Die letzten Dinge

Das Sendschreiben an Philadelphia

Die letzten Dinge

Philadelphia bedeutet Bruderliebe. Darin zeigt sich die große Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts und das Wiedererstehen des Zeugnisses auf der ganzen Erde. Philadelphia ist gekennzeichnet durch das Wiedererkennen und die Verwirklichung einer Reihe von kostbaren Wahrheiten, die längst vollständig in Vergessenheit geraten waren. Kurz zusammengefasst sind es vor allem drei Charakterzüge, die diese Kirche der Bruderliebe kennzeichnete:

  1. Man wurde sich der Verantwortung wieder bewusst, das Zeugnis vom Heil in Jesus Christus zu allen Völkern zu tragen. Der Missionsgedanke lebte wieder auf; Philadelphia wurde das große Missionszeitalter, das auch heute noch, trotz größter Schwierigkeiten, fortdauert.
  2. Der wahre Charakter der christlichen Gemeinde wurde wieder erkannt. Viele Gläubige wurden sich darüber klar, dass der Herr Jesus Christus all die Seinen durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft hat, dessen Haupt Er selbst ist (nicht eine menschliche Organisation), und dessen Lehrer und Leiter der Heilige Geist ist. In der Folge traten viele Kinder Gottes aus ihren religiösen Lagern und weltlichen Verbindungen heraus und schlossen sich brüderlich auf dem Boden der Heiligen Schrift zusammen, ohne eine menschliche Benennung anzunehmen. Der Herr Jesus wurde Mittelpunkt in den Herzen der einzelnen und in der Versammlung, womit auch die wahre Bruderliebe wieder Platz fand.
  3. Der Mitternachtsruf: „Der Bräutigam kommt!“ erscholl wieder laut und deutlich. Die Erwartung der Wiederkunft des Herrn, die in der Christenheit fast gänzlich erstorben war, wachte wieder auf. Anfangs nur von wenigen erfasst, drang diese kostbare Wahrheit langsam zu allen durch und ist heute Allgemeingut ziemlich aller Gläubigen geworden.

In Vers 7 stellt sich der Herr Jesus nicht so sehr in seinem offiziellen Charakter vor, sondern in einem mehr persönlichen, als der Heilige und Wahrhaftige:

„Und dem Engel der Versammlung in Philadelphia schreibe: Dieses sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel des David hat, der öffnet, und niemand wird schließen, und schließt, und niemand öffnet:“ (Off 3,7)

Dieses Bild ist Jesaja 22,20–25 entnommen, wo der Schlüssel Eljakim, der dort ein Vorbild von Jesus Christus ist, übergeben wird. Er, der Herr, hat diesen in der Tat allein in der Hand. Dies ist der Schlüssel des Himmels, womit Er durch Petrus zuerst den Juden, dann den Nationen geöffnet hat; und seitdem steht der Himmel offen, bis der Herr selbst ihn am Ende der Gnadenzeit schließen wird, um ihn nicht wieder zu öffnen, außer um Ihn und seine Heere zum Gericht hinauszuführen. Aber nicht nur zum Himmel, zu allem, was wir bedürfen, zum Verständnis seines Wortes, zur Gemeinschaft mit Ihm, zum Genuss seiner Segnungen, zu aller Kraft und Hilfe, hat Er den Schlüssel. Der Herr sagt diese Worte wohl zum Trost und zur Ermunterung der schwachen Philadelphier, die unter der anmaßenden Haltung von Thyatira und wohl auch Sardes, die ihnen feindlich gegenüberstanden, seufzten.

„Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe eine geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand zu schließen vermag; denn du hast eine kleine Kraft, und du hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet“ (3,8).

Auch hier stellt der Herr fest, dass Er die Werke der Versammlung kennt, aber wir finden, im Gegensatz zu Thyatira und Sardes, keinen Tadel. Im Gegenteil, Er weist auf ein großes Werk hin, das Philadelphia vollbringen wird, nämlich die Ausbreitung der Botschaft des Heils, ja des göttlichen Wortes überhaupt, über die ganze Erde. Er selbst hat damals die Türen zu den Völkern geöffnet, und sie sind heute noch offen. Selbst in jenen Ländern, wo feindliche Religionen und Regierungen mit Gewalt versucht haben, die Türen zuzumachen, findet die gute Botschaft dennoch irgendwie Eingang, um Seelen zu erretten, denn das Werk des Herrn kann niemand völlig verhindern.

Dieses große Werk in den Händen Philadelphias wird, was sehr beachtenswert ist, gerade mit der Schwachheit jener Versammlung begründet. Schwachheit (nicht zu verwechseln mit „Schwäche“ oder gar mit Sünde, wie es leider in der Christenheit oft getan wird) ist somit nicht tadelnswert vor dem Herrn, im Gegenteil, wir wissen aus zahlreichen Schriftbeispielen, dass der Herr schwache Werkzeuge auserwählte, um seine großen Werke durch sie zu vollbringen. So erklärte Er dem Apostel Paulus ausdrücklich: „Meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“ (2. Kor 12,9). Warum ist wohl in den heutigen Tagen die Kraft in unserer Mitte, im Vergleich zu den Zeiten der Apostel, in denen das Zeugnis durch wunderbare Zeichen und Werke aller Art begleitet wurde, so klein? Ja, selbst wenn wir unsere Zeit mit der vor einigen Jahrzehnten vergleichen, kann es uns nur betrüben, dass die Kraft des Zeugnisses, das die Zeit unserer Großväter charakterisierte, derart abgeschwächt ist. Was ist wohl der Grund hiervon? Unsere Großväter und Väter waren sich ihrer persönlichen Schwachheit wohl bewusst und warfen sich darum dem Herrn völlig in die Arme, damit Er ihre Kraft sei, und dadurch konnte Er durch sie jene großen Werke wirken, die das letzte Jahrhundert kennzeichneten. Der Herr tut es auch heute noch, wenn Er Werkzeuge findet, die sich Ihm ebenso restlos hingeben, wie es einst Paulus tat und wie es bei jenen der Fall war. Es ist somit keineswegs richtig, wie es leider oft gesagt wird, dass der Tag kleiner Dinge mit Schwäche identisch sei. Nein, gewiss nicht! Kurz vor Torschluss erlahmt der Arm des Herrn sicherlich nicht, im Gegenteil! Wenn die Frucht gering ist, ist die Ursache davon nicht die Zeit, sondern es fehlt lediglich an Werkzeugen, die sich von Gott gebrauchen lassen; es mangelt bei uns an Glauben und Liebe, die nötig sind. Es ist also völlig falsch, mangelnde Frucht mit kleiner Kraft zu entschuldigen, indem man Schwachheit mit Schwäche verwechselt. Schwäche ist aber das Gegenteil von Schwachheit, und kommt daher, dass das Ich nicht restlos verleugnet wird, sich behauptet und mitwirkt, und dies ist das große Hindernis für die Wirksamkeit des Heiligen Geistes.

Das, was der Herr hier als Anerkennung erwähnt, scheint uns zwar als etwas Selbstverständliches, doch gerade das ist für Ihn besonders kostbar. Denn in einer Zeit, in der von ungläubiger Seite ein wahres Kesseltreiben gegen Gottes Wort und den Herrn Jesus Christus in Gestalt der freisinnigen Theologie (Reformbewegung des 20. Jahrhunderts) eingesetzt hat, sind dem Herrn diejenigen besonders wertvoll, die beständig am ganzen Wort Gottes festhalten und seinen Namen in seiner vollen Kraft und Würdigung bekennen, ungeachtet der Missachtung, der sein Name in dieser Zeit mehr denn je preisgegeben worden ist. Dabei meint der Herr nicht bloß seinen Namen als Titel, sondern seine Person selbst, die innige Gemeinschaft mit Ihm.

Es handelt sich bei den Angriffen Satans in neuerer Zeit weniger um die platte Leugnung der Heiligen Schrift, sondern mehr um gröbere und feinere Irrtümer, die die Lehre vom Heil, das Christus uns am Kreuz erworben hat, erweichen und verschleiern, so dass nur besondere geistliche Aufmerksamkeit davor bewahren kann. Darum rechnet der Herr das unverrückte Festhalten an Ihm und seinem Wort hoch an. Nicht umsonst betont Er so oft z. B. in den Briefen des Johannes (1. Joh 2,24; 2. Joh 6), dass das, was wir von Anfang an gehört haben, doch in uns bleiben möge, und zwar nicht nur im Kopf, sondern in liebenden Herzen. Das ist Ihm so wichtig und an sich wertvoll genug, um seine Verheißungen für Philadelphia daran zu knüpfen.

„Siehe, ich gebe aus der Synagoge des Satans von denen, die sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen; siehe, ich werde sie zwingen, dass sie kommen und sich niederwerfen werden vor deinen Füßen und erkennen, dass ich dich geliebt habe“ (3,9).

Mit dieser Synagoge des Satans meint der Herr die zu einer menschlichen Formreligion erstarrten Kirchen, die eine der jüdischen ähnliche Gesetzesgerechtigkeit aufgerichtet haben und dadurch, wie die Juden einst, bittere Feinde der allein um den Herrn gescharten Christen geworden sind. Damit stellen sie sich tatsächlich auf die Seite Satans und machen Front gegen den Herrn Jesus. Wie lange haben positiv christliche, aber starr dogmatische Kreise den eingangs erwähnten, wieder erkannten Wahrheiten, widerstanden! Seitdem sind dennoch auch viele wahre Christen aus diesen Kreisen zur freudigen Erkenntnis derselben durchgedrungen. Jenen, eigentlich feindlichen Namenchristen, aber stellt der Herr in Aussicht, dass sie einmal, ob sie wollen oder nicht, erkennen und anerkennen müssen, dass der Herr diejenigen, die sie missachtet haben, als seine kostbare Perle schätzt, für die Er alles hingegeben hat. Dies bedeutet wohl die Offenbarwerdung der Seinen, wenn sie mit Ihm in Herrlichkeit, bei seiner Ankunft zum Gericht, auf der Erde erscheinen werden.

„Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen“ (3,10).

Nochmals haben wir hier eine Anerkennung, die sogar von einer besonderen Verheißung begleitet ist.

Wenn wir, als eine schwache Herde, inmitten all des Gebrauses und Trachtens dieser Welt, allein um Ihn geschart und Herzen und Augen auf Ihn gerichtet, wie Er selbst auf dem schmalen Weg des Fremden und Pilgers ausharren, um auf seine Ankunft zu unserer Heimholung bzw. Vereinigung mit Ihm zu warten, so ist das für Ihn und uns gar nichts Kleines, sondern etwas Wertvolles. Er selbst wartet ebenso mit Sehnsucht auf jenen Augenblick, an dem Er uns zu sich ins Vaterhaus nehmen kann (2. Thes 3,5). Ja, Er wartet noch sehnsüchtiger als wir, gerade weil Er unsere Schwachheit und Gefahr, zu ermatten, wohl kennt; darum gibt Er uns, zu unserer Ermunterung, diese Zusicherung. Heute ist diese Erwartung wichtiger denn je, da seine Ankunft nahe bevorsteht; darum sollte sie uns immer mehr anspornen, uns bereit zu machen in jeder Beziehung, uns wachend zu erhalten und zu reinigen (1. Joh 3,3). Gerade die beigegebene Verheißung zeigt an, wie nahe seine Ankunft sein muss, denn es wird uns nichts gesagt von einem Zeichen, das vorher eintreffen müsste. Hingegen mehren sich ja schon die Anfänge der Zustände in der Welt, die für die Zeit nachseiner Ankunft und unserer Entrückung vorausgesagt sind.

Der Herr hat uns verheißen, dass Er uns, vor der Zeit seiner Gerichte über die Erde, heimholen wird, vor der Stunde der Versuchung, d. h. also, wir sollen diese gar nicht auf der Erde erleben. Die Entrückung der Brautgemeinde wird wohl den Einführungsakt zu jener Zeit bilden, aber diese selbst nicht berühren. Der Herr sagt darum nicht bloß, dass Er uns vor der Versuchung bewahren wird, sondern vor der Stunde derselben, also außerhalb derselben. Das im griechischen Urtext gebrauchte Wort „ex“ ist ein besonderes, nur an dieser Stelle und noch in Johannes 17,15 – bewahren vor dem Bösen – verwendetes Wort, das nur „vor“, also außerhalb, bedeuten kann, niemals „in“, wie manche übersetzen wollen. Endlich handelt es sich auch nicht um eine gewöhnliche Versuchung, sondern um eine außerordentliche, allgemeine, über die ganze Erde kommende, eine Versuchung zum Abfall von Gott und Christus und zur Erhebung gegen Ihn unter furchtbarstem Druck. Davor wird seine Liebe uns bewahren. Es werden diejenigen versucht werden, „die auf der Erde wohnen“. Das sind gewiss nicht die Gläubigen, die ja Himmelsbürger und somit nur Pilger auf der Erde sind. „Die auf der Erde wohnen“ sind einerseits die von der Welt, die nur einen irdischen Gedankenkreis und irdisches Trachten kennen, andererseits aber Israel, das in dieser großen Drangsal auf der Erde geläutert werden wird, um es in die Segnungen des 1000-jährigen Reiches einführen zu können.

Unser Teil kann mit dem Henochs und Abrahams verglichen werden, die beide vom kommenden Gericht wussten, Henoch von der Sintflut und Abraham von der Zerstörung Sodoms und Gomorras, aber selbst in keiner Weise davon berührt wurden. Henoch wurde vorher entrückt und Abraham war weit entfernt von der Gerichtsstätte. Dies ist vorbildlich für uns.

„Ich komme bald; halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme!“ (3,11).

Hier gibt uns der Herr zum ersten Mal dieses ermunternde Wort, das Er am Ende der Offenbarung mehrmals mit kostbaren Zusätzen wiederholt. Zwar sind seitdem mehr als 1900 Jahre vergangen, für uns kurzlebige Menschen natürlich eine lange Zeitspanne, für Ihn, den Ewigen, aber nicht, da bei Ihm tausend Jahre nicht mehr als für uns ein Tag ausmachen. Das ist, im Vergleich zur Ewigkeit, eine Kleinigkeit; und da Er selbst sehnsüchtig wartet, wird Er, wenn die letzte Seele der Vollzahl der Nationen (Röm 11,25) eingebracht ist, nicht einen Augenblick länger warten, da dies ja seinen vollen Triumph bedeutet. Daran knüpft der Herr nun die ernste Mahnung, wohl zu wachen und auf der Hut zu sein, damit wir uns nicht das, was wir vom Herrn empfangen haben und besitzen, durch Unaufmerksamkeit entgleiten lassen. Wenn der Feind uns auch, vorausgesetzt, dass wir wirklich des Herrn Eigentum sind, dem Herrn niemals entreißen kann (Joh 10,28–30), so ist er doch fortwährend beschäftigt, und leider nur allzu leicht mit großem Erfolg, uns um das zu bringen, was in unserem Leben himmlische Anerkennung findet. Es sind so manche Dinge, die er einführt, um uns abzulenken, auf falsche Gleise zu bringen, zu schwächen, erkalten und ermatten zu lassen und auf diese Weise unser praktisches Christentum zu entwerten.

„Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen; und ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen“ (3,12).

Wer überwindet – ja, auch Philadelphia hat zu kämpfen, die Hindernisse durch den zunehmenden antichristlichen Geist und den lähmenden und schwächenden Laodicäageist, der über die Gläubigen infolge der ruhigen Atmosphäre der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu kommen droht, zu überwinden. Wer dies überwindet und die Gemeinschaft mit dem Herrn lebendig und innig erhält, dem werden reiche Segnungen zuteilwerden, hier auf der Erde schon und erst recht im Vaterhaus; denn an der Krone und unserer himmlischen Herrlichkeit wirken wir schon jetzt durch unser Verhalten auf dieser Erde. Droben wird der Herr den, der Ihm hier auf der Erde willig nachgefolgt ist und Ihn verherrlicht hat, zu einer Denksäule in seinem Tempel machen; ewig wird er die Herrlichkeit des Christus verkünden, in seiner Gegenwart bleiben und Ihn sehen, wie Er ist. Weiter verheißt der Herr denen, die seinen Namen auf dieser Erde nicht verleugnet haben, drei herrliche Namen, die sie dafür auszeichnen sollen, dass sie sich mit seinem Weg der Niedrigkeit und Verwerfung eins gemacht und sich bemüht haben, sein moralisches Bild an sich selbst zum Ausdruck zu bringen. Dabei redet Er von seinem Gott, nicht von seinem Vater, entsprechend dem Charakter dieses Buches.

Er verbindet aber auch die Überwinder mit sich als dem verherrlichten Menschen, bzw. mit der Ehrung, die Ihm der Vater für sein vollbrachtes Werk zuteilwerden lässt. Der Name Gottes ist wohl der Ausdruck desselben Wohlgefallens, das Gott mehrfach dem Sohn gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, die völlige Einsmachung Gottes mit seinem Sohn und damit auch mit den Seinen. Zweitens finden wir den Namen des neuen Jerusalem, der herrlichen Stadt des Himmels, die in Offenbarung 21 in denselben Herrlichkeiten beschrieben wird, wie in andern Stellen Gott selbst. Dieser Stadt anzugehören wird eine unaussprechliche Ehre sein, ähnlich der, nur noch viel höher, die in Psalm 87 vom Jerusalem des 1000-jährigen Reiches beschrieben wird. Als Letztes, sozusagen als die Krone von allem, finden wir des Herrn eigenen, neuen Namen. Hier handelt es sich nicht um einen der Titel, die Ihm für sein Werk auf der Erde gegeben worden sind, wie z. B. Messias, Jesus von Nazareth, Heiland usw., sondern Er wird, wenn alles erfüllt sein wird, mit der ganzen Herrlichkeit und diesem Ehrentitel von Gott und dem ganzen Weltall geehrt werden, woran auch wir, die Gläubigen der Kirchenperiode, teilhaben werden.

„Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Versammlungen sagt!“ (3,13).

Es mag uns vielleicht etwas erstaunen, dass sogar Philadelphia dieser Ermahnung bedurfte. Doch es sind gerade in unserer Zeit der einschläfernden und verwirrenden Stimmen so viele, dass es ein geschärftes Ohr bedarf, um die wahre Stimme des Heiligen Geistes von der oft recht verschleierten Stimme des Verführers zu unterscheiden.

Es mag nun vielleicht in den Reihen der Leser die Frage aufsteigen, welche Kirche oder Gemeinschaft in unseren Tagen als Philadelphia anzusprechen sei. Doch die Zustände in der Christenheit sind heute derart, dass der Herr keine Gruppe als solche, als Ihm entsprechend anerkennen kann; denken wir an die vielfache Zerrissenheit der äußeren Gestalt der Kirche, die vielfältige Vermengung mit menschlichem Beiwerk einerseits und ihre Unzulänglichkeit anderseits. Vielmehr wendet sich der Herr in diesem Sendschreiben, wie auch in den speziell für die letzten Zeiten bestimmten Briefen (Timotheus bis Judas), an die Treue der Einzelnen, die sein Wort bewahren und seinen Namen nicht verleugnen. Es sind die, die sich um Ihn selbst als seine Glieder scharen, denen es, mit andern Worten ausgedrückt, nicht um Religion oder Kirche geht, sondern um die Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus Christus selbst. Das ist Philadelphia; nicht so sehr die, die solches formell bekennen, sondern die es, in Schwachheit zwar, aber in Treue verwirklichen, die den Charakter seines Zeugnisses in der Welt, gleich Ihm selbst, darstellen.

Dieses Sendschreiben ist in allen Teilen eine Darstellung dessen, was dem Herrn entspricht, im Gegensatz zu den großen und kleinen menschlichen Kirchenkörpern, in denen der Herr nicht den Platz hat, der Ihm gehört, sondern die selbst diesen Platz einnehmen:

  1. Stellung in dieser Welt in äußerer Schwachheit und nicht in Macht, aber in seiner Kraft
  2. Ein tätiges, lebendiges Zeugnis für Ihn und von Ihm, nicht Selbstbefriedigung und Eigenlob.
  3. Sein Wort, die Bibel, bewahren, nicht die Überlieferungen der Menschen.
  4. Seinen Namen, d. h. seine Person und die Zugehörigkeit zu Ihm und den Seinen, nicht verleugnen, nicht bloß ein äußerliches Formalbekenntnis.
  5. Das Wort seines Ausharrens bewahren, d. h. seine persönliche Ankunft für uns, Ihn selbst erwarten, nicht bloß egoistisch an die eigene Seligkeit denken.
  6. Halte fest, was du hast, d.h. alles, was Er uns in seinem Wort und Werk gegeben und verheißen hat, nicht bloß eine vage, unklare Hoffnung.

Das sind sehr ernste Ermahnungen an jeden einzelnen von uns, damit auch wir nicht einem leblosen, wenn auch an sich richtigen, bloßen Dogmatismus verfallen, denn die Gefahren sind auch für uns Gläubige eminent groß. Wenn auch äußerlich nichts Schwerwiegendes zu Philadelphia gesagt wird, will das nicht heißen, dass wir das Recht zu Selbstdarstellung und Selbstbewunderung hätten. O, lasst uns Acht auf uns selbst haben! Möchten wir uns stets bewusst sein, dass auch unsere Herzen zu allem Bösen fähig sind! Ist unser Blick auf den Herrn gerichtet, dann wird seine Kraft sich mächtig entfalten können, so dass die Charakterzüge Philadelphias gesehen werden können. Möchte der Herr dies schenken!

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