleichnis sich ebenso auf das Säen des Wortes in die Herzen von Sündern wie auch von Gläubigen bezieht. Deshalb sollten wir mit geübten Herzen ernstlich erwägen, WIE wir selbst das Wort aufnehmen, daß wir hören mögen, aber auch sorgfältig beobachten, wie andere das Wort aufnehmen, das wir ihnen verkünden.

In den Versen 21 und 22 folgt das kurze Gleichnis von der Lampe und dann in Vers 23 eine wiederholte Warnung, daß wir Ohren haben zu hören. Auf den ersten Blick mag der Wechsel von dem ins Feld ausgestreuten Samen zu einer im Haus angezündeten Lampe unangebracht und zusammenhanglos sein, aber wenn wir wirklich Ohren haben zu hören, werden wir bald erkennen, daß beide Gleichnisse in ihrem geistlichen Gehalt übereinstimmen und zusammengehören. Wenn das Wort Gottes in einem geübten und zubereiteten Herzen aufgenommen wird, so bringt es Gott wohlgefällige Frucht hervor, ebenso aber auch Licht, das von Menschen gesehen und gewürdigt wird.

Keine Lampe wird angezündet, um sie unter einem Scheffel oder einem Bett zu verstecken. Sie soll ihr Licht von einem Ständer aus leuchten lassen. Wie trifft uns der zweite Teil von Vers 22: „... noch gibt es etwas Geheimes, sondern auf daß es ans Licht komme.“ Das Werk Gottes im Herzen durch Sein Wort geschieht im geheimen, und Gottes Auge nimmt die aufsprossende Frucht wahr. Aber zur bestimmten Zeit muß das geheime Werk ans Licht kommen. Jede wahre Bekehrung gleicht dem Anzünden einer neuen Lampe.

Der Scheffel mag die Beschäftigungen des Lebens symbolisieren, und das Bett die Ruhe und Vergnügungen. Aber weder dem einen noch dem anderen darf gestattet werden, das Licht zu verbergen, ebensowenig wie die Sorgen und die Reichtümer und die „übrigen Dinge“ den ausgestreuten Samen ersticken dürfen. Ob wir wohl Ohren haben, das zu hören? Lassen wir das Licht unserer kleinen Lampe leuchten? Es gibt nichts Verborgenes, das nicht offenbar werden wird, so daß wir ganz sicher sein können, daß, wenn ein Licht angezündet worden ist, auch die Verpflichtung da ist, es weit hinausscheinen zu lassen. Wenn man nichts davon sieht, dann deshalb, weil keins da ist.

Dem Gleichnis folgt eine Warnung zu dem, was wir hören. Gottes Walten in Seinen Regierungswegen mit dem Menschen ist damit verknüpft. Mit dem Maß, mit dem wir messen, wird auch uns gemessen werden. Wenn wir das Wort wirklich hören, so daß wir es uns aneignen, werden wir mehr empfangen. Wenn wir so nicht hören, fangen wir an zu verlieren, was wir hatten. In Lukas 8,18 finden wir einen ähnlichen Ausspruch, der sich mit dem „wie“ unseres Hörens befaßt. Aber hier geht es darum, „was“ wir hören.

Auf dem Wie unseres Hörens liegt der Nachdruck in dem Gleichnis vom Säemann, doch was wir hören, ist mindestens ebenso wichtig. Nicht wenige haben die Warnung mißachtet und ihr Ohr Irrtümern geliehen. Sie hörten, und sie hörten sehr aufmerksam, doch ach, was sie hörten, war nicht die Wahrheit, und das Gehörte verdarb sie. Wenn Irrtümer durch unsere Ohren in unsere Herzen gesät werden, werden diese sich zu einer unheilvollen Ernte auswachsen, und Gott wird das in Seiner Regierung zulassen und nicht verhindern.

In den Versen 26 bis 29 haben wir ein Gleichnis, das von dem verborgenen Wirken Gottes handelt. Ein Mensch sät den Samen, und wenn die Frucht reif geworden ist, nimmt er die Sichel, um zu ernten. Aber für das eigentliche Wachstum vom ersten Keimen des Samens bis zum vollen Fruchtstand, vermag er gar nichts zu tun. Wochenlang schläft er und steht auf, Nacht und Tag, und die Vorgänge der Natur tun still ihr Werk, wie Gott es verordnet hat, und der Mensch versteht es nicht. „Er weiß nicht wie“ ist auch heute noch wahr. Wohl ist der Mensch mit seinen Forschungen weit gekommen, aber das wirkliche Wie dieses wunderbaren Prozesses, der in der Natur, der großen Werkstatt Gottes, vonstatten geht, entzieht sich ihm nach wie vor.

So ist es auch in Gottes geistlicher Werkstatt, wenn wir diesen Ausdruck einmal gebrauchen dürfen, und es ist nützlich, das zu beherzigen. Manche sind eifrig bestrebt, das Werk des Geistes in einer Seele in seinem genauen Ablauf zu zergliedern und zu beschreiben. Diese verborgenen Dinge üben bisweilen eine starke Anziehung auf unseren Geist aus, und wir möchten sie gern meisterlich steuern. Aber das schaffen wir nicht. Unser beglückendes Vorrecht ist es, den Samen zu säen, und auch, zur bestimmten Zeit die Sichel zu nehmen, um zu ernten. Die Wirkung des Wortes im Menschenherzen wird im Verborgenen durch den Heiligen Geist vollbracht. Sein Werk ist selbstverständlich vollkommen.

Dem Werk des Menschen haftet immer Unvollkommenheit an. Wenn uns gestattet ist, und es ist ja so, unsere Hand am Werk Gottes mitanzulegen, bringen wir in unserem Tun Unvollkommenheit hinein. Das nächste Gleichnis in den Versen 30 bis 32 stellt dies vor. Das Reich Gottes existiert heute in lebendiger und wirklicher Weise in denen, die durch Bekehrung unter Gottes Autorität und Führung gekommen sind. Doch man kann es auch als eine mehr äußere Erscheinung betrachten, der wir überall da begegnen, wo Menschen durch ihr Bekenntnis Gott anerkennen. Das eine ist das Reich, soweit es vom Geist errichtet ist. Das andere ist das Reich, gesehen als von Menschen aufgerichtet. Letzteres ist auf der Erde zu einem großartigen, eindrucksvollen Gebilde geworden, das vielen „Vögeln des Himmels“ Schutz gewährt, und was sie bedeuten, haben wir in den Versen 4 und 15 bereits gesehen – es sind Werkzeuge Satans.

Dieses abschließende Gleichnis in dieser Reihe enthielt eine weitreichende Warnung für die Jünger, während die vorausgehenden voller Belehrungen für sie waren. Sie waren bei Ihm und in Seiner Schule, ehe sie zum Dienst ausgesandt wurden. Sieben besondere Punkte sind uns gezeigt worden:

  1. Das Werk der Jünger in der gegenwärtigen Zeit ist das Säen.
  2. Was gesät wird, ist das Wort.
  3. Das Ergebnis des Säens ist unter vier Gesichtspunkten einzuordnen; nur in einem Fall gibt es Frucht, und zwar in verschiedenen Ertragsmengen.
  4. Das Wort bringt sowohl Licht als auch Frucht hervor, und das Licht soll unter den Menschen offenbar werden.
  5. Der Jünger selbst ist sowohl ein Hörer des Wortes als auch ein Säer des Wortes, daher muß er sorgfältig darauf achten, was er hört.
  6. Die Wirksamkeit des Wortes in den Seelen ist nicht unser, sondern Gottes Werk. Unser Werk ist das Säen und das Ernten.
  7. Dadurch, daß der Mensch an dem gegenwärtigen Werk der Ausdehnung des Reiches Gottes beteiligt ist, schleicht sich Böses ein. Das Reich, als Werk des Menschen betrachtet, hat eine sehr imposante, aber verderbte Erscheinung zum Ergebnis. Und diese Tatsache bedeutet eine ernste Warnung, die wir beherzigen sollten.

Der Herr hat noch viele andere Gleichnisse gesprochen, die uns jedoch nicht überliefert sind. Da sie an die Jünger gerichtet waren und ihnen erklärt wurden, waren sie zweifellos wichtig für sie in ihren besonderen Umständen, nicht aber von der gleichen Bedeutung für uns. Die für uns wichtigen Gleichnisse sind in Matthäus 13 enthalten.

Mit Vers 34 enden Seine Belehrungen, und von Vers 35 bis zum Schluß von Kapitel 5 wird der Bericht über Seine wundervollen Taten fortgesetzt. Es war nötig für Seine Jünger, daß sie in Seiner unmittelbaren Nähe erlebten, was Er tat und auch, wie Er es tat; dies war ebenso nötig, wie die Unterweisung von Seinen Lippen zu hören. Beides trifft auf uns gleicherweise zu.

Die Volksmenge, die Seinen Reden gelauscht hatte, ohne sie zu verstehen, wurde jetzt entlassen, und sie setzten zum anderen Seeufer über. Es war Abend, Er lag im Hinterteil des Schiffes und schlief auf einem Kopfkissen. Der See war bekannt wegen plötzlicher und heftiger Stürme, die ihn aufwühlten, und ein solcher Sturm von besonderer Heftigkeit brach los und drohte das Boot zu versenken. Satan ist „der Fürst der Gewalt der Luft“, deshalb nehmen wir an, daß seine Macht hinter den tosenden Naturgewalten wirkte. Unversehens sahen sich so die Jünger einer Probe und einer Herausforderung gegenüber. Wer war denn diese Person, die bei alledem im Heck des Schiffes schlief?

Vermochte wohl Satan den Naturgewalten in einer Weise zu gebieten, daß das Boot, in dem der Sohn Gottes ruhte, zum Sinken kam? Doch der Sohn Gottes wurde als ein Mensch erfunden, und Er schlief! Nun ja, was tut das zur Sache? – wenn Er der Sohn Gottes ist. Der Einbruch des Widersachers, diesen Sturm zu entfachen, während Er schlief, war tatsächlich eine starke Herausforderung. Doch bisher hatten die Jünger diese Tatsachen – wenn überhaupt – höchstens sehr verschwommen erfaßt. Und als seemännische Erfahrung ihnen nicht weiterhalf, überfiel sie deshalb die Furcht. Sie weckten Ihn auf mit einem wenig zuversichtlichen Anruf, der einen Schatten auf Seine Freundlichkeit und Liebe warf, der aber auch Glauben an Seine Macht ausdrückte.

Er erhob sich sogleich in der Majestät Seiner Macht. Er bedrohte den Wind, der in erster Linie das Instrument Satans war. Er gebot dem See, ruhig und still zu werden, und er gehorchte. Gleich einem ungestümen Hund, der auf den Ruf seines Herrn sich ergeben niederlegt, so lag der See zu Seinen Füßen. Er war vollständig Meister dieser Lage.

Nachdem Er so die Naturkräfte in ihre Schranken gewiesen wie auch die feindliche Macht, die dahinter stand, wandte Er sich an die Jünger, um ihnen durch einen sanften Tadel zu dienen. Glaube ist geistliche Sicht, aber bis jetzt waren die Augen der Jünger kaum geöffnet, um wahrzunehmen, wer Er war. Wenn sie nur ein wenig von der Ihm eigenen Herrlichkeit erkannt hätten, dann brauchte solche Angst sie nicht lähmen. Und jetzt, nachdem sie die Entfaltung Seiner Macht erlebt hatten, waren sie immer noch furchtsam und stellten sich die Frage, was für ein Mensch Er denn sei. Ein Mensch, der dem Wind und dem See befehlen kann – und sie gehorchen Ihm –, ist offensichtlich kein gewöhnlicher Mensch. Doch wer ist Er? – das ist die Frage.

Kein Jünger kann ausgehen, Ihm zu dienen, ehe diese Frage beantwortet und in seiner Seele gründlich geklärt ist. Bevor Er sie aussendet, sind deshalb weitere Beweise Seiner Macht und Gnade vor ihren Augen nötig, wie sie uns in Kapitel 5 berichtet werden.

Auch wir in unseren Tagen bedürfen einer völligen Gewißheit darüber, wer Er ist, bevor wir suchen, Ihm zu dienen. Was für ein Mensch Er ist – das ist die entscheidende Frage. Bis wir sie richtig und klar beantworten können, müssen wir schweigen.

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel