Botschafter des Heils in Christo 1853

Der Friede mit Gott

„Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Röm 5,1).

Das Teil jedes Gläubigen ist es, von sich selbst zu sagen: „Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Röm 5,1). Kann er dies nicht, so bleibt nichtsdestoweniger wahr, dass Gott ihn gerechtfertigt sieht. Der Friede seiner Seele hängt jedoch von der Fähigkeit ab, es selbst zu sagen, und das ganze daraus hervorgehende Glück genießen zu können. Diese Sprache ist keine andere, als die des Glaubens im Gegensatz zu der des Unglaubens und sie drückt das aus, was allein der Glaube finden kann. Wer an Jesus glaubt und dies nicht bezeugen kann, bietet ein trauriges Beispiel dar von der Verschlagenheit des bösen und ungläubigen Herzens, das wir noch in uns herumtragen.

Was den Glauben betrifft, so ist zu bemerken, dass der rechtfertigende Glaube immer auf einen außer uns sich befindenden Gegenstand hinblickt. Dies soll uns als Prüfstein dienen, um unterscheiden zu können, was der Glaube ist oder was er nicht ist. Alles, was in uns die Grundlage des Friedens mit Gott sucht, ist nicht der Glaube, denn dieser findet immer in der Person und im Werk des Herrn Jesus Christus die Grundlage des Friedens. Hieraus folgt, dass der Glaube nicht nach Innen – auf das, was der Mensch in sich selbst –, sondern nach Außen – auf das, was Jesus ist –, schaut, um die Beweise zu finden, dass der Friede mit Gott geschlossen ist. Der Unglaube sucht den Frieden stets im Entgegengesetzten, niemals blickt er auf Jesus, immer auf den Menschen. Der Unglaube kann nie sagen: Ich vertraue nicht auf Fleisch, denn er setzt seine ganze Zuversicht auf dasselbe, wohingegen der Glaube dies immer sagt und hinzufügt: Ich erfreue mich in Christus Jesus. Auf das „ich“ setzt der Glaube keinen Wert, denn er liebt es, sich mit Christus zu beschäftigen. Der Glaube ist also immer demütig und heilig. O wie unnennbar ist dieses Vorrecht, meine Seele durch den Glauben auf Jesus heften zu können, ihn zu schauen, und seine ganze Vortrefflichkeit als die meine betrachten zu dürfen! Den lebendigen und tätigen Glauben zu haben, welcher sich von dem „ich“ und allem, was daraus entspringt, wegwendet, und erkennt, dass alles, was nötig ist, um mich vor Gott empfehlen zu können, sich in Christus für mich befindet! Bedarf ich der Vergebung der Sünden? Sein Blut reinigt von aller Sünde (vgl. 1. Joh 1,7). Bedarf ich des Lebens? „In Ihm war Leben“ (Joh 1,4). Gott hat uns „ewiges Leben gegeben, und dieses Leben ist in seinem Sohne“ (1. Joh 5,11). Bedarf ich der Gerechtigkeit? Jesus Christus ist uns Gerechtigkeit geworden von Gott (vgl. 1. Kor 1,30). Dies ist auch von jeder anderen Vollkommenheit zu sagen. Alles was vor Gott vortrefflich und köstlich ist, findet sich in Ihm und der Gläubige ist angenommen in dem Geliebten. So findet der Glaube den Frieden, die unaussprechliche Freude voller Herrlichkeit, denn er ergreift den unendlichen Wert des Blutes Jesu, die unbegrenzten Vorzüge von Jesus selbst, und eignet sich alles an. Es ist zu bemerken, dass der Glaube Jesus und sein Blut nicht als etwas für sich gleichgültiges anteilloses betrachtet, wie z.B. jemand die Reichtümer eines anderen ansehen würde – nein, der Glaube sieht alle Reichtümer und alle Vorzüge des Christus als die seinen an. So finden wir den Frieden und die Freude durch den Glauben. In der Betrachtung von Christus und seinen Reichtümern in der Herrlichkeit würde ich niemals Frieden finden, wenn ich nicht zusetzen dürfte: Alles ist mein – im Gegenteil würde es mir eine beständige Qual sein. Aber der Glaube eignet sich Christus immer an, und so betrachtet Ihn der Gläubige. Man wird fragen: Welches Recht hat er dazu, und wie kann er es tun? Ich antworte: Durch die Bevollmächtigung Gottes selbst, denn Gott stellt Christus einer Seele niemals zu einem anderen Zweck vor, als dazu, dass diese Seele sich Christus selbst zu eigen machen könne durch den Glauben. Die Absicht Gottes, wenn Jesus gepredigt wird, ist also nicht, die Seelen zu quälen durch die Darstellung eines Gutes, zu dessen Besitz sie nicht kommen können, sondern ihnen diese „frohe Kunde“ zu offenbaren, dass Christus mit aller seiner Vollkommenheit und seiner bewunderungswürdigen Herrlichkeit jeder Seele, die an ihn glaubt, angehört. Lasst uns sorgsam über das ungläubige Herz wachen, welches nach der Einflüsterung Satans spricht: „Ich glaube wohl an Jesus Christus, sowie Gott es im Evangelium angekündigt hat, aber ist er mein?“ Beklagenswerte Ungläubigkeit! Die nur eine Lüge des Feindes ist, weil Gott erklärt hat, dass „durch diesen jeder Glaubende gerechtfertigt“ wird (Apg 13,39). Hier stellt uns Gott den Glauben an Jesus und unsere Rechtfertigung als ein und dasselbe dar. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden!

Es ist zu beobachten: Dass, obwohl der Glaube sich immer mit Jesus, als der Grundlage des Friedens beschäftigt, er Ihn auch, als den Weg, der zu Gott führt, kennt. Wir haben „Frieden mit Gott, durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Röm 5,1). Wir sollen nie vergessen, dass Gott, indem er seinen Sohn gab, uns zu sich führen wollte. Christus ist gestorben, Er, der Gerechte für die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe (vgl. 1. Pet 3,18). Diese Wahrheit zu entdecken, und das zu genießen, was daraus entspringt, ist die große Freude des Glaubens. Es ist eine unvollkommene Kenntnis dessen, was Jesus selbst ist, bei Ihm, als der Grundlage des Friedens, stehen zu bleiben, ohne Ihn als das Mittel, das uns zu Gott führen soll, zu ergreifen. In der Gegenwart Gottes ist es, wo wir zu lernen haben, was die Glückseligkeit Christi ist, und dort sollen wir sie auch genießen. Gott selbst ist die höchste Ruhe des Glaubens. „Damit euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott sei“ (1. Pet 1,21). Da ruht die Seele aus, denn sie hat die Quelle selbst und die Fülle jeglicher Seligkeit erreicht. Da ruht Jesus selbst aus: in Gott mit allen, die durch ihn zu Gott geführt wurden. O, welch eine Wohnung ist dies! Welch ein Zufluchtsort! Welch heilige Ruhestätte! Es bedurfte nichts weniger als der Gnade, um uns Sünder dahin zu versetzen! Nichts weniger, als dass Gott die ganze Vortrefflichkeit Christi auf uns legte, um uns für jene Wohnung zuzubereiten. Hierdurch haben wir nun den Frieden, „den Frieden mit Gott“. Das Teil des Glaubens ist der Wert des Christus. So ist jeder Gläubige wie Christus selber, für die Gegenwart und den Schoß Gottes geeignet. „Ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes“ (1. Kor 3,23). Wer an Jesus Christus glaubt, wie es im Evangelium verkündet ist, besitzt den ganzen Wert dessen, an den er geglaubt hat. Was sein Glaube ergriffen hat, gehört ihm auf ewig und in dieser Hinsicht kann er niemals mehr empfangen, als er in dem Augenblick erhielt, wo sein Glaube Jesus umfasste.

Es ist wahr, der Gläubige soll fortschreiten in der Erkenntnis dessen, was er empfangen hat, aber den Wert einer Gabe erkennen lernen oder dieselbe zu empfangen, sind zwei verschiedene Dinge. Wenn eine Seele an Jesus glaubt, so gehört Jesus ihr an. Gott hat sie Ihm gegeben, und Ihn ihr. Indessen wird sie immer mehr den unaussprechlichen Wert dieser wundervollen Gabe kennen lernen. Welch ein Unterschied, in der Erkenntnis Jesu zu wachsen, wissend, dass er mein ist, oder hierin noch im Ungewissen zu sein. Wie elend ist dieser letzte Zustand, wie selig der Erste! Ein vor Hunger Sterbender, der durch ein Gitter ein Gastmahl sieht, an welchem er sich nicht sättigen kann – wie unglücklich ist ein solcher. Oder, wie qualvoll sieht ein von Kleidern ganz entblößter Mensch eine Menge Gewänder an, die ihm nicht gehören, und nicht für ihn sind. Aber welche Wonne, an jener Tafel zu sitzen, aller ihrer Gerichte teilhaftig zu sein und das schöne Gewebe, den ewigen Stoff des Rockes bewundern zu dürfen, mit welchem die Liebe ihn schon bekleidet hat! Dies ist es, was das Herz mit Dank, den Mund mit Lob erfüllt, die friedliche Freude des Glaubens. Nur die, welche bestimmt wissen, dass Gott sie gesegnet und reich gemacht hat, können Gott danken (vgl. 1. Pet 1,3–9). Satan weiß dies und bemüht sich deshalb, die Gläubigen in den Zweifel zu führen, um sie des Friedens zu berauben, damit sie gehindert seien, Gott zu loben und Jesus zu preisen. Aber während er dies tut, so ist ein Größerer als er da, welcher die Seele stets zum vollkommenen Frieden zu leiten sucht. Der Geist Gottes nimmt von dem, was Jesus ist und verkündet es uns (vgl. Joh 16,14). Er leitet deshalb immer zu Christus und durch dieses einzige Mittel führt er zum Frieden. Zu diesem Endzweck ist der Heilige Geist dem Gläubigen gegeben. Sein gesegnetes Werk ist es, dem Gläubigen zu bezeugen, was Jesus ist und was Er für ihn ist (vgl. Joh 4). Der Gläubige hat also Gott selbst, den Heiligen Geist, der stets bereit ist, seinen Glauben zur Quelle und zum Behälter aller Segnungen zu lenken. In diesem Werk ist der Geist nicht nur der, welcher die Segnungen der Seele offenbart, sondern er ist auch für die, welche sie erblickten, der Zeuge, dass Alles, ja Alles ihnen ist (vgl. Röm 8,16; Eph 1,13–14). Der Unglaube wendet das Haupt, trägt seine Blicke ins Innere und spricht: „Lasst uns auf uns sehen“. So wendet er sich weg von der Fülle der Segnungen, die in Christus ist, wo der Geist hinführen will, um sein eigenes Elend und seine Armut zu betrachten. Soll man da erstaunt sein, wenn von allen, die so handeln, nicht Einer den Frieden findet. Sie können den Frieden nicht haben, denn Gott hat erklärt, dass der Friede durch den Glauben an Jesus kommt. Wenn wir nun unsere Blicke, um ihn zu haben, auf uns selbst richten, so werden wir ihn nie finden.

Ich sagte, dass Jesus, im Glauben ergriffen, Friede, Freude, Vertrauen und Lob erweckt – aber noch mehr: Er gibt die Macht, in Heiligkeit zu leben, der Sünde, Satan, dem Fleisch und der Welt zu widerstehen. Erinnern wir uns, dass wir niemals eine Macht wahrhaft aus Gott erhalten werden, um dem Übel zu widerstehen und das Gute zu tun, es sei denn durch den Glauben, der selbst durch den Heiligen Geist gelenkt wird. Nur die also, die einen vollen, vollkommenen Frieden durch den Glauben an Christus haben, werden wahrhaft heilig sein in ihrem ganzen praktischen Leben.

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