Die gegenwärtige Erwartung der Kirche

9. Abend: Unbedingte Verheißungen irdischen Segens für Israel 2

Hesekiel 37

Was mit den Gebeinen vorgeht, welche Hesekiel sieht, stellt uns ganz deutlich dasjenige vor Augen, wovon ich diesen Abend mit euch reden möchte, ich meine das, was Gott nach seiner Güte zu Gunsten Israels tun wird. Bei Betrachtung dieses Gegenstandes werde ich die bisherige Methode befolgen, ich werde euch nämlich nach einander Zeugnisse aus dem Worte Gottes anführen.

Ihr erinnert euch, dass wir das letzte Mal zu Anfang der Betrachtung über diesen Gegenstand, den Unterschied zwischen dem Bunde, der mit Abraham gemacht war, und dem Bunde des Gesetzes auf dem Berg Sinai, im Auge gehabt haben, und das jedes Mal, wenn Gott seinem Volke Gnade erzeigen wollte, er sich des Bundes erinnerte, den er mit Abraham gemacht hatte. Wir habe auch gesehen, dass Israel die Verheißungen unter dem Bunde empfangen hat, der in der Wüste gemacht, und nicht unter demjenigen, der mit Abraham gemacht worden, und dass es von da an, wo es unter der Bedingung des Gehorsams stand, einen ganz falschen Weg eingeschlagen hat, um sich im Genuss der Verheißungen zu erhalten, dass aber dennoch Gott durch die Vermittlung Moses dieses Volk hat segnen können.

Ich will euch zeigen, wie sich Israel auch nach diesem, selbst da es in das Land versetzt war, das Gott ihm gegeben hatte, vergangen, und wie Gott die Propheten erweckt hat, um dasselbe auf eine ganz besondere Weise von der Sünde zu überzeugen, in welche es gefallen war, zum Beweis für die Gläubigen, dass der Ratschluss Gottes über Israel in seiner Ausführung nicht fehlen, dass durch den Messias alles das in Erfüllung gehen wird, wovon er geredet hatte, und dass dem treuen Überrest dieses Volkes gerade deswegen, weil Israel sich vergehen würde, diese Verheißungen von seiner Wiederherstellung um so göttlicher sein müssten.

Erinnert euch, dass wir in der Geschichte der Sünden Israels unter dem Gesetz, die Geschichte des Herzens eines Jeden aus uns finden, dass wir, wenn wir uns vor Gott hinstellen, sehen werden, dass es nur die Gnade ist, die wir als Gottes Werk erkennen, und die uns nicht nur halten, sondern aus der Lage herausreißen kann, in welcher wir uns, infolge der Sünden, befinden.

Ich will euch nun auf den Verlust der Rechte und auf den Verfall Israels unter allen seinen Regierungsformen, seit seinem Eintritt in das Land Kanaan, aufmerksam machen. Ihr wisst, dass Josua die Israeliten in ihr Land eingeführt hat. Das Buch Josua enthält die Geschichte des Sieges Israels über die Kanaaniter, die Geschichte von der Treue Gottes, die er in Erfüllung dessen, was er seinem Volke verheißen, bewiesen hat.

In den Büchern der Richter und Samuels ist die Geschichte des Falles Israels im Lande Kanaan bis auf David, aber zugleich auch die Geschichte der Geduld Gottes enthalten. Lasst uns jetzt gleich sehen, wie Josua den Israeliten ihre Verpflichtungen und ihren Charakter vorhält.

Er zählt ihnen in Josua 24 alles auf, was Gott in Rücksicht auf sie getan hat, alle seine Gnade und ganze Güte, und dann erfolgt in Vers 16 die Antwort des Volkes: „Fern sei es von uns, den Herrn zu verlassen, um anderen Göttern zu dienen!“ Und in Vers 19 sagt Josua zum Volk: „Ihr könnt dem Herrn nicht dienen;“ und das Volk spricht: „Nein, sondern dem Herrn wollen wir dienen!“, „Dem Herrn, unserem Gott, wollen wir dienen und auf seine Stimme hören!“ Josua machte also desselben Tages einen Bund mit dem Volk. Dieser ihr Führer brachte sie in das Land der Verheißung; sie genossen die Wirkung der Gnade, und überschätzten sich aufs Neue, in eigener Kraft dem Herrn zu gehorchen.

Wir sehen nun in Richter 2, dass sie sich gänzlich vergangen haben. „Ich werde sie nicht vor euch vertreiben; und sie werden zu euren Seiten sein“ (Vers 3). Und Vers 11 dieses Kapitels: „Und die Kinder Israel taten, was böse war in den Augen des Herrn, und dienten den Baalim.“ Und Vers 14: „Da entbrannte der Zorn des Herrn gegen Israel“.

Wir sehen immer das Gleiche: Von Seiten Gottes Wohltun, und von Seiten des Menschen Undankbarkeit.

Wir wollen die Stellen zitieren, welche zeigen, wie Israel unter allen Formen der Regierung entgegen Treue und Pflicht handelte.

Eli war (1. Samuel 4,11) der Hohepriester, der Richter, das Haupt Israels; aber wir sehen die Herrlichkeit Israels zu Boden geworfen, die Lade Gottes war weggenommen, und die zwei Söhne Elis, Hophni und Pinehas, starben. Vers 18–21: Eli selbst starb, und seine Schwiegertochter nannte das Kind, welches sie gebar, Ikabod, und sprach: „Die Herrlichkeit ist von Israel gewichen!, weil die Lade Gottes genommen war, und wegen ihres Schwiegervaters und ihres Mannes.“

Hierauf regierte Gott Israel durch Samuel, den er erweckte, und den ersten unter allen Propheten genannt hatte; aber bald nachher hat Israel diesen Propheten verworfen (1. Samuel 8,7): „Und der Herr sprach zu Samuel: Höre auf die Stimme des Volkes in allem, was sie dir sagen; denn nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, dass ich nicht König über sie sein soll. Gemäß allen Taten, die sie getan haben von dem Tag an, als ich sie aus Ägypten heraufgeführt habe, bis auf diesen Tag, indem sie mich verlassen und anderen Göttern gedient haben, so tun sie auch dir.“

Gott gab ihnen denn also einen König in seinem Zorn, und man weiß, was mit diesem König, den sie selbst erwählten, geschehen ist.

In 1. Samuel 15,26 ist das Gericht ausgesprochen: „Ich kehre nicht mit dir um; denn du hast das Wort des Herrn verworfen, und der Herr hat dich verworfen, dass du nicht mehr König über Israel sein sollst.“ Diese verschiedenen Stellen zeigen, dass Israel sich unter dem König, unter den Propheten, und unter dem Hohenpriester vergangen hat, und wie es unter dem König, den es erwählt hatte, seinem Untergang entgegen ging.

David wurde an Stelle Sauls erweckt; Gott hatte diese Wahl aus Gnaden getroffen; Er ist es, der Israel David gab, als Vorbild auf Christum, sowie er der Vater von Christus nach dem Fleische war. Ebenso wird Israel durch die Güte Gottes, unter David und Salomo äußerst reich und berühmt. Aber wir werden sehen, dass dieses Volk unter diesen zwei Fürsten aufs Neue entgegen Treue und Pflicht gehandelt hat. In 1. Könige 11,5–11 heißt es: „Und Salomo tat, was böse war in den Augen des Herrn, und er folgte dem Herrn nicht völlig nach wie sein Vater David. … Da wurde der Herr zornig über Salomo.“

Es ist sehr traurig zu sehen, wie das menschliche Herz in allen möglichen Umständen sich von Gott abwendet, und dies ist allgemein; dies ist die Lehre, die wir aus der Geschichte des Volkes Israel zu ziehen haben. Ihr wisst, dass es in zwei Abteilungen geteilt war, und dass die zehn Stämme gänzlich untreu geworden sind. In der Person Ahas hat die Familie Davids, der letzte Stützpunkt der Hoffnungen Israels, angefangen den Götzen zu dienen (siehe 2. Könige 16,10–14).

Nach Kapitel 21,11.14.15 macht die Sünde Manasses das Maß dieser gänzlichen Untreue voll.

Hier in einigen Worten das Betragen Israels und selbst Judas bis auf die babylonische Gefangenschaft. Der Geist Gottes fasst ihre Geschichte, die Geschichte ihrer Verbrechen und seiner Geduld in folgenden schlagenden Worten kurz zusammen; 2. Chronika 36,15.16: „Und der Herr, der Gott ihrer Väter, sandte zu ihnen durch seine Boten, früh sich aufmachend und sendend; denn er erbarmte sich seines Volkes und seiner Wohnung. Aber sie verspotteten die Boten Gottes und verachteten seine Worte und verhöhnten seine Propheten, bis der Grimm des Herrn gegen sein Volk stieg, dass keine Heilung mehr war.“

Dies ist das Ende ihrer Existenz in diesem Lande Kanaan, wo sie durch Josua eingeführt waren. Der Name Lo-Ammi (nicht mein Volk) steht zuletzt über ihnen geschrieben.

Nachdem wir die Geschichte ihres Verfalls bis auf ihre Wegführung nach Babylon in kurzem durchgegangen sind, bleibt uns jetzt noch die Verheißungen zu erwägen, die den Glauben des treuen Überrestes dieses Volkes während der an ihm ausgeübten Ungerechtigkeit, und während der Dauer seiner Gefangenschaft gehalten haben.

Wir müssen hier auf eine wichtige Verheißung aufmerksam machen, die als zweite Grundlage für die Erwartung der gläubigen Juden diente; sie findet sich in 2. Samuel 7 und 1. Chronika 17. Zwischen diesen zwei Stellen findet dieser Unterschied statt, dass derjenige aus Chronika direkt Christum betrifft. Dieser Unterschied hängt zusammen mit der Verschiedenheit zwischen den beiden Büchern, von denen das eine (Samuel) historisch, und das andere (die Chroniken) ein kurzer Abriss ist, der die ganze Geschichte von Adam an, an Christum und an die Hoffnungen Israels genealogisch anknüpft, und wovon folglich alle Übertretungen der Könige Israels ausgeschlossen sind. Siehe in 2. Samuel 7,10 folgende Verheißung: „Und ich werde einen Ort setzen für mein Volk, für Israel und werde es pflanzen, dass es an seiner Stätte wohne und nicht mehr beunruhigt werde, und die Söhne der Ungerechtigkeit sollen es nicht mehr bedrücken, wie früher.“ Und in 1. Chronika 17,11: „Und es wird geschehen, wenn deine Tage erfüllt sind, dass du zu deinen Vätern hingehst, so werde ich deinen Nachkommen nach dir erwecken, der von deinen Söhnen sein wird, und werde sein Königtum befestigen. Der wird mir ein Haus bauen; und ich werde sein Thron befestigen in Ewigkeit. Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein.“ Die Anwendung dieser Worte auf Christum findet sich in Hebräer 1 und wir sehen in diesem Zeugnis die Verheißungen, Abraham und seiner Nachkommenschaft gegeben, alle Verheißungen, welche Israel gegeben sind, unter den Schutz gestellt und vereinigt in der Person selbst des Sohnes Davids.

Nun haben wir, geliebte Freunde, die Verheißung betrachtet, die David gegeben wurde, und die der Grund aller derjenigen ist, die sich auf die Familie dieses Namens beziehen.

Wir haben den Fall gesehen, und auch die Verheißung, die dem Sohn Davids gegeben ist, dem Messias. Setzen wir nun das Studium über diesen Gegenstand in den unmittelbaren Zeugnissen der Propheten fort.

Jesaja 1,25–28 beschreibt die gänzliche Wiederherstellung der Juden, aber durch Gerichte, die die Gottlosen aus dem Weg schaffen.

Kapitel 4,2–4: „An jenem Tag wird der Spross des Herrn zur Zierde und zur Herrlichkeit sein und die Frucht der Erde zum Stolz und zum Schmuck für die Entronnenen Israels. Und es wird geschehen, wer in Zion übrig geblieben und wer in Jerusalem übrig gelassen ist, wird heilig heißen, jeder, der zum Leben eingeschrieben ist in Jerusalem, wenn der Herr den Unflat der Töchter Zions abgewaschen und die Blutschulden Jerusalems aus dessen Mitte weggefegt haben wird durch den Geist des Gerichts und durch den Geist des Vertilgens.“

Das 6. Kapitel desselben Propheten lässt uns völlig in den Geist der Weissagungen eindringen. Es war zurzeit, da Ahas regierte, dieser Ahas, den man den geschändeten Altar von Damas nach Jerusalem senden sah, und wo Jesaja gesandt wurde, ihm entgegen zu gehen, diesem König, dem Sohn Davids, welcher den Abfall einführte. Man sieht in dieser Prophezeiung gleich die Herrlichkeit Christi offenbart, den Herrn, den dreimal Heiligen. Es ist das, wovon Johannes spricht (in Kapitel 12 seines Evangeliums), die Herrlichkeit, die das ganze Volk verdammt, die aber durch die Gnade den Geist der Fürbitte hervorbringt, auf den die Barmherzigkeit jedoch nicht ohne Begleitung von Gerichten, die das Volk und das Land von den Gottlosen freimachen, nach einer Verstockung, die lange genug gedauert, und durch die Verwerfung Christi und des Zeugnisses, das durch den Geist in den Aposteln von ihm abgelegt wurde, ihren höchsten Gipfel erreicht hat. Man sehe Vers 9–13 desselben Kapitels.

Jesaja 11,10: „Der Wurzelspross Isais, der dasteht als Banner der Völker, nach ihm werden die Nationen fragen;“ Wir sehen hier, wann und wie das Land von der Erkenntnis des Herrn erfüllt sein wird, es wird dazumal geschehen, wann Er den Gottlosen durch den Hauch seines Mundes umgebracht haben wird. Dann wird der Herr Israel berufen, und zum anderen mal seine Hand über dasselbe ausstrecken. Vers 9–12.

Man hat behauptet, dass in Jesaja 33,20–24 und in Kapitel 49 Zion die Kirche bedeute; aber da lauter Freude war, hat Zion gesagt: „Der Herr hat mich verlassen.“ Unmöglich, wenn Zion die Kirche wäre. Wie! Die Kirche verlassen mitten in ihrer Freude! Lest doch Jesaja 49,14–23. Die gleiche Bemerkung gilt auch für das ganze 62. Kapitel und für Kapitel 65,19–25, wo wir ganz deutlich sehen, dass es sich um irdische Segnungen handelt, um einen Zustand der Dinge auf dieser Erde, der bis auf den heutigen Tag noch unbekannt ist; Gott selbst wird zu dieser Zeit sich über Jerusalem freuen.

Dies sind die Verheißungen, die deutlich genug die zukünftige Herrlichkeit sowohl Jerusalems als des jüdischen Volkes anzeigen. Ich gehe nun zu den Kapiteln über, die noch unmittelbarer von diesem Gegenstand handeln.

In Jeremia 3,16–18 steht: „Und es wird geschehen, wenn…“ Es gibt Dinge, die nach vielen Weissagungen ihre Erfüllung zu haben scheinen; z. B. die Rückkehr nach Babylon; aber Gott hat darauf eine Antwort gegeben von besonderer Natur, Er hat Dinge zusammengestellt, die sich nie beisammen gefunden haben. Z. B. in dieser Stelle: „Alle Nationen werden sich zu ihr versammeln.“ Es ist klar, dass dieses seit der Zeit der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft nicht geschehen ist. Man kann sagen, es ist die Kirche. Nein; „In jenen Tagen wird das Haus Juda mit dem Haus Israel ziehen, und sie werden miteinander aus dem Land des Nordens in das Land kommen, das ich euren Vätern zum Erbteil gegeben habe.“ Kurz, wir finden drei Sachen vereinigt: Jerusalem, den Thron des Herrn und Juda und Israel beisammen, sowie die Heiden versammelt um den Thron Gottes, drei Sachen, die gewiss zu gleicher Zeit noch nicht erfüllt gewesen sind. Als die Kirche gegründet wurde, ward Israel zerstreut. Als Israel aus Babylon zurückkehrte, gab es weder ein Kirche noch eine Sammlung der Völker.

Jeremia weissagt in Kapitel 30,7–11: „Wehe, denn groß ist jener Tag, ohnegleichen, und es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob! Doch er wird aus ihr gerettet werden. …und Fremde sollen ihn nicht mehr dienstbar machen, sondern sie werden dem Herrn, ihrem Gott, dienen und ihrem König David.“ Dieses Volk wird in Ruhe und Gemächlichkeit sein, und Niemand wird es mehr erschrecken. Allerdings sind das für Israel selige Ereignisse, die noch nicht in Wirklichkeit übergegangen sind.

Siehe Jeremia 31, 23.27.28 und 31 bis zu Ende. Man bemerke hier besonders Vers 28. Wer ist es, den der Herr ausgerissen, niedergerissen und abgebrochen hat? Es sind dieselben, von denen er sagt, dass er sie bauen und pflanzen werde. Es ist in der Tat ein wenig stark, alle diese Gerichte auf Israel, und alle die Segnungen, die die gleichen Personen angehen, auf die Kirche anzuwenden. Und wenn es sich um die Kirche handelt, was will denn der Turm Hananel bis ans Ecktor und der Hügel Gareb sagen? Man merke auch noch auf die letzten Worte dieses Kapitels: „Es soll nicht ausgerottet und nicht zerstört werden in Ewigkeit.“

Jeremia 32,37–42 ist eine rührende Stelle in Bezug auf die Gedanken des Herrn über sein Volk.

Nachdem er ihnen die Verheißung des Segens aus Gnaden gegeben, und ihnen versichert hat, dass er ihr Gott sein wolle, sagt der Herr: „Ich werde sie in diesem Land pflanzen in Wahrheit mit meinem ganzen Herzen und mit meiner ganzen Seele. Denn so spricht der Herr: Wie ich über dieses Volk all dieses große Unglück gebracht habe, so will ich über sie all das Gute bringen, das ich über sie rede.“

In Kapitel 33,6.11.15.24–26 handelt es sich noch um den Segen Israels und Jerusalems, und zwar durch die Gegenwart des Zweiges, welcher von David entsprießen, und welcher das Gericht und die Gerechtigkeit auf der Erde vollziehen wird. Erinnern wir uns, Geliebte, dass uns das Wort Gottes den Heiligen Geist keineswegs als den Zweig Davids darstellt, noch sein Amt als ein solches, das auf der Erde das Gericht vollzieht. Auf der anderen Seite, wenn man dächte, ihn auf die Rückkehr aus Babylon anzuwenden, so möchte ich hier Nehemia 9,36.37 anführen: „Siehe, wir sind heute Knechte; …und wir sind in großer Bedrängnis.“ Kann nun die Rückkehr aus Babylon die Erfüllung aller Verheißungen gewesen sein, die wir durchgegangen sind? Ist das die ganze Seele, das ganze Herz Gottes zu Gunsten seines Volkes? Ihr seht, wie hoch der Geist Gottes dasjenige ansetzt, was nach der Rückkehr aus Babylon geschehen ist. Diese Verheißungen Gottes sind also noch nicht erfüllt.

Hesekiel 11,16–20. Bis auf die Zeit, die in diesem Kapitel angedeutet wird, ist Israel oder sind vielmehr die Juden unter dem Einfluss des Gerichts, welches in folgender Stelle enthalten ist: „Wenn aber der unreine Geist von dem Menschen ausgefahren ist, durchzieht er dürre Gegenden, sucht Ruhe und findet sie nicht“ (Matthäus 12,43). Die folgenden Verse in Hesekiel sprechen von ihrem letzten Zustand, in welchem sie, wie wir gesehen haben, dem Gericht unterworfen sind; und dann gibt Gott dem Überbleibsel ein neues Herz.

In Kapitel 34,22 bis zu Ende sehen wir von Neuem, dass David ihr König in ihrer Mitte, und dass der Segen unwandelbar ist.

Siehe auch noch Kapitel 36,22–32. Wenn man mir den Einwand sagt: Aber es sind da geistliche Dinge, an denen wir teilhaben, so antworte ich: Ja, wir haben Teil an den Segnungen des guten Ölbaumes; aber dadurch ist er dessen nicht beraubt, was ihm gehört. Warum sind wir dessen teilhaftig? Weil wir in Christo sind. Wenn wir in Christo sind, so sind wir Kinder Abrahams, und haben Teil an allem, was geistlich ist.

„Ihr werdet in dem Lande wohnen, das ich euren Vätern gegeben habe.“ Die Kirche hat nur einen Vater, der der Vater unseres Herrn Jesu Christi ist.

Im Vorbeigehen möchte ich euch nun auf die Anspielung aufmerksam machen, die in einer sehr bekannten Stelle in Johannes 3, 12 enthalten ist, eine Anspielung auf was? Auf alles das, was gesagt ist in den Propheten, und besonders in der Stelle, die uns zuletzt beschäftigt hat, die wir beinahe wortwörtlich angeführt finden in Worten, welche unser Herr an Nikodemus richtet: „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du bist der Lehrer Israels und weißt das nicht? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben, und unser Zeugnis nehmt ihr nicht an. Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubt nicht, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage?“ Als ob er sich so gegen sie ausdrückte: Wenn ich euch von Dingen gesagt habe, die sich auf Israel beziehen, wenn ich euch davon gesprochen habe, dass Israel neu geboren werden muss, um die irdischen Verheißungen, die ihm angehören, und die ihr nicht verstanden habt, zu genießen, wie werden ihr die himmlischen Dinge verstehen, die Herrlichkeit des in den Himmel erhöhten Christus, und die Kirche, seine Braut in dieser himmlischen Herrlichkeit? Ihr habt selbst die Belehrungen eurer Propheten nicht verstanden, Du, ein Meister in Israel, der wenigstens die irdischen Dinge hätte verstehen sollen, dasjenige, was Hesekiel und andere Propheten über diesen Gegenstand gesagt haben.

Wir sehen in der Tat in Hesekiel 36 sowie in mehreren anderen Stellen, die wir angeführt haben, die Frucht der Bäume, den Ertrag des Landes, und andere ähnliche Dinge, die die Israel verheißenen, irdischen Güter sind; aber zugleich sehen wir auch die Notwendigkeit einer Herzensveränderung an Israel, um dieselben zu genießen. Israel muss wiedergeboren werden in seinem Herzen, um die Verheißungen Kanaans zu empfangen; Gott muss sie in seinen Gesetzen wandeln lehren, indem er ihnen ein neues Herz gibt; dann, und nur dann werden sie die vorher verkündigten Segnungen genießen. Das ist es, Nikodemus, was du durch die Reden eurer Propheten selbst verstehen solltest.

In Hesekiel 37 sehen wir eine ausführliche Geschichte von der Wiederherstellung Israels, die Vereinigung der zwei Teile des Volkes, ihre Rückkehr in ihr Land, ihren Zustand der Einigkeit und Treue gegen Gott in demselben Land. Gott, der ihr Gott ist, und ihr König David ist nun gegenwärtig, gegenwärtig für immer, so dass die Heiden wissen sollen, dass der Herr ihr Gott ist, wenn sein Heiligtum ewiglich unter ihnen sein wird.

In Kapitel 39,22–29 ist es augenscheinlich, dass dies noch nicht geschehen ist, weil in diesem Zeitpunkt Gott sein Angesicht nicht mehr vor ihnen verbergen wird, wie er es sonst noch bis auf diese Stunde tut, und weil er sie in ihr Land versammeln wird, ohne irgendein Überrest aus ihnen unter den Heiden zurückzulassen, was offenbar noch nicht erfüllt ist.

Erinnern wir uns zum Schluss an die großen Wahrheiten, auf die diese Weissagungen ruhen. Die Wiederherstellung der Juden ist auf die Verheißungen gegründet, welche Abraham ohne Bedingung gegeben sind. Ihr Fall kommt daher, dass sie auf ihre eigene Kraft hin handeln wollten, und nachdem sich die Geduld Gottes auf alle mögliche Weise an ihren bewährt hatte, bis das kein Heilmittel mehr übrig war, da kam das Gericht über sie; aber Gott gedenkt seiner Verheißungen.

Ich schließe nun mit der Anwendung hiervon auf unsere eigenen Herzen. Es ist immer die gleiche Geschichte, immer die Geschichte des Verfalls. Sobald uns Gott in diese oder jene Lage gesetzt hat, siehe da, so machen wir uns sogleich der Untreue schuldig. Aber hinter allem diesem steht ein mächtiges Prinzip, nämlich die Offenbarung der Ratschlüsse Gottes, und folglich die Verheißungen ohne Bedingung, und wir haben gesehen, dass es die Vermittlung und die Gegenwart Jesu ist, in welchem alle diese Verheißungen erfüllt sind. Wir haben auch gelesen, dass Gott das seit langem schon angekündigte Gericht nicht vollzieht, als bis er nach einer außerordentlichen Geduld alle möglichen Mittel erschöpft hat, die den Menschen an seine Pflichten gegen Gott hätten erinnern sollen, wenn er nur einen Funken des Lebens in seinem Herzen gehabt hätte; aber kein Funke davon war mehr in ihm.

Die einzelnen, durch die Gnade lebendig gemachten Individuen halten sich an die Verheißungen, die ihre Erfüllung in der Offenbarung desjenigen finden sollen, der sie realisieren und ihre Verwirklichung für die Anderen durch seinen Verdienst herbeiführen kann. Und nichts stellt dieses Prinzip mehr ins Licht, als die Geschichte Israels. „Alle Schrift, sagt der Apostel, ist von Gott eingegeben, und nützlich zur Lehre.“ Es ist ein Spiegel, worin wir einerseits das menschliche Herz sehen können, das immer untreu ist, andererseits die Treue Gottes, der nie untreu wird, der alle seine Verheißungen erfüllen und eine bewunderungswürdige Macht offenbaren wird, welche selbst die Ungerechtigkeit des Menschen und die Macht des Satans übersteigen soll. Wenn die Feindschaft ihren höchsten Grad erreicht hat, dann sagt er: „Verstocke ihr Herz….“ Und selbst die Vollziehung dieses Gerichts, welches beinahe achthundert Jahre vorher durch den Propheten Jesaja verkündigt worden, finden wir erst in der Apostelgeschichte 28,27. Dann, wenn dieses Volk alles verworfen haben wird, wird es Gott verstocken, um dadurch ein Denkmal seiner Führungen aufzustellen. – Welche Geduld von Seiten Gottes!

Also, was uns anbelangt, ist die Vollziehung des Gerichtes schon seit 1800 Jahren aufgeschoben; und Gott erschöpft noch alle äußeren Hilfsmittel seiner Gnade, um zu sehen, ob noch ein guter Gedanke in dem Herzen sei. Wie der Herr sagt: „Wenn ich nicht gekommen wäre, und zu ihnen geredet hätte, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie keinen Vorwand für ihre Sünde. Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; jetzt aber haben sie gesehen und doch gehasst sowohl mich als auch meinen Vater.“ Bewunderungswürdige Geduld! Unendliche Gnade dessen, der Teil an uns nimmt, selbst nach unserer Empörung und Ungerechtigkeit! Ihm gebührt allein die Ehre!

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