Briefe an junge Menschen

Hat Gott Menschen zuvorbestimmt, verloren zu gehen?

Liebe Freunde!

Ihr seid etwas beunruhigt worden, weil jemand behauptet hat, man könne hier auf Erden nicht wissen, ob man gerettet ist, weil man nicht weiß, ob man auserwählt sei.

Nun, Ihr hättet ihm mit der Bibel sehr einfach antworten können. Gottes Wort sagt: „damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe“ (Joh 3,16). Wenn das wahr ist - und Gott lügt nie! - , kann man es also wissen. Niemand wird leugnen, dass Gottes Wort die Wahrheit spricht. Ich habe einmal jemanden, der auch so redete, gefragt, ob er vielleicht meine, der Apostel Paulus sei bei Gott gewesen und habe in dem Buch seiner Ratschlüsse gelesen. Er verneinte das natürlich. Ich fragte weiter: Wie kann er dann den Thessalonichern schreiben: „Wissend, von Gott geliebte Brüder, eure Auserwählung“? Und wie kann er in allen Briefen die Menschen, an die er schreibt, als Heilige ansprechen? Der Gefragte hatte keine Antwort, aber am folgenden Tag kam er zu mir und sagte: „Nun weiß ich auch, dass ich gerettet bin.“ In der Tat spricht Gottes Wort sehr deutlich über eine Auserwählung. Welches Kind Gottes hat noch niemals voll Ehrfurcht solche Stellen wie Epheser 1,4.5; Römer 8,29.30; 1. Petrus 1,2 usw. gelesen und danach seinen Gott angebetet für solche Gnade?

Prädestination (Vorherbestimmung)

Leider ist der Mensch nicht bei dem geblieben, was in Gottes Wort steht, sondern hat seinem Verstand erlaubt, weiter zu gehen, um sogenannte logische Schlüsse zu ziehen. Die Folge davon war, dass er zu Aussagen kam, die im Gegensatz zu Gottes Wort stehen, und die in Wirklichkeit eine Verunehrung seines Namens sind. Die Lehre von der Prädestination aller Menschen ist eine Karikatur des herrlichen Bildes, das Gottes Wort uns von der Auserwählung gibt.

Die Prädestinationslehre sagt, Gott habe einige zur ewigen Errettung auserwählt, für andere aber beschlossen, sie zu verwerfen, unter Hinweis auf Römer 9,8-23. Wir wollen diesen Schriftabschnitt einmal lesen.

Gnade, nicht allein für Juden

In den ersten acht Kapiteln des Römerbriefes finden wir den Zustand des Menschen und Gottes Antwort darauf beschrieben. Der Mensch ist hoffnungslos verloren: „Es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade“ (Rö 3,23-24). Wenn aber alle allein aufgrund der Gnade gerettet werden, so ist das nicht auf die Juden beschränkt. Dann gilt die Gnade auch den Nationen, den Nicht-Juden.

Aber das wollten die Juden nicht. Sie hatten einen bevorrechtigten Platz inne und wollten ihn behalten. Darum wird ihre große Feindschaft häufig offenbar, wenn eben dieses Evangelium den Heiden gepredigt wird, siehe z.B. Apostelgeschichte 13,45-50; 15,1, 17,5 und 28,25-29 .

In Römer 9 - 11 behandelt der Apostel nun die Frage, wie die Gleichstellung der Juden und Heiden, was das Evangelium angeht, mit der besonderen Stellung, die die Juden von Gott erhalten hatten, in Übereinstimmung zu bringen ist.

Abrahams Same

Das erste, worauf die Juden sich beriefen, war, dass sie Abrahams Same seien. „Gut“, sagt der Apostel, „aber dann müsst ihr auch Ismael anerkennen, den Stammvater der Araber, denn er war auch ein Sohn Abrahams“. Und wenn hier eingewendet werden könnte, Ismaels Mutter sei nur eine Sklavin gewesen, nun, dann müssten sie aber Esau anerkennen. Jakob und Esau hatten einen Vater und eine Mutter und wurden zugleich geboren. Doch wurde Esau, obwohl er der ältere war, nicht der Stammvater des Volkes Gottes. Nicht deshalb, weil Jakob besser war. Vor Geburt schon hatte Gott gesagt, der Ältere werde dem Jüngeren dienen.

Es beruhte also nicht auf einem Rechtsgrund, dass die Juden diese bevorrechtigte Stellung hatten, sondern auf Gottes freier Macht und Gnade. Wenn sie sich auf Recht berufen wollten, dann mussten sie auch die Araber als Gottes Volk anerkennen. und das wollten sie auf keinen Fall. Aber wenn sie das Volk Gottes waren nur auf Grund von Gottes Handeln in freier Gnade und Macht, hatte Gott dann nicht das Recht, auch andere zu segnen?

Wir sehen also, hier handelt es sich nicht um eine Auserwählung oder Verwerfung für die Ewigkeit, sondern ausschließlich um eine bevorrechtigte Stellung auf der Erde.

Jakob habe ich geliebt, aber Esau habe ich gehasst.

Die Worte in Römer 9,13 werden besonders auch als Beweis für die Lehre von der Verwerfung gebraucht. Wer das tut, verwechselt die Verse 12 und 13. Was in Vers 12 steht, hatte Gott wirklich gesagt, als die Kinder noch nicht geboren waren, nicht aber vor Grundlegung der Welt, wie in Epheser 1,4 von uns gesagt wird.

Es handelt sich hier um eine irdische Stellung, und Gott sprach das kurz vor der Geburt aus (Vers 10). Vers 13 aber wird aus Maleachi 1,2.3 angeführt. Gott hat dies ungefähr eintausendvierhundert Jahre nach dem Leben Jakobs und Esaus gesagt, als er also ihr Leben und das Leben ihrer Nachkommen kannte. In Hebräer 12,16-17 wird Esau ein Hurer und Ungöttlicher genannt, der für ein Linsengericht sein Erstgeburtsrecht verkaufte und keinen Raum für die Buße fand. Ist es ein Wunder, wenn Gott von diesem Mann sagt, dass er ihn hasst? „Du hassest alle, die Frevel tun“ (Ps 5,5).

Dann kommen wir zu Vers 15: „Ich werde begnadigen, wen ich begnadige, und ich werde mich erbarmen, wessen ich mich erbarme“. Das ist ein Zitat aus 2. Mose 33,19. Das Volk hatte das goldene Kalb aufgerichtet und Gott verworfen (2. Mo 32,10); aber Mose bat für sie. Dann erzeigt Gott wieder seine Gnade und verschont das Volk. Diese Worte liefern also den Beweis, dass Gott sich das Recht vorbehält, Gnade zu erweisen, auch wenn das Gericht verdient ist. Dass Israel das Volk Gottes war, beruhte also nur auf Gnade. Wie können dann aber diese Worte ein Beweis für

die Lehre der Verwerfung sein? Vers 15 befestigt den Grundsatz der Gnade. Wo alle das Gericht verdient haben, kann nur noch das Erbarmen Gottes einen Ausweg zeigen. Was würde es dem Menschen helfen, wenn er von heute an nicht mehr sündigte (falls er das könnte!)? Dann müsste er immer noch das Gericht für die Sünden tragen, die er bisher begangen hat.

Gott verhärtet einige Menschen!

Vers 17 ist ein Zitat aus 2. Mose 9,16. Gott sagt zum Pharao, er würde sein Herz verhärten, damit er seine ganze Macht an ihm erzeigen kann. Wir müssen aber erst lesen, was vorausgegangen ist. In 2. Mose 5,2 sagt Pharao: „Wer ist der Herr, auf dessen Stimme ich hören soll, um Israel ziehen zu lassen? Ich kenne den Herrn nicht, und auch werde ich Israel nicht ziehen lassen“. Er erschwert dann den Dienst für das Volk (5,17). Trotz aller Zeichen und Gerichte, die Gott sandte, wollte er dem

Willen des Herrn nicht gehorchen. Dann erst sagte Gott: Nun werde ich dein Herz verhärten, damit dich die volle Schwere meines Gerichtes trifft.

Es ist wahr. der Herr hatte zuvor gesagt, dass er es tun werde (2. Mose 4,21), denn er wusste im voraus, dass der Pharao nicht gehorchen würde. Er kannte das Herz des Pharao (3,19). Aber erst nachdem er verschiedene Male mit dem Pharao geredet und mehrere Zeichen und Plagen gesandt hatte, und der Pharao sich jedes Mal weigerte, das Volk ziehen zu lassen, vielmehr wiederholt sein Wort brach, verhärtete der Herr sein Herz (9,12). Und dann spricht er diese Worte zu ihm.

Es ist eine ernste Wahrheit, dass Gott manchmal Herzen verhärtet. Er hat es beim Pharao getan. Er tut es mitunter auch heute. Und gleich nach der Entrückung der Versammlung wird er es bei allen tun, die das Evangelium gehört, aber nicht angenommen haben (2. Thes 2,11). Aber niemals tut Gott das, bevor er dem Menschen Gelegenheit gegeben hat, sich zu bekehren (Hiob 33,14-30). Das ist etwas ganz anderes, als was die Lehre von der Verwerfung sagt.

Gott ist frei in seinem Handeln

In Römer 9,19-21 wird nun die Frage ganz allgemein behandelt. Hat Gott nicht das Recht, mit seinen Geschöpfen machen zu können, was er will? Wenn Gott einen Menschen zu einem Gefäß zur Ehre und den anderen zu einem Gefäß zur Unehre machen wollte, hat er dazu nicht das Recht? Kann ein Geschöpf den Schöpfer zur Verantwortung ziehen? Gott, als der Schöpfer, hat das Recht, mit seinen Geschöpfen zu machen, was er will. Er hat das Recht, den einen zu begnadigen und den anderen für das ewige Verderben zu bestimmen. Aber Gott hat von dem letztgenannten Recht keinen Gebrauch gemacht. Er ist Licht und Liebe, und er handelt nie im Widerspruch mit sich selbst.

Gerade der Vers 21 spricht davon. Er ist eine Anspielung auf Jeremia 18. Dort weist Gott auf sein Recht hin, mit Israel machen zu können, was er will. Der Töpfer macht aus dem Ton ein Gefäß; wenn es aber verdorben ist, macht er daraus ein anderes Gefäß.

„Und das Wort des Herrn erging an mich, indem er sprach: Vermag ich euch nicht zu tun wie dieser Töpfer, Haus Israel?, spricht der Herr. Siehe, wie der Ton in der Hand des Töpfers, so seid ihr in meiner Hand, Haus Israel“ (Jer 18,5.6).

Aber wie wendet Gott dieses Recht an? „Einmal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es auszureißen und abzubrechen und zu zerstören; kehrt aber jenes Volk, über das ich geredet habe, von seiner Bosheit um, so lasse ich mich des Übels gereuen, das ich ihm zu tun gedachte. Und ein anderes Mal rede ich über ein Volk und über ein Königreich, es zu bauen und zu pflanzen; tut es aber, was böse ist in meinen Augen, so dass es auf meine Stimme nicht hört, so lasse ich mich des Guten gereuen, das ich ihm zu erweisen gesagt hatte.“ (Jer 18,7-10).

Wenn jemand sich von seiner Bosheit bekehrt, so wird Gott sich des Gerichtes gereuen lassen, das er ihm zugedacht hatte, und Gnade erweisen.

Dazu gebraucht Gott seine freie Unumschränktheit, seine Souveränität.

Die Gefäße des Zorns, zubereitet zum Verderben

Römer 9,22 und 23 beweisen das gleiche, wenn sie auch häufig als kräftiger Beweis für die Lehre von der Verwerfung herangezogen werden. In Wirklichkeit sind sie ein starker Beweis gegen diese Lehre.

Vers 22 redet von den Gefäßen des Zornes. zubereitet zum Verderben. Wer hat sie zubereitet? Das wird hier nicht gesagt. Dass aber Gott es nicht getan hat, wird aus dem Zusammenhang sehr deutlich. Könnte man sagen, Gott habe sie mit viel Langmut ertragen, wenn er sie selbst zum Verderben zubereitet hat? Sieh auch hier den Unterschied zu Vers 23, wo wohl steht, dass er die Gefäße der Begnadigung zuvor bereitet hat. Es ist klar, sie haben sich selbst zubereitet: „Nach deinem Starrsinn und deinem unbußfertigen Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf am Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes“ (Rö 2,5).

Gottes Wort kennt nicht die Vorherbestimmung zur Verdammnis

Nein, es gibt keinen einzigen Beweis in der Schrift dafür, dass Gott die Verdammnis über jemanden beschlossen hätte, dass er bestimmt hätte, gewisse Menschen sollten für ewig verloren gehen. Im Gegenteil, das steht im Widerspruch zu dem, was Gott über sich in seinem Wort offenbart hat.

Kann „unser Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden“, und der seinen Sohn, Jesus Christus, gegeben hat „als Lösegeld für alle“, damit alle daran teilhaben könnten, einen Teil von diesen allen bestimmt haben, nicht teilhaben zu dürfen, sondern ewig verloren zu gehen? Und von dieser Art gibt es viele Stellen; denken wir nur an Johannes 3,16, Römer 3,22 und 1. Johannes 2,2.

Nein, Gott sei Dank, es gibt eine Auserwählung, die arme Sünder für die Herrlichkeit bestimmt hat, aber nirgends spricht Gottes Wort von einer Auserwählung zur Verdammnis. Im Gegenteil: Gottes Wort sagt: „Wer will, nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Off 22,17), und „unser Heiland-Gott will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Tim 2,4).

Und wenn wir diese beiden Dinge nicht in Übereinstimmung bringen können: Die Auserwählung eines Teiles und die Einladung zu kommen, an alle, so gilt für uns: „Meine Gedanken sind höher als eure Gedanken“ (Jes 55,9). Welcher Mensch dürfte sich vermessen, von seinem Verstand zu meinen, er sei in der Lage, die Weisheit und die Wege Gottes zu begreifen oder gar zu beurteilen? Für den Glauben aber bleibt, was schon Abraham sagte: „Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?“ (1. Mo 18,25).

Mit herzlichen Grüßen,

Euer im Herrn Jesus verbundener Bruder H.L.H.

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