Die Entrückung der Versammlung

Das Offenbarwerden vor dem Richterstuhl des Christus

„Denn wir müssen alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder empfange, was er im Leib getan hat, nach dem er gehandelt hat, es sei Gutes oder Böses“ (2. Kor 5,10; Röm 14,10–12; 1. Kor 3,8–15).

Wir haben gesehen, dass die Entrückung der Gemeinde nicht von unserer Verantwortlichkeit abhängig ist, weil sie vor allem den Triumph des Herrn selbst darstellt. Darum wird auch in Stellen wie 1. Thessalonicher 3,13; 1. Timotheus 6,14; 2. Timotheus 4,1.8, in denen die Ankunft des Herrn mit unserer Verantwortlichkeit in Verbindung gebracht wird, nicht die Entrückung erwähnt, sondern die sichtbare Erscheinung des Herrn mit den Seinen. Die so ernste und wichtige Seite unserer Verantwortlichkeit hat also wohl ihren Platz in Bezug auf die Ankunft des Herrn.

Wir und unsere Werke müssen vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden. Aber das heißt keineswegs, dass wir gerichtet werden müssen, etwa wegen unserer Untreue; wer käme da ungeschoren davon? Wir können als seine Erlösten ja gar nicht ins Gericht kommen, das hat uns der Herr Jesus selbst versichert (vgl. Joh 5,24). Der Richterstuhl ist keineswegs derselbe wie der große weiße Thron im Endgericht von Offenbarung 20, oder wie der Thron auf der Erde in Matthäus 25,31; er ist überhaupt keine Gerichtsstätte im eigentlichen Sinn. Der Ausdruck „Richterstuhl“ bezeichnet vielmehr eine Gelegenheit des Offenbarwerdens der unendlich großen Gnade und Liebe des Herrn Jesus Christus. Denn hier auf der Erde können wir uns doch nur einen recht schwachen und ungenügenden Begriff von seiner Heiligkeit machen. Vollständig erfassen können wir sie erst im Himmel, wenn wir von aller Begrenztheit unseres Körpers und der Sünde befreit sein werden, und das ist doch unbedingt erforderlich, wenn wir dem Herrn in Ewigkeit Lob und Preis, Dank und Anbetung darbringen sollen, wie es Ihm gebührt. Darum müssen wir vor dem Richterstuhl offenbar werden, damit wir einmal im Licht Gottes klar und ungeschminkt erkennen lernen, was wir in uns selbst, und was unsere Werke, Worte und Gedanken, unser ganzes Tun und Lassen in Wirklichkeit waren, so wie Er sie mit seinen vollkommenen Augen sieht. Man kann also wohl sagen, dass es sich um ein Preisgericht handelt. Auf dieser Erde sind unsere Augen durch die Sünde und den Geist der Welt getrübt und vielfach in Selbsttäuschung gefangen. Wir haben kaum eine Ahnung, in welchem Maß wir Menschen die geistlichen Belange und uns selbst mit gefärbten Brillen, oft vergrößernd, oft verkleinernd, sehen! Darum müssen wir alle vor dem Richterstuhl im vollkommenen Licht offenbar werden, vor allem vor uns selbst, damit wir unser Nichts und unsere Wertlosigkeit erkennen. Dann erst werden wir die ganze Größe und Herrlichkeit der Gnade und Liebe unseres Herrn verstehen. Wie viel Wert und Gewicht legen wir auf unsere vermeintlichen Werke, unsere Liebe, Treue, Glauben usw.! Trotzdem bleiben wir auch bei wirklich ernsten und aufrichtigen Bemühungen weit hinter dem vollkommenen Vorbild zurück. Manches wird im Licht des Richterstuhles ganz anders erscheinen, als wir es hier gewertet haben. Denken wir vor allem daran, wie wir die Gesinnung unseres Herrn Jesus Christus gezeigt haben.

1. Korinther 3,8–15 gibt uns Aufschluss über die göttliche Beurteilung unserer Werke und unserer Arbeit als Diener und Dienerinnen des Herrn Jesus Christus. Es wird erstens darauf ankommen, ob wir wirklich auf den Felsengrund Jesus Christus oder auf eine menschliche Grundlage gebaut haben. Es wird zweitens unterschieden werden, ob wir wertvolle, feuerbeständige Baustoffe benutzt haben: Gold, Silber, Edelsteine, oder vergängliche: Holz, Heu, Stroh? Erstere sind Werke, die der Heilige Geist gewirkt hat und allein die Ehre und Verherrlichung Gottes zum Ziel haben. Gold bezeichnet die vollkommene Gerechtigkeit Gottes, Silber bezieht sich auf das Erlösungswerk von Golgatha und Edelsteine reden von den vielfachen Herrlichkeiten Gottes. Sie tragen Gottes Stempel und bestehen darum ewig, sind ewig gültig und werden das alles durchdringende Licht des Richterstuhles ertragen. Sie werden dort gemäß unserer Treue zum Lohn und zur Krone gestaltet, wobei aber ohne Frage zuerst die Qualität und nicht die Quantität ausschlaggebend sein wird, d. h., es wird darum gehen, wie weit uns die Verherrlichung des Namens des Herrn Jesus am Herzen lag.

Holz, Heu und Stroh sind brennbare Stoffe, sie stellen das dar, was menschlich, in eigener Kraft und nach eigenen Gedanken, im Eigenwillen, Hochmut, oder gar zu eigenem Nutzen und Ehre gewirkt ist; kurz, Werke, die eine weltliche Gesinnung offenbaren oder sogar mit Sünde in Verbindung stehen. Alles, was nicht durch den Heiligen Geist und nicht aus Liebe zum Herrn gewirkt ist, wird verbrennen. Nichts bleibt zum Belohnen übrig. Wie traurig, leer vor dem Herrn stehen zu müssen! Welche Beschämung!

Reicher Lohn wird dem verheißen,
der für dich, Herr, Frucht gebracht,
Lass uns Treue dir beweisen,
stets aufs Ende sein bedacht.
dir zum Ruhme wir bekennen,
wenn wir werden offenbar:
Dein ist jedes Werk zu nennen,
der in Schwachen mächtig war.

Ja, dieses Erscheinen vor dem Richterstuhl des Christus ist eine überaus ernste Angelegenheit. Lasst uns viel damit beschäftigt sein. Es wird uns Veranlassung geben, uns von allem, dessen wir uns in der Gegenwart des Herrn schämen müssten, zu reinigen und in allem Tun und Lassen uns durch sein Wort und seinen Geist leiten zu lassen.

Trotzdem ist kein Anlass zur Furcht vorhanden, denn das Offenbarwerden dient erstens der Verherrlichung des Herrn. Wir selbst werden Ihn verherrlichen, denn wir sehen dort die unendlich große Gnade, die uns so wunderbar durch diese böse, gottlose Wüste geleitet und getragen hat. Es wird offenbar werden, wie Er alles gutgemacht hat. Ewig werden wir Ihn dafür preisen und Ihm danken!

Der Fels auf dem ich stehe,
das ist mein Jesus Christ;
Er ist das Licht der Höhe,
das ewig bleibend ist.

Und nimmermehr kann wanken,
mein Heiland und mein Hort,
hier stehend kann ich danken
und preisen hier und dort.

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