Betrachtungen über das fünfte Buch Mose

Verschiedene Anweisungen

Betrachtungen über das fünfte Buch Mose

Ein makelloses Opfer

Bevor wir auf den Inhalt dieses Kapitels eingehen, sei zunächst daran erinnert, dass die Einteilung der Schrift in Kapitel und Verse menschlicher Zusatz ist, der ohne Zweifel zum Nachschlagen sehr bequem, oft aber ganz unsachgemäß und mit dem Zusammenhang unvereinbar ist. Wir sehen hier zum Beispiel, dass der letzte Abschnitt des 16. Kapitels mehr mit dem Folgenden als mit dem Vorhergehenden in Verbindung steht.

Aber nur eine äußere Form aufrechtzuerhalten genügte nicht. Israel konnte vielleicht die Ascherim und die Bildsäulen abschaffen und die Lehre von der Einheit der Gottheit festhalten, dabei aber doch einen großen Mangel an wirklicher Herzenshingabe in seinem Gottesdienst zeigen. Darum lesen wir: „Du sollst dem HERRN, deinem Gott, kein Rind- oder Kleinvieh opfern, an dem ein Gebrechen ist, irgendetwas Schlimmes; denn es ist ein Gräuel für den HERRN, deinen Gott“ (V. 1).

Nur etwas ganz Vollkommenes war für den Altar passend und entsprach den Gedanken Gottes. Die Darbringung eines fehlerhaften Opfers zeigte, dass das Herz nicht völlig für Gott schlug und bewies den Mangel an Verständnis darüber, was des HERRN würdig war. Der Versuch, ein solches Opfer zu bringen, war gleichbedeutend mit Gotteslästerung, da man dadurch gleichsam sagte: Für Gott ist alles gut genug. Mit tiefer Entrüstung erhebt der Geist Gottes durch den Mund des Propheten Maleachi Einspruch gegen ein solch gottloses Verhalten (Mal 1,7–14).

Aus den Worten des Propheten klingt auch ein ernster Mahnruf an die Versammlung, ein Mahnruf an den Schreiber und Leser dieser Zeilen. Können wir von unserem häuslichen und öffentlichen Gottesdienst immer sagen, dass wir ihn von Herzen, in wirklicher Gottesfurcht und Aufrichtigkeit ausüben? Findet sich darin nicht manches, was an die Darbringung eines lahmen, blinden oder kranken Opfertieres erinnert? Offenbart sich nicht in unseren Gebeten oft so viel kaltes Formen- und Gewohnheitswesen? Welche Zerstreuung und Dürre zeigt sich sogar am Tisch des Herrn unter uns! Wie oft kommt es vor, dass wir wohl körperlich dort sind, unsere Herzen aber mit ganz anderen Dingen erfüllt sind und unsere Gedanken wer weiß wo umherschweifen! Wie oft sprechen unsere Lippen Worte aus, die nicht der echte Ausdruck unseres geistlichen Zustandes sind! Wie oft gehen unsere Gesänge weit über unsere wirklichen Gefühle und Erfahrungen hinaus! Und welch eine herzlose Förmlichkeit zeigt sich, wenn die Gelegenheit an uns herantritt, unsere Gaben in den Schatzkasten des Herrn zu werfen! Wie wenig geschieht das nach der apostolischen Regel: „Je nachdem er Gedeihen hat“ (1. Kor 16,2), oder in der Gesinnung der armen Witwe, die nichts besaß, als nur zwei Scherflein und die, anstatt eins davon für ihren Lebensunterhalt zu behalten, alle beide, d. h. alles, was sie hatte, gern in den Schatzkasten warf! Wir verschwenden vielleicht im Lauf der Woche manchen Euro für unsere eigenen Interessen, für überflüssige Dinge. Aber wie zurückhaltend zeigen wir uns, wenn am Sonntagmorgen die Ansprüche des Werkes des Herrn oder der Armen an uns herantreten!

Möchten wir doch daran denken, dass wir nicht uns selbst gehören, sondern um einen Preis erkauft sind! Wir schulden nicht nur das Beste, sondern alles, was wir sind und haben, dem, der sich selbst für uns hingegeben hat. Müssen wir das nicht alle von ganzem Herzen anerkennen? Lasst es uns auch in unserem Leben verwirklichen. Lasst uns durch Wandel und Verhalten offenbaren, wem wir gehören und wem wir dienen! Möge Herz und Hand, ja, unser ganzes sein dem Dienst unseres Herrn geweiht sein!

Zwei oder drei Zeugen

Auf den großen Grundsatz in den Versen 2–7 unseres Kapitels ist bereits an anderer Stelle hingewiesen worden. Er besagt: „Fälle nie ein Urteil, bevor ein hinlängliches Zeugnis und ausreichendes Beweismaterial vorhanden ist“. Die Nichtbeachtung dieser Regel zieht immer ernste Folgen nach sich. Wir sollten uns nie ein Urteil bilden und es noch viel weniger aussprechen, es sei denn auf die Aussage zweier oder dreier Zeugen hin. So vertrauenswürdig und zuverlässig auch ein einzelner Zeuge sein mag, so bietet er doch keine genügende Grundlage für ein Urteil. Wir mögen innerlich von der Wahrheit einer Sache überzeugt sein, weil sie von jemand bestätigt wird, dem wir unser Vertrauen schenken. Es mag auch sein, dass der einzelne Zeuge aufrichtig und wahrheitsliebend ist und um keinen Preis ein falsches Zeugnis gegen jemand abgeben möchte, dennoch müssen wir an der göttlichen Regel festhalten: „Aus dem Mund von zwei oder drei Zeugen wird jede Sache bestätigt werden“ (2. Kor 13,1).

Es wäre gut, wenn diese Regel in der Versammlung Gottes mehr Beachtung fände. Es würde hinsichtlich der Zucht sowie in allen Fällen, in denen es sich um den Charakter oder den Ruf eines Menschen handelt, von unschätzbarem Wert sein. Eine Versammlung sollte immer auf der Erbringung genügender Beweise bestehen, ehe sie einen Beschluss fasst. Sind keine genügenden Beweise vorhanden, so sollten alle geduldig und vertrauensvoll auf den Herrn warten. Er wird sicher geben, was nötig ist.

Was hat z. B. eine Versammlung zu tun, in der sich etwas sittlich Böses oder eine Irrlehre eingeschlichen hat und dies nur einem Einzigen bekannt ist? Sie muss, selbst wenn dieser eine vollkommen gewiss und völlig überzeugt ist, warten, bis Gott weitere Zeugen gibt, denn sonst handelt sie einem klaren göttlichen Grundsatz zuwider. Sollte sich nun ein einzelner Zeuge verletzt fühlen, wenn die Versammlung nicht nach seinem Zeugnis handelt? Nein, er sollte dies gar nicht erwarten und in seinen Worten sehr vorsichtig sein, solange sein Zeugnis nicht durch einen oder zwei andere Zeugen bestätigt werden kann. Ebenso wenig darf man eine Versammlung deshalb gleichgültig oder nachlässig nennen, weil sie sich weigert, auf das Zeugnis eines Einzelnen hin zu handeln. Sie befolgt damit nur ein bestimmtes göttliches Gebot.

Dieser wichtige Grundsatz hat allgemeine Gültigkeit. Wir alle sind nur zu sehr geneigt, voreilige Schlüsse zu ziehen, gewissen Eindrücken Raum zu geben, uns auf Vermutungen zu stützen und durch Vorurteile einnehmen zu lassen. Wir brauchen Wachsamkeit, Ruhe, Ernst und eine besonnene Überlegung, wenn wir solche Dinge richtig beurteilen wollen. Dies gilt vor allem, wenn es sich um Personen handelt, da wir durch die Äußerung eines falschen Eindrucks oder einer unbegründeten Beschuldigung unserem Freund, Bruder oder Nachbarn leicht großes Unrecht zufügen können. Wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns nicht zum Werkzeug einer grundlosen Anklage missbrauchen lassen und dadurch vielleicht den Ruf des anderen sehr schädigen. So etwas ist äußerst sündhaft in Gottes Augen, und wir sollten es entschieden verwerfen, wo es sich auch zeigen mag. Wenn uns jemand eine Beschuldigung über einen anderen hinter dessen Rücken zuträgt, sollten wir entweder auf den Beweis oder auf die Zurücknahme seiner Aussage bestehen. Auf diese Weise würde viel übles Nachreden vermieden werden, das nicht allein schädlich, sondern auch äußerst schlecht ist.

Andererseits liefert uns die Schrift auch mehr als ein Beispiel dafür, dass ein gerechter Mensch unter dem Schein der Beobachtung des göttlichen Gebots in 5. Mose 17,6 und 7 verurteilt worden ist. So geschah es z. B. bei Naboth (1. Kön 21), bei Stephanus (Apg 6 und 7) und vor allem bei dem einzig Vollkommenen, der je auf dieser Erde war. Der Mensch versteht manchmal sehr gut, sich den Schein einer genauen Befolgung des Wortes Gottes zu geben, wenn dies seinen gottlosen Zwecken entspricht. Er weiß die heiligen Aussprüche zur Verteidigung der schreiendsten Ungerechtigkeit und der gröbsten Unsittlichkeit anzuführen. Naboth, der treue Israelit, verlor sein Erbteil und sein Leben auf das Zeugnis zweier Lügner hin, die von einer grausamen, gottlosen Frau gedungen waren und bezeugten, dass er Gott und den König gelästert habe. Stephanus, ein Mann voll Heiligen Geistes, wurde wegen Lästerung auf die Aussage falscher Zeugen hin gesteinigt, die die obersten religiösen Führer des Volkes „heimlich vorgeschoben“ (Apg 6,11) hatten, um sich wenigstens zum Schein auf die Autorität des Wortes Gottes stützen zu können.

Wir sehen also, was der Mensch und bloße menschliche Religiosität ohne Gewissen ist; aber die Regel unseres Kapitels bleibt trotzdem bestehen. Eine Religion ohne Gewissen und Gottesfurcht ist das Schlechteste, was es unter dem Himmel geben kann. Nichts kann den Menschen mehr entwürdigen, verrohen lassen und verhärten, und es ist eine ihrer hässlichsten Eigenschaften, dass der Mensch unter ihrem Einfluss sich nicht schämt oder fürchtet, die Worte der Heiligen Schrift als Deckmantel für die schrecklichste Bosheit zu gebrauchen.

Gott sei Dank, dass sein Wort in seiner himmlischen Reinheit und göttlichen Kraft bestehen bleibt und dass es den Missbrauch, den der Feind mit ihm treibt, in dessen Angesicht zurückschleudert!

Der zweite Abschnitt unseres Kapitels enthält eine Belehrung, die in unserer Zeit des Eigenwillens und des Strebens nach Unabhängigkeit äußerst wichtig ist.

Prozess und Urteil

„Wenn dir eine Sache zwischen Blut und Blut, zwischen Rechtssache und Rechtssache und zwischen Verletzung und Verletzung zu schwierig ist zum Urteil, irgendwelche Streitsachen in deinen Toren, so sollst du dich aufmachen und an den Ort hinaufziehen, den der HERR, dein Gott, erwählen wird. Und du sollst zu den Priestern, den Leviten, kommen und zu dem Richter, der in jenen Tagen da sein wird, und dich erkundigen; und sie werden dir den Rechtsspruch verkünden. Und du sollst entsprechend dem Spruch tun, den sie dir verkünden werden von jenem Ort aus, den der HERR erwählen wird, und sollst darauf achten, nach allem zu tun, was sie dich lehren werden. Entsprechend dem Gesetz, das sie dich lehren, und nach dem Recht, das sie dir sagen werden, sollst du tun; von dem Spruch, den sie dir verkünden werden, sollst du weder zur Rechten noch zur Linken abweichen. Der Mann aber, der mit Vermessenheit handelt, dass er auf den Priester, der dasteht, um den Dienst des HERRN, deines Gottes, dort zu verrichten, oder auf den Richter nicht hört: Dieser Mann soll sterben. Und du sollst das Böse aus Israel wegschaffen. Und das ganze Volk soll es hören und sich fürchten und nicht mehr vermessen sein“ (V. 8–13).

Das ist die göttliche Richtschnur zur Regelung aller Schwierigkeiten, die in der Gemeinde Israel auftreten konnten. Sie sollten geregelt werden in der göttlichen Gegenwart, an dem göttlichen Mittelpunkt und durch göttliche Autorität, so dass auf diese Weise dem Eigenwillen und jeder Vermessenheit wirksam vorgebeugt wurde. Alle Streitsachen sollten endgültig geschlichtet werden nach dem Urteil Gottes, das ausgesprochen wurde von dem von Gott verordneten Priester oder Richter. Es war also ganz und gar eine Sache der Autorität Gottes. Eine eigenwillige, vermessene Auflehnung des einen gegen den anderen durfte in der Versammlung Gottes nicht stattfinden. Jeder musste seine Sache einem göttlichen Gerichtshof unterbreiten und sich dessen Entscheidung unbedingt fügen. Eine Berufung an eine höhere Instanz gab es nicht, da kein höherer Gerichtshof vorhanden war. Der Priester oder Richter gab den Ausspruch Gottes. Es leuchtet ein, dass kein Israelit je daran gedacht haben wird, seine Sache vor ein heidnisches Gericht zu bringen. Das wäre eine direkte Beleidigung des HERRN gewesen, der in ihrer Mitte wohnte, um jede auftretende Schwierigkeit zu regeln. Er kannte genau die Entstehung und die Motive, den Anfang und das Ende jeder Streitsache, so verwickelt und schwierig sie auch sein mochte. Alle mussten auf ihn sehen und ihre Angelegenheiten an den Ort bringen, den Er erwählt hatte, und nirgendwo anders hin. Der Gedanke, dass zwei Glieder der Gemeinde Israels, die uneins geworden waren, vor ein heidnisches Gericht gehen könnten, war jedem treuen Israeliten fremd, denn damit wären die göttlichen Anordnungen für die Gemeinde als unzureichend bezeichnet worden.

Hierin liegt auch für uns Christen eine Belehrung. Wie sollten wir unsere Rechtssachen ordnen? Sollten wir uns an ein weltliches Gericht wenden? Ist in der Versammlung Gottes keine Vorkehrung getroffen worden, um solche Angelegenheiten zu ordnen? Lesen wir doch, was der Apostel in dieser Beziehung an die Korinther schreibt! (1. Kor 6,1–9). Das ist die göttliche Belehrung für die Versammlung Gottes zu allen Zeiten, denn wir dürfen nie aus dem Auge verlieren, dass die Bibel das Buch für jeden Zeitabschnitt in der Geschichte der Versammlung während ihres irdischen Daseins ist. Nie können die in 1. Korinther 6 ausgesprochenen Grundsätze aufhören, bindend für die Versammlung Gottes zu sein. Nie kann das, was im ersten Jahrhundert falsch war, im zwanzigsten gut und richtig sein. Wohl mag es heute schwierig sein, nach diesen Grundsätzen zu handeln. Trotzdem dürfen wir sie nie aufgeben oder einen niedrigeren Maßstab als den anlegen, den das Wort Gottes uns gibt. Es ist heute noch ebenso falsch wie in den Tagen des Apostels, wenn Bruder mit Bruder vor den Ungläubigen rechtet. Zwar ist die sichtbare Einheit der Versammlung wie auch viele ihrer Gaben verschwunden, und sie ist von ihrem normalen Zustand abgewichen, aber die Grundsätze des Wortes Gottes können so wenig ihre Kraft verlieren, wie das Blut Christi seinen Wert oder das Priestertum Christi seine Wirksamkeit verlieren kann.

Außerdem sollten wir uns erinnern, dass trotz aller unserer Schwachheit, aller unserer Mängel und unserer Fehler alle Schätze der Weisheit, Gnade, Macht und geistlichen Gaben für die Versammlung in Christus, ihrem Haupt, vorhanden und stets bereit sind für alle, die sie im Glauben zu benutzen verstehen. Wir sind in unserem anbetungswürdigen Haupt nicht verkürzt und brauchen deshalb nicht zu warten, dass der Leib zu seinem normalen Zustand auf der Erde zurückgeführt werde. Vielmehr ist es unser Vorrecht und unsere Pflicht, die wirkliche Stellung des Leibes zu erkennen und keine andere einzunehmen. Die Folge davon ist eine wunderbare Veränderung in unserem ganzen Zustand, in unseren Anschauungen und Gedanken über uns selbst und unsere Umgebung.

Alles scheint verändert zu sein, und wir sehen alles in einem neuen Licht. Die Bibel erscheint uns wie ein neues Buch, und gewisse Teile, die wir seit Jahren ohne Interesse oder Nutzen gelesen haben, gewinnen einen göttlichen Glanz und erfüllen uns mit Erstaunen, Liebe und Anbetung. Wir sind der finsteren Atmosphäre, die die ganze bekennende Christenheit einhüllt, entronnen und können Umschau halten und alle Dinge klar im himmlischen Licht der Schrift sehen. Es kommt uns tatsächlich so vor, als sei eine neue Bekehrung mit uns vorgegangen. Die Schrift ist uns viel verständlicher, da wir jetzt den göttlichen Schlüssel dazu gefunden haben. Wir sehen, dass Christus der Mittelpunkt und das Ziel aller Gedanken, Vorsätze und Ratschlüsse Gottes ist, und befinden uns daher in dem wunderbaren Bereich der Gnade und Herrlichkeit, die der Heilige Geist in dem kostbaren Wort Gottes vor uns entfaltet.

Möchten wir durch das Wirken des Heiligen Geistes zum vollen Verständnis all dieser Dinge kommen! Möchten wir die Schriften eingehend erforschen und uns rückhaltlos ihrer Belehrung und Autorität unterwerfen! Möchten wir nicht mit Fleisch und Blut zurate gehen, sondern uns kindlich auf den Herrn werfen und suchen, an geistlichem Verständnis und praktischer Übereinstimmung mit den Gedanken Christi zuzunehmen!

Das Gesetz für den König

Wir wollen noch einen Blick auf den letzten Abschnitt unseres Kapitels werfen, der im Voraus von der Zeit redet, wenn Israel einen König verlangen würde.

„Wenn du in das Land kommst, das der HERR, dein Gott, dir gibt, und es besitzt und darin wohnst und sagst: Ich will einen König über mich setzen, gleich allen Nationen, die rings um mich her sind! So sollst du nur den König über dich setzen, den der HERR, dein Gott, erwählen wird; aus der Mitte deiner Brüder sollst du einen König über dich setzen; du sollst nicht einen fremden Mann über dich setzen, der nicht dein Bruder ist. Nur soll er sich nicht viele Pferde anschaffen und soll das Volk nicht nach Ägypten zurückführen, um sich viele Pferde anzuschaffen; denn der HERR hat euch gesagt: Ihr sollt fortan nicht wieder auf diesem Weg zurückkehren. Und er soll nicht viele Frauen haben, dass sein Herz sich nicht abwende; und Silber und Gold soll er sich nicht übermäßig anschaffen“ (V. 14–17).

Es ist auffällig, dass gerade die drei Dinge, welche die Könige Israels nicht tun sollten, von ihnen getan wurden, und zwar besonders von den größten und weisesten unter ihnen. Wir lesen in 1. Könige 9,26–28: „Und der König Salomo machte eine Flotte in Ezjon-Geber, das bei Eloth, am Ufer des Schilfmeeres, im Land Edom liegt. Und Hiram sandte auf der Flotte seine Knechte, seekundige Schiffsleute, mit den Knechten Salomos. Und sie kamen nach Ophir und holten von dort Gold, 420 Talente (ca. 25 Mio Euro), und brachten es zum König Salomo … Und sie (die Königin von Scheba) gab dem König 120 Talente Gold (Kap. 10,10) … Und das Gewicht des Goldes, das bei Salomo in einem Jahr einging, war 666 Talente Gold (nahezu 45 Millionen Euro), außer dem, was von den Händlern und dem Handel der Kaufleute und von allen Königen der gemischten Völker und den Statthaltern des Landes einging (Kap. 10,14.15). Und der König machte das Silber in Jerusalem den Steinen gleich … Und die Ausfuhr der Pferde für Salomo geschah aus Ägypten (V. 27,28) … Und der König Salomo liebte viele fremde Frauen … Und er hatte an Frauen 700 Fürstinnen und 300 Nebenfrauen; und seine Frauen neigten sein Herz“ (Kap. 11,1.3).

Welch eine treffende Schilderung dessen, was der Mensch ist, selbst in der bevorzugtesten und höchsten Stellung! Wir haben in Salomo einen Menschen vor uns, der ausgestattet war mit Weisheit, mehr als alle Menschen, umgeben von beispiellosen Segnungen, Würden, Ehren und Vorrechten. Sein Becher war bis zum Rand gefüllt. Nichts fehlte ihm von den Freuden und Genüssen, die die Erde bieten kann. Und nicht nur das, sein bemerkenswertes Gebet bei der Einweihung des Tempels berechtigt auch zu den kühnsten Hoffnungen hinsichtlich seiner Person und seiner Stellung. Aber leider kam er in bedauernswerter Weise in all den Einzelheiten zu Fall, über die das Gesetz Gottes sich so klar und bestimmt ausgesprochen hatte. Es besagte, Silber und Gold nicht sehr zu mehren, und dennoch tat er es. Es verbot ihm nach Ägypten zurückzukehren, um die Rosse zu mehren, und gerade aus Ägypten ließ er seine Pferde holen. Es verwehrte ihm, viele Frauen zu nehmen, und doch hatte er tausend – und sie neigten sein Herz! Das ist der Mensch! Wie wenig ist ihm zu trauen! „Alles Fleisch ist wie Gras, und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume. Das Gras ist verdorrt, und die Blume ist abgefallen“ (1. Pet 1,24). „Lasst ab vom Menschen, in dessen Nase nur ein Odem ist! Denn wofür ist er zu achten?“ (Jes 2,22).

Doch was war der eigentliche Grund für Salomos traurigen und demütigenden Fall? Wir finden die Antwort in den letzten Versen unseres Kapitels: „Und es soll geschehen, wenn er auf dem Thron seines Königreichs sitzt, so soll er sich eine Abschrift dieses Gesetzes in ein Buch schreiben, aus dem, was vor den Priestern, den Leviten, liegt. Und es soll bei ihm sein, und er soll alle Tage seines Lebens darin lesen, damit er den HERRN, seinen Gott, fürchten lerne, um zu beachten alle Worte dieses Gesetzes und diese Satzungen, sie zu tun; damit sein Herz sich nicht über seine Brüder erhebe und damit er von dem Gebot weder zur Rechten noch zur Linken abweiche, damit er die Tage in seinem Königtum verlängere, er und seine Söhne, in der Mitte Israels“ (V. 18–20).

Hätte Salomo auf die wichtigen und kostbaren Worte geachtet, so hätte sein Geschichtsschreiber ganz andere Dinge von ihm schreiben können. Aber er tat es nicht. Wir hören nichts davon, dass er sich eine Abschrift des Gesetzes machen ließ, und wenn er es getan hat, so hat er wenigstens nicht darauf geachtet, da er gerade das tat, was im Gesetz verboten war. Die Vernachlässigung des Wortes Gottes war die Ursache des Verfalls, der den Glanz der Regierung Salomos so bald ein Ende macht.

So ist es heute noch. Die Vernachlässigung des Wortes Gottes ist die Ursache aller Irrtümer, Verwirrungen, Ketzereien, Parteiungen und Spaltungen, die es in der Welt gibt oder je gegeben hat. Wir dürfen hinzufügen: Das einzig wahre Heilmittel für alle diese Übel liegt in der Umkehr jedes Einzelnen zu der rückhaltlosen Unterwerfung unter die Autorität des Wortes Gottes. Demütigen wir uns daher unter die mächtige Hand Gottes wegen unserer gemeinsamen Sünde. Kommen wir in wahrem Selbstgericht zu ihm, damit Er uns gnädig heile und segne und uns leite auf dem gesegneten Weg des Gehorsams, der jedem wirklich demütigen Jünger offensteht.

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