Betrachtungen über das erste Buch Mose

Am Ende von Abrahams Leben

Betrachtungen über das erste Buch Mose

Abrahams zweite Ehe

Der Anfang dieses Kapitels stellt uns mit der zweiten Heirat Abrahams ein Ereignis vor Augen, das wegen seiner Verbindung mit dem Inhalt des vorigen Kapitels unsere Beachtung verdient. Durch die prophetischen Schriften des Neuen Testaments wissen wir, dass die Nachkommen Abrahams nach der Aufnahme der Braut Christi wieder eine wichtige Rolle spielen werden. So nimmt der Heilige Geist nach der Heirat Isaaks die Geschichte der Nachkommen Abrahams in dem Bild einer neuen Heirat wieder auf und beschäftigt uns mit einzelnen Nebenumständen aus der Geschichte dieses Patriarchen und seiner Nachkommen.

Wie wir bereits bemerkt haben, veranschaulicht das erste Buch Mose gewissermaßen die großen Grundsätze der Beziehungen Gottes zum Menschen. Im ersten Buch Mose werden diese Grundsätze bildlich dargestellt, während sie im Neuen Testament als Lehre entwickelt werden, aber besonders die Bildersprache redet mächtig zu unseren Herzen.

Esau verschenkt sein Erstgeburtsrecht

Das Ende unseres Kapitels stellt uns einige ernste praktische Grundsätze vor. Jakobs Charakter und Leben werden wir noch beleuchten 1, aber vorher möchte ich gern auf das Verhalten Esaus eingehen. Das natürliche Herz legt keinen Wert auf die Dinge Gottes. Da es Gott nicht kennt, sind die Verheißungen Gottes für das natürliche Herz wert- und kraftlos. Das ist auch der Grund, weshalb die zeitlichen Dinge dem Menschen so viel bedeuten und einen so großen Einfluss auf ihn ausüben. Der Mensch schätzt nur das, was er sieht, weil er durch Schauen und nicht durch Glauben geleitet wird. Für ihn ist die Gegenwart alles, die Zukunft aber ungewiss und unbedeutend. „Siehe“, sagte Esau, „ich gehe hin zu sterben, und wozu nützt mir da das Erstgeburtsrecht?“ (V. 32). Ein seltsamer Vernunftschluss! Die Gegenwart läuft mir davon, und darum verachte ich die Zukunft und verzichte auf sie, darum habe ich kein Interesse an der Ewigkeit. „So verachtete Esau das Erstgeburtsrecht“ (V. 34). So verachtete Israel „das köstliche Land“ (Ps 106,24). So verachtete es den Messias (Sach 11,12), und so verachten die zur Hochzeit Geladenen die Einladung (Mt 22,5). Der Mensch hat kein Herz für die Dinge Gottes. Ein „Gericht Linsen“ gilt ihm mehr als das Anrecht auf Kanaan. Gerade der Grund, weshalb Esau seine Erstgeburt gering schätzte, hätte ihn veranlassen sollen, einen hohen Wert in ihr zu sehen. Je mehr ich die Vergänglichkeit und Nichtigkeit der Gegenwart des Menschen feststelle, umso fester klammere ich mich an die Zukunft Gottes. „Da nun dies alles aufgelöst wird, welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit!- indem ihr erwartet und beschleunigt die Ankunft des Tages Gottes, dessentwegen die Himmel, in Feuer geraten, werden aufgelöst und die Elemente im Brande zerschmelzen werden. Wir erwarten aber, nach seiner Verheißung, neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt“ (2. Pet 3,11–13). Das sind die Gedanken Gottes und deshalb auch die Gedanken des Glaubens. Die sichtbaren Dinge werden vergehen. Sollten wir deshalb die unsichtbaren verachten? Nein! Die Gegenwart verschwindet wie ein Schatten. Was ist unsere Zuflucht? Die Ankunft des Tages Gottes zu erwarten und zu beschleunigen. Das ist die Einstellung des erneuerten Herzens. Jede andere Einstellung ist die eines Ungöttlichen wie Esau, „der für eine Speise sein Erstgeburtsrecht verkaufte“ (Heb 12,16).

Fußnoten

  • 1 Siehe die Ausführungen zu Kapitel 27 „Jakob und Esau“.
Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel