Briefe an junge Menschen

Unser Platz auf der Erde

Liebe Freunde!

In einem der vorigen Briefe ist Euch unser Platz als Gläubige vor Gott vorgestellt worden. Jetzt möchte ich Eure Aufmerksamkeit auf unseren Platz hier auf der Erde richten. Wir werden sehen, dass auch der mit Christus in Verbindung steht. Denn so wie wir mit Christus eins gemacht wurden, um vor Gott stehen zu können, sind wir auch mit Christus identifiziert vor der Welt. Mit anderen Worten: Wir sind hier an seinen Platz gestellt, und so stehen wir in ihm vor Gott. Es wird für uns alle sehr nützlich sein, diese Wahrheit stets im Gedächtnis zu halten.

Es gibt aber, wenn es um unseren Platz hier auf der Erde geht, zwei Seiten, die beide von großer Bedeutung sind. Die erste Seite steht mit der Welt und die zweite Seite mit dem „Lager“ in Verbindung. Das „Lager“ ist die organisierte Christenheit, die in dieser Haushaltung die Stellung des Judentums als des bekennenden Zeugnisses für Gott eingenommen hat (siehe Rö 11 und vergl. Mt 13).

Unsere Stellung gegenüber der Welt

Der Herr Jesus sagte zu den Juden: „Ihr seid von dem, was unten ist, ich bin von dem, was oben ist; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt“ (Joh 8,23). Später sagte er, als er die Seinen seinem Vater anbefiehlt: „Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Weit bin“ (Joh 17,16). Ihr werdet sehen, dass er seine Jünger in den Versen 14-19 wirklich an seinen eigenen Platz der Welt gegenüber stellt, so wie er sie in dem vorhergehenden Abschnitt (Verse 6-13) in seine eigene Stellung zum Vater brachte. Deshalb nehmen sie seinen Platz in dieser Welt ein -  beachtet es gut - weil sie nicht von der Welt sind, wie er nicht von der Welt ist; denn nachdem sie wiedergeboren sind, gehören sie nicht mehr zur Welt. Von da an spricht er wiederholt davon, dass sie, genau wie er, gehasst und verfolgt werden würden. Daher sagte er z.B.: „Wenn die Welt euch hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt wäret, würde die Welt das Ihre lieb haben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt. Erinnert euch an das Wort, das ich euch gesagt habe: Ein Knecht ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie mein Wort gehalten haben, werden sie auch das eure halten“ (Joh 15,18-20). Der Apostel Johannes weist ebenso auf den äußerst scharfen Unterschied zwischen den Gläubigen und der Welt hin, wenn er sagt: „Wir wissen, dass wir aus Gott sind, und die ganze Welt liegt in dem Bösen“ (1. Joh 5,19).

Aber es gibt noch mehr, als selbst diese wichtigen Schriftabschnitte uns sehen lassen. Jeder Gläubige wird von Gott als mit Christus gestorben und auferstanden betrachtet (Rö 6; Kol 3,1-3). Er ist durch den Tod und die Auferstehung Christi in den Augen Gottes vollkommen, aber außerhalb dieser Welt gestellt, so wie Israel durch das Rote Meer hindurch aus Ägypten gebracht worden war. Er ist aber nicht mehr „von der Welt“, obwohl er in sie zurückgesandt ist (Joh 17,18), um inmitten der Welt für Christus zu leben. Darum konnte Paulus, während er für Christus in der Welt wirkte, sagen: „Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt“ (Gal 6,14). Im Kreuz Christi sah er, dass die Welt schon gerichtet war (Joh 12,31), und indem er das Kreuz auf sich selbst anwendete, betrachtete er sich selbst als tot - der Welt gekreuzigt -, so dass zwischen ihr und ihm eine völlige Trennung bestand, wie nur der Tod sie verursachen kann.

Wenn wir das Gelesene zusammenfassen, sehen wir, dass der Christ, obwohl er in der Welt ist, nicht von der Welt ist. Er ist in demselben Sinn, in dem Christus nicht von der Welt war, auch nicht von der Welt. Er gehört einer neuen Ordnung an: denn „wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung“ (2. Kor 5,17). Wie wir schon gesehen haben, ist er ganz und gar aus ihr herausgebracht durch den Tod und die Auferstehung Christi. Fortan muss er sich völlig von ihr getrennt halten. Es geziemt sich nicht für ihn, sich der Welt gleichförmig zu stellen (Gal 1,4; Rö 12,2). Im Geist, in den Gewohnheiten, in Handel und Wandel muss er zu erkennen geben, dass er nicht von dieser Welt ist. Mehr noch: Indem er das Kreuz auf sich anwendet, muss er sich selbst der Welt für gekreuzigt halten, und zwischen zwei Partnern, die beide verurteilt und gerichtet sind, gibt es keine Anziehungskräfte mehr. Aber noch eins: Ein Christ ist in dieser Welt an Christi Platz. Das heißt, er ist für Christus und gleich ihm in dieser Welt. Also muss er von Christus zeugen und so wandeln, wie Christus gewandelt hat (Phil 2,15; 1. Joh 2,6). Er muss damit rechnen, genau wie Christus behandelt zu werden. Nicht, dass wir wie er gekreuzigt werden sollen. Aber wenn wir treu sind, werden wir in der Welt dem gleichen Widerstand begegnen wie er. Ja, je nach unserer Treue in seiner Nachfolge werden wir auch Verfolgung erleben. Die Tatsache, dass die Gläubigen gegenwärtig so wenig Hass erfahren, findet ihre Ursache in unserem „Nicht-getrennt-sein“ von der Welt.

Bevor ich eine andere Seite dieser Frage betrachte, kann ich es nicht unterlassen, Euch mit Nachdruck auf die Notwendigkeit hinzuweisen, jedes Band, das Euch moralisch mit der Welt verbindet, zu zerreißen. Es gehört nur wenig Einsicht dazu, um zu begreifen, dass der Geist der Welt, die Weltförmigkeit, sich schnell in der Versammlung Gottes verbreitet, und man rühmt sich dessen sogar am Tisch des Herrn. Wie verunehrend, ja, wie schmerzlich für ihn, um den wir versammelt sind, um seinen Tod zu verkündigen! Welche Mahnung ist das für alle Heiligen, sich vor Gott zu demütigen und aufs neue um die Gnade zu flehen, mehr für ihn zu leben, besser abgesondert zu sein, so dass die Welt es selbst sieht, dass wir ihm angehören, den sie verworfen, hinaus gestoßen und gekreuzigt hat.

Wie wenige unter uns haben den Geist des Paulus, den nach der „Gemeinschaft seiner Leiden“ verlangte, um „seinem Tod gleichgestaltet“ zu werden, indem er vorausblickte auf einen verherrlichten Christus, den Gegenstand seines Herzens und das Endziel seiner Hoffnung.

Möge der Herr uns und allen Heiligen mehr von dieser Hingebung an den Herrn in völliger Absonderung von der Welt schenken.

Unsere Stellung gegenüber dem „Lager“

Im Brief an die Hebräer lesen wir: „Denn von den Tieren, deren Blut für die Sünde in das Heiligtum hinein getragen wird durch den Hohenpriester, werden die Leiber außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten. Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend“ (Heb 13,11-13).

Zwei Dinge sind in diesem Abschnitt ganz deutlich zu erkennen:

  1. Das Blut der Sündopfer wurde in das Heiligtum gebracht.
  2. Die Leiber der Opfertiere wurden außerhalb des Lagers verbrannt.

Nun zeigt der Apostel, dass diese beiden Dinge dem Tod Christi entsprechen, ja, dass er das wahre Gegenbild dieser Opfer ist.

Hierin sehen wir aber auch die beiden Seiten des Gläubigen: einmal seinen Platz vor Gott im Heiligtum, wohin das Blut gebracht wurde, und dann seinen Platz auf der Erde, außerhalb des Lagers, wo Christus gelitten hat. Wie gesagt, wir sind mit Christus vor Gott eins gemacht mit ihm und bekleidet mit dem ganzen Wert seiner Annehmlichkeit. Aber dann sind wir auch auf dieser Erde mit ihm eins gemacht in seiner Schande und Verwerfung. Der Platz des Gläubigen ist darum außerhalb des „Lagers“. Der Schreiber des Briefes sagt ja auch: „Deshalb lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, seine Schmach tragend“.

Vielleicht fragt Ihr mich: „Was ist das Lager?“ Aus dem eben gelesenen Abschnitt geht deutlich hervor, dass es sich bei dem „Lager“ um das Judentum handelte. Was aber entspricht dem heute? Das Judentum war von Gott und nahm auf Erden die Stellung eines Zeugnisses für ihn ein. Das Judentum versagte, und nach der endgültigen Verwerfung Christi, nach der Predigt der Apostel, wurde es beiseite gesetzt. Das Christentum nahm seine Stelle ein, wie in Römer 11 gelehrt wird. Das „Lager“ ist jetzt die organisierte Christenheit, die äußerliche bekennende Kirche. Nun werdet Ihr vielleicht einwenden: „Warum werden wir denn aufgefordert, aus dem ‚Lager' hinauszugehen?“ Wegen ihres völligen Versagens als eines Zeugnisses für Gott. „Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt“ (Off 2,11 u. a.).

Es ist unsere Sicherheit und zugleich unsere Verantwortlichkeit, alles, was den Anspruch erhebt, von Gott zu sein, anhand des geschriebenen Wortes Gottes zu prüfen. Wenn wir alle die Benennungen (Konfessionen) daran prüfen, so stellen sie sich als ungehorsam und fehlerhaft dar. Deshalb bleibt für einen Gläubigen, der nach den Gedanken Gottes handeln will, nichts anderes übrig, als seinen Platz „außerhalb“ einzunehmen, getrennt von aller Verwirrung und allem Irrtum dieser bösen Zeit, zusammen mit all denen, sie sich in Gehorsam gegen sein Wort einfach zu dem Namen des Herrn Jesus versammeln (Mt 18,20).

2. Mose 33 ist in diesem Zusammenhang sehr lehrreich. Als Mose von dem Berg herabstieg (2. Mo 32) sah er, dass das ganze Volk in Abgötterei verfallen war. Nachdem er umgekehrt war, um sich für das Volk zu verwenden, kam er mit einer bösen Nachricht für sie zurück. Er „nahm das Zelt und schlug es sich außerhalb des Lagers auf, fern vom Lager, und nannte es: Zelt der Zusammenkunft. Und es geschah, jeder, der den Herrn suchte, ging hinaus zum Zelt der Zusammenkunft, das außerhalb des Lagers war“ (2. Mo 33,7). Mose handelte in Gegenwart des abgefallenen Volkes so, weil er die Gedanken Gottes kannte. Wir finden in dieser Geschichte ein sittliches Bild unserer Zeit. Als solches möchte ich es Eurer genauen Betrachtung anbefehlen.

Ich habe Euch nun wohl genug geschrieben, dass ihr den Platz des Gläubigen auf Erden versteht. Wir sahen die Absonderung von der Welt auf der einen und die Trennung vom „Lager“ auf der anderen Seite. Wenn wir diesen Platz einnehmen, dann bringt das mit sich, dass wir von der einen Seite gehasst und von der anderen verachtet werden. Wenn das aber so ist, werden wir unserem gesegneten Herrn immer ähnlicher. Im Hebräerbrief wird dies „seine Schmach“ genannt. Möchten wir uns weder vor dem einen scheuen, noch vor dem anderen schämen. Nein, wir wollen uns vielmehr freuen, gewürdigt zu sein, für seinen Namen Schmach zu leiden (Apg 5,41).

Mit herzlichen Grüßen,

Euer Bruder im Herrn, E. Dennet.

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