Der zweite Brief an Timotheus

Der Dienst für Gott in den Tagen des Verfalls

Der zweite Brief an Timotheus

In Kapitel 3 hatte der Apostel den schrecklichen Zustand des christlichen Bekenntnisses in den letzten Tagen vollständig vorausgesagt. Darüber hinaus hatte er die Gläubigen an die reichen Vorkehrungen erinnert, die Gott mit der Absicht getroffen hat, dass die Gläubigen in den Tagen des überfließenden Bösen zu jedem guten Werk völlig geschickt sein möchten.

Nachdem Paulus das Verderben des Bekenntnisses und die Hilfsquellen für den Gottesfürchtigen vorgestellt hat, gibt er nun in Kapitel 4 besondere Unterweisungen für den Dienst im Werk des Herrn in den Tagen des allgemeinen Versagens.

Die Erfahrung lehrt uns, dass in den Tagen des zunehmenden Bösen innerhalb des christlichen Bekenntnisses und der Schwachheit unter dem Volk Gottes ein Diener nur allzu leicht entmutigt und von seinem Dienst abgehalten werden kann. Daher auch die Wichtigkeit dieser Unterweisungen, die der Schreiber, anstatt den traurigen und hoffnungslosen Zustand des Christentums als eine Entschuldigung für Teilnahmslosigkeit seitens der Diener gelten zu lassen, als einen Ansporn zu noch ernsthafterem Dienst gebraucht.

Vers 1: Der Apostel beginnt diesen Abschnitt seiner Unterweisungen, indem er die Beweggründe seines Aufrufes an die Gläubigen, in ihrem Dienst für den Herrn zu verharren, vorstellt. Er spricht mit großer Eindringlichkeit als vor Gott und Christus Jesus stehend. Christus ist der große Beobachter unserer Stellung und unserer Standhaftigkeit, und deshalb drängt der Apostel angesichts dreier großer Tatsachen darauf, im Dienst zu verharren:

Die erste dieser Tatsachen ist die, dass Christus der Richter der Lebendigen und der Toten ist. Er ist der Herr und Gebieter über unseren Weg und über unseren Zustand auf diesem Weg. Außerdem ist das christliche Bekenntnis in einem Zustand, in welchem die überwiegende Zahl unbekehrt ist und dem Gericht entgegengeht – entweder als Lebendige bei der Erscheinung Christi, oder als zu den Toten gerechnet am großen weißen Thron. Es geziemt sich also für uns, die Menschen vor dem kommenden Gericht zu warnen und sie auf den Retter aufmerksam zu machen.

Als zweites ermuntert uns Paulus mit der großen Wahrheit von der Erscheinung Christi, damit wir in unserem Dienst fortfahren. Er spricht hier nicht von der Entrückung, sondern von der Erscheinung Christi zum Antritt Seiner Regierung, denn die Belohnung für den Dienst steht immer in Verbindung mit seiner Erscheinung. Das Wort sagt: „Siehe, ich komme bald, und mein Lohn mit mir, um einem jeden zu vergelten, wie sein Werk ist“ (Off 22,12).

Als drittes ermuntert uns Paulus zum Dienst durch die Worte: „...und seinem Reich“. Jede Seele, die durch die Verkündigung des Evangeliums gerettet wird, wird die Herrlichkeit Christi vermehren, wenn Er zum Antritt Seiner Herrschaft und um „verherrlicht zu werden in seinen Heiligen“ kommen wird (2. Thes 1,10).

Sei es nun das Gericht über die Gottlosen, die Belohnung für den Diener, oder die Herrlichkeit Christi – alles ist ein Ansporn für den Diener, in seinem Dienst auszuharren.

Vers 2: Nachdem der Apostel uns die Beweggründe für seinen Aufruf dargelegt hat, überbringt er uns nun seine Aufforderung zum Dienst. Da der Mensch Gott gegenüber verantwortlich ist, sollen wir das Wort predigen und darauf halten in gelegener und ungelegener Zeit. Da Christus im Begriff steht zu richten, sollen wir solche überführen und strafen, die einen Weg gehen, der dem Gericht entgegenführt. Da die Heiligen bei der Erscheinung Christi Lohn empfangen, sollen wir mit aller Langmut und Lehre ermahnen.

Der Diener soll „das Wort“ predigen. Dies ist nicht nur die frohe Botschaft für den Sünder, sondern das Wort Gottes an beide – Sünder und Heilige. Es besteht die dringende Notwendigkeit sowohl zum eindringlichen Predigen, als auch zum Predigen zu allen Zeiten. Das Wort Gottes ist für alle Menschen zu allen Zeiten. Überführung und Strafe mag sich auf beide Gruppen – Sünder und Heilige beziehen. Doch kann dies nur durch das Predigen des Wortes geschehen, denn nur das Wort ist nützlich zur Überführung. Wir mögen versuchen, mit eigenen Worten und Argumenten zu überführen und zu strafen; aber wir werden nur feststellen, dass wir Verärgerung und Groll hervorrufen. Wenn Strafe zu einem Ergebnis führen soll, muss sie ihre Grundlage im Worte Gottes haben. Für solche, die bereit sind, sich vor dem Wort zu beugen und dessen Überführungen und Strafen anzuerkennen, ist es das Wort der Ermahnung.

Welcher Art der Dienst auch sein mag, er muss mit aller Langmut und entsprechend der Wahrheit oder Lehre geschehen. Das Wort wird mit Sicherheit den Widerstand des Fleisches hervorrufen, und dies verlangt Ausharren auf Seiten des Dieners; und die einzig wirksame Antwort auf den Widerstand finden wir in der Wahrheit oder Lehre der Schrift.

Verse 3 und 4: Im ersten Vers hat Paulus, der Knecht Gottes, über die gegenwärtige Zeit hinausgeblickt und im Licht der kommenden Ereignisse die Dringlichkeit des Dienstes betont. Nun blickt er wieder voraus, doch diesmal auf das Ende der christlichen Haushaltung. Dabei benutzt er die entsetzlichen Zustände, die unter den Bekennern des Christentums gefunden werden, zu einem erneuten Ansporn zur Tatkraft im Dienst. Er hatte schon von den falschen Lehrern gesprochen, die sich in die Häuser schleichen, jetzt spricht er von den Menschen selbst. Ob die Lehrer versagen oder nicht, es wird eine Zeit kommen, in der die Menschen „die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt“. Dies ist nicht eine Beschreibung von Heiden, die die Wahrheit nie gehört haben, sondern eine Beschreibung des Christentums, in dem Menschen das Evangelium gehört haben, es aber nicht länger ertragen wollen. Aber trotzdem geben sie nicht das ganze Bekenntnis des Christentums auf, denn sie häufen sich noch Lehrer auf; aber dies müssen Lehrer sein, die nicht durch das Predigen der Wahrheit die Befriedigung ihrer weltlichen Begierden stören.

Diese Gruppen der bekennenden Christen werden sich Lehrer auswählen, die der Schrift völlig fremd gegenüberstehen; dies zeigt, wie weit sich das Christentum von der Absicht Gottes mit Seiner Versammlung entfernt hat. Das Ergebnis dieser Unordnung ist, dass diese ausgewählten Führer nur zu oft blinde Führer der Blinden sind, und der Herr sagt: „Wenn aber ein Blinder einen Blinden leitet, werden beide in eine Grube fallen“ (Mt 15,14). So wird es also soweit kommen, dass die Menschen durch das Abkehren von der Wahrheit zu den Fabeln hingewendet werden.

Vers 5: Wenn dann der Zustand des Christentums so entsetzlich geworden sein wird, dass solche, die sich zum Christentum bekennen, die gesunde Lehre nicht mehr ertragen werden, ihren eigenen Begierden folgen und sich zu den Fabeln hinwenden werden, dann geziemt es dem Diener, „nüchtern in allem“ zu sein. Er hat sich sein Urteil anhand der Wahrheit gebildet und gestattet seiner Gesinnung nicht, durch das Böse und die Fabeln der bekennenden Masse beeinflusst zu werden.

Wir sind bereits aufgefordert worden, Trübsal zu leiden mit dem Evangelium (Kapitel 1, 8); dann, teilzunehmen an den Trübsalen als ein guter Streiter Christi Jesu (Kapitel 2, 3); und später sind wir davor gewarnt, worden, dass alle, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, Verfolgungen zu erleiden haben werden (Kapitel 3, 12). Nun werden wir darüber hinaus gewarnt, dass wir darauf vorbereitet sein müssen, wegen des Bösen innerhalb des Christentums Trübsal zu leiden.

Ein treuer Gläubiger muss also darauf vorbereitet sein, um des Evangeliums willen zu leiden, um Jesu Christi willen zu leiden, wegen seines gottseligen Lebens als ein christliches Vorbild zu leiden, und im Blick auf das Böse der letzten Tage zu leiden.

Darüber hinaus soll der Mensch Gottes, wie böse diese Tage auch sein mögen und was für eine Gabe er auch haben mag, das Werk eines Evangelisten ausführen, so lange der Tag der Gnade noch andauert. Das Aufgeben der Wahrheit durch die große Masse, die Hingabe der größten Teile der so genannten Kirchen an Weltlichkeit und Fabeln, macht es dem Menschen Gottes nur noch mehr zur Aufgabe, in der evangelistischen Arbeit fortzufahren und seinen Dienst zu vollführen. Das Werk des Herrn kann nicht nur halb getan werden. Wir sollen danach trachten, das vollständig zu erfüllen, was Er uns zu tun gegeben hat.

Vers 6: Als einen weiteren Ansporn zum Dienst weist Paulus, dieser Knecht Christi, nun auf sein baldiges Weggehen hin. Das Ende seines Lebens der Hingabe und der sich daraus ergebenden Verfolgungen seitens der Welt war so nahe gekommen, dass er sagen konnte: „Denn ich werde schon als Trankopfer gesprengt“. Er spricht von seinem Weggehen als von der Zeit seines Abscheidens (Anmerkung: das griechische Wort kann auch mit Aufbruch, Auflösung, Befreiung wiedergegeben werden). Das Verlassen dieser Szene war für ihn die Befreiung, der Abschied von einem Leib, der ihn von Christus trennte; doch er stellt dies für Timotheus als einen Grund dar, seinen Dienst zu vollführen. Wie oft seit jenem Tag hat der Herr den Heimgang eines treu ergebenen Bruders dazu benutzt, solche wachzurufen, die für den aktiven Dienst noch übrig geblieben waren.

Vers 7: Wenn der Versammlung nun auch in Kürze jegliche aktive Führung durch den Apostel fehlen würde, so bleibt doch zu unserer Ermutigung sein Beispiel bestehen. Hier blickt nun der Apostel an dem Vorabend seines Abscheidens auf seinen Pfad als Diener zurück; und er schaut voraus auf den Tag der Herrlichkeit, an welchem sein Dienst seine hell leuchtende Belohnung finden würde. Zurückblickend konnte er sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt“. Schon in den Tagen des Apostels Paulus wurde der Glaube von allen Seiten angegriffen, und er wird in unseren Tagen noch weit mehr attackiert. Außerhalb des christlichen Kreises wurde er von jüdischen Ritualisten und nicht-jüdischen Philosophen angegriffen. Innerhalb des christlichen Bekenntnisses gab es solche, die „von dem Glauben abgeirrt sind“ (1. Tim 6,21), und einige, die der Wahrheit widerstehen (2. Tim 3,8). Angesichts dieser Angriffe von innen und von außen konnte der Apostel sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft“. Er hatte für den Glauben gekämpft, und er hatte den Glauben bewahrt.

„Der Glaube“ ist mehr, als das Evangelium unserer Errettung. Er hat seinen Mittelpunkt in Christus und umfasst die Herrlichkeiten Seiner Person und die Größe Seines Werkes. Er umschließt die ganze Wahrheit des Christentums. Der Apostel hatte mutig für den Glauben gekämpft, er hatte keine Eingriffe aus irgendeiner Richtung erlaubt, sondern alles zurückgewiesen. Keine falsche Menschenfreundlichkeit oder Toleranz konnte sich in seine rückhaltlose Verteidigung der Herrlichkeiten der Person und des Werkes Christi hineindrängen.

Vers 8: Nachdem der Apostel den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet und den Glauben bewahrt hatte, konnte er mit großer Zuversicht in die Zukunft vorausblicken und sagen: „Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit“. Er war den Weg der Gerechtigkeit gegangen, er war den Unterweisungen in der Gerechtigkeit gefolgt (vgl. Kapitel 2, 22; Kapitel 3, 16), und er erwartete nun, die Krone der Gerechtigkeit zu tragen. 

Außerdem würde ihm die Krone der Gerechtigkeit von dem Herrn, dem gerechten Richter, gegeben werden. Paulus hatte in den Tagen der Verwerfung des Herrn Seine Rechte aufrechterhalten und würde nun an dem Tag Seiner Herrlichkeit die Krone der Gerechtigkeit empfangen. Die Menschen hatten dem Apostel ein Gefängnis gegeben, viele der Heiligen hatten ihn verlassen, manche hatten ihm widerstanden; doch für ihn war es das Geringste, dass er von den Heiligen oder von einem menschlichen Gerichtstag beurteilt würde, für ihn war der Herr der Richter (1. Kor 4,3–5). Er sagte nicht, dass ihm das Urteil der Heiligen hinsichtlich seiner Treue oder anderer Dinge seines Laufes gar nichts bedeuteten, aber verglichen mit dem Urteil und Gericht des Herrn war dies eine sehr geringe Angelegenheit für ihn. Unser Urteil über andere ist allzu häufig dadurch verzerrt, dass wir zu kleinlich und zu persönlich urteilen und zu egoistische Gesichtspunkte haben. Der Herr ist der gerechte Richter.

Zum dritten Mal in diesem Brief weist der Apostel auf „jenen Tag“ hin (Kapitel 1, 12.18; Kapitel 4, 8). In allen Leiden, Verfolgungen, Verlassenheit und Schmähungen, denen er begegnen musste, stand dieser Tag hell strahlend vor ihm – der Tag der Erscheinung des Herrn. Wie viel gibt es hier, was wir nicht verstehen können, was wir nicht entwirren können; wie viel Beleidigungen und Schmähungen, angesichts derer wir heute noch schweigen müssen. Doch von all diesen Dingen finden wir Erleichterung, wenn wir sie dem Herrn, dem gerechten Richter, im Hinblick auf jenen Tag anbefehlen und überlassen. Dann wird Er „auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Überlegungen der Herzen offenbaren; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott“ (1. Kor 4,5).

Weiterhin wird uns zu unserer Ermutigung gesagt, dass die Krone der Gerechtigkeit nicht einfach nur für einen Apostel oder einen begabten Diener bereitliegt, „sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben“. Wir mögen denken, dass die Krone der Gerechtigkeit für große Aktivität im Werk des Herrn vorbehalten ist, oder für solche, die als Führer des Volkes Gottes in vorderster Front stehen; doch das Wort sagt nicht, dass diese Krone für solche ist, die arbeiten, oder für solche, die eine hervorragende Stellung einnehmen, sondern für solche, die lieben – die Seine Erscheinung lieben. In der Tat, der große Gegenstand dieses Abschnittes des Briefes ist es, den Diener zum Arbeiten zu ermuntern; doch der Diener soll auch darauf achten, dass sein Dienst von Liebe regiert wird. Seine Erscheinung lieben schließt mit ein, dass wir den Einen lieben, der im Begriff steht zu erscheinen; und wenn wir Ihn lieben, dann freuen wir uns in dem Gedanken an den Tag, wenn dieser Eine, der jetzt noch von den Menschen verworfen und verachtet ist, „kommen wird, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert zu werden in allen denen, die geglaubt haben“ (2. Thes 1,10). Mehr noch, Seine Erscheinung lieben setzt voraus, dass wir unseren Weg im Selbstgericht gehen, denn wir lesen: „Und jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat“ – die Hoffnung, Christus bei Seiner Erscheinung gleich zu sein – „reinigt sich selbst, wie er rein ist“ (1. Joh 3,3).

In den Schlussversen dieses Briefes haben wir ein schönes Bild von den Beweisen der Gnade Christi, den christlichen Zuneigungen und der Anteilnahme des Herrn, wodurch die einzelnen Heiligen untereinander verbunden sind; diese Dinge sind zu jeder Zeit kostbar, doch wie viel mehr in den Tagen der Schwachheit und des Versagens, wenn sich solche, die den Herrn fürchten, miteinander unterreden (Mal 3,16).

Vers 9: Paulus hatte schon seinem Wunsch Ausdruck gegeben, sein von Herzen geliebtes Kind Timotheus zu sehen (Kapitel 1, 4); nun, angesichts seines nahe bevorstehenden Abscheidens, drängt er Timotheus, schnell zu kommen.

Verse 10 und 11: Er sehnte sich umso mehr, Timotheus zu sehen, weil er den Verlust eines Mitarbeiters erlitten hatte. Demas hatte ihn verlassen, da er den jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hatte. Es wird nicht gesagt, dass Demas Christus verlassen hatte, aber er hielt es für unmöglich, mit einem solch demütigen Vertreter Christi voranzugehen und gleichzeitig sich mit der gegenwärtigen Welt gut zu stellen. Das eine oder das andere musste aufgegeben werden. Ach! Er verließ Paulus und erwählte die Welt. Andere waren auch weggegangen – zweifellos im Dienst für den Herrn; nur Lukas war bei ihm. Dieser treue Gefährte seines aktiven Dienstes und Wirkens blieb in den Augenblicken seines Sterbens bei ihm, und der Apostel hat seine Freude daran, dessen hingebende Liebe zu berichten.

Ganz besonders war Paulus daran gelegen, dass Timotheus den Markus mitbringen würde. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sich Markus von dem Dienst weg gewandt hatte; deswegen hatte es der Apostel entschieden abgelehnt, ihn auf seiner zweiten Reise im Dienst des Herrn mitzunehmen. Er urteilte, dass dies nicht nützlich wäre. Dieses Versagen von Markus war offensichtlich verurteilt und gerichtet worden, und deshalb fühlten alle, dass es aus dem Weg geräumt war – es wird keine weitere Anspielung auf dieses Versagen gemacht. Wäre dies die einzige Erwähnung von Markus, wüssten wir nichts von seinem Versagen im Dienst. Paulus hatte schon der Versammlung in Kolossä besondere Anweisungen in Bezug auf Markus gegeben (Kol 4,10); nun erwünscht er seine Anwesenheit und bemerkt noch besonders, dass dieser wiederhergestellte Diener in der gleichen Angelegenheit, in der er versagt hatte, höchst brauchbar sein würde, denn, sagt der Apostel: „…er ist mir nützlich zum Dienst“.

Vers 12: Tychikus, der anscheinend früher durch den Apostel nach Kreta gesandt worden war (Titus 3,12), war nun nach Ephesus gesandt worden. Er war jemand, der bereitwillig unter der Führung des Dieners Christi seinen Dienst tat.

Vers 13: Der natürliche Mensch mag sich darüber wundern, dass in diesem so wichtigen Hirtenbrief der Apostel sich praktisch unterbricht, um von einem Mantel und von Büchern zu reden. Wir vergessen, dass der Gott, der für unsere ewigen Segnungen Vorsorge getroffen hat, auch unseren geringsten zeitlichen Bedürfnissen nicht gleichgültig gegenübersteht. Der Mantel, den wir tragen, und die Bücher die wir lesen, sind nicht Dinge, die Ihm egal sind. In unserer Torheit mögen wir glauben, dass diese Dinge Seiner Aufmerksamkeit entgehen; wenn wir so denken werden oft gerade diese Dinge – die Kleider, die wir tragen, die Bücher, die wir lesen – zu unseren größten Fallstricken.

Verse 14 und 15: Jetzt wird Alexander erwähnt. Er ist nicht ein Irrlehrer wie Hymenäus, noch jemand, der die Welt lieb gewonnen hat wie Demas. Es handelt sich bei ihm vielmehr um einen aktiven persönlichen Feind des Apostels. Durch diese persönliche Feindschaft war es ihm auch gleichgültig, was Paulus sagte, er widerstand seinen Worten sehr. Solche Menschen gab es zur Zeit der Apostel, und leider werden auch heute noch in dem christlichen Bekenntnis solche gefunden, die den gesprochenen Worten widerstehen – nicht weil sie falsch sind, sondern weil diese Menschen den Rednern feindselig gegenüberstehen. Wenn wir uns der Ungerechtigkeit und Sünde solcher Menschen bewusst sind, könnten wir leicht unsere Wachsamkeit ablegen und dem Fleisch durch ebenfalls fleischliches Handeln begegnen. Ein Diener des Herrn soll solchen Menschen nicht Böses mit Bösem vergelten, oder Streit mit Streit. Paulus sagt nicht: „Ich werde versuchen, entsprechend seiner Taten mit ihm zu handeln“, sondern er überlässt die ganze Angelegenheit dem Herrn und kann deshalb sagen: „Der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken“. Trotzdem warnt er Timotheus, vor ihm auf der Hut zu sein. Ach! Dass es in dem christlichen Bekenntnis solche gibt, wo es nötig ist, die Heiligen vor ihnen zu warnen.

Vers 16: Der Apostel machte in seinen Tagen die Erfahrung, die seitdem so viele gemacht haben, dass der Weg enger wird, je näher wir dem Ziel kommen. Deshalb musste er, als vor den Mächtigen dieser Welt Anklage gegen ihn erhoben wurde, sagen: „Niemand stand mir bei, sondern alle verließen mich“. Diese Behandlung, die uns so herzlos und feige erscheint, rief in dem Herzen von Paulus keinen Groll hervor. Im Gegenteil, sein Herz bittet für sie, dass es ihnen nicht zugerechnet werde.

Vers 17:  Wenn auch alle anderen versagen und uns verlassen, wird doch das Wort des Herrn immer bestehen bleiben: „Ich will dich nicht versäumen, und dich nicht verlassen“ (5. Mo 31,6; Jos 1,5; Heb 13,5). So erfuhr Paulus in den Tagen seines Verlassenwerdens von den Heiligen, dass der Herr ihm beistand und ihn stärkte. Wenn der Herr jedoch Kraft gibt, dann ist das nicht Kraft zur Vernichtung unserer Feinde, oder um uns aus unseren übenden Umständen zu befreien, sondern es ist geistliche Kraft, um in der Gegenwart Seiner Feinde ein Zeugnis für Ihn zu sein. So kann der Apostel sagen: „Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht würde, und alle die aus den Nationen hören möchten“. Aus den Berichten über die Verkündigungen durch Paulus wissen wir, dass diese Predigt die Predigt von der Vergebung der Sünden durch Christus Jesus, den auferstandenen Menschen in der Herrlichkeit (Apg 13,38), war. Wenn Paulus Kraft gegeben wurde, um Christus zu predigen, dann übte der Herr selbst Seine Macht aus, um Seinen Diener aus den unmittelbaren Gefahren zu retten. So konnte Paulus sagen: „...ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen“, und nicht: „Ich habe mich selbst gerettet“.

Vers 18: Mehr noch, der Apostel kann mit Zuversicht vorwärts schauen und sagen: „Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich“. Auch der Psalmist konnte sagen: „Der Herr wird dich behüten vor allem Bösen, er wird behüten deine Seele“ (Ps 121,7). Das himmlische Reich mag tatsächlich nur durch einen Märtyrertod erreicht werden, doch die Seele wird durch alles Böse hindurch bewahrt werden.

Mit diesem himmlischen Reich vor Augen kann dieser treue Knecht Gottes seinen Brief mit einem Lobpreis an den Einen beschließen, der ungeachtet alles Verlassenseins von den Heiligen, ungeachtet der Macht des Löwen und ungeachtet jeden bösen Werkes Sein Volk bewahren wird für Sein himmlisches Reich, „dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“.

Vers 19: Paulus fügt einen abschließenden Gruß an Priska und Aquila hinzu, zwei Heilige, die in seinem früheren Wirken mit ihm verbunden waren und ihm auch in seinen letzten Tagen treu geblieben waren (Apg 18,2). Noch einmal denkt er auch an das Haus dessen, der sich seiner Kette nicht geschämt hatte (Kapitel 1, 16–18).

Vers 20: Mit der Anteilnahme an den Entwicklungen, den Bemühungen und dem Wohlergehen der treuen Knechte des Herrn, der wir uns gar nicht entziehen können, erwähnt Paulus hier in seinen Tagen die Tatsache, dass Erastus in Korinth blieb und Trophimus krank in Milet zurückgelassen worden war. Offensichtlich wurde die wunderbare Macht der Krankenheilungen, die der Apostel während seines Zeugnisses so eindrucksvoll benutzt hatte, nie gebraucht, um einem Freund oder Bruder Erleichterung zu verschaffen. Jemand hat gesagt: ''Wunder waren in der Regel Zeichen für die Ungläubigen und nicht ein Mittel zur Heilung für die Hausgenossen des Glaubens“.

Vers 21: Für unseren Gott und Vater ist keine Einzelheit, die Seine Kinder betrifft, zu gering, um sie nicht zu berücksichtigen. Paulus hatte schon auf den Mantel und die Bücher hingewiesen; jetzt bedenkt er die Jahreszeit. Timotheus sollte sich bemühen, vor dem Winter zu kommen, andernfalls würden die Beschwerlichkeiten der Reise noch größer werden.

Drei Brüder und eine Schwester werden noch namentlich erwähnt. Sie senden zusammen mit allen Brüdern Grüße an Timotheus; dies ist nicht nur ein Beweis der Wertschätzung, die Timotheus entgegengebracht wurde, sondern auch ein Beweis dafür, wie es Paulus am Herzen lag, dass die Liebe der Heiligen untereinander zum Ausdruck kam.

Vers 22: In einer sehr schönen Art schließt Paulus diesen Brief an Timotheus mit dem Wunsch, dass der Herr Jesus Christus mit seinem Geist sein möge. Wie oft mögen wir in der Lehre und in den Grundsätzen und sogar auch im äußerlichen Zustand recht stehen, und doch kann alles mit einem schlechten und falschen geistlichen Zustand einhergehen. Wenn der Herr Jesus Christus mit unserem Geist ist, werden wir in unseren Worten und Wegen den Geist Jesu Christi (Phil 1,19) darstellen. Dafür benötigen Timotheus und mit ihm alle Heiligen Gnade, so dass der Apostel seinen Brief mit den Worten schließt: „Die Gnade sei mit euch“.

Möchten auch wir in diesen immer schwierigeren Zeiten wissen, wie wir stark sein können in der Gnade, die in Christus Jesus ist, damit unser Geist auch angesichts jeder Anstrengung des Feindes, unser Zeugnis durch das Ansprechen des Fleisches zu trüben, bewahrt bleibt. Wir benötigen unablässig Treue im Aufrechterhalten der Wahrheit, verbunden mit der Sanftmut Christi, damit über den Weg der Wahrheit nicht abfällig gesprochen werden kann.

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