Der zweite Brief an Timotheus

Die Hilfsquellen für den Gottesfürchtigen in den letzten Tagen

Der zweite Brief an Timotheus

In dem zweiten Kapitel wurden wir hinsichtlich des niedrigen Zustandes der bekennenden Kirche unterwiesen, wie sich dieser Zustand schon in jenen Tagen gezeigt hatte. Dieses dritte Kapitel gibt eine ernste Beschreibung des schrecklichen Zustandes, in welchen das christliche Bekenntnis in den letzten Tagen fallen wird.

Wir, die wir in diesen Tagen leben, können dankbar sein, dass es nicht uns überlassen ist, uns ein Urteil über den Zustand des Christentums zu bilden. Gott hat diesen Zustand vorausgesagt und beschrieben, so dass wir eine genaue und gottgegebene Einschätzung des Zustandes des bekennenden Volkes Gottes haben können.

Die Masse des christlichen Bekenntnisses besitzt keine richtige Vorstellung von dem Christentum, wie es in der Heiligen Schrift vorgestellt wird. Sie betrachtet es bloß als ein religiöses System, durch welches die Welt nach und nach erneuert und die heidnische Bevölkerung zivilisiert wird. Sogar viele Kinder Gottes, die nur eine geringe Kenntnis von der Errettung, die das Evangelium bringt, haben, geben sich der falschen Erwartung hin, dass durch die Aussaat des Evangeliums die ganze Welt nach und nach bekehrt wird und das tausendjährige Reich eingeführt wird.

Folglich entsteht unter bloßen Bekennern und vielen wahren Kindern Gottes der falsche Eindruck, dass sich das Christentum auf einen triumphalen Sieg über die Welt, das Fleisch und den Teufel zu bewegt. Nach den klaren und deutlichen Aussagen der Schrift jedoch hat sich die Kirche, gesehen in ihrer Verantwortlichkeit unter den Menschen, so vollständig verdorben, dass die große Masse derer, die das Christentum bilden, dem Gericht anheim fallen wird.

Die inspirierten Schreiber des Neuen Testamentes warnen einheitlich vor dem vorherrschenden Bösen des christlichen Bekenntnisses in den letzten Tagen, und vor dem Gericht, welches über das Christentum kommen wird. Jakobus sagt uns: „Siehe, der Richter steht vor der Tür“ (Jak 5, 7-9). Petrus warnt uns, „dass das Gericht anfange bei dem Haus Gottes“, und dass das christliche Bekenntnis in den letzten Tagen durch Spötter und durch schrecklichen Materialismus gekennzeichnet sein wird (1. Pet 4, 17; 2. Pet 3, 3-5). Johannes warnt uns, dass in der letzten Stunde der Antichrist sich aus dem christlichen Kreis heraus erheben wird (1. Joh 2, 18.19). Judas berichtet uns von dem kommenden Abfall; und der Apostel Paulus bereitet uns in diesem ersten Abschnitt auf das schlimme Verderben vor, durch das das christliche Bekenntnis in seinem Endstadium gekennzeichnet sein wird.

Dennoch, wenn wir auch zu unserer Warnung diese detaillierte Beschreibung von dem Ende der letzten Tage haben, so haben wir doch auch zu unserer Ermunterung und Ermutigung eine ebenso klare Entfaltung von der Fülle unserer Hilfsquellen, die den Gläubigen befähigen, dem Verderben des Christentums zu entfliehen und in wahrer Gottseligkeit in Christo Jesu zu leben.

Dies sind also die zwei großen Gegenstände des dritten Kapitels: das Böse der bekennenden Christenheit in den letzten Tagen, und die Hilfsquellen für den Gottesfürchtigen angesichts dieses Bösen.

a) das Verderben des Christentums in den letzten Tagen (Verse 1 bis 9)

Vers 1: Gott möchte weder, dass wir über den Zustand des Christentums in Unwissenheit sind, noch dass wir unter fadenscheinigen Gründen einer reinen Menschenfreundlichkeit dem Bösen gegenüber gleichgültig handeln. Deshalb beginnt der Diener des Herrn diesen Abschnitt seiner Belehrungen mit den Worten: „Dies aber wisse...“ Er fährt dann damit fort, uns zu warnen, „dass in den letzten Tagen gefahrvolle (oder „schwere“) Zeiten da sein werden“.

Verse 2 bis 5: Der Apostel fährt damit fort, uns mit allergrößter Deutlichkeit ein Bild des Zustandes zu geben, in den das Christentum fallen wird. Er skizziert in Einzelheiten die auffallendsten Kennzeichen des christlichen Bekenntnisses in diesen letzten Tagen. Der Geist Gottes spricht von diesen religiösen Bekennern als von „Menschen“, denn es gibt keinen Grund, sie Heilige oder Gläubige zu nennen. Und doch müssen wir festhalten, dass der Apostel nicht den Zustand heidnischer „Menschen“ beschreibt, sondern den Zustand solcher, die ein christliches Bekenntnis ablegen, indem sie eine äußerliche Form der Gottseligkeit vortäuschen. In diesem schrecklichen Bild werden uns 19 einzelne Kennzeichen vorgestellt:

1. „die Menschen werden selbstsüchtig sein“:

Das erste und hervorstechendste Kennzeichen der Christenheit in diesen letzten Tagen ist die Selbstsucht. Dies steht in direktem Gegensatz zum wahren christlichen Glauben, der uns lehrt, dass Christus für alle gestorben ist, „auf dass die, welche leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und ist auferweckt worden“ (2. Kor 5, 15).

2. „geldliebend“:

Selbstsucht wird zu Geldliebe führen, denn durch das Geld kann der Mensch alles erwerben, was zu seiner Befriedigung dient. Das echte Christentum lehrt uns, dass die Geldliebe eine Wurzel alles Bösen ist, und dass solche, die begierig nach Geld sind, „von dem Glauben abgeirrt sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben“ (1. Tim 6, 10).

3. „prahlerisch“:

Die Liebe zum Geld wird den Menschen zum Prahlen verleiten. Wir lesen in der Schrift von solchen, „...die auf ihr Vermögen vertrauen und sich der Größe ihres Reichtums rühmen“ (Ps 49, 7); und weiter: „Denn der Gottlose rühmt sich der Gier seiner Seele; und der Habsüchtige segnet - er verachtet den Herrn“ (Ps 10, 3). Nicht nur, dass sich der Mensch seiner Geschicklichkeit im Erwerben von Reichtümern rühmt, sondern nachdem er sich Güter angesammelt hat, ergreift er oft die Gelegenheit, seine Handlungen der Nächstenliebe auszuposaunen - im Gegensatz zu der bescheidenen Gütigkeit und Freigebigkeit des Christentums, welches uns lehrt, so zu geben, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte Hand tut (Mt 6, 3).

4. „hochmütig“:

Die Prahlerei, die sich selbst verherrlicht, ist letztlich verbunden mit Hochmut oder Stolz, der der Herkunft, sozialen Stellung und natürlichen Begabung viel Bedeutung beimisst - im Gegensatz zum Christentum, das uns dahin führt, diese Dinge für Verlust zu achten „wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, unseres Herrn“ (Phil 3, 8).

5. „Lästerer“:

Hochmut führt zu Schmähung und Lästerung. Durch den Stolz auf ihre Errungenschaften und ihre intellektuellen (geistigen) Fähigkeiten haben die Menschen keine Hemmungen, über das zu lästern, was sie nicht wissen (2. Pet 2, 12), und Worte zu reden gegen den Höchsten (vgl. Dan 7, 25). Sie greifen die Person und das Werk Christi an, indem sie die Offenbarung ablehnen und über die Inspiration spotten.

6. „den Eltern ungehorsam“:

Wenn die Menschen sogar so weit gehen, wider Gott zu lästern, dann ist es nicht verwunderlich, dass sie den Eltern ungehorsam sind. Wenn sie vor den Personen der Gottheit keinen Respekt haben, werden sie auch vor der menschlichen Verwandtschaft keinen Respekt haben.

7. „undankbar“:

Bei solchen, die den Eltern ungehorsam sind, wird jede Barmherzigkeit von Gott oder von Menschen als ein Anrecht angesehen, das keinen Anspruch auf Dankbarkeit erheben kann. Das Christentum lehrt uns, dass alle Segnungen für die Geschöpfe von Gott geschaffen sind „zur Annehmung mit Danksagung für die, welche glauben und die Wahrheit erkennen“ (1. Tim 4, 3).

8. „unheilig“

Wenn der Mensch für zeitliche und geistliche Segnungen undankbar ist, wird er bald auch die Barmherzigkeit und Gnade verachten und schmähen, durch die diese Segnungen geschenkt sind. Esau hatte auf unheilige Weise sein Erstgeburtsrecht verachtet, durch das Gott ihn hatte segnen wollen.

9. „ohne natürliche Liebe“:

Der Mensch, der die Liebe und Barmherzigkeit Gottes geringschätzig betrachtet, wird bald die natürlichen Zuneigungen zu seinen Mitmenschen verlieren. Die Selbstsucht führt zu Gleichgültigkeit hinsichtlich der familiären Beziehungen, oder sogar dazu, diese als Hindernis zur Selbstbefriedigung und -verwirklichung anzusehen.

10. „unversöhnlich“:

Der Mensch, der den Bemühungen der natürlichen Zuneigungen gegenüber unempfindlich ist, wird ganz bestimmt auch unversöhnlich oder nicht eines Besseren zu belehren und nicht zu besänftigen sein.

11. „Verleumder“:

Solche, deren unversöhnliche Gesinnung allen Bemühungen gegenüber unempfindlich ist, werden nicht zögern, die zu verleumden oder fälschlich zu beschuldigen, die ihren Willen durchkreuzen wollen.

12. „unenthaltsam“ oder „hemmungslos (von nicht unterdrückten Leidenschaften)“:

Der Mensch, der davor nicht zurückschreckt, andere mit seiner Zunge zu verleumden, ist jemand, der allzu leicht die Kontrolle über sich selbst verliert und ohne Beherrschung handelt.

13. „grausam“:

Wer andere durch Worte verleumdet und in seinen Handlungen unbeherrscht ist, zeigt eine grausame Einstellung, die die Liebenswürdigkeit und Sanftheit vermissen lässt, von der die christliche Gesinnung geprägt ist.

14. „das Gute nicht liebend“:

Eine grausame Einstellung macht den Menschen zwangsläufig blind für das, was gut ist. Nicht nur, dass es in dem christlichen Bekenntnis solche gibt, die das Böse lieben, sondern sie hassen sogar das Gute.

15. „Verräter“:

Der Mensch, der das Gute nicht liebt, wird nicht zögern, mit einer solchen Bosheit zu handeln, die das Vertrauen verrät und keine Rücksichten auf die Vertrautheiten solcher nimmt, von denen er bekannt hat, dass er sie als Freund ansieht.

16. „verwegen“:

Ein Mensch, der seine Freunde verraten kann, wird auch voller Entschlossenheit, gleichgültig gegenüber den Folgen und ohne Rücksichtsnahme seinen eigenen Willen verfolgen.

17. „aufgeblasen“ oder „voll eingebildeter Anmaßung“:

Der verwegene Mensch wird in seiner Einbildung versuchen, seine Selbstsucht unter dem eitlen Vorwand zu verbergen, dass er im Allgemeinen für das Gute handelt.

18. „mehr das Vergnügen liebend als Gott“:

Da die Anmaßungen solcher Menschen hohl sind, wird ihr Streben genauso alle Ernsthaftigkeit vermissen lassen. Die Wolken des kommenden Gerichts mögen sich zusammenballen, doch das Christentum, verblendet durch seine Einbildung und Selbstsucht, gibt sich einem Strudel der Erregung und Begeisterung hin und trachtet danach, sein Vergnügen in sinnlichen Freuden zu finden - und nur allzu oft sind die so genannten Geistlichen die Anführer zu jeder Art weltlichen Vergnügens.

19. „die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen“:

In den letzten Tagen des Christentums wird die bekennende Masse also in der Hingabe an jede Art des Bösen gefunden. Dabei wird sie noch versuchen, ihre Verdorbenheit mit dem Deckmantel der Heiligkeit zu bedecken. Auf diese Art werden die Namenschristen noch verdorbener als die Heiden, weil sie allem Bösen des Heidentums frönen und dazu noch versuchen, ihre Verdorbenheit unter einer Art Christlichkeit zu verbergen, obwohl sie dessen geistliche Kraft vollständig entbehren. Was kann von größerer Verdorbenheit sein, als das Bemühen, den Namen Christi als Deckmantel für Böses zu benutzen? Es ist dieser Deckmantel der Heiligkeit, der diese letzten Tage zu „schweren Zeiten“ macht, denn das Zurschaustellen von Frömmigkeit täuscht manchmal sogar wahre Christen.

Es muss also festgestellt werden, dass das erste und herausragende Kennzeichen des Bösen in diesem schrecklichen Bild die unbezähmbare Selbstsucht ist, die zu allem anderen Bösen führt. Selbstsüchtige Menschen werden für sich selbst besorgt sein und sich ihrer selbst rühmen. In ihrem Stolz auf sich selbst werden sie allem Einschränkenden gegenüber unduldsam sein - sei es von Menschen oder von Gott. Die Selbstsucht und die Selbstbefriedigung machen den Menschen undankbar, unheilig, und führen ihn dazu, sich über natürliche Zuneigungen hinwegzusetzen und unbarmherzig und verleumderisch zu werden. Die Selbstsucht führt den Menschen dazu, seinen Leidenschaften freien Lauf zu lassen und allem gegenüber, das seinen Willen durchkreuzt, grausam und wild zu sein. Sie führt den Menschen dazu, alles Gute zu verachten, Vertrauen zu verraten und sich in seiner Eitelkeit Hals über Kopf in das Vergnügen zu stürzen, welches er mehr liebt als Gott.

Dies ist das schreckliche Bild, das uns die Schrift von den letzten Tagen des christlichen Bekenntnisses vorstellt. Israel, das von allen Nationen abgesondert worden war, um ein Zeugnis für den wahren Gott zu sein, hat in seiner Verantwortlichkeit derart vollständig versagt, dass schließlich von diesem Volk sogar gesagt werden musste: „Denn der Name Gottes wird eurethalben unter den Nationen gelästert“ (Rö 2, 24). Doch angesichts des weit größeren Lichtes und der größeren Vorrechte ist das Versagen der bekennenden Kirche weitaus schrecklicher. Aufgerichtet als ein Zeugnis für Christus während der Zeit Seiner Abwesenheit ist die große Masse derer, die sich zu dem Namen Christi bekennen, noch unter das Niveau der Heiden gesunken und zu einem Ausdruck des Willens und der Leidenschaften des Menschen geworden - dadurch ist auf den gepriesenen Namen Christi Schmach und Schande gebracht worden. Können wir uns nun noch darüber verwundern, dass die Namenschristen am Ende aus Seinem Munde ausgespieen werden (Off 3, 16)?

Lasst uns trotzdem nicht vergessen, dass Gott inmitten dieses ausgedehnten Bekenntnisses noch solche hat, die Sein Eigentum sind, und: „...der Herr kennt die sein sind“. Nicht eines der Seinen wird verloren gehen, und solche, die die wahre Versammlung Gottes bilden, werden endlich Christus dargestellt werden ohne „Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen“ (Eph 5, 27).

In der gegenwärtigen Zeit ist das wahre Volk Gottes - jeder, der den Namen des Herrn anruft aus reinem Herzen - deutlich unterwiesen, sich von dem verdorbenen Bekenntnis der Christenheit weg zu wenden. Wir sind nicht berufen, mit solchen, die zu diesem großen Bekenntnis gehören, zu kämpfen, noch sollen wir Gericht auf sie herab rufen. Wir sollen uns von ihnen weg wenden und sie dem Gericht Gottes überlassen.

Nur wenn wir uns von dem verdorbenen christlichen Bekenntnis absondern, werden wir uns seines schrecklichen Zustandes bewusst werden und ein angemessenes Zeugnis für die Wahrheit sein.

Wenn wir den Zustand des Christentums erkennen, werden wir uns vor Gott demütigen, unser Versagen und unsere Schwachheit bekennen und uns daran erinnern, dass auch wir das Fleisch noch in uns haben; dies könnte uns nämlich, wenn Seine Gnade nicht wäre, zu dem einen oder anderen dieser bösen Dinge verleiten.

Verse 6 bis 9: Der Schreiber hat den schrecklichen Zustand beschrieben, der das Christentum als Ganzes in den letzten Tagen kennzeichnen wird. Nun warnt er uns vor einer besonderen Art des Bösen, die sich aus diesem Verderben heraus entwickeln wird. Es wird sich eine spezielle Gruppe erheben, die aktive Werkzeuge des Widerstandes gegen die Wahrheit sein werden, indem sie Irrlehren bringen.

Ganz abgesehen von ihren falschen Lehren werden solche schon durch ihre hinterhältigen Methoden verurteilt, deren sie sich bedienen. Wir lesen, dass sie „sich in die Häuser schleichen“. Es ist ein Kennzeichen des Irrtums, dass er das Licht meidet und zuerst im Verborgenen verbreitet wird. Dann, wenn die Grundlage oder der Boden durch die hinterhältigen Methoden im Verborgenen vorbereitet worden ist, scheuen sich die Verkündiger dieser Irrlehren nicht, ihre falschen Lehren öffentlich zu verbreiten. Wenn der Irrtum öffentlich verbreitet und verkündet wird, zeigt sich im Allgemeinen, dass er schon vor Jahren im Verborgenen festgehalten und gelehrt worden ist.

Darüber hinaus werden diese falschen Lehrer durch die Tatsache verurteilt, dass sie sich an solche wenden, die als „Weiblein“ (dumme, törichte, alberne Frauen; ein geringschätziger, verächtlicher Ausdruck für Frauen) bezeichnet werden und in einer Stellung sind, in welcher sie die Häuser und Familien der bekennenden Christen beeinflussen können. Höchstwahrscheinlich benutzt der Apostel hier diesen verächtlichen Ausdruck „Weiblein“, um damit eine unmännliche Klasse von Personen (weiblich oder männlich) vorzustellen, die eher durch ihre Gefühle und Begierden regiert werden, als durch ihren Verstand und ihr Gewissen. Ihre Sinne sind von Irrlehren erfüllt, und obwohl sie sich rühmen, immerdar zu lernen, können sie doch niemals zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Irrlehren führen ihre Opfer in die Dunkelheit der Ungewissheit und Unsicherheit.

Solche Lehrer, wie vor alters Jannes und Jambres, widerstehen der Wahrheit durch das Nachahmen einer äußerlichen religiösen Form, während sie doch alles das, was im christlichen Leben unerlässlich und lebensnotwendig ist, vollständig entbehren. Diese Menschen sind „verdorben in der Gesinnung, unbewährt hinsichtlich des Glaubens“. Jedes falsche System im Christentum kann auf Menschen zurückgeführt werden, deren Gesinnung durch Böses verdorben worden ist, und die, was den Glauben betrifft, als wertlos und nichtsnutzig erfunden wurden.

Trotzdem lässt es Gott in Seinen Regierungswegen oftmals zu, dass sich diese falschen Lehrer vor den Augen aller Menschen gründlich offenbaren können. Wieder und wieder sind die Torheit dieser religiösen Systeme sowie der schlechte Lebenswandel vieler ihrer Führer vor der Welt so deutlich offenbart worden, dass sie bis auf ihre irregeleiteten Opfer eigentlich in den Augen aller zu Gegenständen der Verachtung geworden sind.

b) die Hilfsquellen für den Gottesfürchtigen angesichts des Bösen (Verse 10 bis 17)

In der zweiten Hälfte des Kapitels werden wir über die reichhaltigen Vorkehrungen und Mittel Gottes belehrt, die Er bereitstellt, damit Sein Volk von dem Verderben des Christentums bewahrt bleibt und sich so verhält, wie es sich für den „Mensch Gottes“ in den letzten Tagen geziemt.

Verse 10 und 11: Als erstes wird uns mit Bestimmtheit das große Bewahrungsmittel vor allem Verkehrten vorgestellt. Es ist die Kenntnis dessen, was wahr ist. Daher kann der Apostel zu Timotheus sagen: „Du aber hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen Glauben, meine Langmut, meine Liebe, mein Ausharren, meine Verfolgungen, meine Leiden“. Es ist nicht notwendig, dass wir das Böse genau kennen, denn wir werden nicht nur deshalb entfliehen, weil wir darüber Kenntnis haben. Es ist die Kenntnis der Wahrheit, durch die wir herausfinden können, was falsch und der Wahrheit entgegengesetzt ist; und wenn wir das Böse entdeckt haben, werden wir ermahnt, uns nicht damit zu beschäftigen, sondern uns von denen, die dem Bösen nachgehen, abzuwenden. Die Wahrheit wird uns in der Lehre des Apostels vorgestellt und in seinen Briefen entwickelt.

Sie kann wie folgt zusammengefasst werden:

  • der Mensch nach dem Fleisch ist verdorben und steht unter dem Urteil des Todes; er ist vollständig beiseite gesetzt;
  • durch das Kreuz Christi ist der alte Mensch verurteilt worden;
  • ein neuer Mensch ist in Leben und Unverweslichkeit hervorgebracht worden, vorgestellt in dem auferstandenen und verherrlichten Christus;
  • in Christus sind die Gläubigen aus Juden und Nationen durch den Heiligen Geist zu einem Leib zusammengefügt worden.

Von dieser Lehre kann der Apostel zu Timotheus sagen, dass dieser sie genau erkannt habe. Je genauer unsere Kenntnis von der Lehre des Apostels Paulus ist, umso entschiedener werden wir in der Lage sein, in diesen letzten Tagen das Böse zu entdecken und uns davon weg zu wenden.

Als zweites kann der Apostel auf sein Betragen hinweisen. Sein Leben war in völliger Übereinstimmung mit seiner Lehre. Hierin liegt zweifellos ein beabsichtigter Gegensatz zwischen dem Apostel und den bösen Lehrern, von denen er gesprochen hatte. Ihre Torheit wird insofern offenbart, als ihr Leben im offenbaren Widerspruch zu der von ihnen gelehrten Frömmigkeit steht. Es ist allen deutlich und klar, dass ihr Bekenntnis einer Form der Gottseligkeit keine Macht über ihr Leben hat. Bei dem Apostel Paulus war das bei weitem anders. In seiner Lehre verkündigte er die himmlische Berufung der Heiligen; und in Übereinstimmung mit seiner Lehre war sein Leben das eines Fremdlings und Pilgrims, dessen Bürgertum in den Himmeln ist. Sein Leben wurde durch einen klaren Vorsatz regiert, im Glauben gelebt, und der Charakter Christi durch Langmut, Liebe, Ausharren, Erdulden von Verfolgungen und Leiden bewiesen.

Das erste Bewahrungsmittel vor dem Bösen der letzten Tage ist also die Kenntnis der Wahrheit; und das zweite Bewahrungsmittel ein Leben in praktischer Übereinstimmung mit der Wahrheit. Es gibt jedoch noch eine weitere Quelle der Sicherheit und Bewahrung, denn als drittes lesen wir von der Unterstützung durch den Herrn. Davon kann Paulus durch eigene Erfahrungen Zeugnis ablegen, denn wenn er davon spricht, welche Leiden und Verfolgungen sein Leben mit sich brachten, kann er sagen: „...aus allen hat der Herr mich gerettet“. Wenn wir darin eifrig sind, die Wahrheit erkennen zu wollen, wenn wir bereit sind, ein Leben in Übereinstimmung mit der Lehre zu führen, dann werden wir die Unterstützung des Herrn erfahren. Andere mögen uns verlassen, wie es sogar bei dem Apostel der Fall gewesen war; andere mögen uns für zu extrem und zu kompromisslos halten; aber wenn wir für den Glauben kämpfen, werden wir genau wie Paulus erfahren, dass der Herr uns beisteht, dass der Herr uns kräftigt, dass der Herr uns befähigt, für die Wahrheit ein zu stehen, dass Er uns aus dem Rachen des Löwen und von jedem bösen Werk retten und uns bewahren wird für Sein himmlisches Reich (Kapitel 3, 11; Kapitel 4, 17.18).

Verse 12 und 13: Durch die Warnung, dass alle, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, Verfolgungen zu erwarten haben, werden wir darauf hingewiesen, wie notwendig die Unterstützung durch den Herrn ist. Die Art der Verfolgung mag zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten unterschiedlich sein, aber es bleibt bestehen, dass derjenige, der sich von dem Bösen in der Christenheit absondert und danach trachtet, die Wahrheit aufrechtzuerhalten, auf Verlassenwerden, Schmähungen und Böswilligkeiten vorbereitet sein muss. Wie könnte dies anders sein, wenn sogar in der Christenheit „böse Menschen aber und Betrüger zu Schlimmerem fortschreiten werden, indem sie verführen und verführt werden“?


Vers 14: Viertens findet der Gottesfürchtige Sicherheit und Unterstützung angesichts des Bösen, wenn er in den Dingen bleibt, die er durch den Apostel gelernt hat. Daher schreibt Paulus dem Timotheus: „Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast“. Zum dritten Mal in diesem kurzen Brief betont der Apostel die Wichtigkeit, nicht nur die Wahrheit zu besitzen, sondern sie auch als aus inspirierter Quelle kommend anzunehmen und mit voller Zuversicht festzuhalten (vgl. Kapitel 1, 13.14; Kapitel 2, 2).

Die Erfahrung hat schon häufig gezeigt, dass Gläubige keine entschiedene Stellung gegen den Irrtum einnehmen konnten, weil sie nicht „völlig überzeugt“ waren von der Wahrheit. Angesichts von Irrtümern, und ganz besonders angesichts von Irrtümern, die mit der Wahrheit vermischt sind, müssen wir absolut davon überzeugt sein, dass die Dinge, die wir gelernt haben, auch tatsächlich wahr sind. Diese Überzeugung können wir nur dann haben, wenn wir wissen, dass derjenige, von dem wir die Wahrheit empfangen haben, mit inspirierter Autorität spricht. Ein Lehrer kann uns die Wahrheit vorstellen, aber kein Lehrer kann mit inspirierter Autorität sprechen. Er muss uns zu den inspirierten Schriften der Apostel leiten, wenn wir die Wahrheit in Glauben und fester Überzeugung festhalten sollen. Angesichts der bösen Menschen und der Verführer, die im Bösen fortschreiten und immer neue Entwicklungen des Bösen hervorbringen werden, tun wir gut daran, uns vor allem „neuen Licht“ und „neuer Erkenntnis“ zu hüten und in dem zu bleiben, was wir gelernt haben.

Verse 15 bis 17: Folglich ist das letzte Bewahrungsmittel vor dem Irrtum die Inspiration der Schriften, die in jeder Beziehung genügend und hinreichend sind. Die Menschen sprudeln ihre endlosen und ständig wechselnden Theorien hervor, in den heiligen Schriften jedoch haben wir jede Wahrheit, die zu unserem Nutzen ist, in beständiger Weise aufbewahrt, durch Inspiration vor Irrtümern bewahrt und mit göttlicher Autorität vorgestellt.

Zweifellos werden die heiligen Schriften, die Timotheus von Kind auf kannte, die Schriften des Alten Testamentes gewesen sein. Doch wenn der Apostel später klarstellt, dass jede Schrift von Gott eingegeben ist, schließt er darin das Neue Testament mit allen apostolischen Schriften mit ein. Wir wissen, dass Petrus die Schriften des Apostels Paulus genauso wie „die übrigen Schriften“ eingestuft hat (2. Pet 3, 16).

Weiterhin wird uns der große Nutzen der Schriften vorgestellt. Als erstes können sie uns weise machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist. Als zweites, nachdem wir zu Christus geführt wurden und in Ihm Errettung gefunden haben, werden wir darüber hinaus entdecken, dass alle Schrift für den Gläubigen „nützlich“ ist, da wir in dem Gesetz Moses, den Propheten und den Psalmen Dinge entdecken werden, die Christus betreffen (Lk 24, 27.44). Weiter werden wir finden, wie nützlich die Schriften zur Überführung sind. Ach! Wir mögen in Bezug auf unsere eigenen Fehler blind sein und von unserer eigenen Wichtigkeit so erfüllt sein, dass wir den Vorhaltungen anderer gegenüber taub sind; doch wenn wir dem Wort unterwürfig sind, werden wir finden, dass die Schrift uns überführt, denn „das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert...und ein Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens“ (Heb 4, 12).

Darüber hinaus überführen die Schriften nicht nur, sondern sie sind auch nützlich zur Zurechtweisung. Nachdem wir überführt worden sind, sollen wir auch zurechtgewiesen werden; und nach der Zurechtweisung werden uns die Schriften auch in dem Weg der Gerechtigkeit unterweisen. Für den Menschen Gottes, der im Besitz der inspirierten Schriften ist, ist es also möglich, auch angesichts der zahllosen Irrtümer vollständig in der Wahrheit befestigt zu sein, und an dem bösen Tag zu jedem guten Werk völlig geschickt zu sein.

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