Der Galaterbrief

Einleitung

Der Galaterbrief

Der Brief an die Galater trägt einen eher korrigierenden und nicht so sehr belehrenden Charakter. Er wurde nicht geschrieben, um die Versammlungen (Gemeinden, Kirchen) in den großen Wahrheiten des Evangeliums zu belehren, wie wir es in dem Brief an die Römer finden. Der Galaterbrief entfaltet auch nicht die Wahrheit der Versammlung, wie der Brief an die Epheser. Es geht auch nicht um die gegenwärtigen Erfahrungen, die ein Christ macht, von denen wir im Philipperbrief lesen. Der Brief an die Galater wurde geschrieben, um ein großes Übel zu korrigieren, das sich in die Versammlungen in Galatien eingeschlichen hatte.

Der Galaterbrief trägt einen ähnlichen korrigierenden Charakter wie die Briefe an die Korinther. Wenn in den Briefen an die Korinther Fleischlichkeit und Weltlichkeit korrigiert wird, dann wurde der Brief an die Galater geschrieben, um die eingedrungene Gesetzlichkeit zu korrigieren (1. Kor 3). Auch wenn beide Briefe sich darin unterscheiden, so sind doch beide Übel in der Hinsicht sehr ähnlich, weil beide das Fleisch im Menschen anerkennen. Gesetzlichkeit (Galater) ist die Anstrengung, das Fleisch durch Regeln zu kontrollieren und durch religiöse Zeremonien zu pflegen. Gesetzlosigkeit auf der anderen Seite (Korinther) ist das Nachgeben der Begierden des Fleisches.

Gesetzlichkeit wendet sich zu den Prinzipien des Gesetzes zurück und gibt dem Fleisch sofort einen wichtigen Platz im Leben eines Gläubigen. Denn das Gesetz wendet sich an das Fleisch, und mit dem Fleisch kommt auch die Welt in Spiel. So gehen das Gesetz, das Fleisch und die Welt zusammen. Um den falschen Gebrauch des Gesetzes, die Übel des Fleisches und der Welt zu korrigieren, führt der Geist Gottes das Kreuz Christi ein. Daher lesen wir in diesem Brief, dass das Kreuz angewandt wird auf das Gesetz (Gal 2,20), auf das Fleisch (Gal 5,24) und auf die Welt (Gal 6,14).

Christus, der Geist Gottes und die Neue Schöpfung werden eingeführt

Nachdem dann das Gesetz, das Fleisch und die Welt beiseite gesetzt worden sind, werden Christus, der Geist und die neue Schöpfung eingeführt. Christus wird als die Lebensregel im Gegensatz zum Gesetz vorgestellt (Gal 2,20), der Geist im Gegensatz zum Fleisch (Gal 3,3; 5,16–25), und die neue Schöpfung im Gegensatz zur Welt (Gal 6,14.15). Wir sollen nicht durch die Grundsätze der gegenwärtigen Welt regiert werden, sondern durch den Charakter der neuen Schöpfung.

Auch wenn sowohl die Briefe an die Korinther als auch der Brief an die Galater einen korrigierenden Charakter tragen, fällt uns auf, dass der Apostel in dem Brief an die Galater eine wesentlich größere Schärfe benutzt. Das ist bemerkenswert, denn wenn auch beide Übel notwendigerweise durch den Geist Gottes verurteilt werden müssen, wird der lehrmäßige Irrtum schärfer getadelt als das Böse der Praxis.

Gesetzlichkeit zerstört – Glaube baut auf

Bei uns Menschen ist es schon immer genau umgekehrt gewesen. Eine lockere Generation ist ziemlich gleichgültig in Bezug auf die Lehre der Menschen, solange ihr äußerlicher Lebenswandel gut ist. Der Grund dafür ist klar, wie jemand gesagt hat: „Die Natur kann den menschlichen Lebenswandel einschätzen; aber nur Glaube kann die Wichtigkeit der Wahrheit Gottes einschätzen.“ Weiterhin ist zu Recht bemerkt worden: „Ein laxer Lebenswandel oder weltliche Grundsätze und Gewohnheiten können dadurch korrigiert werden, dass man das Licht hineinbringt … Aber wenn die Wahrheit verdorben wird, wird das Licht zur Dunkelheit. Und das Werkzeug, durch das Gott gerne wirkt, ist zerstört.“

So verstehen wir die Schärfe, mit der der Apostel an die Galater schreibt. Denn wenn wir uns zurück zu dem Gesetz wenden, verlieren wir allmählich alles, was lebensnotwendig ist. Das Gesetz erkennt den Menschen im Fleisch an und räumt ihm einen gebührenden Platz in dieser Welt ein. Das Gesetz macht den Segen des Menschen daher davon abhängig, inwieweit der Mensch seiner Verantwortung gerecht wird und schließt damit die Gnade Gottes aus. So macht das Gesetz das Werk Christi sogar nutzlos (Gal 5,4) und setzt das Werk des Geistes in uns beiseite (Gal 3,2). Das Gesetz verändert das Christentum in eine Religion äußerer Formen und Zeremonien.

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