Das Buch des Propheten Jeremia

Kapitel 50

8. Babel Teil 1

Die Ankündigung des Gerichts über Babel

„Das Wort, das der HERR über Babel, über das Land der Chaldäer, durch den Propheten Jeremia geredet hat. Verkündigt es unter den Nationen und lasst es hören, und erhebt ein Banner; lasst es hören, verhehlt es nicht! Sprecht: Babel ist eingenommen, Bel zuschanden geworden, Merodak bestürzt; ihre Götzenbilder sind zuschanden geworden, ihre Götzen sind bestürzt. Denn von Norden her ist eine Nation gegen es heraufgezogen: Diese wird sein Land zur Wüste machen, dass kein Bewohner mehr darin sein wird; sowohl Menschen als Vieh sind geflohen, weggezogen.“ (Jer 50,1–3)

Im ganzen Buch Jeremia nehmen Babel, dessen König und das Land der Chaldäer unter den Israel fremden Nationen einen maßgeblichen Platz ein. Sie sind das Instrument des HERRN, um seine Gerichte über Juda und Jerusalem sowie über alle übrigen Nationen auszuüben. Infolge der Beiseitesetzung Israels als Mittelpunkt der Regierung Gottes auf der Erde ist die Weltherrschaft dem König Babels anvertraut worden. Aber das Gericht über Babel wird ebenfalls in detaillierter Weise angekündigt, sieben Jahre vor der Einnahme Jerusalems. 1

Die Gerichte über die übrigen Nationen (Kap. 46–49) zielen darauf ab, dem König von Babel für eine gewisse Zeit die Weltherrschaft anzuvertrauen. Diese Vorherrschaft war der Anlass zu einem hochmütigen und maßlosen Götzendienst und einem erbitterten Hass gegen das Volk Gottes.

Das Gericht über Babel offenbart was der König und das Volk, denen der HERR die höchstmögliche Macht anvertraut hatte, verdienen. Die Ankündigung des Falls von Babel und die Zerstörung seiner Götzen werden mehr ausgebreitet als seine Herrschaft über diese Erde, die kaum größer sein konnte.

Der Fall Babels und die Rückkehr des Überrests aus Israel

„In jenen Tagen und zu jener Zeit, spricht der HERR, werden die Kinder Israel kommen, sie und die Kinder Juda zusammen; weinend werden sie gehen und den HERRN, ihren Gott, suchen. Sie werden nach Zion fragen, auf den Weg dahin ist ihr Angesicht gerichtet: Kommt und schließt euch dem HERRN an mit einem ewigen Bund, der nicht vergessen werden soll! Mein Volk war eine verlorene Schafherde: Ihre Hirten leiteten sie irre auf verführerische Berge; sie gingen von Berg zu Hügel, vergaßen ihre Lagerstätte. Alle, die sie fanden, fraßen sie; und ihre Feinde sprachen: Wir machen uns nicht schuldig, weil sie gegen den HERRN gesündigt haben, die Wohnung der Gerechtigkeit, und gegen den HERRN, die Erwartung ihrer Väter. Flüchtet aus Babel hinaus und zieht aus dem Land der Chaldäer und seid wie die Böcke vor der Herde her! Denn siehe, ich erwecke und führe herauf gegen Babel eine Versammlung großer Nationen aus dem Land des Nordens, und sie werden sich gegen es aufstellen: Von dort aus wird es eingenommen werden. Ihre Pfeile sind wie die eines geschickten Helden, der nicht leer zurückkehrt. Und Chaldäa wird zum Raub werden; alle, die es berauben, werden satt werden, spricht der HERR. Denn mögt ihr euch auch freuen, denn mögt ihr auch frohlocken, Plünderer meines Erbteils, denn mögt ihr auch hüpfen wie eine dreschende junge Kuh und wiehern wie starke Pferde – sehr beschämt ist eure Mutter, zuschanden geworden eure Gebärerin. Siehe, es ist die letzte der Nationen, eine Wüste, eine Dürre und eine Steppe. Vor dem Grimm des HERRN wird es nicht mehr bewohnt werden, sondern eine Wüste sein ganz und gar. Jeder, der an Babel vorüberzieht, wird sich entsetzen und zischen über alle seine Plagen. Stellt euch ringsum auf gegen Babel, alle, die ihr den Bogen spannt; schießt darauf, schont die Pfeile nicht! Denn gegen den HERRN hat es gesündigt. Erhebt ein Kriegsgeschrei gegen es ringsum! Es hat sich ergeben; gefallen sind seine Festungswerke, niedergerissen seine Mauern. Denn es ist die Rache des HERRN. Rächt euch an ihm, tut ihm, wie es getan hat! Rottet aus Babel den Sämann aus und den, der die Sichel führt zur Erntezeit! Vor dem gewalttätigen Schwert wird sich jeder zu seinem Volk wenden und jeder in sein Land fliehen. Israel ist ein versprengtes Schaf, das Löwen verscheucht haben. Zuerst hat der König von Assyrien es gefressen, und nun zuletzt hat Nebukadrezar, der König von Babel, ihm die Knochen zermalmt. Darum, so spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Siehe, ich suche den König von Babel und sein Land heim, wie ich den König von Assyrien heimgesucht habe. Und ich will Israel zu seinem Weideplatz zurückbringen, dass es den Karmel und Basan beweide und seine Seele sich sättige auf dem Gebirge Ephraim und in Gilead. In jenen Tagen und zu jener Zeit, spricht der HERR, wird Israels Ungerechtigkeit gesucht werden, und sie wird nicht da sein, und die Sünden Judas, und sie werden nicht gefunden werden; denn ich will denen vergeben, die ich übrig lasse.“ (Jer 50,4–20)

Im geschichtlichen Kontext markiert der Fall Babels den Beginn der Rückkehr der jüdischen Gefangenen in ihr Land. 2 Auf diese Rückkehr wird hier angespielt, aber man bemerke, dass es heißt: es „werden die Kinder Israel kommen, sie und die Kinder Juda zusammen“ (V. 4). Die prophetische Sichtweise erstreckt sich demnach bis zur endgültigen Befreiung ganz Israels in der Zukunft.

Eine „Versammlung großer Nationen“ wird im Norden gegen Babel heraufziehen, um es einzunehmen und zu zerstören (V. 9). Dies wird die Antwort auf das Verhalten Babels sein, das selbst das Erbteil des HERRN plünderte (V. 11). Seine Zerstörung wird derartig sein, dass alle, die die Beschreibungen seiner vergangenen Herrlichkeit gehört haben, sich entsetzen werden. Seine Feinde werden dazu aufgerufen es zu belagern und nicht zu verschonen, weil es sich gegen den HERRN selbst versündigt hat.

Israel ist stets der Gegenstand der Liebe und Fürsorge des HERRN, welcher der Hirte Israels ist (Jer 31,10; Ps 80,1). Israel ist seine Herde, sie sind seine Schafe (Ps 78,52). „Zuerst hat der König Assyriens es gefressen“ und anschließend der König Babels ihm die Knochen zermalmt (V. 17). Es muss so sein, dass das Gericht über den König Babels kommt, wie es bereits über den assyrischen König gekommen ist, damit Israel „zu seinem Weideplatz“ zurückkehren kann (V. 19). Das gilt für das ganze Volk – sowohl für Israel wie auch Juda – weil der HERR verheißen hat, ihre Schuld zu vergeben.

Das Gericht über Stolz und Widerspenstigkeit

„Gegen das Land „Doppelte Widerspenstigkeit“, gegen dieses zieh hinauf und gegen die Bewohner von „Heimsuchung“. Verwüste und vertilge hinter ihnen her, spricht der HERR, und tu nach allem, was ich dir geboten habe! Kriegslärm im Land und große Zertrümmerung! Wie ist zerhauen und zertrümmert der Hammer der ganzen Erde! Wie ist Babel zum Entsetzen geworden unter den Nationen! Ich habe dir Schlingen gelegt, und du wurdest auch gefangen, Babel, ohne dass du es wusstest; du wurdest gefunden und auch ergriffen, weil du dich gegen den HERRN in Krieg eingelassen hast. Der HERR hat seine Rüstkammer geöffnet und die Waffen seines Grimmes hervorgeholt; denn der Herr, der HERR der Heerscharen, hat ein Werk im Land der Chaldäer. Kommt über es von allen Seiten her, öffnet seine Scheunen, schüttet es auf wie Garbenhaufen und vertilgt es; nicht bleibe ihm ein Überrest! Erwürgt alle seine Stiere, zur Schlachtung sollen sie hinstürzen! Wehe über sie, denn ihr Tag ist gekommen, die Zeit ihrer Heimsuchung! Horch! Flüchtlinge und Entronnene aus dem Land Babel, um in Zion zu verkünden die Rache des HERRN, unseres Gottes, die Rache seines Tempels. Ruft Schützen herbei gegen Babel, alle, die den Bogen spannen! Belagert es ringsum, niemand entkomme! Vergeltet ihm nach seinem Werk, tut ihm nach allem, was es getan hat; denn es hat vermessen gehandelt gegen den HERRN, gegen den Heiligen Israels. Darum sollen seine Jünglinge auf seinen Straßen fallen und alle seine Kriegsleute umkommen an diesem Tag, spricht der HERR. Siehe, ich will an dich, du Stolze, spricht der Herr, der HERR der Heerscharen; denn gekommen ist dein Tag, die Zeit, da ich dich heimsuche. Dann wird die Stolze straucheln und fallen, und niemand wird sie aufrichten; und ich werde ein Feuer anzünden in ihren Städten, dass es ihre ganze Umgebung verzehrt.“ (Jer 50,21–32)

Drei Gerichtsanlässe werden angeführt:

  • Der HERR hat Babel zwar wie einen Hammer benutzt, um die Völker der Erde zu schlagen, doch diese Vollmacht ist den Babyloniern zum Fallstrick geworden. Anstatt sich ihm als Instrument zur Verfügung zu stellen, schlug es gegen den HERRN aus, indem es sein Volk Israel zerstörte. Selbst wenn sich der HERR anderer bedient, um Babel zu stürzen, ist es offensichtlich, dass es sich hierbei um ein Werk des Herrn handelt (V. 25) und nicht um das seiner Feinde.
  • Am Tag seiner Zerstörung werden die Entronnenen aus Babel verstehen und verkünden, dass dies die „Rache des HERRN, … und die Rache seines Tempels“ ist (V. 28), der durch die gottlosen Armeen der Chaldäer zerstört worden ist.
  • Weiterhin haben sein Stolz und sein Übermut den Zorn des HERRN, gegen den es sich öffentlich erhoben hatte, herausgefordert. In Babel muss sich das Sprichwort erfüllen: „Stolz geht dem Sturz, und Hochmut dem Fall voraus“ (Spr 16,18). Es ist eine Warnung, die immer gültig ist.

Eine vollständige und endgültige Zerstörung

„So spricht der HERR der Heerscharen: Die Kinder Israel und die Kinder Juda sind allesamt Bedrückte; und alle, die sie gefangen weggeführt haben, haben sie festgehalten, haben sich geweigert, sie zu entlassen. Ihr Erlöser ist stark, HERR der Heerscharen ist sein Name; er wird ihre Rechtssache gewiss führen, damit er dem Land Ruhe verschafft und die Bewohner von Babel erzittern macht. Das Schwert über die Chaldäer, spricht der HERR, und über die Bewohner von Babel und über seine Fürsten und über seine Weisen! Das Schwert über die Schwätzer, dass sie zu Narren werden! Das Schwert über seine Helden, dass sie verzagen! Das Schwert über seine Pferde und über seine Wagen und über das ganze Mischvolk, das in seiner Mitte ist, dass sie zu Frauen werden! Das Schwert über seine Schätze, dass sie geplündert werden! Dürre über seine Gewässer, dass sie austrocknen! Denn es ist ein Land der geschnitzten Bilder, und sie sind rasend durch ihre erschreckenden Götzen. Darum werden Wüstentiere mit wilden Hunden darin wohnen, und Strauße werden darin wohnen; und es soll niemals mehr bewohnt werden und keine Niederlassung sein von Geschlecht zu Geschlecht. Wie bei der Umkehrung von Sodom und Gomorra und ihrer Nachbarn durch Gott, spricht der HERR, wird niemand dort wohnen und kein Menschenkind sich darin aufhalten. Siehe, es kommt ein Volk von Norden her, und eine große Nation und viele Könige machen sich auf vom äußersten Ende der Erde. Bogen und Wurfspieß führen sie, sie sind grausam und ohne Erbarmen; ihre Stimme braust wie das Meer, und auf Pferden reiten sie: gerüstet gegen dich, Tochter Babel, wie ein Mann zum Kampf. Der König von Babel hat die Nachricht von ihnen vernommen, und seine Hände sind schlaff geworden; Angst hat ihn ergriffen, Wehen wie eine Gebärende. Siehe, er steigt herauf, wie ein Löwe von der Pracht des Jordan, gegen die feste Wohnstätte; denn ich werde sie plötzlich von ihr wegtreiben und den, der auserkoren ist, über sie bestellen. Denn wer ist mir gleich, und wer will mich vorladen? Und wer ist der Hirte, der vor mir bestehen könnte? Darum hört den Ratschluss des HERRN, den er über Babel beschlossen hat, und seine Gedanken, die er über das Land der Chaldäer denkt: Ja, man wird sie fortschleppen, die Geringen der Herde; ja, der Weideplatz wird sich über sie entsetzen! Von dem Ruf „Babel ist erobert!“ erzittert die Erde und wird ein Geschrei unter den Nationen vernommen.“ (Jer 50,33–46)

Die Unterdrückung der Kinder Israels und Judas ist der Grund für die Zerstörung Babels, weil „ihr Erlöser stark“ ist (V. 34). Genauso wenig wie der Pharao damals, hätte der König Babels die Gefangenen freigelassen, damit sie nach Ablauf der 70 von Gott bestimmten Jahre in ihr Land zurückkehren. Er hat ihn stürzen müssen, damit sich der Ratschluss des HERRN erfüllt. Diese Grausamkeit und dieser Widerstand gegen den göttlichen Willen, zusammen mit dem abstoßenden Götzendienst im „Land der geschnitzten Bilder“ (V. 38), hat den Kelch überfließen lassen. Babel wird geschlagen und wie Sodom und Gomorra völlig umgekehrt. „Niemand wird dort wohnen“ (V. 40).

Babel muss auf dieselbe Weise und mit der gleichen Härte geschlagen werden, wie es selbst die Völker geschlagen hat. Von Norden her wird ein Volk gegen es heraufziehen und mit ihm viele Könige (V. 41). Ihre Armee wird mit Ausdrücken beschrieben, die denen ähneln, die Jeremia verwendet, wenn er von der Armee der Chaldäer spricht, welche Jerusalem einnahm, die Tochter Zions. Die Bewohner Babels werden von denselben Ängsten ergriffen werden wie die, welche sie selbst hervorgerufen haben (vgl. Jer 6,22–24). In der Gerichtsbeschreibung, die dieses Kapitel abschließt, werden auf Babel die Aussagen des HERRN angewendet, welche vorher beschrieben haben, was Babel selbst Edom antun wird (vgl. Jer 49,19.20). Darin wird sich das Wort des HERRN erfüllen: „Nach den Taten, danach wird er vergelten: Grimm seinen Widersachern, Vergeltung seinen Feinden“ (Jes 59,18). Und er wird auf den Ruf der Weggeführten antworten: „Tochter Babel, du Verwüstete! Glückselig, der dir dasselbe vergilt, was du uns getan hast!“ (Ps 137,8).

Wir stehen hier vor dem feierlichen Ernst des Gerichtes Gottes, welches Er gemäß seiner Gerechtigkeit auf dieser Erde gegenüber den Völkern ausüben wird. Diese Abschnitte reden deshalb nicht von der Barmherzigkeit Gottes, welche er gegenüber denen zeigt, die sich zu ihm wenden; von ihr wird an vielen anderen Stellen gesprochen.

Fußnoten

  • 1 Es war bereits angekündigt worden: – Im vierten Jahr der Regierung Zedekias (Jer 51,59), sieben Jahre vor der Einnahme Jerusalems, die schließlich im elften Jahr Zedekias stattfindet (Jer 52,5). – Zwei Jahre bevor Hesekiel sieht, wie sich die Herrlichkeit des Tempels aus Jerusalem zurückzieht (Hes 8-11) und im sechsten Jahr der Wegführung Jojakins, was zeitlich in das sechste Jahr der Regierung Zedekias fällt.
  • 2 Die Einnahme Babels durch Kores wird der Ausgangspunkt der Befreiung der weggeführten Juden werden. Zwei Jahre nach seinem Sieg wird dieser Darius als König von Persien ersetzen und den Juden den Befehl erteilen nach Jerusalem hinaufzuziehen, um das Haus des HERRN wieder aufzurichten (Esra 1,1-3).
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