Das Buch des Propheten Jeremia

Einführung

Einführung in das Buch des Propheten Jeremia

Vierzig Jahre Dienst am Ende des Reiches Juda

Der Dienst des Propheten Jeremia, der in dem Buch berichtet wird, das seinen Namen trägt, hat sich über mehr als vierzig Jahre zur Zeit des Endes des Reiches Juda in Jerusalem erstreckt. Der König von Assyrien hatte die zehn Stämme Israels bereits in Gefangenschaft weggeführt. In dieser letzten Epoche hatte sich der moralische Zustand Judas, das noch als das Volk Gottes anerkannt war, derart verschlimmert, dass das Urteil Gottes, das von Jesaja bereits angekündigt worden war (2. Kön 20,16–18), vollstreckt werden musste.

Charakter der Botschaft

Der HERR erweckt Jeremia, einen Propheten, um energisch und eindringlich zu den Königen, den Obersten und dem Volk zu reden. Jeremia soll von ihrer Seite her leiden und die Tiefe der Liebe zeigen, die er für sein Volk empfindet. Sein Schmerz ist umso größer als er sie liebt und feststellen muss, dass sie sich weigern, auf ihn zu hören. Aber er weiß, dass, wenn der HERR verpflichtet ist, sie zu strafen, es nur dazu dienen soll, ihnen am Ende Gutes zu erweisen wie ein Vater gegenüber seinem ungehorsamen Kind.

Jeremia ist wie verzehrt von dem sehnlichen Wunsch, dass die Söhne Israels mit ihrem ganzen Herzen zu Gott umkehren und so den Gerichten entkommen möchten, die er gezwungen war ihnen anzukündigen. Er ruft mehrfach zur Buße auf und erklärt wiederholt, dass das Böse ohne Heilung ist; aber der Widerspruch wird nur noch sichtbarer. Es gibt keine Möglichkeit der Wiederherstellung für das Volk als Ganzes, es rennt in sein Verderben. Aber der Weg zurück bleibt für denjenigen, der die prophetische Warnung hört und aufnimmt, immer offen. Und das Buch liefert hier und da Aussprüche, die die Gefühle derer ausdrücken, die Buße tun werden und mit denen der Prophet sich vereint. Das ist eine Ermutigung, persönlich zu dem HERRN umzukehren, um sich ihm anzuvertrauen trotz all der entgegengesetzten Umstände.

Außerdem kündigt Jeremia – wenn er auch bestätigen muss, dass das Volk von Juda die Gefangenschaft erleiden soll – auch das Ende dieser Gefangenschaft nach Ablauf von 70 Jahren und die letztendliche Wiederherstellung von ganz Israel an. Es ist sicher, dass der HERR sie bewirken wird, um seine Verheißungen zu erfüllen.

Es ist die Lektüre des Buches Jeremia (25,11.12; 29,10), die Daniel, gefangen in Babel, von der Vollendung der „Verwüstung Jerusalems“ nach Ablauf von 70 Jahren (Dan 9,2) überzeugt hat. Er ist auf diese Weise dahin geführt worden, die Sünden seines Volkes zu bekennen und hat den Weg der Buße vor denen aufgezeichnet, die Gott erwecken würde, um sie nach Jerusalem zurückzuführen. Bemerkenswertes Beispiel des Nutzens des „prophetischen Wortes“, auf welches der Geist Gottes uns aufmerksam machen will (2. Pet 1,19)!

Jerusalem, Israel und die Nationen

Die Worte Jeremias richten sich vor allem an Juda, an Jerusalem, an seinen König, seine Fürsten und seine Bewohner. Aber er redet auch für ganz Israel, obwohl die zehn Stämme bereits durch den König von Assyrien verschleppt worden waren. Er beschäftigt sich ebenfalls mit den Nationen, die in Verbindung mit dem Volk Gottes stehen und die alle Feinde sind. Wenn er die Gerichte, die sie an Juda und Jerusalem vollstrecken werden, klar ankündigt, verkündet er genauso klar, dass sie selbst gerichtet werden für das Böse, das sie dem Volk Gottes zufügen werden. Sie werden schuldig sein, weil sie versuchen werden es verschwinden zu lassen, indem sie die Schmerzen, die die Züchtigung des HERRN ihnen auferlegt hat, noch verschlimmern.

Die Leiden Jeremias

Jeremia identifiziert sich beständig mit seinem Volk. Er trägt moralisch die Last ihrer Schuld, die er als die seinige bekennt, während er sie offen anzeigen muss. Er nimmt an den Leiden teil, die auf das Volk aufgrund ihrer Sünden fallen. Er leidet sogar mehr als sie wegen der Verfolgungen, die er von ihrer Seite erduldet. Außerdem lässt ihn seine Nähe zu dem HERRN die Abscheulichkeit des Bösen und die Notwendigkeit der Züchtigung, die daraus resultieren wird, tief fühlen. Er ähnelt hierin Christus in den Tagen, in denen er, von den Juden verfolgt, über Jerusalem weinte angesichts der Aussicht der Gerichte, die über sie fallen würden.

Dieser berührende und lehrreiche Aspekt des Charakters Jeremias wird in den Klageliedern besonders deutlich herausgestellt.

Hauptthemen des Buches

Die Prophezeiungen Jeremias werden nicht in der chronologischen Reihenfolge dargestellt, sondern in einer moralischen Reihenfolge. Folglich stammen die Kapitel 21 bis 24, 28 bis 34 und 38 bis zum Ende aus der Regierungszeit Zedekias, während die Kapitel 25 bis 27 und 35 bis 37 aus der vorherigen Regierungszeit Jojakims stammen. Die Kapitel 32 bis 44 geben einen Bericht der von Jeremia erlebten Umstände. Das letzte Kapitel erzählt die Einnahme Jerusalems durch die Armeen des Königs von Babel.

Mehrere große Gedankengänge werden im Verlauf des Buches entwickelt. Wir weisen hier auf einige von ihnen hin, indem wir den Leser einladen, ihren Spuren zu folgen. Wir werden nicht jedes Mal auf sie zurückkommen, wenn wir ihnen begegnen werden:

  • Der moralische Zustand des ganzen Volkes ist sehr ernst trotz der Erscheinungen (Gott zu vergessen, Götzendienst, Lüge…).
  • Wiederholte Aufrufe drängen jeden mit seinem ganzen Herzen zum HERRN umzukehren.
  • Die Züchtigung, die die Folge ihrer Verhärtung ist, wird verhängt und ist unvermeidlich geworden. Sie wird hauptsächlich mittels eines aus dem Norden kommenden Volkes ausgeführt werden.
  • Wenn der HERR sein Volk, das er liebt, züchtigen muss, tut er es mit Schmerz und mit Maß und kündigt die spätere Wiederherstellung an: das Ende des Exils nach Ablauf von 70 Jahren und die letztendliche und endgültige Wiederherstellung, die noch kommen wird.
  • Die Nationen, die der HERR benutzt, um sein Volk zu züchtigen, verschlimmern das Unglück (Sach 1,15), da sie sich des Hasses gegen das Volk schuldig machen.
  • Die wesenseigene und unverbesserliche Verdorbenheit des menschlichen Herzens wird bloßgestellt. Sie kann den HERRN nicht daran hindern, den zu retten und zu segnen, der sich zu Gott wendet.
  • Der Geist Gottes bereitet den Weg und sogar die Worte der Buße für diejenigen vor, die auf die Appelle, zu Gott umzukehren, hören werden.
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