Die letzten Dinge

Der jüdische Überrest im Lande der Väter

Die letzten Dinge

Wir haben bisher die allgemeinen Gerichte abrollen sehen. Mit Schluss dieses Kapitels bis Kapitel 18 wird mehr die innere Geschichte dieser zwar kurzen, aber dunkelsten Periode der ganzen Menschheitsgeschichte, die Entwicklung des Bösen bis zum Gipfelpunkt im Widerstand gegen Gott dargestellt. Zuvor aber, wie schon in Offenbarung 7, zeigt uns der Geist Gottes sein Zeugnis auf der Erde, den gläubigen Überrest aus den Juden. Auch hier handelt es sich nicht um ein schließlich errungenes Resultat für Gott, sondern um das von vornherein ausgesonderte Bundesvolk des Herrn. Dieses befindet sich hier wieder in seinem angestammten Land der Väter. Wir sehen dies heute schon zu einem großen Teil erfüllt, denn Israel besitzt nun einen fest gegründeten eigenen Staat. Zwar ist es erst ein kleiner Teil des Landes, und auch die Prophezeiung in Jeremia 16,14–18, dass die Juden völlig aus ihren festen Positionen unter den Völkern verjagt werden sollen, ist nur zum kleinsten Teil erfüllt; der größte Teil des Volkes ist noch fest unter seinen Wirtsvölkern verankert. Auch die Prophezeiungen von Hesekiel 37 sind noch weit entfernt von ihrer vollen Erfüllung; die „Totengebeine“ sind zwar zusammengerückt und wieder eine Einheit geworden; aber der Geist des Lebens fehlt noch. Doch vollzieht sich die Einwanderung ins Land der Väter von allen Seiten unablässig weiter.

„Und es wurde mir ein Rohr, gleich einem Stab, gegeben und gesagt: Steh auf und miss den Tempel Gottes und den Altar und die, die darin anbeten. Und den Hof, der außerhalb des Tempels ist, wirf hinaus und miss ihn nicht; denn er ist den Nationen gegeben worden, und sie werden die heilige Stadt 42 Monate zertreten“ (11,1.2).

Der Herr macht jetzt seine alten Besitzansprüche an das Land wieder geltend, die Er übrigens niemals aufgegeben hatte. Dies beweisen die Ausdrücke „Tempel Gottes“ und „heilige Stadt“. Materiell haben weder die Stadt Jerusalem, noch der Tempel – außer zur Zeit Salomos – diesen herrlichen Titel verdient, vielmehr sind beide mit Sünde und Blutschuld befleckt und sind dies auch noch zur Zeit der Ereignisse dieses Kapitels. In Wahrung seiner Besitzrechte wacht Gott eifersüchtig über sein Besitztum. Selbst den durch die Blutschuld befleckten Tempel des Herodes nennt der Herr Jesus selbst „Gottes Tempel“; dasselbe ist in diesem Kapitel der Fall: Jerusalem wird die „heilige Stadt“ genannt.

Allerdings handelt es sich bei dem Befehl, den Tempel zu messen, wie auch beim Maßstab, nicht um den stofflichen, sondern um den geistlichen Tempel: den gläubigen Überrest aus Israel. Johannes hat nun, nachdem er das in Kapitel 10 erwähnte Büchlein gelesen hat, Einsicht gewonnen in die Gedanken und Urteile Gottes, und die Fähigkeit, zwischen dem wirklich Heiligen und der bloß äußern Form, zu unterscheiden; darum geht es hier. Er ist sozusagen durch die Übungen des Selbstgerichts gegangen, um Kenntnis zu nehmen von dem, was geistlich von Gott im Menschen ist. Mit diesem Messen ohne jede Maßangabe stellt Gott deutlich und genau fest, was Er als gläubigen Überrest anerkennt und für sich ausgesondert haben will; darum müssen auch der Altar und die Anbeter im Tempel gemessen werden. Mit dem Altar ist wohl der goldene, der Altar der Anbetung gemeint; denn in jener Zeit handelt es sich um die Scheidung zwischen denen, die mit Ernst in der Anbetung Gottes verharren wollen und denen, die sich zur Anbetung des Tieres bewegen lassen. Es geht um ein ganz klares „entweder – oder“ der inneren und äußeren Einstellung. Die eigentliche Bekehrung des Überrests wird nach Sacharja 12,10–14 erst erfolgen, wenn sie den Herrn Jesus, ihren Messias in Wolken kommen sehen und Ihn an seinen Wunden erkennen werden. Ja, die Juden müssen ihren Messias zuerst als den von ihnen verworfenen und gekreuzigten Jesus erkennen, bevor sie Ihn in königlicher Herrlichkeit sehen werden, eine Wirkung, gleich der Bekehrung des Saulus von Tarsus vor Damaskus, die ein Vorbild der Bekehrung Israels als Volk ist.

Mit dem „Hof, der hinausgeworfen wird“, ist die Masse der ungläubigen, abtrünnigen Juden gemeint, die von Gott verworfen und den Nationen zum Zertreten übergeben wird. In diesem kurzen Wort ist das gesamte Gericht über die abtrünnigen Juden, über die in den Propheten so viele Einzelheiten angegeben werden, zusammengefasst. Es ist der „Tag des Grimmes des Herrn“, an dem alle abtrünnigen Juden, die den falschen Messias, den Antichristen, angenommen haben, gerichtet werden. Wie oft wiederholt sich doch in den Propheten das Wort, dass nur ein Überrest errettet werden wird! (Jes 10,21–22; Sach 13,8–9; Rö 9,27).

Schon der Herr Jesus hat vorausgesagt, dass Jerusalem von den Nationen zertreten werden müsse, bis die „Zeiten der Nationen“ erfüllt sein werden (Lk 21,24). Diese Zeiten der Nationen haben mit der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar begonnen und dauern heute noch fort, und werden dauern, bis der Herr Jesus in königlicher Herrlichkeit wieder auf der Erde erscheint, um das Königreich für Israel aufzurichten. Jerusalem ist oft von verschiedenen Nationen erobert und zertreten worden, aber in der schrecklichsten Weise wird dies in der letzten Drangsalszeit geschehen. Berechnet kann diese Zeit nicht werden, da sie von der Dauer der christlichen Gnadenzeit abhängt, wofür als einzige Angabe in Römer 11,25 der Eingang der Vollzahl der Erretteten aus den Nationen, gegeben ist, eine Zahl, die wir nicht kennen, und die wir unmöglich errechnen können, also eine Zeitspanne von unbestimmter Dauer.

„Und ich werde meinen zwei Zeugen Kraft geben, und sie werden 1260 Tage weissagen, mit Sacktuch bekleidet. Dies sind die zwei Ölbäume und die zwei Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen. Und wenn jemand sie beschädigen will, so kommt Feuer aus ihrem Mund hervor und verzehrt ihre Feinde; und wenn jemand sie beschädigen will, muss er so getötet werden. Diese haben die Gewalt, den Himmel zu verschließen, damit während der Tage ihrer Weissagung kein Regen falle; und sie haben Gewalt über die Wasser, sie in Blut zu verwandeln, und die Erde zu schlagen mit jeder Plage, sooft sie nur wollen“ (11,3–6).

In den Kapiteln 11–13 finden sich nun Zeitangaben, drei verschiedene für denselben Zeitabschnitt, nämlich dreieinhalb Jahre: 42 Monate, 1260 Tage, eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit. Sie betreffen den letzten und furchtbarsten Abschnitt der großen Drangsal Jakobs vor dem Erscheinen des Messias in Herrlichkeit. In Daniel 9,24–27 ist die Rede von 70 Wochen von je sieben Jahren, von denen nach Vers 25 bis zum Kommen des Messias 69 Wochen verfließen würden, dann würde der Messias weggetan, d. h. verworfen und getötet werden. Von der letzten siebzigsten Woche ist in Vers 27 die Rede und zwar in Angaben, die bis heute noch nicht eingetroffen, somit noch zukünftig sind. Diese „Jahrwoche“ wird zu laufen beginnen, wenn nach der Entrückung der Ekklesia Israel als Bundesvolk Gottes wieder angenommen sein wird. Für diese Wochenlänge wird Israel sogar seinen „Gottesstaat“ und seinen altgewohnten „Gottesdienst“ wiederhergestellt haben, allerdings noch im Unglauben. Dies deutet die erste Hälfte von Daniel 9,27 an; die zweite Hälfte aber prophezeit, dass von der Mitte der sieben Jahre an, in den letzten 3 1/2 Jahren, eine furchtbare Veränderung eintreten wird, indem Israel unter den Druck des in der Gunst Satans stehenden Fürsten gerät und der bisherige Gottesdienst unterdrückt und aufgehoben wird.

Nun, eben diese letzte furchtbare Zeit wird mit den drei oben genannten Zeitangaben bezeichnet, von denen jede ihren besonderen, bestimmten Sinn hat. Wenn von der Drangsal selbst und ihrem Urheber die Rede ist, wird die kleine Zahl „42“ genannt, ohne Zweifel im Sinn von 2. Korinther 4,16–18, um auszudrücken, dass die Drangsal zwar schwer, aber im Licht Gottes nicht lange währen wird. Für das machtvolle Zeugnis der treuen Zeugen wird dieselbe Zeit mit 1260 Tagen angegeben, eine Ermunterung dafür, dass der Beistand und Schutz des Herrn jeden Tag neu in derselben Kraft vorhanden sein wird. „Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit“ in Offenbarung 12,14 wollen nebst der Betonung der prophetischen Erfüllung wohl besagen, dass die Fürsorge Gottes für seine Getreuen auch für diesen schwersten Teil der Drangsalszeit garantiert ist.

In dieser dunkelsten Zeit der Weltgeschichte erhält Gott sich außer denen, die im Tempel anbeten, noch ein besonders machtvolles Zeugnis, das keines Feindes Macht überwinden und beseitigen kann, solange Gott es nicht selbst zulässt. Der treue Überrest aus Israel ist schon an sich ein solches; aber Gott erweckt sich dann noch ein besonderes, mit außergewöhnlicher Macht ausgerüstetes Zeugnis, ein eigentliches Gegengewicht zu der Höchstentfaltung der dann bösen satanischen Dreieinheit, die in den nächsten beiden Kapiteln Gegenstand der Prophezeiung sein wird. Denn wie könnte der Herr sein schwaches Zeugnis gerade in der Zeit des größten Druckes der Finsternis ohne besonderen Schutz und stärkenden Rückhalt lassen? Unmöglich! Dieses Zeugnis wird mit besonderer richterlicher Macht ausgerüstet sein, so dass die ganze Macht des Bösen es nicht anzutasten vermag. Nur am Schluss wird der Herr der satanischen Macht einen kurzen Triumph zulassen, aber nur als Gelegenheit zu einer außerordentlichen Kundgebung an die ganze Menschheit von der unbedingten, unter allen Umständen überragenden Macht Gottes (V. 13).

Es werden zwei mächtige Zeugen Gottes auftreten. Die Zahl zwei ist das nach dem Gesetz nötige Minimum für ein rechtsgültiges Urteil (4. Mo 35,30; 5. Mo 17,6). Dieses Zeugnis wird somit ein vollständiges sein. Diese beiden Zeugen werden mit besonderer Macht ausgerüstet, und, wie damals Mose und Elia, auch richterliche Gewalt ausüben, sogar um den zu töten, der ihnen irgendwie zu widerstehen versucht. Vers 4 vergleicht die beiden mit den Ölbäumen und dem Leuchter in Sacharja 4. Dort werden die Ölbäume und der Leuchter als das Hohepriestertum und das Königtum von Jesus Christus gedeutet, die im messianischen Königreich auch in menschlichen Vertretern sichtbar gemacht werden; in Sacharja ist es der Herr, der beides in seiner Person vereinigt. Hier in Offenbarung 11 aber ist Priestertum und Königtum noch nicht aufgerichtet; aber die beiden Zeugen vertreten beides als mächtige Propheten. Ihr Zeugnis wird die Verkündigung der nahen Erscheinung des Messias und Königs zum Gericht des Bösen und zur Aufrichtung des längst erwarteten Friedens- und Segensreiches sein und die Rechte und Ansprüche des „Herrn der Erde“ vertreten, dem die Herrschaft der Schöpfung und vor allem diejenige über das Land Israel gehört; es ist sein Erbteil und Besitztum (5. Mo 32,9). Auch wird dieses Zeugnis vor allem dazu dienen, den gläubigen Überrest zur Buße und Umkehr zu dem Gott der Väter und zu seinem Sohn und Messias Jesus Christus zu bringen (Sach 1,3; Mal 3,7). Denn auch der Überrest muss zuerst lernen, dass er eine innerliche Erneuerung und tiefe Buße braucht und zuerst seinen Messias, den von den Vätern einstmals verworfenen und gekreuzigten Jesus von Nazareth anerkennen muss (Sach 12,10–14; Mt 24,30), bevor er Ihn in seiner königlichen Herrlichkeit schauen und begrüßen kann. Sacharja 12 zeigt uns den Augenblick der Bekehrung des Überrests, der unmittelbar durch den Anblick seiner Wunden, die Ihm sein Volk geschlagen hat, erfolgt.

Der Schluss von Vers 3 sagt noch, dass die Zeugen mit Sacktuch bekleidet sein werden, womit der äußere Charakter, der asketische Ernst dieses Zeugnisses angedeutet wird. Wir finden dieses bei Johannes dem Täufer, dem mächtigen Bußprediger, wie auch bei Elia, den der Herr selbst mit seinem Herold vergleicht (Mt 17,9–13, vgl. auch die Prophezeiung am Schluss von Maleachi, mit der Aussage, dass Elia zuerst kommen müsse; Mt 17,10). Damit ist allerdings nicht Elia persönlich gemeint, sondern ein Mann gleich ihm; denn Gott der Herr vermag zu allen Zeiten Zeugen zu erwecken und mit Macht und Kraft des Heiligen Geistes auszurüsten).

Zusammengefasst ist das Zeugnis dieser Propheten somit das des messianischen Königreiches (Mt 24,14); dasselbe Evangelium, das Johannes der Täufer und Christus selbst verkündigt haben. Dieses wurde aber vom Volk verworfen, weshalb Israel beiseitegesetzt wurde. Anstelle des Evangeliums des Reiches ist nunmehr das der unumschränkten Gnade getreten, das allen Nationen verkündigt werden soll. Hier aber, nachdem das Gnadenzeitalter durch die Entrückung zu Ende gegangen und Israel wieder gesammelt ist, geht es nicht mehr um eine Gnadenbotschaft, sondern um eine Aufforderung zum Gehorsam und Annahme der Gerechtigkeit Gottes und um den letzten Kampf mit der Macht der Finsternis. Deshalb bezeugt sich die Macht Gottes hier nicht mehr durch Wunder der Gnade, sondern durch Wundertaten des Gerichts (V. 6).

„Und wenn sie ihr Zeugnis vollendet haben, wird das Tier, das aus dem Abgrund heraufsteigt, Krieg mit ihnen führen und wird sie überwinden und sie töten“ (11,7).

Das Ziel des Zeugnisses der beiden „Ölbäume“, die vor dem Herrn der Erde stehen, ist nun erreicht, und darum erlaubt es Gottes Ratschluss dem Feind, jene für einen kurzen Augenblick zu überwinden. Dies geschieht durch das „Tier“, das Haupt, den Cäsar des dann wiedererstandenen Römischen Weltreiches. Bisher ist dieses Tier noch nicht erwähnt worden, erst Kapitel 13 beschäftigt sich näher mit demselben, wo wir dann näher darauf eingehen werden. Hier wird uns nur gesagt, dass das „Tier aus dem Abgrund heraufsteigt“, womit sowohl die höllische Herkunft desselben gezeigt wird, als auch, dass es aus der Versenkung wieder aufsteigt, in der es durch die Völkerwanderung im 4. und 5. Jahrhundert verschwunden ist. Nach Offenbarung 13,12 wird dieses Reich in enger Verbindung mit dem Antichristen in Jerusalem, dem falschen Messias und Propheten stehen und ohne Zweifel von diesem gegen die Zeugen Gottes herbeigerufen werden. Dieser Macht erlaubt Gott, die beiden Zeugen zu überwinden, zu töten und sogar ihre Leichname zur öffentlichen Schau und Schmach zu stellen.

„Und ihr Leichnam wird auf der Straße der großen Stadt liegen, die geistlicherweise Sodom und Ägypten heißt, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde. Und viele aus den Völkern und Stämmen und Sprachen und Nationen sehen ihren Leichnam drei Tage und einen halben und erlauben nicht, dass ihre Leichname ins Grab gelegt werden“ (11,8.9).

Das Zurschaustellen der Leichname geschieht auf offener Straße in Jerusalem, das hier die „große Stadt, die geistlicherweise Sodom und Ägypten heißt“, genannt wird. Dies ist im Gegensatz zu Vers 2, wo sie „heilige Stadt“ genannt wird, sehr bezeichnend. Dort stellt der Herr seine Anrechte an Land und Stadt fest, die Er niemals preisgeben wird, noch antasten lässt; darum nennt Er die Stadt „heilig“, also Ihm gehörend. Aber von der menschlichen Seite her gesehen, gibt Gottes Urteil den tatsächlichen Zustand an, und da muss Gott, gemäß seiner Gerechtigkeit, feststellen, dass seine Stadt sich nicht von Sodom, dem Inbegriff sittlicher Verderbtheit, noch von Ägypten, dem Bild der sich gegen Gott erhebenden Weltmacht, unterscheidet.

„Und die, die auf der Erde wohnen, freuen sich über sie und frohlocken und werden einander Geschenke senden, weil diese zwei Propheten die quälten, die auf der Erde wohnen. Und nach den drei Tagen und einem halben kam der Geist des Lebens aus Gott in sie, und sie stellten sich auf ihre Füße; und große Furcht fiel auf die, die sie anschauten. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel zu ihnen sagen: Steigt hier herauf! Und sie stiegen in den Himmel hinauf in der Wolke, und ihre Feinde schauten sie an“ (11,10–12).

Man wird also den beiden Zeugen ein ehrliches Begräbnis verwehren und ihre Leichname auf offener Straße in Jerusalem liegen lassen und dieselben nicht nur dem Spott der Menschen preisgeben, sondern sogar als Speise den Geiern und wilden Hunden. „Die auf der Erde wohnen“, wollen ihren ganzen Gotteshass an diesen zwei Zeugen auslassen und erweisen sich damit als die eigentlichen fanatischen Parteigänger der teuflischen Dreieinheit. Die ganze Welt, wohl die Gesamtmasse der unbekehrten Menschen, müssen Zuschauer und Teilnehmer der satanischen Freude sein.

Die Freude wird aber nur eine kurze sein. Nach nur dreieinhalb Tagen greift Gott ein, und zwar in einer ganz persönlichen Kundgebung für die beiden treuen Zeugen. Gottes überragende Macht bezeichnend, kehrt der Geist des Lebens wieder in die Leichen zurück, und die beiden Propheten stehen zum großen Schrecken ihrer Feinde wieder auf ihren Füßen. Mehr noch! Vom Himmel her ertönt die Stimme des Gottes, dessen Existenz diese Satan ergebenen, verblendeten Massen leugnen, und der göttliche Ruf fordert die zwei Zeugen auf, in den Himmel hinaufzusteigen. Die Schechina-Wolke, die Wolke der Herrlichkeit, erscheint und nimmt die beiden auf. Es ist also nicht irgendeine Wolke, sondern die Wolke, die einst den Herrn aufgenommen, dieselbe, die auch Gottes Volk durch das Rote Meer und die Wüste geleitet hat, dieselbe Wolke, die den Herrn vor den Augen der Jünger aufnahm. Alles geschieht vor den Augen aller; Gottes Feinde müssen seine Macht unausweichlich und ohne Widerspruch anerkennen.

„Und in jener Stunde geschah ein großes Erdbeben, und der zehnte Teil der Stadt fiel, und 7000 Menschennamen kamen in dem Erdbeben um; und die Übrigen wurden von Furcht erfüllt und gaben dem Gott des Himmels Ehre“ (11,13).

Gottes Allmacht unterstreichend, geschieht ein großes Erdbeben in Jerusalem. Der zehnte Teil der Stadt zerfällt und 7000 Menschennamen kommen um. Ein peinliches Gericht! denn der zehnte Teil ist ohne Frage der verantwortliche Teil, und nun trifft die mächtige, zürnende Hand Gottes gerade diese gotteslästerliche Schar. Der Ausdruck „Menschennamen“ beweist, dass Gott jeden einzelnen Namen kennt, die Schuldigen herausfindet und niemand Ihm entschlüpfen kann. 7000 ist eine von Gott gekannte Vollzahl. Dass der Eindruck dieses Geschehens ein gewaltiger sein wird, ist offenbar. Große Furcht fällt auf die Menschen, und die Übriggebliebenen müssen gezwungenermaßen Gottes allmächtige Hand anerkennen. Dass sie Gott die Ehre inmitten dieser gewaltigen Ereignisse geben, ist leicht verständlich, aber der Weg der Buße und Umkehr ist es noch lange nicht.

Die Geschichte dieser beiden Zeugen gleicht der unseres Herrn. Die Macht des Bösen hatte sich auch gegen den Sohn Gottes, der Mensch geworden war, aufgemacht. Satan aber konnte nichts ausrichten, bis Er sich selbst in die Hände der von ihm verführten Menschen übergab; so wurden auch unsere beiden Zeugen keinen Tag früher überwunden, als Gott dies zuließ. In beiden Fällen haben die Bösen alle nur erdenkliche Schmach und jeden möglichen Hohn auf die von Gott Geliebten gehäuft. Laut Jesaja 53,9 hatten die Menschen das Grab Jesu bei Gesetzlosen bestimmt, aber Gott bestimmte, dass sein Körper in das Grab eines Reichen gebracht wurde; so sollten auch die beiden Zeugen zu ihrem Hohn in gar kein Grab kommen, aber Gott bestimmt und lenkt auch dies anders. Wie der Herr Jesus am dritten Tag auferstanden und nach vierzig Tagen auf der Wolke gen Himmel aufgefahren ist, so werden auch die beiden Zeugen durch Gottes Macht wieder lebendig und durch die Herrlichkeit Gottes in den Himmel aufgenommen. Der einzige Unterschied ist der, dass bei der Himmelfahrt des Herrn niemand Zeuge war, als die Jünger allein, aber bei der Aufnahme der beiden Zeugen musste die ganze Welt dem Schauspiel zusehen, und ihnen blieb nur die schreckliche Ahnung ihres Gerichtes; die Jünger hingegen vernahmen die Verheißung der Wiederkehr des Herrn.

„Das zweite Wehe ist vorüber; siehe, das dritte Wehe kommt bald.

Und der siebte Engel posaunte: Und es geschahen laute Stimmen in dem Himmel, die sprachen: Das Reich der Welt unseres Herrn und seines Christus ist gekommen, und er wird herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (11,14.15).

Die siebte Posaune

Das Wehe der zweiten Posaune ist erfüllt, und es bleibt noch die dritte Weheposaune, zugleich die letzte, siebte Posaune übrig, das schärfste und furchtbarste Wehe, das göttliche Endgericht selbst, das der Erscheinung des Herrn unmittelbar vorausgeht. Damit beginnt eine zweite Serie von Gerichten, die weniger in chronologischer Folge, sondern gedanklich geordnet sind und vor allem handelnde Personen ins Licht stellen.

„Und die vierundzwanzig Ältesten, die vor Gott auf ihren Thronen sitzen, fielen auf ihre Angesichter und beteten Gott an und sprachen: Wir danken dir, Herr, Gott, Allmächtiger, der da ist und der da war, dass du deine große Macht angenommen und die Herrschaft angetreten hast! Und die Nationen sind zornig geworden, und dein Zorn ist gekommen und die Zeit der Toten, gerichtet zu werden, und den Lohn zu geben deinen Knechten, den Propheten, und den Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten, die Kleinen und die Großen, und die zu verderben, die die Erde verderben“ (11,16–18).

Damit sind wir bei den letzten Gerichtstagen angelangt. Was übrig bleibt, ist nur noch das Ausschütten des Grimmes Gottes und die Erscheinung des Königs Jesus Christus selbst.

Die Kapitel 12–18 enthalten die Hauptpunkte des prophetischen Geschehens, deren Anfang allerdings weiter zurückgeht, deren Gericht sich aber in den letzten Tagen zuspitzt und deren Durchführung dem Herrn persönlich vorbehalten bleibt. Darum, und um den ganzen Gedankengang darzustellen, werden sie erst jetzt im Zusammenhang erwähnt. Denn dieses bringt nicht Chronik noch Geschichte, sondern es will die verborgenen Ratschlüsse Gottes offenbaren.

Zunächst hören wir aber nichts von weiteren Gerichten, sondern unsere Blicke werden von allein zuerst auf den Himmel gerichtet, von woher wir die laute Proklamation hören, dass das so lange vorausgesagte Königreich Gottes des Allmächtigen und seines Gesalbten Jesus Christus nun sichtbare Tatsache wird, und zwar nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt. Bis dahin ist dies etwas verborgenes, eine Sache des Glaubens und des Ausharrens (Off 1,9); jetzt aber wird es sichtbare Wirklichkeit, und die Erscheinung des Königs in Macht und Herrlichkeit steht unmittelbar bevor. Wie schon mehrmals in diesem Buch, wird auch dies hier im Voraus festgestellt und mit Loben und Preisen begrüßt. Unmittelbar als Antwort auf diese Proklamation sieht Johannes die vierundzwanzig Ältesten als Mitwisser und Mitteilhaber der Ratschlüsse Gottes mit Lobgesang niederfallen und anbeten. Sie können nicht anders, als ihre große Freude darüber zu bezeugen, wie immer, wenn die Herrlichkeit Gottes und des Herrn irgendwie hervortritt. Drei Ziele sind es hier, deren endliche Erfüllung sie verherrlichen:

  1. dass die Nationen der Erde solange zornig und in Aufruhr gewesen sind, was nun sein Ende für immer gefunden hat, und dass jetzt endlich die Zeit des Grimmes und Zornes Gottes für die Gottlosen gekommen ist, wie es in Psalm 2 vorausgesagt worden ist.
  2. dass das Gericht über all das Gott widerstrebende Böse nun gekommen ist und die Verderber der Erde endlich ihren Lohn in ihrem eigenen Verderben finden.
  3. dass dagegen die Knechte Gottes und seines Gesalbten, seine Zeugen in der Finsternis und alle, die Ihn fürchten und Ihm anhangen, den verheißenen Lohn ihres Ausharrens empfangen.

„Und der Tempel Gottes, der in dem Himmel ist, wurde geöffnet, und die Lade seines Bundes wurde in seinem Tempel gesehen; und es geschahen Blitze und Stimmen und Donner und ein Erdbeben und ein großer Hagel“ (11,19).

Schlussendlich sieht Johannes, der Seher, das Heiligtum Gottes, den Tempel im Himmel, geöffnet und darin die Bundeslade stehen. Dies ist das Zeichen, dass Gott seinerseits fortwährend an seinem Bund mit dem Volk Israel in Treue festgehalten hat und auch ferner festhält und nun demselben weiteren Segen geben will. Die Bundeslade wird im Himmel gesehen, weil Israel selbst durch seine Abtrünnigkeit die Betreuung derselben verloren hat. Sie wird, von der Einweihung des Tempels Salomos an, nicht mehr erwähnt (außer in Heb 9,4 in symbolischem Sinn). Sie ist auch bei der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar nicht als Beute weggeführt worden; wo sie geblieben ist, weiß niemand; alle diesbezüglichen Gerüchte sind in das Reich der Phantasie zu verweisen und entbehren jeglicher biblischer Grundlage. Auch finden wir sie weder im Tempel Serubabels noch im Tempel Herodes'. Auch im zukünftigen Hesekiel'schen Tempel des 1000-jährigen Reiches wird keine Bundeslade sein, wie in Jeremia 3,16 vorausgesagt ist. Sie wird dort ja auch nicht benötigt, denn der, von dem sie Symbol war, der Messias, ist ja dann persönlich in Herrlichkeit anwesend.

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