Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)

Psalm 103-106

Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)

Die Psalmen 103 – 106 zeigen uns die Ergebnisse der Geschichte Israels in Gnade und Verantwortlichkeit sowie den Bund unter diesen beiden Gesichtspunkten. In Psalm 103 vernehmen wir die Stimme des Messias inmitten Israels; Er preist Gott hinsichtlich Seiner Handlungsweise mit Seinem Volke; in Psalm 104  erhebt Er Gott im Blick auf die Schöpfung. In Psalm 105  werden die Gnadenwege Gottes mit Israel betrachtet, und zwar von Abraham an bis zur Besitzergreifung des Landes (das Israel nunmehr in Frieden besitzen soll); in Psalm 106  dagegen wird die Verkehrtheit der Wege Israels von Anfang bis zu Ende vor Gott anerkannt, aber auch Jehovas Güte, auf die der Glaube rechnet, denn sie „währt ewiglich“. Gnade und Güte bilden die einzige Grundlage, auf der der Glaube noch hoffen kann und auf der das Volk zum Gehorsam geführt werden wird. Damit endet das Buch. Doch ich möchte noch einige ins einzelne gehende Bemerkungen machen.

Psalm 103

Ohne Zweifel ist der Geist Christi der Anführer in diesen Lobeserhebungen Jehovas, denn Er sagt: „Von dir ist mein Lobgesang in der großen Versammlung“, doch redet Er in diesem Psalm im Namen von ganz Israel. Das Volk hat Vergebung und Gnade empfangen durch die Güte und die Erbarmungen Jehovas. Was den Menschen betrifft, so gleicht er dem Grase; auch das Volk war wie Gras gewesen und war verdorrt (Jes 40, 6 – 8). Doch die Güte Jehovas ist von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, die Ihn fürchten – die Gehorsamen. So wird, gerade infolge der Natur und des Namens Jehovas, alles der Güte, aber auch der Treue zugeschrieben; doch gilt es den Gehorsamen, dem gottesfürchtigen Überrest. Jehova erkennt sie jetzt an mit Güte und Erbarmungen; alle ihre Sünden hat Er weit von ihnen entfernt. Jehova hat Seinen Thron in den Himmeln festgestellt – das einzige Mittel, wodurch die Segnung sichergestellt werden konnte –, und nun herrscht Sein Reich über alles; nicht nur dass Er Anspruch auf alles hat, sondern das Reich ist tatsächlich errichtet. Es sind die Lobeserhebungen Israels infolge des Einschreitens Jehovas, von dem die vorhergehenden Psalmen geredet haben. In Matthäus 9, 1 – 6 wird Jesus als der Jehova bezeichnet, der hier am Ende der Tage ganz Israel heilt (V. 3). Je näher wir die Schrift kennen lernen, desto einfacher und klarer tritt uns die Wahrheit vor Augen, dass Christus, obwohl der „Sohn des Menschen“, doch zugleich der Jehova des Alten Testamentes ist.

Psalm 104

der Jehova als Schöpfer preist, erfordert nur wenige Bemerkungen. Man wird finden, dass er sich fast ausschließlich mit der Erde beschäftigt. Jehova ist mit himmlischer Pracht bekleidet; diese beschreibt der Geist Gottes in wunderschöner Sprache, aber im übrigen handelt es sich um die Erde. Sie wird betrachtet so wie sie ist, als der Wohnplatz des Menschen; aber alles ist abhängig von Jehovas unumschränktem Willen. Es ist nicht die Erde, die gefeiert wird, sondern Jehova als ihr Schöpfer; auch handelt es sich nicht um das Paradies, sondern um die Erde, wie wir sie der Hand des Menschen übergeben sehen. Doch unser Psalm sieht der Vertilgung der Sünder von der Erde entgegen; die Gesetzlosen werden nicht mehr sein. Dies verleiht augenscheinlich dem Psalm seinen besonderen Charakter und bringt ihn in Verbindung mit der Einführung des Erstgeborenen in den Erdkreis.

Psalm 105

bringt Jehova Danksagung und fordert den Samen Abrahams und Jakobs auf, Seiner zu gedenken und sich Seines Namens zu rühmen. In den Versen 7 und 8 finden wir den Beweggrund zu dieser Aufforderung: Jehova ist der Gott Israels; Seine Gerichte sind auf der ganzen Erde – Er hat Seines ewigen Bundes, gedacht. Dieser sollte ein immerwährender Bund sein, Er hat ihn geboten auf tausend Geschlechter hin, dieses Bundes hat Gott jetzt gedacht. Dann erinnert der Psalm daran, wie Gott einst Seine Fürsorge an den Vätern erwiesen und Gericht an Ägypten geübt hatte, um Sein Volk zu befreien; trotz der langen Knechtschaft war kein Strauchelnder in ihren Stämmen. „Er gedachte seines heiligen Wortes, Abrahams, seines Knechtes 1; und er führte sein Volk heraus mit Freuden, mit Jubel seine Auserwählten; und er gab ihnen die Länder der Nationen, und die Mühe der Völkerschaften nahmen sie in Besitz; damit sie seine Satzungen beobachteten und seine Gesetze bewahrten.“ Alle darauffolgende Untreue des Volkes wird in diesem Psalm nicht berührt; denn auch jetzt wieder, in den letzten Tagen, hat Gott Seines Bundes mit Abraham gedacht und hat Sein Volk durch Gerichte befreit. Handelt es sich doch um die Erfüllung der Verheißungen, und „die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar“. Der folgende Psalm dagegen zeigt uns Israels Wege, aber nur, um Jehovas Barmherzigkeit und nie versagende Güte in ein um so helleres Licht zu stellen; denn darum handelt es sich hier.

Psalm 106

„Hallelujah! Preiset Jehova, denn Er ist gut, denn Seine Güte währt ewiglich.“ Das ist, wie wir schon oft sahen, der Ausdruck der unfehlbaren Treue und Güte Jehovas, die Israel in Sicherheit stellen. In Vers 3 haben wir den Charakter derer, die glückselig gepriesen werden. Der fromme Israelit in den letzten Tagen wünscht, dass Jehova seiner gedenken möge mit der Gunst gegen Sein Volk – er möchte anschauen die Wohlfahrt der Auserwählten Jehovas und sich erfreuen an der Freude seiner Nation, sich rühmen mit Jehovas Erbteil. Wir finden hier den Ausdruck wahrer Frömmigkeit; der Psalmist bekennt die Schuld seines Volkes; er sagt jedoch nicht: „Sie haben gesündigt“, obwohl dies anerkannt wird, um zu zeigen, wie die Güte Jehovas trotzdem fortgedauert hat; sondern er sagt im Namen des Überrestes: „Wir haben gesündigt samt unseren Vätern.“ Es ist wirkliche, praktische Frömmigkeit, die gerade in einem solchen Bekenntnis die ewigwährende Güte Jehovas beweist. In diesem Lichte betrachtet der Psalmist dann die ganze Geschichte Israels und zeigt am Ende, dass Jehova trotz allem ihre Bedrängnis angesehen hat, indem Er Seines Bundes gedachte und sie vor den Nationen, unter denen sie sich befanden, Erbarmen finden ließ. Auf diese Güte wartet der Psalmist auch jetzt, damit sie sich Seines Lobes rühmen möchten. Hiermit schließt das vierte Buch.

Man wird bemerken, dass dieses Buch, wie wir es auch im dritten Buche sahen, von ganz Israel spricht. Obwohl die Erniedrigung Christi dargestellt und Seine ewige Gottheit in beachtenswerter Weise derselben gegenübergestellt wird, geht doch dieses vierte Buch nicht besonders auf die Umstände der Juden ein, noch auf die Vereinigung Christi mit ihnen, obgleich Sein Geist durchweg in ihm redet. In Psalm 94 wird auf den Antichristen hingewiesen, jedoch nur um zu zeigen, dass er vernichtet werden wird durch das Kommen des Messias, des Königs, in Seinem Charakter als Jehova, der Richter.

Fußnoten

  • 1 Der Unterschied, ob Bezug genommen wird auf die dem Abraham gegebenen bedingungslosen Verheißungen oder auf die Mose gegebenen Zusagen, deren Erfüllung abhängig war von der Treue des Volkes, ist wichtig hinsichtlich der Gnadenerneuerungen dem Volke Israel gegenüber und im Blick auf den Glauben, der auf die eine oder andere Klasse von Verheißungen Bezug nahm.
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