Einführender Vortrag zum 2. Korintherbrief

Einleitung

Einführender Vortrag zum 2. Korintherbrief

Unmöglich können wir die beiden Briefe an die Korinther mit einiger Aufmerksamkeit lesen, ohne den starken Kontrast zwischen ihnen festzustellen. Der erste Brief offenbart einen Ton der Verwundung seitens des Apostels, und das umso mehr, da Paulus die Erlösten in Korinth liebte. Jetzt, im zweiten, ist sein Herz hinsichtlich ihrer mit Trost von Gott erfüllt. Letzterer gibt einer Seele große Gewissheit, da er offensichtlich göttlichen Ursprungs und ein wirksames Werk der Gnade Gottes ist.

In menschlichen Dingen kann ein Niedergang durch nichts ausgeschlossen werden. Der äußerste Versuch weiser Menschen besteht darin, den Verlauf der Verderbnis zu hemmen und, so lange es möglich ist, einen zu schnellen Einbruch des Todes abzuwehren. Gott sei Dank! Es ist nicht so in göttlichen Dingen! Nichts stellt die Hilfsquellen Gottes so sehr vor Augen, wie seine Unumschränktheit über das Böse in Gnade – nichts offenbart mehr seine zarte Barmherzigkeit und Güte, wo immer Er wahren Glauben findet. Trotz der schmerzlichen Unordnung bei den Korinthern gab es dort wirklich göttliches Leben. So wollte der Apostel, obwohl in tiefem Schmerz über ihren Zustand, vertrauensvoll hinsichtlich ihrer auf Gott blicken, auch wenn er vorher einen so tadelnden Brief hatte schreiben müssen. Es war nämlich der Herr, welcher ihm gesagt hatte, dass Er ein großes Volk in dieser Stadt habe (Apg 18,10). Davon war wenig zu sehen, als er seinen ersten Brief an sie schrieb. Aber der Herr hat immer recht; und der Apostel vertraute dem Herrn trotz des äußeren Anscheins. Jetzt schmeckte er die freudevollen Früchte seines Glaubens an die wiederherstellende Gnade des Herrn. Daher finden wir in diesem Brief nicht so sehr wie in dem früheren die Hinweise auf ihre äußere Unordnung. Der Apostel beschäftigt sich hier nicht mehr mit der Ordnung im Zustand der Kirche als solcher. Wir sehen vielmehr, wie Seelen zurechtgebracht werden. Der Brief zeigt tatsächlich das Ergebnis jener heilsamen Handlungsweisen bezüglich des sehr unterschiedlichen Zustands von Personen sowie auch der ganzen Versammlung. Doch was immer der Einfluß auf die vielen auch sein mochte, nichtsdestoweniger erkennen wir eindeutig, wie das Leben in Christus in seiner Kraft und seinen Wirkungen weitgehend und gesegnet entfaltet wird.

Auf diese Weise erinnert uns unser Brief in einem gewissen Maß an den Philipperbrief. Er ähnelt ihm, obwohl er natürlich nicht mit ihm identisch ist und keineswegs an dessen erhabenen Charakter heranreicht. Auf jeden Fall zeigt sich hier ein Zustand unter den Korinthern, der sich völlig von dem Weg abwärts unterscheidet, den der erste Brief tadelt. Gott hatte seinen Knecht auf diesen Wechsel vorbereitet; denn Er benutzt in seiner unvergleichlichen Weisheit und seinen Wegen alles. Er berücksichtigt nicht nur den Zustand jener, an welche geschrieben werden soll, sondern auch desjenigen, den Er beim Schreiben benutzt. Sicherlich hatte Er sich mit den Korinthern beschäftigt, aber Er hatte sich auch mit seinem Knecht Paulus beschäftigt. Gottes Handlungsweise war unterschiedlich. Für die Korinther brachte sie Demütigung, für ihn ein Absterben der menschlichen Natur ohne jene Beschämung, welche notwendigerweise über die Korinther hereinbrach. Nichtsdestoweniger bereitete sie ihn noch mehr zu, ihnen in Liebe nachzugehen. Da er wusste, was die Gnade Gottes in ihren Herzen bewirkt hatte, konnte er umso freier seine Liebe zu ihnen ausdrücken. Ermutigt durch alles, was Gott in ihnen erreicht hatte, beschäftigte er sich mit dem, was in ihnen noch vollendet werden musste. Die unfehlbare Gnade Gottes, welche inmitten von Schwachheit und angesichts des Todes wirkt und so mächtig in ihm gewirkt hatte, ließ die Korinther für Paulus sehr teuer werden. Dadurch war er befähigt, ihnen in ihren Umständen und ihrem Zustand den passendsten Trost mitzuteilen, den dieser gesegnete Mann jemals im Auftrag Gottes und in seinem Dienst Herzen spenden durfte, die niedergeschlagen waren.

Nächstes Kapitel »