Der Abgesonderte unter seinen Brüdern

Gott erhöht

Der Abgesonderte unter seinen Brüdern

1. Mose 41,37–45

Von Gott erleuchtet, hatte Joseph vor dem Pharao Zeugnis abgelegt von dem drohenden Gericht und in göttlicher Weisheit zugleich auch den Weg angezeigt, wie man diesem Gericht entgehen könne. „Und nun ersehe sich der Pharao einen verständigen und weisen Mann ... Und man sammle alle Speise dieser kommenden guten Jahre ... Und die Speise sei zum Vorrat für das Land für die sieben Jahre der Hungersnot ..., damit das Land nicht vertilgt werde durch die Hungersnot. „

„Und das Wort war gut in den Augen des Pharao und in den Augen seiner Knechte“ (Vers 37). So hatten einst auch die „Männer von Ninive“, mit ihrem König an der Spitze, „Gott geglaubt“ und Seinem Boten, den Er mit der Kunde eines nahe bevorstehenden Gerichts zu ihnen gesandt hatte. „Und sie taten Buße auf die Predigt Jonas'“ (Jona 3,4 ff.; Mt 12,41). Und als die „Königin des Südens“ von „dem Ruf Salomos wegen des Namens des Herrn“ hörte, zögerte sie nicht; „sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören“ (1. Kön 10,1; Mt 12,42). Wie wird es doch denen ergehen, die das „gute Wort Gottes“, das heute verkündigt wird, geringachten! (vergl. Heb 2,1–3; 6,4–8). Denn „mehr als Jonas“, „mehr als Salomo ist hier“ – und auch mehr als Joseph. –

Zweierlei war es, was Joseph dem Pharao riet; er sollte Sorge tragen für die Zukunft und sich hierzu „einen verständigen und weisen Mann ersehen“. Und so wird nun „die Gunst des Königs dem einsichtigen Knecht zuteil“; der „arme und weise Jüngling geht aus dem Haus der Gefangenen hervor, und kommt zu königlichen Ehren (Spr 14,35; Pred 4,13.14). Gott gab, wie Stephanus sagt, dem Joseph „Gunst und Weisheit vor Pharao, dem König von Ägypten; und er setzte ihn zum Verwalter über Ägypten und sein ganzes Haus“ (Apg 7,10). Der herrlichen Stunde seiner Befreiung folgte die noch herrlichere seiner Erhöhung.

„Und der Pharao sprach zu seinen Knechten: Werden wir einen finden wie diesen, einen Mann, in dem der Geist Gottes ist? Und der Pharao sprach zu Joseph: Nachdem Gott dir dies alles kundgetan hat, ist keiner so verständig und weise wie du!“ (Vers 38. 39). Daran hatte Joseph gewiss nicht gedacht, dass er der „verständige und weise Mann“ sein sollte! Er hatte willig und gottergeben den niedrigen Platz, den man ihm gab, eingenommen. Nun erscholl der Ruf: „Freund, rücke höher hinauf!“ – denn „jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,10.11).

Wie überwältigend muss es darum für Joseph gewesen sein, wenn der Pharao jetzt fortfährt: „Du sollst über mein Haus sein, und deinem Befehl soll mein ganzes Volk sich fügen; nur um den Thron will ich größer sein als du ... Siehe, ich habe dich über das ganze Land Ägypten gesetzt!“ (Vers 40. 41). Welch eine Veränderung! Als ihn Potiphar über sein Haus setzte, blieb er dennoch sein Sklave; als der Oberste der Feste ihn über die Gefangenen erhob, blieb er auch ferner in dieser Feste gefangen; jetzt wurde er zum „Vater des Pharao“, d.i. zu seinem mit allen Vollmachten ausgestatteten Ratgeber gemacht, „zum Herrn seines ganzen Hauses und zum Herrscher des ganzen Landes Ägypten“. So sagt Joseph von sich selbst, und auch seine Brüder nennen ihn, ehe sie ihn erkennen, den „Herrn des Landes“ (Kap. 45,8.9; 42,30.33). Welch eine Gewalt, welch überragende Stellung!

„Und der Pharao nahm seinen Siegelring von seiner Hand und tat ihn an die Hand Josephs, und er kleidete ihn in Kleider aus Byssus und legte die goldene Kette um seinen Hals“ (Vers 42). Ähnliches lesen wir von Daniel (Dan 2,48; 5,29). Ring, Kleid und Sandalen werden, in bildlichem Sinn, auch dem verlorenen Sohn zuteil. Er wird damit für das Vaterhaus passend gemacht; aber hier handelt es sich um die Zeichen der besonderen Vollmachten, die dem Joseph verliehen wurden.

Auch Mordokai, der „der Zweite nach dem König Ahasveros war“, erhält dessen Siegelring und übt, wie vorher Haman, damit königliche Rechte aus: „Denn eine Schrift, die im Namen des Königs geschrieben und mit dem Siegelring des Königs untersiegelt ist, kann nicht widerrufen werden“ (Est 3,10.12; 8,2.8–10; 10,3). Dieser Mordokai bekam – gleich Daniel – auch ein königliches Gewand (Kap. 8,15). aber hier bei Joseph sind es „Kleider von Byssus“ – nicht von Purpur, sondern von feinster, weißer Baumwolle – die dem Träger nach ägyptischem Brauch nun auch den priesterlichen Stand verliehen. Die „goldene Kette“ verlieh ihm die höchste richterliche Gewalt: er ist König, Priester und Richter!

Was muss das alles für Joseph gewesen sein! Einst hieß es: „Solltest du gar König über uns sein, solltest du gar über uns herrschen?“ – jetzt aber war königliche Macht in seine Hand gelegt; einst „zogen sie Joseph seinen Leibrock aus, den langen Leibrock“ – jetzt bekleidete man ihn mit einem Gewand, das ihn unter die Vornehmsten Ägyptens einreihte; einst hatte man ihn in Ketten gelegt – jetzt schmückte ihn die goldene Kette! Der Tag der Erniedrigung war vorbei: „Er setzte ihn zum Herrn über sein Haus, und zum Herrscher über all sein Besitztum, um seine Fürsten zu fesseln nach seiner Lust, und dass er seine Ältesten Weisheit lehre“ (Ps 105,21.22). Aus der Grube führte sein Weg zum Thron, auf den Platz zur Rechten des mächtigen ägyptischen Herrschers.

„Und er ließ ihn auf dem zweiten Wagen fahren, den er hatte, und man rief vor ihm her: Werft euch nieder! – Und er setzte ihn über das ganze Land Ägypten. Und der Pharao sprach zu Joseph: Ich bin der Pharao, und ohne dich soll kein Mensch seine Hand oder seinen Fuß aufheben im ganzen Lande Ägypten“ (Vers 43. 44). Steht da nicht ein anderes, erhabeneres Bild vor unserer Seele auf, das des wahren Joseph, des jetzt „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönten“ Christus? Ihm gehört heute schon „alle Gewalt“, und einmal wird, obwohl wir es jetzt noch nicht sehen, „alles seinen Füßen unterworfen“. Auch Sein Weg führte von Krippe, Kreuz und Grab zum Thron, aus der tiefsten Erniedrigung empor „zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln“ (Heb 2,7–9; 8,1). Auch Er wird dann König, Priester und Richter sein; und auch vor Ihm wird man ein „Werft euch nieder!“ herrufen. „ Alle Enden der Erde werden sich erinnern und zu dem Herrn umkehren; und vor dir werden niederfallen alle Geschlechter der Nationen“ (Ps 22,28). Wohl denen, die sich heute schon vor Ihm beugen und vor Ihm „niederwerfen“!

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