Der Prophet Obadja

Situation der Prophetie

Obadja ist der vierte der kleinen Propheten. Sein Name bedeutet: Knecht des Herrn. In einer Auslegung von uns 1 über den Propheten Elia haben wir von einem Obadja gesprochen, der am Hof Ahabs lebte wo er den Dienst des Hausverwalters erfüllte, und der, obwohl Diener eines gottlosen Königs, auch ein gottesfürchtiger Mann war. Der uns heute beschäftigt ist der Verfasser des kürzesten Buches der Bibel. Über die Zeit, in der er lebte, weiß man nichts Positives und über sein Leben gibt uns die Bibel nichts Näheres. Wahrscheinlich prophezeite er kurze Zeit nach der Zerstörung Jerusalems; in diesem Fall wäre er Zeitgenosse von Jeremia gewesen. Seine Prophezeiung wendet sich, wie die von Jona und Nahum, an das Gericht der Nationen. Viele von Euch wissen, dass das Wort alle Völker als Nationen bezeichnet, die nicht zum Volk Gottes gehörten, das, vor der Zeit der Gnade, das einzige Volk Gottes war. Die Nationen waren Heiden oder Götzendiener. Gleichwohl werden die Treuen, die das Heidentum verlassen haben, Nationen genannt um sie von den gläubigen Juden zu unterscheiden (Röm 15,16; Gal 2,12–14).

Vers 1–16

In den ersten sechzehn Versen seines Buches verkündigt Obadja den Edomitern die Strafe, die der Herr wegen ihres Hochmuts – Der Übermut deines Herzens hat dich verführt, der du in Felsenklüften, auf hohem Sitze wohnst und in deinem Herzen sprichst: Wer wird mich zur Erde hinabstürzen?“ (V. 3) – und wegen ihrer Eifersucht und ihres Hasses gegen ihre Brüder, die Kinder Jakob, auf sie fallen lassen wird. Der Ausdruck „ihrer Brüder“ lässt uns verstehen, dass die beiden Völker einen gleichen Ursprung hatten. Tatsächlich stammen beide von Isaak ab und die Edomiter (oder Idumäer) sind die Nachkommen Esaus, des Bruders Jakob. Esau wurde auch Edom (was „rot“ bedeutet) genannt, was vielleicht an der Farbe der Suppe lag, die er verlangte und für die er sein Erstgeburtsrecht verkaufte. Wenn man 1. Mose 27 liest, sieht man wie Jakob, obwohl er noch jung war, die Segnungen und Verheißungen erbte, die ihm gegeben waren und die die Nachkommenschaft als Volk Gottes beinhalteten. Dort wurde dies das Motiv für den tiefen Hass Esaus und seiner Nachkommen hinsichtlich Israel und sie zeigten diesen Hass bei allen Gelegenheiten; zuerst bei Esau indem er seinem Bruder droht (1. Mose 27,41); dann bei den Edomitern die oft mit den Königen von Juda Krieg führten, wie es häufig in den Büchern der Könige und Chronika berichtet ist. Und diese Feindschaft zeigt sich besonders zur Zeit der Belagerung von Jerusalem durch Nebukadnezar. Da freuten sich die Edomiter und trieben ihre Feigheit soweit, indem sie aus dem Unglück der Besiegten während des Falles der Stadt Gewinn zogen. Auch Obadja wirft ihnen mit sehr deutlichen und harten Ausdrücken und von seiten Gottes ihre Einstellung und ihr Verhalten gegenüber Israel vor: „An dem Tage, da du gegenüber standest, an dem Tage, da Fremde sein Vermögen hinwegführten, und Ausländer zu seinen Toren einzogen und über Jerusalem das Los warfen, da warst auch du wie einer von ihnen. Und du solltest nicht auf den Tag deines Bruders sehen am Tage seines Missgeschicks, und dich nicht freuen über die Kinder Juda am Tage ihres Untergangs, noch dein Maul aufsperren am Tage der Bedrängnis; du solltest nicht in das Tor meines Volkes einziehen am Tage seiner Not, und du, auch du, nicht auf sein Unglück sehen am Tage seiner Not, noch deine Hand ausstrecken nach seinem Vermögen am Tage seiner Not; und du solltest nicht am Kreuzwege stehen, um seine Flüchtlinge zu vertilgen, und solltest seine Entronnenen nicht ausliefern am Tage der Bedrängnis.“ (Obadja 11–14)

Die über Edom angekündigte Bestrafung steht auch im Verhältnis zu seiner Schuld: das Volk wurde vollständig ausgerottet. Wenn Diebe über dich gekommen wären, wenn nächtliche Räuber – wie bist du vernichtet! – würden sie nicht gestohlen haben nach ihrer Genüge? Wenn Winzer über dich gekommen wären, würden sie nicht eine Nachlese übriggelassen haben? Wie sind die von Esau durchsucht, ausgeforscht ihre verborgenen Schätze! ... Und deine Helden, Teman, werden verzagen, auf dass jedermann vom Gebirge Esaus ausgerottet werde durch Ermordung. ... und das Haus Esau zu Stoppeln; ... Und das Haus Esau wird keinen Übriggebliebenen haben, denn Jehova hat geredet“ (v. 5–6. 9. 18). Diese Prophetie wurde bald erfüllt. Tatsächlich wandte sich Nebukadnezar, der König von Babylon, fünf Jahre nach der Zerstörung Jerusalems gegen seine ehemaligen Verbündeten, die Edomiter und richtete sie zugrunde. „Alle deine Bundesgenossen haben dich bis zur Grenze geschickt; betrogen, überwältigt haben dich deine Freunde, die dein Brot aßen sie legten eine Schlinge unter dich. Es ist kein Verstand in ihm.“ (V. 7) So geschieht es auch den Verbündeten der Welt. Diese fürchterlichen Drohungen gegen die Idumäer sind auch durch die Propheten Jesaja, Jeremia, Hesekiel und Joel ausgesprochen worden. Das Land Edoms, oder Idumäers, ist eine hügelige Landschaft zwischen dem Toten Meer und dem Roten Meer, im Südosten von Kanaan gelegen. Früher war es fruchtbar, aber neuzeitliche Besucher bestätigen, dass die Gegend heutzutage dürr und öde ist, was bezeugt, dass die Prophetie erfüllt ist.

Vers 17–21

Von Vers 17 an bis zum Schluss des Buches verkündet Obadja die Wiederherstellung Israels und die Aufrichtung Jakobs: „Aber auf dem Berge Zion wird Errettung sein und er wird heilig sein; und die vom Hause Jakob werden ihre Besitzungen wieder in Besitz nehmen ... Und die vom Süden werden das Gebirge Esaus, und die von der Niederung die Philister in Besitz nehmen; und sie [die Söhne Israels] werden das Gefilde Ephraims und das Gefilde Samarias, und Benjamin wird Gilead in Besitz nehmen; und die Weggeführten dieses Heeres der Kinder Israel werden in Besitz nehmen, was den Kanaanitern gehört bis nach Zarpath hin; und die Weggeführten von Jerusalem, welche in Sepharad sind, die Städte des Südens. Und es werden Retter auf den Berg Zion ziehen, um das Gebirge Esaus zu richten; und das Reich wird Jehova gehören.“

Wir wissen, dass Israel, nachdem es von Gott für eine Zeit wegen seiner zahlreichen Aufsässigkeiten verworfen und über die ganze Erde verstreut war, wieder in sein Land und seine Stadt Jerusalem zurückkehren wird. Der Herr Jesus selbst wird hinsichtlich des Volkes die Verheißungen, die Gott ihren Vätern gemacht hat, erfüllen. Christus wird den Segen, Wohlstand und Frieden mit sich bringen, wenn er mit seiner Versammlung kommen und seine Herrschaft im 1000-jährigen Reich, das nach einer Zeit der Unruhe, Trübsal und Arbeit mit dieser armen Erde folgt, aufrichten wird.

Zusammenfassung

Zusammenfassend zeigt uns das Buch Obadja:

  • In Edom: den Hass der Welt gegen Gott und das, was von ihm ist, und das Gericht, was damit endet.
  • In Israel: die unveränderliche Treue des Herrn denen gegenüber, die zu ihm gehören, und die Gegenstände seiner Verheißungen und seines Segens sind.

Möge die Gnade so in unseren Herzen wirken, dass, viel besser als Israel deren Segnungen irdisch sind, wir an den himmlischen Segnungen, die Christus uns durch sein kostbares Blut erworben hat, teilhaben, damit auch wir zu der Menge gehören, die mit ihm herrschen werden.

Fußnoten

  • 1 Im Französischen gibt es von demselben Autor Auslegungen über weitere Teile der Bibel (siehe www.bibliquest.org).