Der Brief des Jakobus

2. Das praktische Christenleben (Kapitel 1,2-27)

Der Brief des Jakobus

(V. 2-4). Das erste Kapitel stellt uns das zentrale Thema des Briefes vor: Die Entfaltung eines wirklich christlichen Charakters inmitten eines riesigen und leblosen Bekenntnisses. Der Apostel beginnt, indem er uns ermuntert, uns der Versuchungen zu erfreuen, da diese eine Gelegenheit sind, das praktische Leben der Gottseligkeit zu verwirklichen. Erstens prüfen Versuchungen die Wirklichkeit unseres Glaubens und stellen sie unter Beweis. Zweitens sind sie Mittel in der Hand Gottes, um bei uns Geduld und Ausharren anzufachen. Drittens werden sie uns, wenn das Ausharren ein vollkommenes Werk in uns vollbringt, zu einem ausgeglichenen Christenleben führen, in dem unser eigener Wille dem Willen Gottes untergeordnet wird. Das Wirken des Ausharrens geht dahin, unser Selbstvertrauen und den Eigenwillen zu zerstören, um uns zu lehren, dass wir ohne Gott überhaupt nichts tun können. Wenn das Ausharren sein vollkommenes Werk ausgeführt hat, dann wird sich die Seele auch in Versuchungen Gott unterwerfen, indem sie alles annimmt, was Gott zulässt und auf den Herrn wartet. „Es ist gut, dass man still warte auf die Rettung des Herrn“ (Klagelieder 3,26).

Der Apostel beginnt somit, indem er den Weg vorstellt, auf dem Gott in seinen Kindern ein wirklich schönes Leben entfalten möchte, in welchem keine christliche Eigenschaft fehlt. Dieses Leben ist in Vollkommenheit auf dieser Erde in Christum inmitten von Übungen und Leiden offenbart worden; in dem Christen wird es durch Übungen und Leiden bewirkt.

(V. 5). Dennoch wird es bei uns häufig vorkommen, dass es uns in den Übungen an Weisheit mangelt, nach seinem Willen zu handeln, selbst wenn wir unseren Willen dem seinen unterordnen und gleichzeitig seinen Willen suchen. Dann lasst uns Gott bitten, denn unsere Hilfe kommt von Gott. Wir schrecken vielleicht davor zurück, Menschen zu befragen, nicht nur, weil ihr Ratschlag unnütz sein könnte, sondern auch, weil sie uns diesen Rat vielleicht nicht gönnen, uns für Unwissenheit rügen oder unser Vertrauen missbrauchen. Bei Gott brauchen wir solche Befürchtungen nicht zu hegen. Er gibt willig, ohne uns wegen unserer Torheit und Schwachheit anzuklagen.

(V. 6-8). Durch die Not, die uns zu Gott führt, wird unser Glaube gestärkt. Daher werden wir aufgefordert, nicht einfach Gott zu bitten, sondern im Glauben und ohne Zweifel zu beten. Wenn wir auf Gott blicken, dann können wir mit einer Antwort auf unsere Gebete rechnen. Wenn wir dagegen zweifeln, dass Gott unsere Gebete zu seiner Zeit und auf seine Art und Weise erhört, bedeutet dies, wie eine Meereswoge vom Wind hin und her getrieben zu werden. Die Welle ist dem Wind überall ausgesetzt. Wir dürfen unter keinen Umständen erlauben, dass unsere Gebete durch schwierige Lebenssituationen oder durch die Macht des widerstreitenden Bösen beeinflusst werden. Vielmehr sollten wir in einfältigem Glauben auf den Einen sehen, der über allen Widerständen des Bösen steht; auf den Einen, der auf den Wellen zu gehen vermag und den Sturm beruhigen kann. Nur er kann uns Weisheit geben, nach seinem Willen zu handeln. Leider werden unsere Gebete oft durch unseren Unglauben, der auf die Umstände schaut, behindert. Wenn wir doppelherzig sind, so wandeln wir auf unsteten Wegen, indem wir hin und her getrieben werden, je nachdem ob die Umstände günstig oder ungünstig sind.

(V. 9-11). Der Apostel fährt fort, indem er auf den Reichtum zu sprechen kommt. Vielleicht versuchen wir, den Übungen dadurch zu entkommen, dass wir unsere soziale Stellung verbessern oder Reichtum anhäufen. Als Christen sollten wir uns darin erfreuen, dass unsere Stellung vor Gott in keiner Weise von unserer sozialen Position in dieser Welt abhängt. Daher darf sich ein Bruder, der äußerlich arm ist, darüber freuen, dass sein Glaube ihn in eine geistliche Stellung gebracht hat, die über jeder Ehre steht, die die Welt ihm bieten kann. Er hat schon jetzt Gemeinschaft mit Christus und seinen Erlösten, und wird seine Herrlichkeit in der zukünftigen Welt teilen. Lasst uns immer bedenken, dass „Gott die weltlich Armen auserwählt, reich zu sein im Glauben, und zu Erben des Reiches, welches er denen verheißen hat, die ihn lieben“ (Jak 2,5).

Der Reiche dagegen erfreue sich seiner Niedrigkeit, wenn er die Besitztümer und Herrlichkeiten dieser Erde mit dem unschätzbaren Reichtum Christi vergleicht, dessen er teilhaftig geworden ist. Im Vergleich mit Christus und seiner Herrlichkeit sind alle Herrlichkeiten dieser Welt nichts als Blumen, die verwelken und vergehen. Nachdem der Apostel Paulus Christus in der Herrlichkeit gesehen hatte, achtete er die irdischen Vorteile für Verlust, ja sogar für Dreck. Wenn sich ein Christ seiner irdischen Stellung und seiner Abstammung rühmt, dann tut er genau das, was der Apostel für verachtenswert hielt. J.N. Darby hat einmal gesagt: „Diese Welt wird vergehen, und der Geist dieser Welt hat bereits das Herz eines geistlichen Gläubigen verlassen. Derjenige, der den niedrigsten Platz einnimmt, wird im Reich Gottes groß sein.“

Da die Armen und die Reichen in den Banden göttlicher Liebe zusammengebracht worden sind, können sie alle Beschäftigung mit der jeweiligen irdischen Position und den Besitztümern hinter sich lassen, um froh die Dinge zu genießen, die der herrlichen Gemeinschaft angehören, in die beide gebracht worden sind, in die „Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn“.

(V. 12). Glückselig ist somit der Mann, ob reich oder arm, der diesem Fallstrick Satans entkommt und die Versuchung erduldet, indem er einfach auf den Herrn Jesus schaut, um seine Gedanken zu erkennen und in Gehorsam seinem Willen gegenüber zu wandeln. Jemand, der ein solches praktisches Christenleben führt und den Glaubensweg mit seinen Übungen beendet hat, wird die Krone des Lebens erhalten. Der Herr hat sie denen verheißen, die ihn lieben. Wir lehnen uns gegen Übungen oft auf, da wir uns selbst lieben, uns verteidigen und rechtfertigen wollen. Wenn wir ihn jedoch lieben, dann sollten wir um seinetwillen ausharren.

(V. 13-15). Der Apostel fährt fort, indem er vor einer anderen Art der Versuchung warnt. Er hat bisher von Glaubensübungen gesprochen, die von außen an uns herangetragen werden (Vers 2-3). Nun warnt er uns davor, diese Art der Übung nicht mit den Versuchungen zu verwechseln, die aus unserem Fleisch von innen kommen. Gott kann uns durch äußere Umstände versuchen, aber Gott kann nicht vom Bösen versucht werden, und er versucht auch niemand zum Bösen. Wir dagegen können vom Bösen, durch unsere Lust, versucht und dadurch verleitet werden, dieses Böse auch durchzuführen. Judas wurde durch die Geldliebe seines Herzens verführt und fiel in der Versuchung, weil er dieser Lust nicht widerstand, so dass er den Herrn Jesus verriet. Die Lust in ihm führte zur Sünde des Verrats, und diese Sünde endete im Tod.

(V. 16-18). Im Gegensatz zu dem Bösen, das aus dem Fleisch hervorkommt, ist jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk von Gott. Während sich die gute Gabe mehr auf den Akt des „Gebens“ bezieht, wird bei dem vollkommenen Geschenk auf die Sache aufmerksam gemacht, die gegeben wird. Beides, das Gute in bezug auf die Art und Weise des Gebens, als auch hinsichtlich der geschenkten Sache, kommt von Gott und nur von ihm. Er ist auch der Vater der Lichter. In der natürlichen Welt hatte er die Lichter an die Ausdehnung des Himmels gesetzt, um auf die Erde zu leuchten (1. Mose 1,15). Er ist aber auch die Quelle alles geistlichen Lichts. Keine Finsternis kommt von ihm. Er selbst ist nicht nur gutes und reines Licht, sondern von ihm kommt auch alles Gute und jedes Licht. Bei ihm gibt es auch keine Veränderung, keines Wechsels Schatten. Er verändert sich nicht aufgrund unserer veränderten Umstände oder wechselnden Stimmungen.

Einen wunderbaren Ausdruck seiner Güte dürfen wir darin sehen, dass er uns die neue Natur geschenkt hat, damit wir eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe seien. Durch den Besitz dieser neuen Natur, die in uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt wurde, wurden wir zu den Erstlingsfrüchten der neuen Schöpfung.

(V. 19-21). Der Christ sollte daher, anstatt nach den verderbten Begierden des Fleisches zu handeln, in der Kraft der neuen Natur leben, um ein Zeuge dieser neuen Schöpfung zu sein. Wir werden hier dazu aufgerufen, in praktischer Übereinstimmung mit der neuen Natur zu leben. Wir sollten schnell zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn sein. Das Hören spricht von einer Gesinnung der Abhängigkeit, die Gott zuhört. Sprechen ist der Ausdruck unserer eigenen Gedanken. Wir sollten daher schnell darin sein, Gottes Worten zuzuhören, die seine Gedanken und seinen Willen ausdrücken. Langsam sollten wir dagegen im Aussprechen von Worten sein, die doch so oft nur unsere alte Natur und unseren Willen zum Vorschein bringen. Darüber hinaus sollten wir nicht nur langsam im Hinblick auf das Aussprechen der Gedanken unserer Vorstellungen sein, sondern ebenso langsam beim Ausdrücken des Ärgers, der die Gefühle unserer Herzen offenbart. Der Zorn des Menschen bewirkt nicht die Gerechtigkeit Gottes und ist nicht in Übereinstimmung mit einem Wandel in Gottseligkeit. Wir werden daher ermahnt, die Unreinheit des Fleisches und die Verderbtheit unserer Herzen abzulegen, die sich beide in hastigen Worten und ungerechtem Zorn ausdrücken. Wir müssen die Wurzeln des Bösen verurteilen, die hinter den bösartigen Worten und dem Herausbrechen des Ärgers stehen. Ein Gott wohlgefälliges Ergebnis werden wir jedoch nicht erreichen, wenn wir einem äußerlichen Gesetz gehorchen, das nur unser Fleisch erregt, sondern indem wir jede Regung in dieser Hinsicht ablegen, sozusagen ausziehen. Dann sind wir in der Lage, in Sanftmut das eingepflanzte Wort Gottes zu empfangen. Es ist das Wort, das in der Seele nicht mit zweifelnden Überlegungen und Verstand, sondern in Sanftmut aufgenommen wird, indem man sich dem unterwirft, was Gott sagt. Wenn das Wort auf solche Weise in der Seele eingepflanzt ist, wird es uns retten vor allem Bösen des Fleisches und der Welt. Wir sind dann nicht nur durch das Wort gezeugt worden, sondern durch dasselbe Wort hat auch unser praktischer Wandel einen veränderten Charakter und wir wachsen in der Gnade.

(V. 22-24). Wir sind bereits ermahnt worden, im Hören dessen schnell zu sein, was Gott uns in seinem Wort zu sagen hat. Nun werden wir dazu aufgefordert, das auch in die Praxis umzusetzen, was wir hören. Wir sollen Täter des Wortes und nicht allein Hörer sein. Ist dies nicht ein Widerhall der eigenen Worte des Herrn in Johannes 13,17: „Wenn ihr dies wisst, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut.“ Es hat einmal jemand gesagt: „Dieser Satz mag wie eine Binsenweisheit aussehen. In der Praxis ist die Ermahnung jedoch so nötig, da wir eine bestimmte Tat oder Gewohnheit so gerne anerkennen und sogar bewundern, als ob es dadurch unsere eigene würde. Wir wünschen, dass diese einfachen Worte immer in unseren Ohren nachklingen.“ (Bernard). Wenn sich jemand stolz dünkt, das Wort zu kennen, und gehorcht ihm doch nicht, so betrügt er sich selbst im Hinblick auf seinen Zustand vor Gott. Er benutzt das Wort Gottes zwar als Spiegel, aber nur, um diesen alsbald wieder wegzulegen. So werden seine Wege nicht durch das Wort regiert.

(V. 25). Derjenige jedoch, der die neue Natur besitzt und durch das Wort geleitet wird, wird die Bibel als vollkommenes Gesetz der Freiheit schätzen. Das Gesetz vom Sinai war auf steinernen Tafeln geschrieben, nicht aber auf das Herz des einzelnen. Es zeigte dem Menschen, was er zu tun hatte, gab ihm jedoch nicht das Verlangen und die Kraft, dem Gesetz zu gehorchen. Wenn ich aber aufgefordert werde, etwas zu tun, was ich nicht begehre, so ist es wie Sklaverei, selbst wenn ich gehorche. Durch das Wort Gottes aber haben wir jetzt nicht nur eine vollkommene Offenbarung des Willens Gottes, sondern durch dasselbe Wort ist in uns eine neue Natur gezeugt worden, deren ganzes Verlangen es ist, dem Wort entsprechend zu handeln. Wenn ich aufgefordert werde, etwas zu tun, was ich selbst zu tun wünsche, dann ist das Freiheit. Dadurch wird das Wort Gottes zu einem Gesetz der Freiheit, und derjenige, der sich durch dieses führen lässt, wird in allen seinen Taten gesegnet sein.

(V. 26-27). Die abschließenden Verse dieses Kapitels stellen uns das praktische Leben in Gottseligkeit gemäß dem Wort Gottes vor. Auf einem solchen Wandel ruht der Segen Gottes. Das reine Vortäuschen von Religiosität, wird durch die Zunge schnell entblößt. Die ungezügelte Zunge wird zeigen, dass hinter ihr ein Herz steht, in dem die Lust und das Böse nicht gerichtet worden sind. Wirkliche Religiosität, d.h. Gottseligkeit, wird sich nicht in Worten, sondern in Taten offenbaren. Sie führt zu einem Leben, das den Bedrängten zur Hilfe eilt und in Absonderung von der Welt geführt wird.

Wir sind in der Gefahr, nach einem Teil dieses Verses zu handeln und dabei den anderen Teil zu vergessen. Wir mögen vielleicht viele dieser guten Werke tun und doch Hand in Hand mit der Welt gehen. Oder wir leben in absoluter Absonderung von der Welt, und doch versagen wir darin, praktisch gute Werke zu vollbringen. Echter und unbefleckter Gottesdienst verlangt Gehorsam beiden Ermahnungen gegenüber. Wer ausgeht, um die Bedürfnisse der Menschen in dieser Welt zu stillen, muss besonders darauf achten, nicht von dem Bösen verunreinigt zu werden. Wie vollkommen sehen wir diesen echten und unbefleckten Gottesdienst in Christus verwirklicht! J.G. Bellett hat einmal gesagt: „Seine Heiligkeit machte ihn zu einem vollkommenen Fremdling in dieser verschmutzten Welt. Aber seine Gnade führte dazu, dass er immer für die bedürftige und bedrängte Welt tätig war, ... auch wenn er durch das Ausmaß des Bösen um ihn herum immer der Einsame blieb. Dennoch wurde er durch die Nöte und Leiden der Menschen dazu getrieben, der Tätige zu sein.“

In dieser Weise sehen wir im ersten Kapitel das praktische Christenleben, das durch Versuchungen und die Abhängigkeit von Gott gestärkt und gestählt wird. Der Christ soll in der Kraft der neuen Natur leben, die sich daran erfreut, das Wort Gottes zu hören und zu tun. Sie zeigt ihren Ursprung in der Liebe, die ausgeht zu den Bedürftigen dieser Welt und gleichzeitig in Heiligkeit von dem Bösen dieser Welt abgesondert lebt.

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