Sei stark und mutig!

Kapitel 7

Die Niederlage von Ai und die Sünde Achans

Der Sieg über Jericho war gelungen und die Eroberung des Landes erschien Josua und dem Volk nun ein Leichtes zu sein. Doch das Volk musste seine eigene Schwachheit erkennen und durch Niederlagen wichtige Lektionen lernen, weil sie ihre Abhängigkeit von Gott aufgegeben hatten. Das ist das Hauptthema, das uns in den Kapiteln 7 – 12 vorgestellt wird.

Die erste Gefahr, die uns hier anhand der Sünde Achans deutlich gemacht wird, besteht darin, dass die Welt einen Platz im Herzen des Gläubigen sucht. Die zweite Gefahr, die uns anhand der Geschichte mit Gibeon gezeigt wird, liegt darin, dass die Welt das Leben des Gläubigen prägen will. Der Herr bewahre uns vor diesen beiden Gefahren!

Die göttliche Beurteilung (V. 1)

Zu Beginn des Berichts über die Niederlage von Ai lüftet Gott den Schleier über den wirklichen Zustand des Volkes und seine Sünde. Einer der Männer Israels, Achan, hatte den Befehl des Herrn in Bezug auf den Bann Jerichos übertreten und sich am Verbannten vergriffen (Jos 6,18). Damit verunreinigte er das ganze Volk und zog den Zorn Gottes auf sich.

Der Kampf gegen Ai (V. 2–5)

Zum Kampf gegen Ai – einer kleinen Stadt, deren Name Trümmerhaufen bedeutet –, zog Josua nicht von Gilgal sondern von Jericho los. Er tat dies, ohne eine Anweisung von Gott erhalten zu haben – im Gegensatz zum Kampf gegen Jericho (Jos 6,2). Auch die Bundeslade wird nicht erwähnt. Entsprach es den Gedanken Gottes, dass er Kundschafter aussandte? Sie spionierten die Stadt aus. Doch sie verschätzten sich und dachten, dass 2'000 bis 3'000 Soldaten genügten, um die Stadt Ai einzunehmen.

Man kann gut verstehen, dass Israel gegen Ai eine Niederlage einstecken musste. Denn Gott stand nicht mehr auf der Seite des Volkes Israel (V. 12). Letztlich mussten 30'000 kriegstüchtige Männer gegen Ai kämpfen, um ohne grossen Ruhm für Israel die Oberhand über diese kleine Stadt zu gewinnen (Jos 8,3). Wie schnell wendet sich das Blatt im Leben eines Glaubenden.

Nach einem herausragenden Sieg über Jericho folgte eine herbe Niederlage, und das Herz des Volkes zerschmolz und wurde wie Wasser. Die Rollen zwischen Israel und seinen Feinden waren nun vertauscht (vgl. Jos 7,5 mit Jos 5,1).

Josuas Demütigung und sein Gebet (V. 6–9)

Josua nahm nun den einzig passenden Platz ein, nämlich den der Demütigung. Er zerriss seine Kleider und fiel mit seinem Angesicht vor der Bundeslade des Herrn zur Erde. An diesem Platz blieb er mit den Ältesten des Volkes bis zum Abend. Diese Haltung gebührt uns (Jak 4,10; 1. Pet 5,6).

Die Worte Josuas in der Gegenwart Gottes stellen uns einen fehlbaren Mann vor, einen Mann von gleichen Empfindungen wie wir (Apg 14,15; Jak 5,17). In diesem Moment war er als Führer des Volkes kein Bild von Christus. Seine Worte gleichen den Aussagen des Volkes bei der Rückkehr der ungläubigen Kundschafter (4. Mo 14,2.3). Dennoch ist der Glaube Josuas in den Gedanken über den grossen Namen seines Gottes sichtbar, im Gegensatz zum Unglauben des Volkes damals.

Die Antwort Gottes und die Anweisungen an das Volk (V. 10–15)

Gott unterbrach Josua und stellte ihm den moralischen Zustand des Volkes vor. Die Verheissung an Josua, dass kein Feind vor ihnen bestehen würde (Jos 1,5), wurde nun umgedreht und richtete sich gegen sie (V. 12), und zwar solange, bis sich das Volk von seiner Verunreinigung gereinigt hätte. Die Gegenwart eines heiligen Gottes in ihrer Mitte (3. Mo 19,2) verpflichtete zur Heiligung (2. Kor 6,17; 1. Pet 1,16), die jeder Tätigkeit vorangehen musste. Die moralische Reihenfolge dieses ernsten Augenblicks war also: Demütigung, Heiligung und schliesslich das Hinaustun des Bösen.

Die Sünde Achans machte ihn persönlich schuldig. Zugleich war aber auch ganz Israel verunreinigt: „Israel hat gesündigt“ (V. 11). Und: „Ein Bann ist in deiner Mitte, Israel“ (V. 13).

Die Antwort Gottes auf die Demütigung Josuas und der Ältesten bestand in genauen Anweisungen über die Art und Weise, wie die Sünde aufgedeckt und gerichtet werden sollte. Denn bis zu diesem Augenblick war die Sünde noch vor dem Volk verborgen (V. 14.15).

Das Aufdecken des Bösen (V. 16–23)

Josua erhob sich von seiner Demütigung und fand zu seinem gewohnten Eifer zurück, den er schon bei der Einnahme Jerichos unter Beweis gestellt hatte. Er machte sich frühmorgens im Gehorsam gegenüber den göttlichen Anweisungen auf.

Durch das Los stellte sich heraus, dass Achan, ein Mann aus dem königlichen Stamm Juda, schuldig war. Was zunächst nur Gott bekannt war, wurde nun allen offenbar. Allein schon die öffentliche Entlarvung durch Gott war zur Ehre des Herrn (V. 19). Das Geständnis Achans war nötig: «Ich habe gegen den Herrn, den Gott Israels, gesündigt» (V. 20). Warum war er während der Niederlage seiner Brüder gegen Ai und während der Verzweiflung Josuas vor der Bundeslade stumm geblieben?

Der traurige Weg der Begierde im Herzen von Menschen ist seit dem Fall Adams und Evas immer derselbe geblieben: «Ich sah ..., mich gelüstete danach, und ich nahm ...» (V. 21). Das ist schliesslich das, wovor uns Jakobus in Bezug auf die Bewegungen unserer eigenen Herzen warnt: «Jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde fortgezogen und gelockt wird. Danach, wenn die Begierde empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod» (Jak 1,14.15).

Der Gegenstand der Begierde Achans war ein schöner Mantel aus Sinear, 200 Sekel Silber und eine goldene Stange. Sinear lag in der Ebene des Euphrat (1. Mo 10,10) und war der Ort des ersten Aufstands des Menschen: Hochmut gegen Gott nach der Sintflut, und zwar mit dem Turmbau von Babel (1. Mo 11,2–8). Dieser Ort wurde später zum Sitz der Macht und des Götzendienstes in Babel (Dan 1,2) und zur Brutstätte menschlicher Bosheit (Sach 5,5–11). Die Bibel warnt uns in 1. Timotheus 6,9.10 eindringlich vor dem Reiz des Reichtums und seinen verheerenden Auswirkungen im Leben eines Christen. Die Beute, die Achan entgegen der göttlichen Anordnung gestohlen hatte, war im Zelt versteckt. Es weist auf den Bereich des persönlichen Lebens eines Christen hin.

So wurde das Böse in das Volk Israel eingeführt. Und so kam es später durch Ananias und Sapphira in die Versammlung. Die Sünde hatte hier denselben Charakter wie bei Achan. Bei Ananias war die Sünde deshalb noch schlimmer, weil dieses Ehepaar den Heiligen Geist, der persönlich in der Versammlung gegenwärtig war, belogen hatte (Apg 5,3.4).

Diese ernste Begebenheit fand vor dem Herrn statt (V. 23). «Gott wird das Verborgene der Menschen richten ... durch Jesus Christus» (Rö 2,16), und «alles ist bloss und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben» (Heb 4,13).

Das Gericht über Achan und die Tür der Hoffnung (V. 24–26)

Das ganze Volk war durch die Sünde Achans verunreinigt. Dennoch musste Achan allein die Schuld im Gericht tragen. Mit Josua zusammen offenbarte das Volk durch das öffentliche Bekenntnis des Bösen, dass es in dieser Sache rein war (V. 24). Dies hat auch in der Versammlung zu geschehen (2. Kor 7,11). Hinsichtlich der traurigen und schmerzlichen Fragen der kollektiven Zucht ist es notwendig, sich gegen das Böse und damit auf die Seite Gottes zu stellen. Zugleich sollten wir niemals vergessen, dass wir alle zu denselben Sünden fähig sind, aber trotzdem immer Gegenstände der Gnade Gottes bleiben.

Die Familie Achans kam auch unter das Gericht ihres Anführers, was vermuten lässt, dass ihnen das Geheimnis bekannt war. Aufgrund der Schwere der Sünde und vor dem Hintergrund des späten Bekenntnisses unter dem Druck der Umstände war dies eine Sünde zum Tod (1. Joh 5,16.17). Gott hatte angekündigt, dass Israel in Trübsal gebracht werden würde (Jos 6,18), wenn sie sein Gebot übertreten würden. Die letzten Worte Josuas, die Achan vernahm, waren ein ernstes Zeugnis davon (V. 25). Achor bedeutet Trübsal. So erinnerte der Name dieses Tals, in dem das Gericht stattfand, an die Sünde Achans und ihre Folgen. Es handelte sich hier allerdings nur um ein zeitliches Gericht an Achan, nicht um eine ewige und endgültige Strafe. Die Steinigung Achans war ein Fall von Gericht im Handeln Gottes in seiner Regierung mit den Menschen auf der Erde. Sie ist eine Folge des Verhaltens eines Menschen in seinem Leben.

Zugleich ist der Name dieses Tals des Gerichts auch ein Hinweis auf die Treue Gottes, der sein Volk immer liebte, auch wenn Er oft gezwungen war, es zu züchtigen. Achor wird in Zukunft für Israel zu einer Tür der Hoffnung werden (Hos 2,16.17). Denn die beiden Aussprüche über Israel aus diesem Propheten, Lo-Ammi und Lo-Ruchama, werden zu Gunsten des Volkes aufgehoben werden. Gott wird sich wieder Israels erbarmen und es als sein Volk anerkennen. «Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes» (Rö 11,22). «O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege! ... Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen» (Rö 11,33.36).

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