Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)

Psalm 11-15

Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)

Psalm 11

Psalm 11 zeigt uns, was der gerechte Überrest zu tun hat, wenn die Macht des Bösen im Lande Immanuels so vorherrschend ist. Wie schon bemerkt, finden wir in den Psalmen 11 – 15  die Gedanken und Gefühle des Überrestes in jener Zeit, d. i. als Folge des Zustandes der Dinge, wie er in Psalm 9 und 10 besprochen wird. Psalm 11 zeigt uns, wie der Gerechte den Gedanken zurückweist, als müsse er gegenüber der gottlosen Bosheit, derer, die Gott nicht fürchten, hilflos verzagen. Er vertraut auf Jehova. Doch die Gesetzlosen suchen mit aller Kraft die von Herzen Aufrichtigen zu verderben. Und wenn alle menschliche Hilfe, alles, worauf eine Hoffnung für die Erde sich gründen könnte, versagt, was tut dann der Gerechte? Jehova steht so fest wie immer. Er ist in Seinem heiligen Palast, hat Seinen Platz auf der Erde, einen Platz, den der Glaube anerkennt, mag er auch noch so sehr verwüstet sein, und Sein Thron ist in den Himmeln: dorthin kann kein Übel nahen, und Sein Thron herrscht über alles.

Doch noch mehr als das: wenn Gott auch in sicherer Ruhe wohnt, weil Er der Allmächtige und im Himmel über allem Übel weit erhaben ist, so blickt Er doch auf die Erde. Er regiert sie, denn darum handelt es sich hier wie überhaupt im ganzen Alten Testament, nicht um das himmlische Teil der Versammlung. „Seine Augen schauen, Seine Augenlider prüfen die Menschenkinder.“ Das ist eine überaus ernste und tröstliche Wahrheit für die, welche in Trübsal sind. Doch die Regierungswege Gottes werden uns noch weiter offenbart: „Jehova prüft den Gerechten.“ Das lehrt uns die Geschichte Hiobs, die ein Bild von dem ist, was Israel begegnet. Der gegenwärtige Zustand der Dinge ist keineswegs eine Offenbarung der Regierung Gottes. Wohl weiß der Glaube, dass Gott alles in Seiner Hand hält und dass alle Dinge denen, die Ihn lieben, zum Guten mitwirken; aber die unmittelbare Regierung Gottes, so dass der gegenwärtige Zustand der Dinge das Ergebnis des Urteils Gottes über das Gute und Böse hienieden darstellte, wird jetzt nicht ausgeübt. Wenn es der Fall wäre, so könnte das Böse nicht geduldet werden; der Gerechte würde blühen, und alles, was er tut, würde gelingen. Aber dem ist nicht so. Die Versammlung hat inzwischen ihr Teil außerhalb der Welt, hat ihren Platz droben, dort wohin Christus gegangen ist, um ihr eine Stätte zu bereiten. Sie leidet mit Ihm und wird mit Ihm herrschen. Was aber alle Seine Heiligen betrifft, so prüft Er sie; auf die Gesetzlosen, die Er hasst, wird Er Gericht, Schlingen, Feuer und Schwefel regnen lassen, denn der gerechte Gott liebt die Gerechtigkeit, Sein Angesicht schaut den Aufrichtigen an. Hier findet daher der Überrest, wenn er sich in der Drangsal befindet, die wahre Grundlage für seinen Glauben. Gott schaut den Gerechten an, Gott prüft ihn, und Er wird zu Seiner Zeit das Gericht ausüben. „Gerecht ist Jehova, Gerechtigkeiten liebt Er.“

Das ist die allgemeine Grundlage für das Vertrauen und den Wandel der Frommen; doch sind sie nicht unempfindlich für das Böse, aber sie können es dem Herrn vorstellen, und das ist der Gegenstand von Psalm 12.


Psalm 12

„Rette, Jehova! denn der Fromme ist dahin.“ Jehova wird alle stolzen und schmeichelnden Lippen ausrotten. Hochmut und Trug, das ist der Charakter des Gesetzlosen. Er kennt weder Hindernis noch Zügel für seinen Willen; er sagt: „Wer ist unser Herr?“ Aber gerade weil er die Armen unterdrückt, steht Jehova auf. Die Worte Jehovas, worauf diese Armen sich stützten, und die Hilfe verhießen als notwendiges Zeugnis für den Charakter Jehovas, auf den sie schauten, sind reine, wohlgeläuterte Worte. Sie werden unfehlbar die verheißene Frucht tragen; es ist nichts Betrügliches in ihnen. Jehova wird Seine Armen bewahren vor dem Geschlecht der Gesetzlosen. Aber die Gesetzlosen haben freien Spielraum, „wenn die Gemeinheit erhöht ist bei den Menschenkindern“.

Psalm 13

In Psalm 13 sehen wir den Gerechten bis zum äußersten Punkt der Drangsal gebracht, insoweit dieselbe durch die Menschen verursacht wird. Es ist, als ob Gott ihn gänzlich und für immer vergessen hätte. Sein Feind hat sich über ihn erhoben, und er selbst hegt Ratschläge in seiner Seele; dann aber schreit er zu Jehova, blickt zu Ihm empor, dass Er ihn hören möge, damit er einerseits nicht umkomme und andererseits der Feind nicht sagen könne, dass er die Oberhand behalten habe. Und Jehova hört ihn; der Gerechte kann frohlocken und Jehova besingen, auf dessen Güte er vertraut hatte, und der am Ende an ihm wohlgetan hat.

Psalm 14

In Psalm 14 hat das Böse vor Gott den Höhepunkt erreicht. Was vom Fleische immer wahr ist, ist jetzt vor das Auge Gottes gebracht zur Zeit, wo Er im Begriff steht zu richten. Der Mensch erhebt sich vor Ihm in seinem Stolz, und gerade das führt das Gericht herbei. „Jehova schaut vom Himmel hernieder auf die Menschenkinder, um zu sehen, ob ein Verständiger da sei, einer der Gott suche.“ Aber da ist keiner. Es gibt wohl einen Überrest, in dem die Gnade gewirkt hat und den Gott schon als Sein Volk anerkennt (V. 4), diesen fressen die Bösen, als äßen sie Brot, Jehova aber rufen sie nicht an. Des Menschen Stolz und Bosheit sind völlig ausgereift; aber bald ändert sich alles: Gott ist unter dem gerechten Geschlecht. Schrecken kommt über den Stolzen, der kurz vorher noch den Elenden verhöhnte, weil er auf Jehova vertraute. Der 7. Vers zeigt uns, dass alles dieses prophetisch auf eine spätere Zeit hindeutet, und wo und wie es erfüllt werden wird; diese Erfüllung ist das Verlangen des Gerechten gemäß dem Verständnis des Glaubens. Beachten wir, dass er die Rettung aus Zion erwartet und dass er nicht eher befriedigt ist, bis Jehova dort Frohlocken bereitet hat. Zugleich wird das Volk als in der Gefangenschaft befindlich betrachtet.


Psalm 15

Dann entsteht die Frage: Wer wird teilhaben an den Segnungen dieses heiligen Berges, wenn der Herr den Sitz Seiner gerechten Macht in Zion aufgeschlagen haben wird? Psalm 15 gibt Antwort auf die Frage: „Der in Lauterkeit wandelt und Gerechtigkeit wirkt und Wahrheit redet von Herzen.“ Sehr bemerkenswert ist folgendes: obwohl die Gerechten (wenn alles um sie her finster ist, wenn die Gottlosigkeit gänzlich die Oberhand hat und die Grundlagen aller irdischen Hoffnung, selbst in den Dingen, die Gott betreffen auf Erden, zerstört sind, wenn die Bosheit den Platz der Gerechtigkeit eingenommen hat) nach oben schauen und im Himmel den unerschütterlichen Thron Gottes erblicken und dadurch alles im Himmel und auf der Erde in Verbindung gebracht sehen, bleibt doch der eigentliche Punkt, den sie im Auge haben, Jehova in Seinem heiligen Tempel und die aus Zion kommende Rettung. Und so wird es in Wirklichkeit sein (siehe Jes 66, 6). Der unerschütterliche Thron im Himmel wird den so lange verödeten Thron auf der Erde in Macht aufrichten. Jehova wird in Seinem Tempel sein, aber Er wird in der Person Christi in Zion regieren. Diese Rettung trägt einen jüdischen Charakter und entspricht den rechtmäßigen Hoffnungen der Juden.

Wir müssen hier eine wichtige, allgemeine Bemerkung machen, dass nämlich der Überrest hier das volle Bewusstsein seiner Beziehungen zu Jehova genießt. Wie schwer auch die Prüfung, was auch der Zustand des Überrestes, wie groß die Bosheit des Volkes oder der Druck der Nationen im Lande sein mögen, der Glaube des Überrestes schaut auf seine Beziehungen zu Jehova. Deshalb wird Jehova auch betrachtet als in Seinem heiligen Palast wohnend, obwohl für den Augenblick noch keine Offenbarung Seiner Macht zu sehen ist. Ebenso wird der Überrest hier nicht als gänzlich vertrieben betrachtet, noch die Macht des Antichrists als völlig offenbart, denn wenn der Antichrist seine Macht aufrichten wird, so wird offener Abfall da sein, und die Gläubigen werden vertrieben werden. Wir sehen hier vielmehr den Gesetzlosen und die Nationen im Lande, und Psalm 11 belehrt uns deutlich, dass der „Gesetzlose“ hier einen Charakter und nicht eine Person bezeichnet; das Wort steht dort überall in der Mehrzahl, außer in Vers 5, wo der Gesetzlose im Gegensatz zu dem Gerechten dargestellt wird.

Diese Psalmen übergehen die Vertreibung des Überrestes aus Jerusalem und führen uns in Hoffnung auf einen anderen Schauplatz, indem sie uns die durch Jehova bewirkte Rettung zeigen, wenn Er wirklich nach Jerusalem zurückgekehrt ist; jedoch nicht die Vernichtung des Antichrists durch den vom Himmel kommenden Herrn, sondern die Vertreibung der heidnischen Unterdrücker durch Jehova, der Seinen Sitz in Zion hat. Deshalb wird hier ganz Israel genannt (Ps 14, 7), und die Rettung kommt aus Zion. Darum haben auch diese Psalmen, soweit sie sich auf Christum beziehen, die Zeit im Auge, während der Er auf der Erde wandelte, vor Seiner schließlichen Verwerfung. Im allgemeinen beziehen sie sich nicht unmittelbar auf Ihn, mit Ausnahme von Psalm 2 und Psalm 8, sondern auf den Überrest; doch hat Christus Sich in Seinem öffentlichen Wandel auf der Erde, von Seiner Taufe durch Johannes an, in Gnade mit dem Überrest vereinigt, wie Er auch am Ende Seines Weges in Gnade die Leiden geschmeckt hat, die der Überrest am Ende Seiner Geschichte erdulden wird.

Alle diese Psalmen zeigen uns den Zustand des Überrestes, während dieser noch seinen Platz in der Mitte der Völker hat, die noch nicht durch öffentlichen Abfall mit Jehova gebrochen haben, deren Bosheit sich aber in der Tat zeigt und bis zum Höhepunkt fortschreitet; und sie leiten durch Glauben in die Zeit über, wo Jehova von Seinem Sitz in Zion aus Sein Volk befreien wird, indem Er alle Nationen aus Seinem Lande vertreibt und ganz Israel aus der Gefangenschaft zurückführt. Die ganze Szene der letzten Tage liegt vor uns, mit Ausnahme der letzten halben Woche der antichristlichen Herrschaft. Jehova ist in Seiner Wohnung noch öffentlich anerkannt. So war es genau in den Tagen des Herrn. In Psalm 14, 5 wird von Elohim gesprochen, weil es sich da nicht um die Beziehung zwischen Ihm und Seinem Volke handelt, sondern um Gott Selbst in Seiner Natur und Seinem Charakter. Nicht der Mensch, noch irgend etwas vom Menschen, noch selbst die Macht Satans erscheint da, sondern „Gott ist unter dem gerechten Geschlecht“.

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