Betrachtungen über das fünfte Buch Mose

Der Tod Moses

Betrachtungen über das fünfte Buch Mose

Mose in seiner amtlichen Stellung und in seinem persönlichen Charakter

Dieses kurze Kapitel bildet einen Nachsatz zu dem fünten Buch Mose. Es wird nicht gesagt, wen Gott gebraucht hat, um diesen Abschnitt aufzuschreiben, aber das ist auch nebensächlich. Es genügt uns zu wissen, dass die Nachschrift ebenso wirklich inspiriert ist, wie das ganze fünfte Buch Mose und das ganze Wort Gottes.

Wir haben uns wiederholt bei der ernsten Tatsache aufgehalten, die uns in den ersten sechs Versen mitgeteilt wird, und so möchten wir hier nur daran erinnern, dass wir, um den Gegenstand wirklich verstehen zu können, Mose von zwei Gesichtspunkten aus betrachten müssen, nämlich in seiner amtlichen Stellung und in seinem persönlichen Charakter. Betrachten wir ihn von dem ersten Gesichtspunkt aus, so konnte es nicht seine Sache sein, die Gemeinde Israel in das gelobte Land zu führen. Der Bereich seiner Tätigkeit war die Wüste. Sein Dienst stand in Verbindung mit der Verantwortung des Menschen unter dem Gesetz und der Regierung Gottes, und daher kam es ihm nicht zu, das Volk durch den Fluss des Todes in das verheißene Erbe einzuführen. Das wurde seinem Nachfolger vorbehalten. Josua, ein Bild des auferstandenen Heilandes, sollte als Werkzeug Gottes das Volk durch den Jordan in sein göttliches Erbteil führen.

Das ist bemerkenswert. Aber wir müssen Mose auch in seinem persönlichen Charakter betrachten und hierbei wieder zwei Gesichtspunkte unterscheiden. Mose war ein Gegenstand der Regierung Gottes und ein Gegenstand der göttlichen Gnade. Wir dürfen diesen Unterschied nie aus dem Auge verlieren. Er ist von größter Bedeutung. Es war die Regierung Gottes, die Mose den Eintritt in das verheißene Land mit unbeugsamer Entschiedenheit verweigerte, so sehr sich Mose auch danach sehnen mochte, seinen Fuß in das Land Kanaan zu setzen. Er hatte unbesonnen mit seinen Lippen geredet. Er hatte Gott nicht vor den Augen der Gemeinde an den Wassern von Meriba verherrlicht, und deshalb konnte sein Wunsch, in das Land einzuziehen, nicht erfüllt werden.

Regierung und Gnade

Diese Tatsache ist sehr beachtenswert. Sicherlich dürfen wir nicht hart von dem Fehler eines der hervorragendsten Knechte Gottes reden, aber er ist zu unserer Belehrung und Ermahnung aufgezeichnet worden, und wir sollten immer daran denken, dass auch wir, obwohl unter der Gnade stehend, Gegenstände der göttlichen Regierung sind. Auch wir stehen unter Verantwortung. Zwar sind wir Kinder Gottes, geliebt mit einer unendlichen, unveränderlichen Liebe, geliebt wie Jesus selbst, aber wir sind auch Gegenstände der göttlichen Regierung. Lasst uns das nicht vergessen! Gott wolle uns vor allen einseitigen Anschauungen über die Gnade bewahren! Gerade die Tatsache, dass die Liebe und Gunst Gottes unser ewiges, unveränderliches Teil sind, sollte uns anspornen, die göttliche Regierung umso ernster zu beachten.

Sollten nicht – um ein schwaches Bild zu gebrauchen – die Kinder eines Königs gerade deshalb, weil sie Königskinder sind, die königlichen Gesetze vor allen anderen achten und ehren? Und wenn sie die Gesetze übertreten, erfordert es dann nicht die Würde der königlichen Regierung, dass sie die festgesetzte Buße für ihre Übertretung bezahlen? Wenn das nun im Blick auf eine menschliche Regierung so ist, wie viel mehr hinsichtlich der Regierung Gottes! „Die Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes; wenn aber zuerst bei uns, was wird das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen! Und wenn der Gerechte mit Not errettet wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen?“ (1. Pet 4,17.18).

Doch Mose war auch ein Gegenstand der Gnade, und diese Gnade strahlt uns vom Gipfel des Pisga in vollem Glanz entgegen. Dort wurde es dem ehrwürdigen Knecht Gottes erlaubt, in der Gegenwart seines Herrn zu stehen und das Land der Verheißung in seiner ganzen Ausdehnung zu überschauen. Er durfte es vom göttlichen Standpunkt aus sehen, nicht nur so, wie Israel es besessen, sondern so, wie Gott es gegeben hat.

Dann entschlief er und wurde zu seinen Völkern versammelt. Er starb nicht als ein schwacher, hinfälliger Greis, sondern in der ganzen Frische und Kraft eines gereiften Mannes. „Und Mose war 120 Jahre alt, als er starb; sein Auge war nicht schwach geworden und seine Kraft nicht geschwunden“ (V. 7). Welch ein Zeugnis! Welch eine seltene Tatsache in der Geschichte der gefallenen Menschheit! Das Leben Moses war in drei wichtige und deutlich unterschiedene Abschnitte von je vierzig Jahren eingeteilt. Er brachte vierzig Jahre im Haus des Pharaos zu, hütete vierzig Jahre die Herde Jethros „hinter der Wüste“ und wanderte vierzig Jahre durch die Wüste. Welch ein wunderbares Leben: Wie reich an Ereignissen und Belehrungen! Wie interessant ist es, ein solches Leben zu betrachten, es zu verfolgen vom Ufer des Nil, wo Mose als hilfloses Baby lag, bis zu dem Gipfel des Pisga, wo er in Gemeinschaft mit seinem Herrn stand, um mit unverhülltem Auge das herrliche Erbteil des Volkes Gottes zu sehen, und ihn dann wieder zu sehen auf dem Berg der Verklärung, in Gesellschaft seines Mitknechtes Elia, „redend mit Jesu“ über das erhabenste Thema, das je die Aufmerksamkeit von Menschen und Engeln beansprucht hat (vgl. Mt 17,3)! Welch ein hochbegnadeter Mann war er, welch ein gesegneter Knecht, welch ein wunderbares Gefäß!

Den Abschluss des Buches bildet das Zeugnis, das Gott selbst seinem geliebten Diener ausstellt: „Und es stand in Israel kein Prophet mehr auf wie Mose, den der HERR gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht, nach allen Zeichen und Wundern, die der HERR ihn gesandt hatte zu tun im Land Ägypten, an dem Pharao und an allen seinen Knechten und an seinem ganzen Land; und nach all der starken Hand und nach all dem Großen und Furchtbaren, das Mose vor den Augen von ganz Israel getan hat“ (V. 10).

Möge der Herr in seiner Güte diese Gedanken zum fünften Buch Mose segnen! Mögen seine wertvollen Lehren durch den Geist Gottes selbst tief in unsere Herzen eingegraben werden und dazu dienen, unseren Charakter in einer Gott wohlgefälligen Weise zu bilden, unser Verhalten zu lenken und unseren Weg durch diese Welt zu bestimmen!

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