Das Buch des Propheten Jeremia

Kapitel 4

Wenn du umkehrst, kehre zu mir um

Es genügt nicht eine oberflächliche und flüchtige Reue, um das bereits angekündigte Gericht aufzuhalten. Eine wahre Buße, eine wahre Umkehr des Herzens zu Gott ist nötig.

Eine wahre Umkehr

„Wenn du umkehrst, Israel, spricht der HERR, zu mir umkehrst, und wenn du deine Scheusale von meinem Angesicht wegtust und nicht mehr umherschweifst, sondern schwörst: „So wahr der HERR lebt!“, in Wahrheit, in Recht und in Gerechtigkeit, so werden die Nationen sich in ihm segnen und sich seiner rühmen. Denn so spricht der HERR zu den Männern von Juda und zu Jerusalem: Pflügt euch einen Neubruch, und sät nicht unter die Dornen. Beschneidet euch für den HERRN und tut die Vorhäute eurer Herzen weg, ihr Männer von Juda und ihr Bewohner von Jerusalem, damit mein Grimm nicht wie ein Feuer ausbreche und unauslöschlich brenne wegen der Bosheit eurer Handlungen.“ (Jer 4,1–4)

Viele Beweggründe können diejenigen, die sich entfernt haben, dazu veranlassen oder vielleicht sogar dazu zwingen, wieder umzukehren: das Bedauern über die verloren gegangenen Segnungen, Betrübnis, die Härte der neuen Herrscher… Gott bedient sich dieser Dinge, um uns zu stoppen, aber das reicht nicht aus. „Wenn du umkehrst, kehre zu mir um“. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn in Lukas 15 wurde dieser durch seinen großen Mangel zum Stillstand gebracht: „Ich komme hier um vor Hunger“ (V. 17), aber die Herzensübung hat sich nicht darauf beschränkt, sondern sie hat auch Buße hervorgerufen: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und will zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.“ Wie häufig versucht jemand, der mit Bitterkeit feststellen muss, dass sein Pfad ohne Ausweg ist, eher die Richtung zu ändern als wirklich zu Gott umzukehren. Das ist es auch, was Juda oft getan hat, indem es bei einer Nation Beistand gegen eine andere Nation suchte. Ihm ist bereits gesagt worden: „Was läufst du so sehr, um deinen Weg zu ändern? Auch wegen Ägypten wirst du beschämt werden, wie du wegen Assyrien beschämt worden bist“ (Jer 2,36).

Nun wird der Weg klar vorgezeichnet: „Pflügt euch einen Neubruch und sät nicht unter die Dornen“ (V. 3). Das Umpflügen ist notwendig (Hos 10,12). Es ist nötig, dass das Herz vor Gott bloßgestellt wird und dass von nun an die natürlichen Neigungen, die es bisher irregeführt haben, erkannt, gerichtet und im Tod gehalten werden. Das ist wahre Beschneidung, nicht die Beschneidung des Fleisches, sondern die des Herzens „für den HERRN“ (V. 4; Röm 2,28.29). Die Juden, an die Jeremia sich hier wendet, waren wohl beschnitten was ihren Körper betraf, aber sie hatten die tiefere Bedeutung ihrer Absonderung für den HERRN nicht begriffen. Sie hätten dahin geführt werden müssen, erst einmal das zu begreifen.

Die Verwüstung ist nahe

„Verkündigt es in Juda und lasst es in Jerusalem vernehmen und sprecht: „Stoßt in die Posaune im Land!“ Ruft aus voller Kehle und sprecht: „Versammelt euch und lasst uns in die festen Städte ziehen!“ Erhebt ein Banner gegen Zion hin; flüchtet, bleibt nicht stehen! Denn ich bringe Unglück von Norden her und große Zerschmetterung. Ein Löwe steigt herauf aus seinem Dickicht, und ein Verderber der Nationen bricht auf; er zieht von seinem Ort aus, um dein Land zur Wüste zu machen, dass deine Städte zerstört werden, ohne Bewohner. Darum gürtet euch Sacktuch um, klagt und jammert! Denn die Zornglut des HERRN hat sich nicht von uns abgewandt. Und es wird geschehen an jenem Tag, spricht der HERR, da wird das Herz des Königs und das Herz der Fürsten vergehen; und die Priester werden sich entsetzen und die Propheten erstarrt sein. Da sprach ich: Ach, Herr, HERR! Gewiss, getäuscht hast du dieses Volk und Jerusalem, als du sprachst: „Ihr werdet Frieden haben“; und das Schwert dringt bis an die Seele! In jener Zeit wird diesem Volk und Jerusalem gesagt werden: Ein heißer Wind von den kahlen Höhen in der Wüste ist auf dem Weg zur Tochter meines Volkes, nicht zum Worfeln und nicht zum Säubern. Ein Wind, zu voll dazu, wird mir kommen. Nun will auch ich Gerichte über sie aussprechen. Siehe, wie Wolken zieht er herauf, und wie der Sturmwind sind seine Wagen, schneller als Adler seine Rosse. Wehe uns, denn wir sind verwüstet! Wasche dein Herz rein von Bosheit, Jerusalem, damit du gerettet wirst! Wie lange sollen deine heillosen Pläne in deinem Innern weilen? Denn eine Stimme berichtet von Dan und verkündet Unheil vom Gebirge Ephraim her. Meldet es den Nationen, siehe, verkündet es Jerusalem: Belagerer kommen aus fernem Land und lassen ihre Stimme erschallen gegen die Städte Judas; wie Feldwächter sind sie ringsumher gegen Jerusalem, denn gegen mich ist es widerspenstig gewesen, spricht der HERR. Dein Weg und deine Handlungen haben dir dies bewirkt; dies ist deine Bosheit; ja, es ist bitter, ja, es dringt bis an dein Herz.“ (Jer 4,5–18)

Der Verderber hat sich auf den Weg gemacht, „wie der Sturmwind sind seine Wagen“ (V. 13). Die Verhärtung des Volkes ist derart, dass der HERR, ohne die Antwort auf den letzten Appell abzuwarten, die unmittelbare Ankunft des Verderbers ankündigt und dazu auffordert, zu klagen und sich Sacktuch umzugürten. Wird noch Zeit übrig bleiben, die Zornglut des HERRN abzuwenden? Es ist nicht mehr die Zeit der Gerichte „zum Worfeln und zum Säubern“, sondern nun wird die Zerstörung Jerusalem erreichen.

Gibt es vielleicht noch Hoffnung? Jerusalem soll noch diesen letzten Appell zu hören bekommen: „Wasche dein Herz rein von Bosheit, Jerusalem, damit du gerettet wirst!“ (V. 14). Aber schon stehen die Angreifer bereit, um die Städte Judas einzunehmen (V. 16).

Der Verderber kommt aus dem Norden (V. 6). Er wird noch nicht genannt, aber er wird später erwähnt werden, wenn die Ablehnung der Appelle zur Buße nunmehr die Ausführung des Gerichts unvermeidlich machen und dieses nahe bevorstehen wird. Der Verderber ist der König von Babel (Jer 20,4).

Der Schmerz des Propheten

„Meine Eingeweide, meine Eingeweide! Mir ist angst! Die Wände meines Herzens! Es tobt in mir mein Herz! Ich kann nicht schweigen! Denn du, meine Seele, hörst den Schall der Posaune, Kriegsgeschrei: Zerstörung über Zerstörung wird ausgerufen. Denn das ganze Land ist verwüstet; plötzlich sind meine Zelte zerstört, meine Zeltbehänge in einem Augenblick. Wie lange soll ich das Banner sehen, den Schall der Posaune hören? Denn mein Volk ist närrisch, mich kennen sie nicht; törichte Kinder sind sie und unverständig. Weise sind sie, Böses zu tun; aber Gutes zu tun, verstehen sie nicht. Ich schaue die Erde an, und siehe, sie ist wüst und leer; und zum Himmel, und sein Licht ist nicht da. Ich schaue die Berge an, und siehe, sie beben; und alle Hügel schwanken. Ich schaue, und siehe, kein Mensch ist da; und alle Vögel des Himmels sind geflohen. Ich schaue, und siehe, der Karmel ist eine Wüste; und alle seine Städte sind niedergerissen vor dem HERRN, vor der Glut seines Zorns.“ (Jer 4,19–26)

Angesichts der Torheit des Volkes, das sich bis zum Ende weigerte, den Warnungen des Propheten Gehör zu schenken, kommt der Schmerz des Propheten in ergreifenden Worten zum Ausdruck. Der HERR bedient sich der Feinfühligkeit des Herzens Jeremias, das mit seinem Volk innig verbunden ist, um seinen eigenen Schmerz ein wenig begreiflich zu machen, wenn er verpflichtet ist, sein Volk derart zu schlagen. Um die Verwüstung zu zeigen, die das Einschreiten des Feindes zur Folge hätte, der das Volk aus seinem Land wegfegen wird, benutzt der Geist Gottes den Ausdruck, der in 1. Mose 1,2 den Zustand der Erde beschreibt: „wüst und leer“ (hebr. „tohu bohu“). Jesaja sagt uns, dass der HERR die Erde „nicht als eine Öde geschaffen“ hat (Jes 45,18), genauso wenig wie er Israel nach Kanaan eingeführt hat, damit es wieder daraus verjagt wird. Dennoch ist genau das das Ergebnis der törichten Rebellion des Geschöpfes.

Ein Hoffnungsschimmer

„Denn so spricht der HERR: Das ganze Land soll eine Wüste werden; doch will ich es nicht völlig zerstören. Darum wird die Erde trauern und der Himmel oben schwarz werden, weil ich es geredet, beschlossen habe; und ich werde es nicht bereuen und nicht davon abgehen. Vor dem Geschrei der Reiter und der Bogenschützen flieht jede Stadt; sie gehen ins Dickicht und ersteigen die Felsen. Jede Stadt ist verlassen, und kein Mensch wohnt darin. Und du, Verwüstete, was wirst du tun? Wenn du dich auch in Karmesin kleidest, wenn du mit goldenem Geschmeide dich schmückst, wenn du deine Augen mit Schminke aufreißt: Vergeblich machst du dich schön. Die Liebhaber verschmähen dich, sie trachten nach deinem Leben. Denn ich höre eine Stimme wie von einer Kreißenden, Angst wie von einer Erstgebärenden, die Stimme der Tochter Zion; sie seufzt, sie breitet ihre Hände aus: Wehe mir! Denn kraftlos erliegt meine Seele den Mördern.“ (Jer 4,27–31)

Vor dem Hintergrund dieser Katastrophe und trotz der Bestätigung, dass er nicht von seiner Entscheidung abrücken wird, kündigt der HERR an, dass er das Land nicht völlig zerstören wird. Dieser Vermerk lässt – für den Glauben – der Hoffnung die Tür geöffnet im Angesicht der kommenden Verwüstung. Es ist nicht vergebens, dass so viele Warnungen wiederholt wurden, da einige ihnen Aufmerksamkeit schenken werden.

Wenn wir unter der Züchtigung Gottes stehen, laufen wir Gefahr, diese zu verachten oder uns entmutigen zu lassen. Aber sie gibt denen Frucht, „die durch sie geübt worden sind“ (Heb 12,5.6.11).

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