Die gegenwärtige Erwartung der Kirche

5. Abend: Fortschritt des Bösen auf der Erde

Daniel 2

Wir haben bis jetzt von der Vereinigung Christi mit der Kirche, die ihm ähnlich ist, von der Zukunft Christi im eigentlichen Sinne des Wortes, und von der Auferstehung der Kirche, durch welche sie als Miterbin an dieser Herrlichkeit Christi teilhat, gesprochen.

Der Gegenstand, der uns diesen Abend beschäftigen soll, ist nicht so reich an Freude und Glückseligkeit; aber wir müssen ebenso wohl das Zeugnis wissen, welches Gott von dem Bösen des Menschen ablegt.

Ich hoffe, geliebte Freunde, dass die Folge davon uns zum Ernst führen wird.

Der Blick auf die Fortschritte des Bösen und auf das Gericht, welches dasselbe nach sich zieht, hat zuerst diese Wirkung, dass wir dieses Böse meiden, danach, dass wir uns von der Macht Gottes überzeugen, die allein es wegschaffen kann.

„Seht zu, dass ihr den nicht abweist, der redet!“ (Heb 12,25–29). Siehe da die Gedanken des Apostels über die große Veränderung, welche stattfinden wird, wenn die Macht des Bösen zerstört sein wird.

Das, was ich euch diesen Abend vorzulegen habe, hat den Zweck, euch zu zeigen, dass, anstatt einen beständigen Fortschritt im Guten hoffen zu können, wir im Gegenteil einen Fortschritt des Bösen erwarten müssen, und dass die Hoffnung, die Erde werde voll werden von der Erkenntnis des Herrn nach der Vollziehung seines Gerichts und der Vollendung desselben auf der Erde, eine falsche Hoffnung ist.

Wir haben das Böse zu erwarten, bis dass es sich so ungescheut herausstellt, dass der Herr als Richter kommen muss.

Zuerst werde ich euch zeigen, dass das Neue Testament uns das Böse beständig in seinem Fortschritt und Wachstum darstellt bis zum Ende, und das Satan dasselbe vermehren wird, bis der Herr seine Macht zerbricht; zweitens beabsichtige ich, euch den Charakter zu zeigen, den das Böse als äußere Macht annehmen wird. Mit anderen Worten läuft das, was ich euch zu sagen habe, auf folgende zwei Punkte hinaus:

  1. Der Abfall vom Glauben, welcher in der Christenheit selbst stattfindet.
  2. Die Bildung, der Fall und der Sturz der weltlichen Macht das Antichrists „als sichtbare Macht betrachtet“.

Ich mache den Anfang mit Mt 13,36, wo sich das Gleichnis vom Unkraut befindet. Ihr wisst, dass es uns davon redet, wie der Feind, währenddem die Leute schliefen, Unkraut auf den Acker des Hausherrn gesät hat; und dass derselbe den Knechten auf die Frage, ob sie das Unkraut ausraufen sollen, mit nein geantwortet hat, dass der gute Same und das Unkraut miteinander wachsen sollen bis zu Ernte. Es ist also der Ausspruch des Herrn, dass das Böse, welches der Satan auf dem Acker gestiftet hat, wo der gute Samen des Wortes Gottes gesät wurde, darauf bleibe und reif werde bis zum Ende. Es ist eine ausdrückliche Erklärung, dass die Bestrebungen der Christen nicht dazu dienen werden, das Böse wegzuschaffen bis auf den Tag des Gerichts. „Lasst beides zusammenwachsen bis zur Ernte.“

Die Ernte ist das Ende dieses Zeitalters, nämlich der gegenwärtigen Haushaltung.

Jetzt waltet die Gnade noch in dem Reich Gottes und nicht das Gericht; wir haben die Welt nicht zu richten. Selbst da, wo wir sagen können: ein solcher ist ein Kind des Satans – auch daselbst ist er außer unserer Gerichtsbarkeit; es ist Unkraut. Ich habe es mit der Gnade zu tun, nämlich, ich kann das Böse, welches Satan hervorgebracht hat, nicht angreifen, aber ich kann als Werkzeug der Gnade wirken; denn Gott erlaubt uns, guten Samen zu säen. Unter dem Unkraut sind nicht bloß gottlose Menschen oder Heiden zu verstehen; diese Letzteren sind nicht unter den guten Samen gesät worden. Das Unkraut ist etwas, das der Feind gestiftet hat, nachdem Jesus Christus den guten Weizen gesät hatte. Ich könnte es Ketzerei, Verfälschung der Wahrheit nennen, die also bleiben wird bis zur Ernte; allein das Böse, welches Satan durch die verfälschte Religion hervorgebracht hat, wird bestehen bis ans Ende; alle unsere Anstrengungen sollen dahin zielen, nicht das Unkraut auszuraufen, sondern die Kinder Gottes zu sammeln, zusammenzubringen die Miterben Jesu Christi. 1

1. Tim 4,1: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, durch die Heuchelei von Lügenrednern, ...“.

Man muss nicht auf Fortschritte des Evangeliums warten, im eigentlichen Sinne; es wird solche machen, und gerade so viel, als es für die Sammlung der Glieder der Familie Gottes nötig sein wird; aber das müssen wir erwarten, was in diesen Worten gleichsam als ein Gemälde der letzten Zeit aufbewahrt ist: „Es werden einige von dem Glauben abfallen.“ (vgl. mit 2. Petrus 2,1–3).

2. Tim 3,1–5: „Dies aber wisse, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten eintreten werden; ...“ Sollen wir uns nun hierin an das halten, was die Menschen sagen? Nein, sondern an das, was Gott sagt. Seht die Sprache, welche Jeremia gegen Hananja führt: Jeremia 28,6 u. ff., das als Antwort dient, wenn man sagt, dass die Erde voll werden wird der Erkenntnis des Herrn, wie das Wasser die Tiefe des Meeres bedeckt. Ich glaube allerdings, dass die Erkenntnis des Herrn die Erde füllen wird, doch um diese Frage handelt es sich hier nicht; es fragt sich da: wie wird dies erfüllt werden? Durch die Gerichte Gottes; „denn wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit.“

Kommen wir auf unsere angeführte Stelle zurück: „denn die Menschen werden selbstsüchtig sein...“. Nicht die Heiden, die Christen werden es sein, die Christen dem Namen nach; denn es steht geschrieben, dass sie „eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen.“

Die Sinnesart, auf welche der Apostel hinweist, ist die der Heiden, wie sie zu Anfang des Briefes an die Römer im allerniedrigsten Grad ihrer Herabwürdigung und ungefähr in den gleichen Ausdrücken geschildert ist. Und in Beziehung auf diese Menschen der letzten Zeit ist noch hinzugefügt: sie werden immer schlimmer.

Wir sehen die gleiche Erwartung des Bösen in 2. Tim 4,1–4: „Ich bezeuge ernstlich vor Gott...“.

Es ist eine Sache, worauf man wohl zu merken hat, dass das Unkraut schon bei Lebzeiten der Apostel selbst gesät war, und es ist ein großes Glück für uns; denn wenn es später geschehen wäre, so würden wir das Zeugnis des Wortes Gottes nicht haben, das uns in dieser Beziehung warnen, und wenn die widerwärtigen Ereignisse kommen werden, uns leiten und uns vollkommenes Licht von Gott über diesen Zustand der Dinge mitteilen soll.

1. Pet 4,17: „Denn die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Hause Gottes.“ Vergleicht man diese Stellen mit Apg 20,28–30: „ Habt Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist als Aufseher gesetzt hat, die Versammlung Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines Eigenen. Ich weiß, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen. Und aus euch selbst werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her.“

Diese Dinge fingen schon bei Lebzeiten der Apostel an.

1. Joh 2,18: Man sieht aus dieser Stelle, dass die letzte Zeit nicht nur die Zeit Jesu Christi, sondern auch die Zeit des Antichrists bedeutet. Es gab damals schon Vorläufer des großen Antichrists. Das, was die letzte Zeit bezeichnet, ist nicht das Evangelium, das über die ganze Erde verbreitet ist, sondern die Gegenwart des Antichrists.

Im Brief des Judas haben wir eine ganz besondere Abhandlung über den Abfall, in Vers 4 eine kurze Beschreibung seines Charakters. Der Apostel kündigt an, dass es nötig sei, die Gläubigen zu ermahnen, zu kämpfen über dem, was sei bereits empfangen hätten; dass in dieser Zeit schon Leute unter ihnen eingeschlichen seien, welche den Abfall begünstigten, und dass dies fortwähren soll bis zum Gericht Jesu Christi, denn wir sehen ihn, nachdem er ihre Sinnesart noch ausführlicher beschrieben hat, in Vers 15 noch hinzufügen, dass eben diese Klasse der Gegenstand des Gerichtes des Herrn sein soll, wenn er wiederkommen wird, dass nämlich das Böse, das sich von Anfang an in der Kirche offenbarte, fortdauern soll bis zur Zukunft Christi.

In Vers 11 finden wir drei Arten des Abfalls in diesen Leuten vereinigt, den natürlichen Abfall, den kirchlichen Abfall, und die offenbare Empörung, auf welche das Gericht einbrechen wird.

Wir sehen zuerst den Charakter Kains, den Abfall von Natur, Hass, Ungerechtigkeit; zweitens den Charakter Bileams, falsche Lehre um Lohn, welcher den kirchlichen Abfall bedeutet, und drittens den Charakter des Korahs, nämlich desjenigen, der sich gegen die Rechte des Priester- und des Königtums erhoben hat, des Königtums Christi, in den Vorbildern Moses und Aarons vorgestellt.

Leider ist das, was die Welt zusammenbringen wird, nicht das Evangelium, sondern das Böse.

„Und ich sah aus dem Mund des Drachen und aus dem Mund des Tieres und aus dem Mund des falschen Propheten drei unreine Geister kommen, ...“ (Off 16, 13.14).

Aber, wird man uns entgegnen: man sieht doch, dass die äußere Macht der verdorbenen Christenheit verschwunden ist, und man behauptet, dass die Zerstörung ihres Einflusses dem Evangelium Platz machen wird. Doch der Geist sagt: „Und die zehn Hörner (Könige), die du sahst, und das Tier (das römische Reich), diese werden die Hure (die kirchliche Gewalt) hassen und werden sie öde und nackt machen und werden ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer verbrennen. Denn Gott hat in ihre Herzen gegeben, seinen Sinn zu tun und in einem Sinn zu handeln und ihr Königreich dem Tier zu geben, bis die Worte Gottes vollbracht sein werden“ (Off 17, 16.17).

Das ist es, was die Christen wünschen möchten, nämlich die Zerstörung des Einflusses, den die Hure auf die Welt ausübt. Aber wenn selbst ihre äußere Macht zerstört sein wird, werden dann die Reiche Jesu Christo anheimfallen? Im Gegenteil, die Könige werden ihre Macht dem Tier übergeben. Lange hat die Hure über das Tier geherrscht, endlich ist ihre Herrschaft und ihr Reichtum genommen worden, aber bloß, damit die zehn Hörner ihre Gewalt dem Tier übergeben, so dass alle Unbestimmtheit verschwunden, und sein Wille und seine gotteslästerliche Sinnesart beim letzten Abfall vollkommen offenbar ist. Dies ist die Macht des Verderbens und der Verführung, welche der Gewalt offenbarer Empörung gegen Gott weichen wird. 2. Thes 2,3–12: „...denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, der widersteht und sich erhöht über alles, was Gott heißt...“.

Das ist es also, was geschehen soll, ehe der Tag des Herrn kommt. Man muss die Sache nehmen, wie das Wort Gottes sie bezeichnet. Nachdem die Christen in der Schrift die Verheißung gelesen haben, dass die Erde von der Erkenntnis des Herrn erfüllt werden soll, haben sie gesagt: Wohlan, wir werden sie erfüllen, während nach der Schrift dies Ereignis mit der Herrlichkeit Christi in Verbindung steht.

Der Atem seines Mundes, durch welchen der Herr den Ungerechten zerstören wird, ist nicht das Evangelium, sondern die Macht und Gewalt des Gerichtes Christi (siehe Jesaja 11,4: „Er wird mit dem Hauch seiner Lippen den Gottlosen töten“).

Jesaja 30,33: „Wie ein Schwefelstrom setzt der Hauch des Herrn ihn in Brand.“

Wir werden sehen, dass dieser Antichrist die drei Charaktere der Bosheit in sich vereinigen wird, welche sich von Anfang an gezeigt haben.

Zuerst hat der Mensch seinen eigenen Willen ausüben wollen; zweitens sich erheben als Gott; drittens hat er sich der Leitung des Satans preisgegeben. Nun, diese drei Dinge werden sich mit der ganzen Kraft des Menschen, der sich gegen Gott erhebt, in dem Antichrist wieder darstellen unter dem Bild des römischen Reiches, oder des vierten Tieres. Dies ist die reife Frucht des menschlichen Herzens, welches selbst ein Antichrist ist.

Ihr wisst, dass es drei aufeinanderfolgende Tiere gewesen sind, das babylonische Reich, das persische Reich, das griechische Reich, oder Alexander insbesondere, und als viertes das römische Reich.

Dieses letztere hat einen ganz besonderen Charakter.

Ihr wisst, dass im Anfang, oder vielmehr vor dem Anfang dieser vier Monarchien der Thron Gottes auf der Erde zu Jerusalem war. Über der Bundeslade, wo sein Gesetz aufbewahrt lag, offenbarte der Ewige seine Gegenwart in seinem Tempel auf eine fühlbare Weise. Zu Anfang der gegenwärtigen Periode nun, welche die Periode der Heiden ist, wurde der Thron des Ewigen von Jerusalem weggetan. Ihr findet dies ganz deutlich in Hesekiel 1 – 11 beschrieben. Die gleiche Herrlichkeit des Herrn, welche der Prophet am Wasser Kebar gesehen (Kap. 1), die sieht er in Kap. 11 von Jerusalem ausgehen; in Kap. 10,18.19, wie sie ausging von der Schwelle des Hauses, und in Kap. 11, 23, wie sie sich erhob aus der Stadt. Dies ist eine sehr merkwürdige Tatsache, dass die Herrlichkeit des Herrn ihren irdischen Thron verlassen hat. Überdies wurde diese irdische Macht von Jerusalem zu den Heiden übergetragen (eine menschliche Regierungsform), was wir in Daniel 2,36.38 sehen: „Das ist der Traum; und seine Deutung wollen wir vor dem König ansagen: Du, o König, du König der Könige, dem der Gott des Himmels das Königtum, die Macht und die Gewalt und die Ehre gegeben hat...“.

Ihr seht, dass durch den Untergang des letzten Königs der Juden die menschliche Herrschaft in Person des Nebukadnezar auf die Heiden übergegangen ist. Dieser König fing an, die falsche Religion durch Gewalt einzuführen; er errichtete eine Bildsäule, damit jedermann ihn anbeten sollte, und wurde stolz darauf; das ist der Grund, warum er einem Tiere gleich ward sieben Jahre lang, nämlich, weil er, statt in Demut sich als Mensch vor Gott zu verhalten, als vor demjenigen, der ihm diese Macht gegeben hatte, einerseits sich selbst erhob, und andererseits, um seinen Willen zu befriedigen, sich darauf legte, die Welt zu verwüsten.

Indem wir die zweite und dritte Monarchie auslassen, welche in diesem Augenblick auch nicht gerade von Wichtigkeit für uns sind, und dem Charakter der vierten nachgehen, begegnen wir da gewissen Zügen, die merkwürdig sind.

Die Juden sind in einem Zustand der Gefangenschaft seit der Zeit des Nebukadnezar bis auf diesen Tag. Es ist allerdings wahr, dass eine Rückkehr dieses Volkes aus der Gefangenschaft stattgefunden hatte, aber unter der fortwährenden Macht der Heiden. Der Thron Gottes wurde nie mehr aufgerichtet, und wenn Gott zugelassen hat, dass die Juden für den Augenblick in ihr Land zurückkehrten, so geschah es, weil er ihnen zu Anfang der vierten Monarchie seinen Sohn offenbaren wollte. Und wirklich, es ist in dem Zeitpunkt, wo die vierte Monarchie unter ihrer kaiserlichen Regierungsform zur Weltmacht wurde; es ist gerade da, wo der Sohn Gottes, der rechtmäßige König der Juden und der Heiden, ihnen vorgestellt wurde. Und was haben sie getan? Sie haben ihn gekreuzigt. Die Hohenpriester, welche nach Gott die Stellvertreter der Religion auf Erden waren, und Pontius Pilatus als solcher, der die irdische Macht vertreten, haben sich vereinigt, um den Sohn Gottes zu verwerfen und zu töten. Es ist also die vierte Monarchie, welche die Schuld trägt, die Rechte des Messias von sich gestoßen zu haben. Die Juden, wie wir es, wenn es Gott gefällt, in einer anderen Versammlung noch deutlicher sehen werden, sind auf die Seite gesetzt, und nun findet die Berufung der Kirche für den Himmel statt. In Betreff desjenigen aber, was Bezug hat auf die Haushaltung der Kirche auf Erden, so haben wir gesehen, wie sie durch den Samen des Bösen verderbt wurde, sowie den Abfall, der sich daraus ergibt; wir haben weiter gesehen, dass dieses Verderben einer noch offenkundigeren und noch bestimmteren Empörung des Tieres selbst Platz machen wird, nämlich unter einer neuen und letzten noch zukünftigen Form derselben vierten Monarchie.

Dies wird sein Gericht hervorrufen.

Daniel 7,9–11: „Ich schaute, bis Throne aufgestellt wurden und ein Alter an Tagen sich setzte: sein Gewand war weiß wie Schnee, und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle, sein Thron Feuerflammen, dessen Räder ein loderndes Feuer. Ein Strom von Feuer floss und ging von ihm aus; tausend mal Tausende dienten ihm, und zehntausend mal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht setzte sich, und Bücher wurden geöffnet. Dann schaute ich wegen der Stimme der großen Worte, welche das Horn redete: ich schaute, bis das Tier getötet, und sein Leib zerstört und dem Brand des Feuers übergeben wurde.

Daniel 7,13–14: „Ich schaute in Gesichten der Nacht: und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn; und er kam zu dem Alten an Tagen und wurde vor ihn gebracht. Und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird.“

Seht da das Reich, welches dem Menschensohn gegeben wird, weil nun das vierte Tier umgebracht ist. Nun, dieses Gericht und diese Zerstörung der vierten Monarchie ist noch nicht geschehen.

Zum Beweis will ich Dan 2,34–35 anführen: „Du schautest, bis ein Stein sich losriss ohne Hände und das Bild an seinen Füße aus Eisen und Ton traf und sie zermalmte. Da wurden zugleich das Eisen, der Ton, das Kupfer, das Silber und das Gold zermalmt, und sie wurden wie Spreu der Sommertennen; und der Wind führte sie weg, und es wurde keine Stätte für sie gefunden. Und der Stein, der das Bild geschlagen hatte, wurde zu einem großen Berg und füllte die ganze Erde.“ Bevor nämlich der ohne Hände losgerissene Stein sich uns bereitet und die Erde erfüllt, zerstört er das Bild vollkommen; Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Ton sind verweht wie Spreu in der Luft. Nun, das ist wenigstens auf der Welt noch nicht in Erfüllung gegangen. In dem, was der Stein bewirkt, handelt es sich nicht um eine Änderung des Charakters des Bildes; es ist ein Schlag, ein plötzlicher Schlag, ein Schlag, der zerschmeißt, der zerstört, der selbst keine Spur von dem Dasein dieses Bildes zurücklässt, wie es hier gesagt ist; dass man sie nirgends mehr finden konnte; das römische Reich, die Füße und mit diesen Füßen der ganze übrige Teil verschwindet. Durch diesen einzigen Schlag ist Alles vernichtet, zerstört, und zu Grunde gerichtet, und nach diesem wird der Stein, der das Bild geschlagen hat, zu einem Berg, der die ganze Erde erfüllt. Geliebte Freunde! Ist es das Christentum, welches die vierte Monarchie geschlagen hat, als sie anfing sich auszudehnen? Im Gegenteil, das römische Reich dauerte fort, es ist sogar ein christliches Reich geworden; vielmehr die Füße dieses Bildes waren zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden. Der Akt der Zerstörung, welcher in dem Herabfallen des kleinen Steines auf die Füße des Bildes bezeichnet ist, stellt keineswegs die Gnade des Evangeliums vor, und steht in keiner Verbindung mit dem Werke, welches das Evangelium zu Stande bringt. Kurz, erst nach dieser gänzlichen Zerstörung fängt der Stein an groß zu werden, nämlich die Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, welche die ganze Erde erfüllen soll, wird nicht eher anfangen sich auszubreiten, als bis das vierte Tier gerichtet und umgebracht sein wird. Es bleibt noch eine Schwierigkeit übrig, die sich in der Geschichte dieses Tieres einstellen könnte. Man kann anführen, dass das römische Reich zur jetzigen Zeit nicht mehr existiert. Dies ist ein Beweis mehr für die Behauptung, die wir soeben gemacht haben. Off 17,7 und 8: „Und der Engel sprach zu mir: Warum verwundertest du dich? Ich will dir das Geheimnis der Frau sagen und des Tieres, das sie trägt, das die sieben Köpfe und die zehn Hörner hat. Das Tier, welches du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen; und die auf der Erde wohnen, deren Namen nicht in dem Buche des Lebens geschrieben sind von Grundlegung der Welt an, werden sich verwundern, wenn sie das Tier sehen, dass es war und nicht ist und da sein wird.“ Das römische Reich hat nämlich als solches aufgehört zu existieren; aber was folgt darauf? Es soll wiederkommen aus dem Abgrund, danach zerstört werden, und die auf der Erde wohnen, werden sich wundern. Es ist gewesen, danach existiert es nicht, dann wird es aus dem Abgrund wiederkommen.

Es wird eigentlich einen teuflischen Charakter haben, es wird im eigentlichen Sinn der Ausdruck der satanischen Macht sein.

Das, was wir dann im Allgemeinen über den Charakter des Tieres lernen, ist erstens: dass das römische Reich von seinem Anfang an die Schuld auf sich lud, Jesus als König der Erde hienieden schon verworfen zu haben. Zweitens, dass später in dieser vierten Monarchie ein kleines Horn war, welches große Dinge sagte, und endlich drittens, dass dieses vierte Tier, nachdem es für einige Zeit aufgehört hatte zu sein, von Neuem aus dem Abgrund hervorkommen und hernach umgebracht werden wird um der großen Worte willen, die das kleine Horn redete. Dies knüpft sich an das an, was in 2. Thes 2,9 steht: „ihn, dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satan ist, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge.“ Und seine Zerstörung findet sich in Vers 8.

In Offenbarung 17,11 findet sich noch eine Beschreibung von dem letzten Haupt des Tieres, welches das Tier selbst ist.

Daniel 11,36: Die Verbindung zwischen dieser Stelle und 2. Thes 2,9 ist anerkannt. Wir sehen da die gleiche Erhebung seiner selbst gegen Gott; in diesem letzteren Brief kommt noch die Macht des Satans dazu, weil der Boshafte in seinem Charakter des Abfalls und der Ungerechtigkeit dargestellt ist; in Daniel 11 hingegen in seinem irdischen und königlichen Charakter.

Betreffend den dritten Charakter, den wir durch die Ungerechtigkeit bezeichnet haben, erscheint da der Wille des Menschen deutlich: „Der König wird tun, was er will.“

Ich möchte euch noch aufmerksam machen auf das, was in Joh 5,43 geschrieben ist. Das jüdische Volk wird denjenigen aufnehmen, der in seinem eigenen Namen kommen wird.

Da sehen wir die Ungerechtigkeit des menschlichen Herzens, welche in dem letzten Haupt der vierten Monarchie bis auf den höchsten Grad gestiegen ist.

Jesaja 14,13–15 beschreibt seine Selbsterhebung unter dem Titel des Königs von Babylon: „Und du sprachst in deinem Herzen:,Zum Himmel will ich hinaufsteigen, hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben und mich niedersetzen auf den Versammlungsberg im äußersten Norden. Ich will hinauffahren auf Wolkenhöhen, mich gleichmachen dem Höchsten.' Doch in den Scheol wirst du hinabgestürzt, in die tiefste Grube.“

Es sind genau alle die Privilegien, alle die Rechte Christi, welche sich dieser König anmaßte. „Zum Himmel will ich hinaufsteigen“; das hat Christus getan. Ich will „hoch über die Sterne Gottes meinen Thron erheben“; der Thron Christi ist über den Gewalten; der „Versammlungsberg im äußersten Norden“ ist der Palast des großen Königs, des Königs von Israel zu Jerusalem. Christus soll kommen auf den Wolken; er ist das Bild des unsichtbaren Gottes. „Doch in den Scheol wirst du hinabgestürzt, in die tiefste Grube.“

Ich habe an diesem Abend Ideen widersprochen, Ideen, welche den gläubigen Seelen mit Recht sehr teuer sind, ich rede von ihrer Hoffnung, dass das Evangelium während der gegenwärtigen Haushaltung sich über die ganze Erde ausbreiten soll. Es ist die Aufgabe der Kirche zu, den Ruf von der Herrlichkeit Christi überall erschallen zu lassen; aber in der Tat, wenn man sich nach dem Worte Gottes ausdrücken soll, so muss man es sagen: Wir werden sehen, dass sich Alles, was mächtig ist, Alles, was gewaltig ist in dieser Welt, dass sich Alles dies in Tätigkeit setzen wird, aber ohne Rücksicht auf Gott; alle menschlichen Mittel, alle Fähigkeiten des Menschen, alle seine Talente, alle seine Erkenntnisse werden entwickelt sein, Alles, was das Herz verführen und den Geist beherrschen kann, Alles, was in dem Charakter und in der Natur des Menschen liegt, wodurch er sich selbst zu helfen weiß, ohne sich irgendein Gewissen daraus zu machen, das wird die Welt in Erstaunen setzen, und wird sie auf die Fußstapfen des Antichrists hinüberziehen, weil man die Herrlichkeit des Menschen zur Vollendung bringen, sich gegen Gott erheben, und nicht Christo dienen, nicht sich unter ihn demütigen will. „Wer aber sich selbst erhöhen wird, wird erniedrigt werden“ (Mt 23,12).

Aber, wird man uns entgegnen: das heißt ja abschrecken vor allen Versuchen, die wir für die Ausbreitung des Evangeliums auf der Erde machen können, wenn sie kein anderes als ein solches Resultat hervorbringen sollen. Allerdings, wenn man mit falschen Hoffnungen erfüllt ist, so ist man schon enttäuscht. In der Tat, große Dinge erwarten und sich in allen seinen Hoffnungen enttäuscht sehen, ist gewiss nicht ermunternd. Dennoch ist es ganz richtig, dass dieser Blick auf die Fortschritte des Bösen uns darum nicht sehr zu ermutigen scheint, so dass wir noch unser Möglichstes tun, weil unsere Hoffnungen auf unsere eigenen Gedanken gegründet sind.

Aber saget mir, als Gott zu Noah gesagt hat: „Ich will die Erde verderben“, und als Noah vollkommen überzeugt war, dass das Gericht Gottes bald einbrechen werde, hinderte ihn dies, seinen Zeitgenossen zu predigen? Gerade das Gegenteil, es trieb ihn vielmehr dazu, um diejenigen noch zu gewinnen, welche Ohren hatten zu hören. Die Überzeugung, dass das falsche Christentum sich viel verfeinerter, viel verdorbener in der Welt offenbaren wird, diese Überzeugung wird demjenigen, der da glaubt, nur mehr Kraft, Wirksamkeit und Liebe einflößen, und die Nähe der göttlichen Gerichte wird, anstatt unsere Anstrengung zu lähmen, uns vielmehr antreiben, mit unendlich mehr Kraft, mit mehr Ausdauer und Treue das Evangelium den Menschen vorzuhalten als das einzige Mittel, den gerechten Strafen, die ihnen drohen, zu entfliehen.

Wenn ich sage, dass das Unkraut, anstatt sich zu vermindern, fortwährend wachsen wird, ist das wohl eben so viel, als ob der gute Weizen nicht auch sich vermehren könnte? Keineswegs: Wenn das Böse sich verschlimmern soll zum Gericht, so macht Gott zu gleicher Zeit das Zeugnis kräftig, welches das Gute von dem Bösen scheiden soll. Ich glaube, dass Gott immer so verfährt. Wenn wir gesehen hätten, dass sich z. B. in Genf an einem Tag dreitausend Seelen bekehrt hätten, man würde sagen: Seht, das tausendjährige Reich kommt, das Evangelium verbreitet sich über die ganze Erde. Nun, es sind vielleicht keine dreihundert, die sich in einem Jahr bekehren.

Und die Bekehrung von vielen tausend Personen zu Jerusalem, was war das Resultat dieses Ereignisses? Kein anderes, als dass Gott über diese Stadt das Gericht ergehen ließ, und dass er diejenigen, die noch gerettet werden sollten, aus diesem verkehrten Geschlecht rettete. Jedesmal, wenn wir das Böse wachsen und Gott wirksam sehen, um diejenigen, welche glauben, noch zurückzuziehen, so ist es bloß ein Zeichen, dass das Gericht Gottes nahe ist.

Man kann es nicht leugnen, Gott wirkt sichtbar in unseren Tagen, man soll ihm dankbar sein von ganzem Herzen, und dies beweist nur noch umso mehr, dass die Zeit nahe ist, wo Gott die Seinigen von der Welt zurückziehen will.

Es sind zwei Zeichen des bevorstehenden Gerichts: Das eine, dass das Böse groß wird, dass die Gottlosigkeit sich vermehrt, dass alle Hilfsmittel des Menschen sich auf eine wunderbare Weise entfalten; das andere, dass die Christen sich von dem gegenwärtigen Zustand der Dinge zurückziehen. Nun, es liegt nichts darin, das uns hindern soll, an dem Werk Gottes zu arbeiten. Ich sehe, dass das Gute wirksam ist, dass es sich verbreitet, dass es sich ausdehnt, dass Gott seine Kinder von dem Bösen absondert: ich sehe auf der anderen Seite, wie sich alle Grundsätze der Gottlosen sichtbar entwickeln; ich sehe in dem Wort Gottes eine ausdrückliche Erklärung, dass die gegenwärtige Haushaltung ihrem Ende zugeht, und das Böse den höchsten Grad erreicht, bis das der Gottlose durch die Zukunft Christi umgebracht wird.

Zum Schluss also nur noch die Warnung, welche der Herr uns in Römer 11,22 gibt: „Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes: gegen die, die gefallen sind, Strenge; gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden.“

Hat die Kirche dieser Güte Gottes entsprochen? Die Christenheit hat sich gänzlich verschlimmert, diese Haushaltung der Heiden ist untreu gewesen. Kann sie wieder in den vorigen Stand versetzt werden? Nein, es ist unmöglich. Wie die jüdische Haushaltung abgehauen worden ist, so wird es auch die christliche Haushaltung sein. Gott schenke uns die Gnade, dass wir uns festhalten an unserer Hoffnung, und dass wir uns auf seine Treue stützen, die uns nie verlassen wird.

Fußnoten

  • 1 In 2. Samuel 23 lesen wir eine sehr merkwürdige Prophezeiung über das Gericht der Gottlosen, die nicht durch Menschenhand gewonnen werden können, sowie von der Glückseligkeit und dem Segen der Zukunft dessen, der regieren wird in Gerechtigkeit und dessen Gaben verglichen werden mit der Treue, womit er seinen Bund zu halten pflegt während unseres Zustands des Elendes.
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