Die symbolische Lehre der Stiftshütte

Das Sündopfer

Das Sündopfer und das Schuldopfer waren in Wirklichkeit beides Sündopfer, aber jedes hat seinen besonderen Charakter, wie wir sehen werden.

Bei den Opfern, die wir betrachtet haben, den Opfern lieblichen Geruchs, geht es um Opfer, die von jemand dargebracht werden, der schon in der Gemeinschaft Gottes steht und ihm naht. Das Sünd- und das Schuldopfer stellen das Nahen eines Sünders zu Gott dar, oder, im Fall des Schuldopfers, das Nahen eines Menschen, der gegen seinen Nachbarn gesündigt hat. Die Opfer lieblichen Geruchs wurden auf dem ehernen Altar dargebracht.

Die Sündopfer werden „außerhalb des Lagers“ dargebracht. Das Blut des Sündopfers wurde am großen Versöhnungstag von dem Hohenpriester in das Allerheiligste getragen und auf sowie vor den Gnadenstuhl gesprengt. Das allein genügte schon, um zu zeigen, wie ernst und gewichtig das Sündopfer war.

Das Sündopfer war für Sünden erforderlich, die gegen die Satzungen Gottes in Unwissenheit begangen wurden. Der Opfernde wurde für schuldig befunden, ob er von der Sünde wusste oder nicht. In der Tat setzte „eine Sünde aus Versehen“ keine Kenntnis der Übertretung voraus. Man rechnete bei dem Darbringen des Opfers mit später nachfolgender Erleuchtung. 

Wie wahr ist es, dass keiner von uns den vollen Ernst der Sünde erfasst, dass wir oft, sehr oft, schuldig sind bei Gott, wo wir gar nichts davon wissen. Zeigt das nicht, wie die Sünde unsere Sinne benebelt und unser moralisches Empfinden abgestumpft hat? 

Und ist es nicht sehr schön zu wissen, dass Gott, wenn wir bei uns selbst vieles für richtig halten, was falsch ist, nicht das gleiche tut? In dem Licht seiner Erkenntnis von dem, was die Sünde ist, ist mit der Sünde voll und ganz am Kreuz von Golgatha abgerechnet worden. Mit welch einer Erleichterung des Gewissens lesen wir solch ein Wort wie: „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1. Joh 1,7). 

Die Sündopfer von 3. Mose 4 werden wie folgt aufgezählt:

  1. die Sünde des gesalbten Priesters
  2. die Sünde der ganzen Gemeinde
  3. die Sünde eines Fürsten
  4. die Sünde von einem vom Volk des Landes
Eine Überprüfung der Unterschiede, wie bei diesen Sünden gehandelt werden musste, wird uns zeigen, dass, je größer das Vorrecht ist, desto größer die Verantwortung und desto größer die Sünde ist. In dem Fall, dass der „gesalbte Priester“ schuldig war oder „die ganze Gemeinde Israel“ schuldig war, musste beides Mal ein junger Stier geopfert und außerhalb des Lagers verbrannt werden. 

In beiden Fällen war die ganze Gemeinde betroffen, denn der gesalbte Priester stand in Beziehung zu dem ganzen Lager.

Wenn ein Fürst sündigte, genügte es, dass er einen Ziegenbock brachte. Aber es musste in jedem Fall ein männliches Tier sein, was zeigt, dass die Sünde eines Fürsten ernster gewertet wurde als die Sünde von jemandem aus dem gewöhnlichen Volk.

Wenn einer vom Volk des Landes sündigte, musste er eine Ziege bringen. In diesem Fall genügte ein weibliches Tier. 

So sehen wir, dass Vorrecht, Stellung und Nähe zu Gott irgendeine Unwissenheit oder Sünde, die daraus resultierte, so ernst machte, wie es der Größe des Vorrechts und der Stellung entsprach.

Wenn beispielsweise eine normale Person irgendein Gesetz des Landes brach, war das eine ernste Sache. Aber wenn ein Richter das tat, war die Übertretung noch viel ernster, denn ein Richter sollte wissen, wie die Gebote des Landes lauten. Es ist bei irdischen Gerichten üblich, Leute mit Geldstrafen zu belegen für Übertretungen, bei denen sie gar nicht wussten, dass sie eine Übertretung begingen. Das Gesetz setzt voraus, dass die Leute mit seinen Verordnungen vertraut sind. Es ist für Gläubige wichtig, die Heilige Schrift zu studieren, damit sie nicht in Unwissenheit sündigen können. 

Wenn ein gesalbter Priester „nach einem Vergehen des Volkes“ sündigte, sollte er einen jungen Stier an den Eingang des Zeltes der Zusammenkunft bringen, seine Hände auf den Kopf des Opfertieres legen und es vor dem HERRN schlachten. Der Priester sollte dann das Blut nehmen, seinen Finger hineintauchen und siebenmal davon vor dem HERRN gegen den Vorhang des Heiligtums sprengen und von dem Blut an die Hörner des Altars des wohlriechenden Räucherwerks tun.

Wenn der sündige Priester all dies tat, würde er nicht empfinden, wie besonders ernst es für ihn war, gegen die Befehle des Herrn zu handeln? Er würde merken, dass er in seiner Stellung als gesalbter Priester über den Namen des HERRN große Unehre gebracht hatte.

Das Blut wurde an den Fuß des Brandopferaltars gegossen. Das Blut bedeutete Leben. Nichts Geringeres als das Blutvergießen - die Hingabe des Lebens unter dem Gericht Gottes - konnte Gottes Forderungen Genüge leisten. Dieses ganze Ritual sollte dem gesalbten, sündigen Priester eindringlich vor die Seele stellen, wie ernst Gott Sünde nimmt. 

Das Fett wurde dann abgetrennt und auf den Brandopferaltar geräuchert. Das zeigt, dass sogar bei dieser sehr ernsten Darstellung des Todes Christi das in dem Opfer lag, was am meisten Gottes Wohlgefallen erregt, die Weihe des Willens unseres Herrn, die tiefe, verborgene Ergebenheit Christi, die ihn zu solch einem Tod führte - all dies war für Gott im vollsten Maß angenehm und annehmbar. 

Aber jetzt kam der ernsteste Teil der Zeremonie. Der Priester musste die Haut des Stiers und all sein Fleisch samt seinem Kopf und seinen Schenkeln und seinen Eingeweiden und seinem Mist außerhalb des Lagers an einen reinen Ort nach dem Schutthaufen der Fettasche bringen. Und dort sollte das Ganze mit Feuer verbrannt werden. Sicherlich würde der Priester den ganzen Ernst der Sache tief empfinden. Das Lager war ein großer Platz. 600.000 streitbare Männer neben den alten Männern und Jugendlichen, den Frauen und Kindern lagerten sich rund um die Hütte. Es muss ein ernstes Zeugnis gewesen sein für das, was Gott über die Sünde dachte. Eine Entfernung von 6 oder 7 Meilen lag zwischen der Hütte und dem „außerhalb des Lagers“, wo die Asche ausgeschüttet wurde. 

Die Schrift gibt uns die symbolische Bedeutung davon selbst an: „Denn von den Tieren, deren Blut für die Sünde in das Heiligtum hineingetragen wird durch den Hohenpriester, werden die Leiber außerhalb des Lagers verbrannt. Darum hat auch Jesus, damit er durch sein eigenes Blut das Volk heiligte, außerhalb des Tores gelitten“ (Heb 13,11-12). Als er unter dem Zorn Gottes wegen unserer Sünden starb, als er den bittersten aller Schreie ausstieß: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, da brachte unser Herr das Bild des Sündopfers in seiner ganzen schrecklichen Bedeutung zur Erfüllung. Sicher zeigt sich unsere Seele vor ihm in tiefster Anbetung und Danksagung, dass er allen Forderungen göttlicher Gerechtigkeit gegen uns Genüge geleistet und uns von der ewigen Verdammnis errettet hat. 

Die verschiedenen Teile des Sündopfers werden aufgezählt und verlangen, dass wir ehrfürchtig darüber nachdenken. 

„Die Haut des Stiers“, das, was seine Schönheit ausmachte, wird zuerst erwähnt. Dass sie verbrannt wurde verdeutlicht, dass die Herrlichkeit des Menschen im Fleisch, das, was bei dem Menschen bewundert und gefeiert wird, bei Gott Anstoß erregt. „Stolz der Augen und Überheblichkeit des Herzens, die Leuchte der Gottlosen, sind Sünde“ (Spr 21,4).

„All sein Fleisch“ - das stellt die Sünde im Allgemeinen dar. 

„Samt seinem Kopf“ - das sagte eindeutig, dass jeder Gedanke eines sündigen Menschen in den Augen Gottes nur böse ist. „Alles Gebilde der Gedanken seines (des Menschen) Herzens war nur böse den ganzen Tag“ (1. Mo 6,5). 

„Samt seinen Schenkeln“ - das bedeutete, dass jedes Tun des natürlichen Menschen Sünde ist. Wo kommt die Sünde her? Von einer Natur - und eine Natur kann nur sich selbst offenbaren. „Alle sind abgewichen, sie sind allesamt untauglich geworden, da ist keiner, der Gutes tue, da ist auch nicht einer“ (Rö 3,12). 

„Und seine Eingeweide“ - das deutet das an, was verborgen und geheim ist. Jede Regung des natürlichen Herzens und Willens ist gegen Gott. Die äußere Fassade mag schön aussehen, aber wie steht es mit dem Inneren? „Ihr reinigt das Äußere des Bechers und der Schüssel, inwendig aber sind sie voll von Raub und Ungerechtigkeit“ (Mt 23,23). 

„Mit seinem Mist“ - das stellte das dar, was nach außen wertlos und schlecht ist. Sogar Sünder verdammen solche plump-schlechten Dinge, deren Menschen sich schuldig machen können. 

Diese Beschreibung lenkt uns unwiderstehlich zu der langen Verurteilung des Menschen im Fleisch, wie sie uns in Römer 3 aufgezählt wird, wo Zunge, Lippen, Mund und Füße allesamt Glieder der Bosheit sind. Jesaja fügt sein Zeugnis hinzu: „Von der Fußsohle bis zum Haupt ist nichts Gesundes an ihm: Wunden und Striemen und frische Schläge“ (Jes 1,6). Weiter: „Und wir allesamt sind dem Unreinen gleich geworden, und alle unsere Gerechtigkeiten wie ein unflätiges Kleid“ (Jes 64,5).  

Aus diesen Einzelheiten lernen wir in tiefstem Sinn, was Sünde ist, und was für ein unaussprechliches Leid der Herr Jesus, der Sohn Gottes, auf sich nehmen musste, um für unsere schreckliche Not Abhilfe zu schaffen.

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