In den Worten des Herrn zu seinen Jüngern in Bezug auf den Kelch, wie sie uns durch den Heiligen Geist im ersten Evangelium berichtet werden, ist außerordentlich viel enthalten. In der denkwürdigen Nacht seiner Überlieferung nahm er den Kelch (nachdem er vorher den Jüngern das Brot gereicht hatte) „und dankte und gab ihnen diesen und sagte: Trinkt alle daraus. Denn dieses ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“. Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen dem neuen Bund, von dem das kostbare Blut die Grundlage ist, und dem Bund, der von dem HERRN mit Israel gemacht worden war, nachdem er sie aus Ägypten herausgeführt hatte. Am Sinai stellte Gott seinem Volk Sein Gesetz vor - seine Ansprüche an den Menschen im Fleisch - und stellte Segen als Folge von Gehorsam in Aussicht, und auf der anderen Seite Fluch und Tod als das sichere Resultat von Versagen und Sünde. Und dieser Bund wurde nicht ohne Blut eingeweiht: „Denn als jedes Gebot nach dem Gesetz von Moses zu dem ganzen Volk geredet worden war, nahm er das Blut der Kälber und der Böcke mit Wasser und scharlachroter Wolle und Ysop und besprengte sowohl das Buch selbst als auch das ganze Volk und sprach: „Dies ist das Blut des Bundes, den Gott für euch geboten hat““ (Heb 9,19.20; 2. Mo 24). Das auf diese Weise gesprengte Blut war das Zeichen des Todes, die Konsequenz von Ungehorsam und Sünde. Wir wissen, wie dies in Bezug auf dieses Volk geendet hat - in Unglück und Verderben. Gott hatte kaum das Gesetz in die Tafeln eingeschrieben, als schon unten im Lager das erste Gebot durch das Anfertigen des goldenen Kalbes gebrochen wurde. Schon da war alles vorbei, und hätte Gott Israel streng nach den Ausdrücken ihrer Verpflichtungen beim Wort genommen, hätte er sie in einem Augenblick vernichten müssen.

Doch es gab einen Fürsprecher: Mose stieg hinauf auf den Berg und vertrat ihren Fall vor dem HERRN; er wollte lieber aus dem Buch des HERRN, das er geschrieben hatte, ausgelöscht werden (2. Mo 32,32). Der HERR erhörte Seinen Knecht auf seine Weise und offenbarte sich ihm als „barmherzig und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Güte und Wahrheit“ (2. Mo 34,6-8); und auf diesem Boden wurde Israel verschont und in das Land gebracht.

Und was hatten sie getan, als Christus hier auf der Erde war? Sie rühmten sich des Gesetzes, machten ihre Denkzettel breit usw. (Mt 23,5) - äußerst kompromisslos und zeremoniell - und standen im Begriff, durch den Verrat und die Ermordung ihres Messias den Kelch ihrer Ungerechtigkeiten bis zum Rand zu füllen. Im Blick auf den ersten Bund war somit alles vorbei; der Mensch hatte sich als hoffnungslos schlecht und verderbt erwiesen. Von der ersten Gesetzgebung an war er ein Übertreter gewesen, und nun sogar ein Feind. Wie könnte man nun in dem ersten Menschen noch weiter nach etwas Gutem suchen? Es würde niemals gefunden werden, obwohl Gott den ersten Menschen geduldig und lange ertragen hatte. Wie kostbar dann, den Herrn von einem neuen Bund reden zu hören, und von seinem eigenen Blut als der Grundlage dieses Bundes! Im Alten Testament hatte Jeremia von einem neuen Bund gesprochen, der in zukünftigen Tagen mit dem Haus Israel und dem Haus Juda gemacht werden wird - ein anderer Bund als derjenige, den Gott mit ihren Vätern gemacht hatte, als Er sie an der Hand genommen und aus dem Land Ägypten herausgeführt hatte. Dann wird der HERR sein Gesetz in ihr Inneres legen und es auf ihr Herz schreiben, und ihre Missetat wird er vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken (Jer 31,31-34).

Dies ist Gnade - unumschränkte Gnade; der gerechte Boden dafür ist das kostbare Blut! Wie wunderbar hat Gott also gehandelt. Dieses kostbare Blut, das einst durch das schuldige Volk Israel vergossen worden ist, und von dem sie sagten, dass es über sie und ihre Kinder kommen solle (Mt 27,25), ist die gerechte Grundlage aller Segnungen für dieses gesetzesbrecherische Volk in zukünftigen Tagen. Vorausschauend erfreuen wir, die wir die Versammlung bilden, uns dieser Segnungen, obwohl wir keine direkte Beziehung zu den Bündnissen haben, die den Israeliten gehören, wie der Apostel Paulus in Rö 9,4 sagt. Alles dessen, woran jene sich nach und nach erfreuen werden, erfreuen wir uns schon jetzt und außerdem noch vieler Dinge mehr. Ist das Blut Christi nicht „für viele vergossen worden? Wir tun gut daran, diese Ausdrucksweise, wie sie im Matthäus-Evangelium vorkommt, zu beachten. In dem Bericht von Lukas haben wir die Worte: „…das für euch vergossen wird“ (Lk 22,20). Nun stellt Matthäus, wie allgemein bekannt ist, den Herrn als den Messias Israels vor; aber seine Verwerfung durch dieses Volk öffnet die Tür des Segens für solche, die sich außerhalb des jüdischen Kreises befinden. Eine ähnliche Ausdrucksweise finden wir in Heb 9,28: „Christus, nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen“. Zählen wir nicht auch zu diesen „vielen“? Der Unglaube Israels hatte den Strom der göttlichen Gnade nicht aufhalten können, sondern er ist nach der Weisheit Gottes der Anlass dafür gewesen, diesen Strom der Gnade (wenn auch nur für eine Zeit) von ihnen abzulenken und zu bewirken, dass er alle Grenzen überströmte, damit er auch zu solchen gelangen konnte, die wie wir außerhalb standen.

Daher ist die „Vergebung der Sünden“ unser glückseliges Teil; das Anwenden des Blutes, welches besser redet als Abel (Heb 12,24). Das ist der ganze Unterschied, soweit die Seele es erfassen und sich daran erfreuen kann, zwischen dem „Hingehenlassen“ und der „Vergebung“. Der erste Ausdruck wird vom Heiligen Geist in Rö 3,25 gebraucht und bezieht sich auf die vorher geschehenen Sünden; d.h. auf solche, die begangen wurden, bevor das Werk Christi vollbracht war. Diese wurden vergeben, nicht aufgrund des vergossenen Blutes von Kälbern und Böcken - obwohl das Opfern dieser Tiere der Anlass dafür war, dass Vergebung ausgesprochen werden konnte -, sondern auf der Grundlage des unvergleichlichen Opfers Christi, das Gott schon von Ewigkeit her vor Augen hatte. Gott ist nun in all seinen Handlungen mit den Seinen des Alten Bundes gerecht erwiesen worden. Und doch beinhaltet dieses „Hingehenlassen“ nicht den anhaltenden und tiefen Frieden, dessen sich der Christ erfreuen darf; ein gereinigtes Gewissen war da noch eine unbekannte Segnung. Dies alles ist aber nun aufgrund des vergossenen Blutes Christi unser Teil; unsere Sünden sind vergeben, wir besitzen ein gereinigtes Gewissen, und wir wandeln in dem Genießen eines wolkenlosen, ungetrübten Friedens.