Die Taufe mit Heiligem Geist

Dieser Ausdruck wird in der gegenwärtigen Zeit häufig gehört, doch wird er leider oft mit einem schmerzlichen Mangel an göttlicher Unterweisung und Erkenntnis gebraucht. Manche wollen uns erzählen, dass sie diese Taufe erst kürzlich als eine Art zweite Segnung erfahren haben; andere rufen deswegen ununterbrochen zu Gott, um sie entweder für sich oder für die Kirche insgesamt zu erbitten. Doch was sagt die Heilige Schrift? Die Taufe mit Heiligem Geist wird zuerst durch Johannes den Täufer in Mt 3, 11.12 erwähnt: „Ich zwar taufe euch mit Wasser zur Buße; der nach mir Kommende aber ist stärker als ich, dem die Sandalen zu tragen ich nicht wert bin; er wird euch mit (in) Heiligem Geist und mit Feuer taufen; dessen Worfschaufel in seiner Hand ist, und er wird seine Tenne durch und durch reinigen und seinen Weizen in die Scheune sammeln, die Spreu aber wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer“. Der Dienst des Johannes war von höchst bedeutsamem Charakter. Er war der Bote Jehovas, der vor seinem Angesicht hergesandt wurde (denn es war kein Geringerer als Jehova selbst, der in die Welt kam), um seinen Weg vor ihm zu bereiten (Mt 11,10; Mal 3,1). Ernstlich prangerte er den moralischen Zustand in Israel an und rief zur Buße und zum Gehorsam auf. Israel war nicht in dem passenden Zustand, um den Kommenden zu empfangen. Obwohl er der Mittelpunkt ihrer Hoffnungen und Erwartungen als Nation war, waren sie nicht zubereitet für ihn; und trotz des Zeugnisses des Täufers erkannten sie ihn nicht, sondern lehnten ihn ab und warfen ihn zu ihrem eigenen Verderben hinaus. Deshalb wirkt Gott nun ein Werk von ganz anderem Charakter in dieser Welt. Das Königreich ist aufgeschoben worden - es wartet auf die Buße Israels und seine Anerkennung des Messias - und Gott führt nun solche heraus, die himmlische Miterben Jesu sein sollen. Er tauft sie durch einen Geist zu einem Leib, wie der Apostel sagt (1. Kor 12,13).

Im Johannes-Evangelium spricht der Täufer von dem zweifachen Werk des Herrn Jesus: Er ist das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt; und er ist auch der, welcher mit Heiligem Geist tauft. In Bezug auf die erste Seite sagt er: „Siehe das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Joh 1,29). Nicht, dass er dies getan hätte, als Johannes davon redete; das Wort ist charakteristisch, typisch, abstrakt - er ist der Sündentilger. Das Werk, aufgrund dessen Sünde vollständig beseitigt werden wird, wurde auf Golgatha vollbracht; doch noch gibt es Sünde in der Welt - dieser Vers schaut also in seiner vollen Anwendung voraus auf die neuen Himmel und die neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnen wird. Doch es ist das zweite Werk des Herrn Jesus, das jetzt besonders vor unseren Blicken steht: „Und Johannes zeugte und sprach: Ich schaute den Geist wie eine Taube aus dem Himmel herniederfahren, und er blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht; aber der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, der sprach zu mir: Auf wen du den Geist herniederfahren und auf ihm bleiben siehst, dieser ist es, der mit Heiligem Geist tauft“ (Joh 1,32.33). Als Mensch auf der Erde wurde der Herr Jesus selbst mit dem Geist versiegelt; auferstanden und in der Herrlichkeit ist er derjenige, welcher mit Heiligem Geist tauft.

Aus Apg 1, 5 und 11, 16 wird deutlich, dass dies noch nicht erfüllt war, bevor er nicht verherrlicht worden war. Als Auferstandener sagte er in Anspielung auf die Worte von Johannes: „...ihr aber werdet mit Heiligem Geist getauft werden nach nunmehr nicht vielen Tagen“. Johannes hatte noch hinzugefügt: „...und mit Feuer“, doch der Herr lässt dies weg, da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt wurde. Feuer ist ein Symbol göttlichen Gerichts, wie der Vorläufer selbst erklärt hatte, und Christus ist der von Gott bestimmte Ausführer des Gerichts. Israel ist seine 'Tenne'; und bei seiner Rückkehr wird er sie reinigen und mit der abgefallenen großen Masse der Nation handeln - die Spreu wird mit unauslöschlichem Feuer verbrannt werden; der treue Überrest aber wird Segen erfahren, den Weizen wird er in die Scheune sammeln. Es ist ein ernsthaftes Missverständnis, zu meinen, die Taufe mit Feuer hätte in irgendeiner Weise schon begonnen. Feuer spricht ganz klar und deutlich von Gericht - jetzt aber ist der Tag der Gnade. Es ist schon oft bemerkt worden, dass der Herr, als er in der Synagoge aus Jesaja 61 vorlas, in der Mitte des zweiten Verses nach den Worten 'das angenehme Jahr des Herrn' innehielt und die Worte 'den Tag der Rache unseres Gottes' nicht mehr mit vorlas, weil dies von einem noch zukünftigen Tag spricht (Lk 4,18.19). Für manche hat es daher eine Schwierigkeit bedeutet, dass das Herniederkommen des Geistes verbunden war mit Zungen von Feuer. Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Form einer Taube, wie bei dem Herrn Jesus, und den Zungen von Feuer, die sich auf die Jünger gesetzt hatten. Die jeweilige Form war passend für den Charakter der Empfänger und den Charakter des Zeugnisses, welches sie tragen sollten. Das Zeugnis des Herrn war gekennzeichnet durch Gnade. Er war nicht gekommen, um die Welt zu verurteilen; Er stritt und schrie nicht, das geknickte Rohr zerbrach er nicht und den glimmenden Docht löschte er nicht aus (Mt 12,20). Von einer solchen bescheidenen und langmütigen Gnade war die Taube das passende Sinnbild. Der Dienst der Jünger war von einem sehr ernsten, aber dennoch gesegneten Charakter. Sie klagten die Menschen ihrer Sünden wegen an und gebrauchten das Wort Gottes auf diese Weise zur Verurteilung, während sie aber jeder Seele, die dem Evangelium glaubte, ewige Segnungen übermittelten. Sie sollten Zeugen sein - daher Zungen; das Zeugnis sollte auch zu den Nationen hin ausgebreitet werden - daher zerteilte Zungen; und aus dem oben angegebenen Grund waren die Zungen von Feuer. Aber in keiner Hinsicht war dies die Taufe mit Feuer, wie eine sorgfältige Untersuchung der Stellen zeigt.

Die Taufe mit Heiligem Geist geschah am Tag der Pfingsten. Entsprechend der Verheißung des Herrn Jesus kam er von dem Vater, um für immer in und mit den Heiligen zu leben. Er kam, um auf der Erde etwas Neues zu bilden - die Versammlung, den Leib Christi. Es gab nichts Derartiges, bis der Herr seinen Platz in der Höhe eingenommen hatte und der Geist herabgekommen war. Im Alten Bund war schon ein irdisches Volk berufen und mit zeitlichen Segnungen versehen worden, aber die Einheit mit Christus in der Herrlichkeit war bis dahin völlig unbekannt. Durch das Herabkommen des Geistes wurden die wartenden Jünger zu etwas, was sie vorher nicht gewesen waren. Vorher waren sie Gläubige mit jüdischen Hoffnungen und Erwartungen gewesen - nach seinem Herabkommen wurden sie zu Gliedern des Leibes Christi, einsgemacht mit ihm, dem verherrlichten Haupt, durch die Taufe mit Heiligem Geist. Ich sage damit nicht, dass sie dies alles sofort verstanden; tatsächlich ist es offensichtlich, dass dies nicht der Fall war. Die Wahrheit von dem einen Leib - das Geheimnis - wurde nicht erklärt, bis Paulus erweckt worden war; und doch existierte dieser eine Leib schon seit dem Tag der Pfingsten. Es war dem Apostel Paulus vorbehalten, zu schreiben: „Denn so wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: so auch der Christus. Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden“ (1. Kor 12,12.13). Welch eine Stellung für den Gläubigen! Angenommen in seiner Annehmlichkeit, geliebt mit der Liebe, mit welcher der Vater ihn liebt, gesegnet mit seinen Segnungen. Die Heiligen wurden am Anfang mit dem Heiligen Geist getauft und wurden so zu der Versammlung, dem Leib Christi; und dies ist niemals wiederholt worden. Jeder Neubekehrte wird durch das Empfangen des Heiligen Geistes als Folge des Glaubens an das Evangelium an dieser Segnung beteiligt. Die 'Wassertaufe' führt in den äußerlichen Platz des Bekenntnisses (wahr oder falsch) ein; die Taufe des Geistes bringt den Gläubigen in die Einheit des Leibes Christi - mit allen damit verbundenen Vorrechten und Segnungen. Wie beklagenswert, dass dies alles aus dem Auge verloren und gering geachtet worden ist. Die Kirche hat ihre wahre Beziehung zu Christus aus dem Auge verloren und ist in die Welt abgeglitten. Wohl wahr, der Herr in seiner Barmherzigkeit hat in diesen letzten Tagen die Aufmerksamkeit auf kostbare, lang vergrabene und unbeachtete Wahrheiten gelenkt; doch wie viele sind auch jetzt noch in der Dunkelheit und rufen zu ihm um das, was er schon längst gegeben hat - den Geist aus der Höhe!

Wir sind völlig davon überzeugt, dass die Versammlung es immer wieder von neuem nötig hat, von der Gegenwart und Kraft des Geistes Gebrauch zu machen; doch dass die Versammlung von neuem die Taufe mit Heiligem Geist nötig haben soll, wie von vielen gelehrt wird, ist Finsternis und Irrtum hinsichtlich einer der unerlässlichsten Wahrheiten der gegenwärtigen Haushaltung.