Der Galaterbrief

Der Mensch erntet, was er sät

Der Galaterbrief

Vers 1: Im Gegensatz zu der Eitelkeit des Fleisches, von der der Apostel bereits gesprochen hatte und die andere herausfordert und zu Neid führt, werden wir jetzt ermahnt, in einem Geist der Liebe und Gnade zueinander zu handeln. Selbst wenn jemand durch einen Fehltritt übereilt wird, sollten wir danach trachten, den versagenden Bruder wieder zurechtzubringen. Und das sollten wir in einem richtigen Geist, in der richtigen Gesinnung tun.

Lasst uns so etwas nicht in einem gesetzlichen Geist tun, der uns natürlicherweise mit unseren eigenen guten Werken beschäftigt und uns daher im Hinblick auf unseren Bruder, der gefallen ist, verhärtet. Wir sollten vielmehr in einem Geist der Sanftmut tätig werden, die uns ein Bewusstsein unserer eigenen Schwachheit gibt, während wir liebevoll an den anderen denken.

Das Gesetz des Christus

Vers 2: Zudem führt uns der Geist der Gnade und Liebe dazu, nicht nur die Wiederherstellung des gefallenen Bruders zu suchen. Vielmehr werden wir uns dann auch in den Kummer anderer einfühlen können, um einander dabei zu helfen, die Last der Umstände zu erleichtern. Wenn wir so handeln, erfüllen wir „das Gesetz des Christus“. Wir sollten also in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Liebe tätig sein, die den Weg unseres Herrn kennzeichnete.

Mit welch einer Zartheit stellt er seine versagenden Jünger wieder her, als sie sich gegenseitig in eitler Ruhmsucht stritten, wer für den Größten zu halten sei, als sie Ihn verleugneten und alle Ihn verließen (Lukas 22,24–32; Markus 14,27.28). Wie gesegnet ging Er auf jedem Schritt seines Weges auf unsere Leiden ein und diente uns in Liebe, wie wir lesen: „Er selbst nahm unsere Schwachheiten und trug unsere Krankheiten“ (Matthäus 8,17).

Wenn wir seinen Fußspuren nachfolgen, werden wir einander in Liebe dienen. Wenn wir das tun, werden wir etwas von den Vorzüglichkeiten Christi zeigen. Und das ist das große Ziel, für das wir in dieser Welt zurückgelassen worden sind.

Die Selbstwichtigkeit des Fleisches ist eine große Gefahr!

Vers 3: Dann warnt uns der Apostel vor der Selbstwichtigkeit des Fleisches, die in einem Geist handelt, der so vollkommen im Gegensatz zum Gesetz des Christus steht. Das Gesetz vom Sinai ermahnt uns zwar, unseren Nächsten wie uns selbst zu lieben. Aber damit beschäftigt es uns notwendigerweise mit unseren eigenen guten Werken. Und dies führt viel zu oft dazu, dass wir meinen, wir wären etwas. So war es bei den Gläubigen in Galatien, die sich zum Gesetz umgekehrt hatten und daher „voll eitler Ruhmsucht“ waren. Das hatte zur Folge, dass sie, anstatt sich gegenseitig in Liebe zu dienen, einander bissen und fraßen. Zudem forderten sie einander heraus und beneideten einander.

Der Apostel spricht mit ungeschminkter Verachtung von solchen, die sich selbst rühmten, etwas zu sein, wo sie doch nichts waren. Jemand, der so handelt, betrügt sich selbst, aber niemanden anders. Kein Mensch ist in Wirklichkeit so klein wie derjenige, der meint, er wäre groß. Niemand kann sich in der Gegenwart Christi rühmen! Selbst aus seiner Gegenwart kommend können wir – wie die Jünger damals – miteinander streiten, wer für den Größten zu halten ist. Aber in der Gegenwart des Herrn seiend konnte der Apostel von sich selbst als von „dem allergeringsten von allen Heiligen“ sprechen (Lukas 22,24; Epheser 3,8).

Gesetzliche Werke oder Werke der Liebe?

Verse 4.5: Anstatt uns selbst durch eitles Rühmen zu betrügen, sollten wir unsere eigenen Werke prüfen. Sind es gesetzliche Werke, oder sind es Werke der Liebe nach dem Vorbild Christi? Paulus hatte in Liebe in Galatien gearbeitet. Die Gläubigen dort waren die Frucht seines Werkes. Und an diesen Werken, die ihm gehörten, konnte er sich erfreuen. Andere benutzten das Werk des Apostels, um sich selbst zu erhöhen und ihn auszuschließen.

Lasst uns darauf Acht haben, dass unsere Werke wirklich christliche Werke sind, die Frucht hervorbringen, an der wir uns erfreuen können. Denn jeder von uns ist für sein eigenes Werk verantwortlich. In diesem Sinn „wird ein jeder seine eigene Last tragen“. Hier handelt es sich bei dem Wort „Last“ nicht um das gleiche Wort im Grundtext wie in Vers 2. Beim ersten Vorkommen hat es den Sinn von Druck, der erleichtert werden kann oder auf einen anderen übertragen werden kann. In Vers 5 dagegen geht es um eine ganz spezielle Last, die aufgeladen wird und getragen werden muss. Jeder von uns ist für sein eigenes Werk verantwortlich, und auch für das Ergebnis, das erzielt wird.

Vers 6: Mit diesem Vers schließt der Apostel die Ermahnung in Bezug auf unsere gegenseitige Verantwortung ab. Er erinnert uns daran, an die Bedürfnisse derer zu denken, die uns belehren. Liebe wird gerne danach streben, den zeitlichen Bedürfnissen derer zu entsprechen, die uns mit den „guten Dingen“ des Geistes dienen.

Saat und Ernte im geistlichen Leben

Verse 7–10: Der Apostel fügt nun noch eine sehr ernste Warnung an. Er veranschaulicht die Regierung Gottes über unsere Wege durch diese Welt, indem er das Bild vom Säen und Ernten verwendet. Wir sollten uns nicht selbst täuschen, indem wir denken, dass wir durch unsere Stellung als Christen durch die Gnade Gottes den Folgen unserer Torheit entkommen, während wir hier auf der Erde leben. „Gott lässt sich nicht spotten! Denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten.“

Wenn wir auf der einen Seite fleischlich handeln, werden wir leiden, wie sehr die Barmherzigkeit das Leiden auch lindern mag, wenn die Sünde gerichtet worden ist. Wenn wir auf der anderen Seite im Geist handeln, wird dies eine strahlende Belohnung nicht nur hier auf der Erde, sondern in dem ewigen Leben mit sich bringen. Daher: „Lasst uns aber im Gutestun nicht müde werden, denn zu seiner Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht ermatten.“

Das Gute wirken

Angesichts von Widerstand und Konflikt mögen wir resignieren. Wenn wir nur wenige Ergebnisse des Gutestuns sehen, mögen wir ermüden. Aber lasst uns weitermachen, indem wir Gottes Zeit erwarten. „Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten. Er geht hin unter Weinen und trägt den Samen zur Aussaat; er kommt heim mit Jubel und trägt seine Garben“ (Psalm 126,5.6). Wir wollen uns ermuntern, jede Gelegenheit zu ergreifen, um „das Gute (zu) wirken gegenüber allen, am meisten aber gegenüber den Hausgenossen des Glaubens“.

Vers 11: Paulus kommt nun mit seinem Brief zum Abschluss. Er macht ihnen noch einmal seine große Sorge um sie klar, indem er sie daran erinnert, dass er diesen langen Brief mit seiner eigenen Hand geschrieben hat. Damit wich er von seiner normalen Praxis ab, seine Briefe einem Sekretär zu diktieren und dann seine Unterschrift eigenhändig an das Ende zu setzen.

Das Fleisch sucht und genießt Ansehen

Verse 12.13: Bevor Paulus den Brief endgültig beschließt, bezieht er sich erneut kurz auf das große Thema dieses Briefes. Noch einmal entlarvt er den Charakter und die Motive derer, die sie verwirrten. Zuvor schon hatte der Apostel uns gewarnt, dass solche vor allem sich selbst anziehend machen wollten (4,17), ausgelöst durch einen Geist „eitler Ruhmsucht“ (5, 26).

Nun beschuldigt er diese Männer, dass sie „im Fleisch wohl angesehen sein wollen“, „damit sie nicht um des Kreuzes Christi willen verfolgt werden“. Auch wenn sie beschnitten waren und sich so verantwortlich machten, das ganze Gesetz zu halten, hielten sie es nicht. Aber indem sie andere drängten, sich beschneiden zu lassen, verbanden sie diese mit dem Judentum. So suchten sie, jüdische Proselyten (Heiden, die zum Judentum übertreten) zu gewinnen.

Der Christ rühmt sich nur des Kreuzes Christi

Vers 14: Indem diese Männer so handelten, wollten sie sich in einem religiösen Bekenntnis rühmen, das sie in die Gunst der Welt brachte, die Christus verworfen hatte. So konnten sie ihrer Verfolgung entgehen.

In auffallendem Gegensatz dazu kann der Apostel sagen, der hier die wahre christliche Stellung an den Tag legt: „Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt.“ Paulus hatte keine Sehnsucht nach der Gunst einer Welt, die den Herrn gekreuzigt hatte. Denn dieser Herr hatte ihn geliebt und war so für ihn gestorben, um ihn zu retten. Die Welt wollte einen solchen Menschen, der sich in dem Herrn rühmte, den sie gekreuzigt hatte, nicht haben.

Für das Reich Gottes zählt die Herkunft nicht!

Verse 15.16: Der Apostel ist sich der gesegneten christlichen Stellung bewusst, wie sie „in Christus Jesus“ deutlich wird. Daher kann er schreiben, dass es keinen Nutzen hat, weder beschnittener Jude noch unbeschnittener Heide zu sein, wenn es darum geht, in diese Stellung hineinzukommen. Es handelt sich ausschließlich um eine Frage der neuen Schöpfung, in der diese irdischen Unterscheidungen (3,28) keinen Platz haben.

Wer nach dieser Richtschnur seinen Lebenswandel führt – der Richtschnur der neuen Schöpfung – muss im Glauben auf die Gnade antworten, die uns berufen hat. Und ein solcher muss zugleich in Übereinstimmung mit dieser Gnade sein Leben führen: Das bedeutet, dass er dem Gesetz, dem Fleisch und der Welt gestorben ist (2,19; 5,24; 6,14).

Für solche gibt es Friede und Barmherzigkeit auf ihrem Weg durch diese Welt. Und das trifft nicht nur für solche zu, die wie die Galater Gläubige aus den Nationen waren, sondern auch „über den Israel Gottes“. Das Israel nach dem Fleisch hatte seinen Messias gekreuzigt und war dadurch unter das Gerichtsurteil Gottes gekommen. Das „Israel Gottes“ war zweifellos der jüdische Überrest der Nation, der durch Gnade geglaubt und sich zu dem Herrn gewandt hatte. Barmherzigkeit ruhte über ihnen.

Der Apostel trug Brandmale seiner Treue an seinem Körper

Vers 17: Der Apostel hatte, wie wir in diesem Brief sahen, ein treues Zeugnis über die Wahrheit abgelegt. Zugleich hatte er gegen das schlimme Abweichen von dem Evangelium, das er gepredigt hatte, zu einem anderen Evangelium das keines war, deutlich Stellung bezogen. So kann er sich jedem Menschen widersetzen, der ihn dadurch betrüben will, dass er Paulus vorwirft, er habe die Gunst der jüdischen oder heidnischen Welt gesucht, um Verfolgungen zu entgehen. Wenn jemand es wagte, dies in Frage zu stellen, so sollte er die Malzeichen, die Brandmale an seinem Körper anschauen. Diese zeugten von den Leiden, die er als Beweis seiner Treue zu dem Evangelium, das er predigte, erlitten hatte.

Die Gnade bleibt!

Vers 18: Da der Apostel das schlimme Abweichen von der Wahrheit, das unter diesen Gläubigen stattgefunden hatte, zutiefst empfand, schließt er diesen Brief, ohne auch nur einen seiner sonst üblichen Grüßen der Zuneigung anzuschließen. Nichtsdestoweniger wünscht er, dass die Gnade unsres Herrn Jesus Christus mit ihnen sei.

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