Was von Anfang war
Eine Auslegung der Johannesbriefe

Einleitung

Was von Anfang war

Der erste Brief des Johannes

Der Aufbau dieses kurzen, aber außerordentlich wertvollen Briefes ist einfach. Die vier ersten Verse des ersten Kapitels bilden die Grundlage – das fleischgewordene Wort des Lebens. Das ewige Leben, das bei dem Vater war, wurde auserwählten Zeugen in vollkommener Weise offenbart. Was diese gesehen und gehört hatten, berichteten sie den Gläubigen, damit diese dieselbe Gemeinschaft hätten wie die Apostel (Apg 2, 42). Diese Gemeinschaft ist tatsächlich mit nichts vergleichbar, denn es ist die Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesus Christus. So kann der Apostel sagen: „ Und dies schreiben wir (gleichsam im Namen aller Apostel) euch, auf dass eure Freude völlig sei.“

Mit dieser Offenbarung Gottes in Christus ist die Botschaft der christlichen Verantwortung in den Versen 5–10 untrennbar verbunden. Hier zeigt sich der Einfluss des Charakters Gottes – der Licht ist – auf den Wandel aller, die den Namen des Herrn anrufen, und gleichzeitig die völlige Inkonsequenz und Widersprüchlichkeit derer, die nur Worte, aber keine Werke aufweisen.

Kapitel 2,1 u. 2 ist ein Anhang, in dem der Name des Vaters wieder genannt wird, der in dem zweiten Teil von Kapitel 1, wo unser Bekenntnis gleichsam auf die Probe gestellt wird, nicht erscheint. Obwohl alle aufgerufen werden, nicht zu sündigen, so ist doch die göttliche Liebe tätig, um wiederherzustellen, wenn jemand gesündigt hat. Zudem haben wir einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, der nicht nur der Gerechte, sondern auch die Sühnung für unsere Sünden ist und, in einem allgemeineren Sinn, auch für die ganze Welt.

Wie erweist sich nun die Wirklichkeit des göttlichen Lebens im Christen? Das wird in Kapitel 2,3–11 gezeigt, und zwar zunächst im Gehorsam (V. 3–6), ebenso zwingend aber dann in der Liebe (V. 7–11), wobei auf der positiven Seite das Echte, auf der negativen Seite das Unechte herausgestellt wird.

Danach folgt eine Einschaltung über die verschiedenen geistlichen Reifegrade innerhalb der Familie Gottes (V. 12–28). Insgesamt gesehen sind alle geliebte Kinder (teknia, wie z.B. in Kapitel 2,1.12.28; 3,7.18; 5,21), denen der Apostel schreibt, weil ihnen ihre Sünden um des Namens Christi willen vergeben sind. Innerhalb dieser belehrenden Einschaltung besteht die Familie jedoch aus:

  1. „Vätern“, die Den erkannt haben, der von Anfang ist, das im Fleisch offenbarte ewige Wort;
  2. „Jünglingen“, die stark sind, in denen das Wort Gottes bleibt und die den Bösen überwunden haben; und
  3. „Kindlein“, die den Vater erkannt haben.

Der Apostel spricht alle drei Gruppen zweimal an, wobei er das zu den Vätern Gesagte einfach wiederholt, bei den Jünglingen jedoch einiges ergänzt und besonders ausführlich zu den Kindlein spricht, die in besonderer Weise die Gegenstände der antichristlichen Verführungsversuche, aber zugleich auch der bewahrenden Gnade sind.

Von Kapitel 2,28 an wird der allgemeine Teil wieder aufgenommen mit der Ermahnung an die „Kinder“, also an alle, in Christus zu bleiben, damit die Arbeiter, zu denen der Apostel sich rechnet, bei der sicher bevorstehenden Offenbarung Christi Freimütigkeit haben und nicht durch ihr Abirren beschämt werden. Somit ist die praktische Gerechtigkeit der Beweis dafür, dass jemand aus Gott geboren ist (V. 29). Dann schaltet der Apostel wieder eine kurze, aber treffende Bemerkung ein über die Liebe des Vaters – die notwendige Triebfeder und Kraft zur Stärkung und Ermunterung der Seele auf dem schmalen Pfad praktischer Gerechtigkeit (Kap. 3,1–3). In den Versen 4–7 folgt dann genau am rechten Platz die Darstellung der Person und des Werkes Christi: Er war völlig abgesondert von der Sünde und hat unsere Sünden hinweg genommen. Demzufolge wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder, der in Ihm bleibt, nicht sündigt, und jeder, der sündigt, Ihn weder gesehen noch Ihn erkannt hat. Der Rest des Kapitels beschäftigt sich mit dem Gegensatz zwischen denen, die aus dem Teufel sind, und der grundsätzlichen und praktischen Gerechtigkeit der Kinder Gottes sowie mit deren Liebe zueinander (V. 11), die sich scharf abhebt von Kain und einer vom Hass regierten Welt. Gott sucht die vollkommene Verwirklichung der Liebe sowohl in den kleinen als auch in den großen Dingen. Wir sollten Freimütigkeit des Herzens vor Ihm begehren, die wir aber nur durch den Gehorsam und den Glauben an den Namen Seines Sohnes Jesus Christus erlangen können. Wer so gehorcht, bleibt in Gott und Gott in ihm, und der Geist, den Er gegeben hat, ist die Kraft dieser Verbindung.

Hier ist jedoch Unterscheidungsvermögen besonders erforderlich und die Wahrheit unerlässlich, damit wir nicht irregeführt werden. Das Bewahrungsmittel wird daher in Kapitel 4,1–6 mitgeteilt. Der erste Prüfstein zum Schutz gegen den Irrtum ist das Kommen Jesu Christi im Fleische. Ihn will der Heilige Geist stets verherrlichen, während ein Geist, der Ihn nicht bekennt, nicht aus Gott ist. Der zweite Prüfstein besteht nicht in dem Gesetz und den Propheten (obwohl sie von Gott inspiriert waren), sondern in dem neuen Zeugnis über Christus durch die Apostel und Propheten. „Wer Gott kennt, hört uns; wer nicht aus Gott ist, hört uns nicht. „ Auch das Neue Testament als Ganzes ist unerlässlich, um gegen den Geist des Irrtums gewappnet zu sein.

Von Kapitel 4,7 an wird das Thema der gegenseitigen Liebe in einzigartiger Fülle wieder aufgenommen. Es wird gezeigt, dass diese Liebe aus Gott ist und nicht davon zu trennen ist, dass man Ihn liebt und kennt. Das führt uns zur Offenbarung der Liebe Gottes zu uns in der Sendung Seines eingeborenen Sohnes, auf dass wir durch Ihn leben möchten, denn wir waren ja tot. Zugleich wurde Er aber auch als eine Sühnung für unsere Sünden gesandt, denn wir waren voller Schuld. Wenn Gott uns so geliebt hat, sollten auch wir einander lieben. Wenn wir es tun, bleibt Gott in uns, und Seine Liebe ist vollendet in uns, anstatt behindert zu werden. So wie Christus am Anfang Gott kundmachte, den niemand gesehen hatte, so sind auch wir nun berufen, das Gleiche zu tun. Die dazu notwendige Kraft liegt darin, dass Er uns von Seinem Geiste gegeben hat. Das gilt für jeden, der bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, entsprechend dem Zeugnis, dass der Vater den Sohn als Heiland der Welt gesandt hat. Seine Liebe, die wir erkannt und geglaubt haben, ist in uns. Aber das ist noch nicht das Höchste. „Die Liebe ist mit uns vollendet worden, damit wir Freimütigkeit haben an dem Tage des Gerichts, dass, gleichwie er ist, auch wir sind in dieser Welt.“ Diese Feststellung ist umso erstaunlicher, wenn wir sie mit Kapitel 3, 2 vergleichen. So wird die Furcht durch die vollkommene Liebe ausgetrieben, und mit vollem Recht kann gesagt werden: „ Wir lieben, weil Er uns zuerst geliebt hat“ (4, 19). Das Kapitel endet mit der Entkräftung des Vorwandes, dass man Gott lieben könne, ohne den Bruder zu lieben. Das ist unmöglich, denn beides gehört notwendigerweise zusammen.

In Kapitel 5,1–5 wird die Frage „Wer ist unser Bruder?“ aufgeworfen und beantwortet. „Jeder, der da glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren.“ Der Apostel weist damit auf die erhabenere Seite dieser Beziehung hin. Er bringt aber ebenso deutlich zum Ausdruck, dass die Liebe zum Vater die Liebe zu Seinen Kindern einschließt und dass der Beweis, dass man Seine Kinder liebt, darin liegt, dass man Ihn liebt und Seine Gebote hält. Ihn lieben heißt gehorchen, und Seine Gebote sind nicht schwer, sondern gut und voller Segen und Trost. Wir brauchen uns nicht zu verwundern, denn alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt. Es ist der Glaube, der diesen Sieg errungen hat. Dies wird in Vers 5 noch ausführlicher erklärt. Dort heißt es: „Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, welcher glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist?“

In den Versen 6–12 finden wir die drei Zeugen mit dem übereinstimmenden Zeugnis über Jesus und die Wahrheit in Ihm: den Geist, das Wasser und das Blut, – nicht nur Reinigung und Versöhnung, sondern auch den Heiligen Geist als die verwirklichende Kraft. Im ersten Menschen finden wir Sünde und Tod; im zweiten Menschen aber ewiges Leben, so dass wir uns im Geist des Vaters und des Sohnes erfreuen. Dies ist nur möglich, weil Er es uns in Seinem Sohn gegeben hat: in Ihm besitzen wir das Leben.

Mit Vers 13 beginnt der Schluss des Briefes. Der Apostel hatte ihn mit dem fleischgewordenen Sohn begonnen als dem Gegenstand des Glaubens und dem Mittel zu der wunderbaren Gemeinschaft, die völlige Freude gibt. Er beendet ihn mit den Worten, dass er diese Dinge schreibt, damit wir im innersten Bewusstsein erkennen, dass wir als Gläubige ewiges Leben haben. Er spricht dann nochmals von der durch solch eine Gnade vermittelten Freimütigkeit zu erbitten, was mit dem Willen Gottes in Übereinstimmung ist. Er schließt hiervon nur den Fall aus, dass ein Bruder unter der Zucht Gottes steht, weil er unter besonderen Umständen gesündigt hat und daher von Gott nicht länger auf der Erde gelassen wird. In den Schlussworten ab Vers 18 begegnet der Apostel dem damals aufkommenden, immerdar lernenden und nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommenden Gnostizismus. Er stellt ihm das tiefe und klare Wissen der Gläubigen entgegen, das sich auf dreierlei Weise äußert:

  1. Im abstrakten Sinne durch die Bewahrung eines jeden, der aus Gott geboren ist, vor Sünde und Satan;
  2. durch unser persönliches Wissen, dass wir aus Gott sind und uns daher im Gegensatz zur ganzen Welt befinden, die unter der Macht des Bösen steht;
  3. durch die ebenfalls persönliche Kenntnis des großen Gegenstandes des Glaubens, nämlich des Sohnes. Er hat uns das Verständnis gegeben, den Wahrhaftigen zu kennen und in Ihm zu sein, in Seinem Sohne Jesus Christus. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Er ist zugleich unser Schutz vor den Götzen.

Der zweite und dritte Brief des Johannes

Diese Briefe sind in Bezug auf Thema und Aufbau so einfach – obwohl sie wichtig sind für die Wahrheit und diejenigen, die sie lieben –, dass hier nur wenige Worte genügen. Die Schwester, eine namentlich nicht genannte Frau, wird ernstlich ermahnt, niemanden aufzunehmen, der der Lehre Christi (d. h. Seiner Person, die die Grundlage und der Inhalt aller Wahrheit ist) untreu ist. – Der Bruder, dessen Name im Brief erwähnt wird, wird ermahnt, angesichts des Widerstandes von Personen oder Parteien in der Liebe, die ihn kennzeichnete, auszuharren und treue, wenn auch unbekannte Brüder aufzunehmen, die für „den Namen“ ausgegangen waren. Die Weisheit und der Wert dieser beiden Briefe sind groß. Es konnte besonders für Frauen ein schwieriges Problem sein, äußerlich gefällige Männer abzuweisen, die scheinbar eifrig im Werk des Herrn tätig waren, z. B. einen Evangelisten, durch den einst Seelen zum Glauben kamen, oder einen Ältesten, wie es einige in Ephesus gab, von denen Paulus bezeugte, dass sie abgeirrt seien. Ist der Geist des Irrtums aber tätig, so ist nur die Wahrheit maßgebend, nicht der Dienst oder das Amt. Andererseits sollte sich der in der rechten Stellung befindliche Bruder nicht durch den Unwillen eines Diotrephes beunruhigen lassen. Er sollte diejenigen, die wahrhaft für den Namen des Herrn ausgehen, willig empfangen und dadurch einen Demetrius ermutigen, der sonst vielleicht eingeschüchtert würde. Wie bewundernswert sind die Weisungen des Heiligen Geistes, die uns in den bösen Tagen leiten sollen!

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