Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)

Psalm 29-39

Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)

Psalm 29

Psalm 29 fordert die Starken auf, die noch stärkere Stimme Jehovas zu beachten, Ihn anzuerkennen und vor Ihm anzubeten gemäß der heiligen Ordnung Seines Hauses, sowie die Macht Seiner Stimme in der ganzen Schöpfung zu preisen. Doch es gibt einen Ort der verständnisvollen Anbetung, wo Seine Herrlichkeit verstanden wird – Sein Tempel, wohin die Menschen kommen sollen. Und dieser Jehova ist erhaben über dem Toben der Wellen jeder geschaffenen Macht. Er thront als König ewiglich und trotz allem, und Er, dieser mächtige Jehova, wird Seinem Volke Stärke geben und es mit Frieden segnen. Der Psalm enthält nicht Klagen der Gerechten oder eine Anrufung Gottes ihrerseits, er ist vielmehr eine wirkliche Ermunterung für sie und ein Zeugnis, welches ihren Herzen in Gegenwart der Starken dieser Erde Mut geben soll. Er, der für sie Sorge trägt, ist stärker als jene.

Psalm 30

In Psalm 30 finden wir den Gegensatz zwischen dem Vertrauen auf das Wohlergehen, selbst wenn es von Gott gegeben ist, und dem Vertrauen auf Gott Selbst. Er ist eingeschritten und hat den Armen erhöht und ihn nicht seinen Feinden preisgegeben. Seine Gunst ist Leben. Wenn Er zürnt, so geschieht es nur für einen Augenblick und zum Besten Seiner Heiligen; Seine Gunst aber währt für immer. Wenn am Abend Weinen eingekehrt ist, so ist am Morgen Jubel da. Vielleicht führt Er den Gläubigen hinab bis zu den Pforten des Grabes, aber dann geschieht es, um Seine Macht in unfehlbarer Rettung zu zeigen. Der Gerechte, Israel selbst als Volk, hatte auf das ihm verliehene Wohlergehen vertraut; jetzt aber, in der Tiefe des Elends, hat er Jehova als Retter gefunden. Die Macht des Bösen überwinden, ist besser als Güter, die man verlieren kann. Es gibt Sicherheit für uns, und zwar unter dem Segen und in den Armen Jehovas; denn Er ist der Retter. Wir sehen hier klar, dass es sich um ein lebendiges Volk handelt, welches auf Erden gesegnet werden soll (V. 3 u. 9). Und obwohl es zu allen Zeiten ähnliche Gnadenerweisungen geben mag, denn auch im Blick auf uns Christen gibt es eine Regierung Gottes, würde es doch ein gefährlicher Irrtum sein, das hier Gesagte auf die Heiligen der Jetztzeit anzuwenden. Unser Psalm redet von einer zeitlichen Rettung, um den Frieden in dieser Welt zu genießen (vgl. Jes 64). Kein Berg, selbst wenn wir ihn als von Gott festgestellt anerkennen, ist Jehova Selbst gleich, auch wenn ich mich am Rande der Grube befinde. Es ist für mein Herz mein Berg, wenn ich mich damit beschäftige.

Psalm 31

zeigt uns, wie Jesus fromme und heilige Ausdrücke eines Psalmes gebrauchen und tatsächlich im Geiste durch alles hindurchgehen konnte, ohne dass der Psalm eine buchstäbliche Anwendung auf Ihn hatte. Wir finden hier die von Ihm ausgesprochenen Worte: „In deine Hand befehle ich meinen Geist“, was im vollsten Sinne wahr war. Aber dann fährt der Psalm fort: „Du hast mich erlöst, Jehova, du Gott der Wahrheit“, während Jesus das Wort „Vater“ hinzufügte. Obwohl ich nicht daran zweifle, dass Seine Seele in dem Augenblick, als Er jene Worte aussprach, sich wieder der Gunst Gottes erfreute, können doch die Worte: „Du hast mich erlöst“, nicht auf Ihn angewandt werden 1. So enthält dieser ganze Psalm, von David abgesehen, das Flehen und den Ausdruck des Vertrauens des Überrestes, indem er die beiden Grundsätze, Vertrauen und Gerechtigkeit, miteinander verbindet; der Überrest bittet um Leitung um des Namens Jehovas willen und erwartet die Rettung, während er von Feinden umringt ist. Der Gerechte hatte Jehova angerufen, um Seinen Namen handelte es sich. Auf Seine Güte, die aufbewahrt ist denen, die Ihn fürchten, rechnet er, und zwar während eines Lebens, welches vor Kummer und Seufzen dahinschwindet. Bedrängnis lastet auf ihm und verschlingt seine Kraft. Er wird geprüft wegen seiner Treue, und doch fliehen Freunde und Bekannte vor ihm. Das wird der Zustand des Überrestes sein, und wie völlig Christus darin eingetreten ist, brauche ich wohl nicht zu sagen. Doch die Zeit der Erlösung, und zwar aus allem, was der Heilige zu irgendeiner Zeit erdulden und durchmachen muss, ist in Gottes Hand, nicht in der des Feindes, wie sehr dieser auch wüten mag. Und inmitten der Bedrängnis kennt Jehova seine Seele, denn er wandelt in dem Bewusstsein der Bundes-Beziehungen: Jehova ist sein Fels und seine Burg. In seiner Bestürzung hielt der Gerechte sich für abgeschnitten; aber als er schrie, hörte Jehova. Bei all dem Toben der Feinde um ihn her schrie er zu Jehova als zu seinem Gott (V. 14 u. 15); und nun rühmt er in den beiden letzten Versen das Endergebnis und ermutigt die Treuen und alle, die auf Jehova harren. In welchen Schwierigkeiten sie auch sein mögen, Jehova hilft den Treuen und richtet die Hochmütigen.

Dies beschließt und fasst in gewissem Sinne den auf Erfahrung beruhenden und von dem Geiste eingegebenen Ausdruck der Gefühle des Überrestes noch einmal kurz zusammen und stellt diesen Zustand völlig ans Licht. In dem folgenden Psalm ist die Rede von Vergebung und Gnade; und von da an begegnen wir einer klareren Auffassung, einem größeren Vertrauen und einem richtigeren Urteil über alles, was den Gläubigen umgibt, bis wir zu Psalm 38 und Psalm 39 kommen, die wieder ihren besonderen Charakter tragen. Allerdings ist die Rettung noch nicht gekommen, aber die Gefühle, die wir da finden, sind mehr der Ausdruck der Gunst Gottes im Licht, als des Vertrauens in der Tiefe des Elends. Wie völlig dieser 31. Psalm der Ausdruck des Geistes Christi ist, wird jeder von Gott unterwiesene Leser erkennen, und doch war Sein eigenes Verhältnis zu Gott ein anderes. Er war Sohn und befahl sterbend Seinen Geist in die Hand Seines Vaters, nicht aber in die Hand Jehovas, um vom Tode gerettet zu. werden, und wie wir in der Einleitung schon gesehen haben, bat Er für Seine Feinde, die Ihn kreuzigten, anstatt Rache auf sie herabzurufen. Diese Bitte um Rache, die durch Seinen Geist in dem Überrest wachgerufen wird, steht in Übereinstimmung mit Seinen Gedanken in den betreffenden Tagen. Mit Ihm persönlich musste es anders sein, denn Er kam in Gnade und gab Sein Leben hin als Lösegeld für Israel und für viele andere. Daher ging Er in vollkommener Weise mit Seinem Vater in Gethsemane durch alles hindurch und gab Sich dann Selbst hin in den Tod, da dies der Wille Seines Vaters war. Aber was die Trübsal und die Leiden des Überrestes betrifft, so ging Er durch alles hindurch, und der prophetische Geist drückt in den Psalmen in diesen anklagenden Worten das aus, was sicher am Ende in Erfüllung gehen wird als Folge der gottlosen Feindschaft der Juden wie auch der Heiden, und diese Ausdrücke werden zu lebhaften Forderungen werden in dem Munde des Überrestes, dessen einzige und notwendige Rettung gerade in jenen Gerichten liegen wird.

Leben hat Christus erbeten, und es ist Ihm in Auferstehung und Herrlichkeit gegeben worden, wie der 21. Psalm zeigt; aber nicht, wie wir wissen, dadurch, dass Er vor dem Tode bewahrt geblieben ist. Der Pfad des Lebens ging für Ihn durch den Tod, indem Er die Versöhnung vollbrachte, obwohl Er nicht von dem Tode behalten werden konnte. So trat Er im Geiste in all die Bedrängnisse des Überrestes ein. Im Sinne des Schreibers beziehen sich die Worte des Psalmes auf seine eigenen Gefühle, im prophetischen Sinne dagegen auf den treuen Überrest in späteren Tagen.

Doch die Fülle der verschiedenen Beweggründe und Gefühle, die in diesem Psalm angehäuft sind, erfordert noch einige kurze Bemerkungen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass hier die so häufig vorkommenden beiden Grundlagen, auf die sich das Vertrauen des Gläubigen zu Gott stützt, sowie die Gerechtigkeit als Triebfeder und Grund dieses Vertrauens beisammen gefunden werden. Als weiterer Beweggrund kommt hier der Name Jehovas hinzu. In den Versen 3–6 haben wir die völlige Verwerfung derer, die auf nichtige Götzen achten. In Vers 7 wird die Güte Jehovas als Gnade anerkannt. Er hat Kenntnis genommen von den Bedrängnissen der Seele des Gläubigen – ein köstlicher Gedanke, so dunkel es auch um ihn her gewesen sein mochte! –, und Er hat Rettung gewährt (V. 8). Die ersten acht Verse bilden eine Art Einleitung und enthalten allgemeine Grundsätze; vom neunten Verse an drückt Christus Seine äußerste Bedrängnis aus. Sie lastet schwer auf Ihm. Er war Seinen Bedrängern und besonders Seinen Nachbarn zum Hohn geworden, zum Schrecken Seinen Bekannten; so elend und verachtet war Er, und doch wurde Er gehasst und verworfen! Beides zu sein ist das Teil eines göttlichen Charakters, ja, Gottes Selbst. Der Mensch kümmert sich nicht um jemanden, den er verachtet, aber so macht er es nie mit Gott, oder mit dem, was von Gott ist 2. Er wird, wenn Gott Sich Selbst erniedrigt, Ihn noch weiter zu erniedrigen suchen, und ebenso die, welche Gott angehören; zugleich fürchtet er sich vor Ihm und hasst Ihn. Obwohl vergessen, wird Christus doch geschmäht, und die tobenden Feinde ratschlagen und sinnen darauf, Ihm das Leben zu nehmen. So zeigen uns die Verse 9–13 den Standpunkt, den der Geist Christi, oder Christus Selbst, in der Welt einnimmt.

Der 14. Vers enthält ein sehr treffendes Bild: Der Psalmist vertraut auf Jehova; alles, was über ihn kommen muss, ist schließlich in Jehovas Hand. Dann aber wird noch ein anderer Grund für die Erhörung angeführt: „Ich habe dich angerufen“ (V. 17). Die Lügenlippen wird Gott verstummen lassen (V. 18). Weiter begegnen wir dem Vertrauen auf die Güte Gottes, die den Heiligen aufbewahrt wird, und dem Verbergen in der Gegenwart Gottes in der Zeit der Bedrängnis. Vers 21 rühmt die Treue Jehovas, während die Verse 22 und 23 aufgrund dieser Treue die Heiligen ermutigen. So wird hier bei einer Bedrängnis ohnegleichen alles, worauf der Gläubige sich zu berufen vermag, in der schönsten Weise zusammengestellt. Die ganze Psalmenreihe, die wir zuletzt betrachtet haben, ist der Ausdruck der Gefühle Israels, während es sich unter dem Druck der Trübsal befindet und nach Rettung aus ihr verlangt; und das ist es, was Israel wirklich tun wird.

Psalm 32

In Psalm 32 kommen wir zu dem, was dem treuen Israeliten noch mehr Not tat als eine äußerliche Befreiung, nämlich die Vergebung der Sünden. Die Größe der Drangsal bringt ihn dahin, sich zu dem Gesetz Gottes zu wenden, führt ihn aber auch zu dem Bewusstsein, dass er es gebrochen hat. Auf Gerechtigkeit in diesem Sinne konnte er sich nicht berufen: er bedurfte der Vergebung, und dass Jehova ihm die Ungerechtigkeit, die auf ihm lag und die er jetzt anerkannte, nicht zurechne. Lang hatte er sich dagegen gesträubt, aber Jehova hatte ihm keine Ruhe gelassen. Er bekennt nunmehr die Sünde, und der Trug ist aus seinem Herzen gewichen. Bis dahin war es unmöglich; er verbarg die Missetat in seinem Herzen. Die Vergebung aus Gnade zieht den Gottesfürchtigen zu Gott. Bei der Flut großer Wasser wird er nicht von ihnen erreicht werden. Jehova ist der Bergungsort für seine Seele, Er behütet, segnet und leitet ihn. Nur werden die Gläubigen ermahnt, weise zu sein durch Gehorsam und nicht unverständig, damit Gott sie nicht durch die Macht Seiner Vorsehungswege leiten müsse.

Man beachte hier, dass, während die Vergebung gepriesen wird (und der Überrest wird ihrer dringend bedürfen), dennoch der große, unterscheidende Zug, der den Überrest von der Masse des Volkes trennt, bestimmt aufrechterhalten wird, nämlich Wahrheit, Gerechtigkeit und Lauterkeit des Herzens. Der „Gesetzlose“ hat viele Schmerzen.

Dem Grundsatz nach kann ein Psalm wie dieser auf die ausgedehnteste Weise angewandt werden; Gott sei dafür gepriesen! Seine prophetische Anwendung gilt dem Überrest, um Wahrheit im Innern hervorzurufen und die Gläubigen durch Güte zu jenem Bekenntnis zu ermutigen, bei dem allein Gott segnen kann; das ist stets der Fall, denn „Vergebung“ und „kein Trug“ gehen miteinander. Die Heiligen des Überrestes werden die völlige Annahme von Seiten Gottes erst dann kennen, wenn sie Ihn anschauen, den sie durchstoßen haben, und der als Jehova zu ihrer Befreiung kommen wird. Lasst uns jedoch unseren Herzen den Hauptgrundsatz dieses Psalmes tief einprägen, dass nämlich die völlige, uneingeschränkte Vergebung, die gänzliche Nichtzurechnung der Sünde, den Trug aus dem Herzen wegnimmt. Ohne das fliehen wir Gott, entschuldigen die Sünde und decken sie zu, wenn wir sie nicht zu rechtfertigen wagen. Aber wenn völlige Vergebung vor unseren Blicken steht, so haben wir Mut, wahr im Herzen zu sein. Wer wird nicht alle seine Schulden angeben, wenn ihre Bezahlung durch einen anderen das einzige ist, um das es sich handelt? Wer wird nicht offen über seine Krankheit reden, wenn die Heilung gesichert ist? Die Gnade bringt Wahrheit in das Herz, das dahin geleitet wird, seine Übertretungen zu bekennen; es findet die ganze Last seiner Sünden weggenommen. Die Demütigen und Frommen werden ermuntert, einem Gott zu nahen, den sie also kennen. „Bei dir ist Vergebung, damit du gefürchtet werdest“ (Ps 130,4). Dieser Psalm will somit den Überrest zu einem aufrichtigen Bekenntnis ermuntern, und sobald dieses vorhanden ist, wird er der vollen Segnung teilhaftig werden. Der Psalm ist gleichsam eine prophetische Vorbereitung und eine Schule für jene Gläubigen, indem er vor ihren Blicken das entwickelt, was noch nicht ganz erfüllt ist, wenn sie dahin gebracht sein werden, sich zu Jehova zu wenden, wovon sie aber wissen, dass es in Erfüllung gehen wird. Darum reden diese Psalmen auch von dem Charakter Jehovas, wie er sich dem Grundsatz nach bei den inspirierten Schreibern und in buchstäblichem Sinne oft bei Christo gezeigt hat, um das Vertrauen der Juden am Tage ihrer Bedrängnis wachzurufen und jede unruhige Seele zu beruhigen. Darum finden wir auch das Sich-Rühmen in der völligen Rettung vermischt mit dem Schreien um Rettung; denn einerseits ist alles prophetisch, und andererseits hat es schon Erfüllungen gegeben.

Bevor wir zur Betrachtung der folgenden Psalmen übergehen, lasst uns beachten, dass die Befreiung des Herzens vom Trug, die durch die völlige Vergebung hervorgebracht wird, zu jener Vertraulichkeit mit Gott führt, die bewirkt, dass wir durch Sein Auge geleitet werden. Wir haben dann dieselbe Gesinnung wie Er, und zwar in der Vollkommenheit Seiner eigenen Natur, in der Er sie offenbart. Vergebung führt zu voller Segnung.

Psalm 33

In Psalm 33, der mit Recht auf die Vergebung folgt, wird die völlige Errettung gepriesen. Die Aufrichtigen werden aufgefordert, sich zu freuen. Der Charakter Jehovas, Sein Wort und Seine Werke werden ans Licht gestellt, und die Erde ist jetzt voll Seiner Güte. Er ist der erhabene Schöpfer; die ganze Erde soll sich vor Ihm fürchten. Alle Gedanken und Ratschlüsse der Menschen werden vor Ihm zunichte gemacht; Sein Ratschluss bleibt bestehen. Glückselig die Nation, deren Gott Jehova ist, das Volk, das Er Sich erkoren zum Erbteil! Jehova hat auf die Menschen herabgeblickt und schaltet über alles; aber Sein Auge ist auf die gerichtet, welche Ihn fürchten und auf Seine Güte harren. So wird das herrliche Ergebnis des Einschreitens Gottes dem Glauben des Überrestes vorgestellt, und es wird besungen, als wenn Psalm 34 es schon völlig da wäre. Die drei letzten Verse zeigen uns das Vertrauen, das dadurch in den Gläubigen bewirkt wird.

Psalm 34

Das bestimmte Bewusstsein, dass Gott regiert, befähigt den Glauben, Jehova allezeit zu preisen. Er hat Seine Treue denen bewiesen, die in Bedrängnis waren. Der Psalmist, Christus im Geiste, fordert den Überrest auf, zu preisen, denn Jehova hatte ihm Seine Rettung gezeigt. Die Augen Jehovas sind gerichtet auf die Gerechten, und Seine Ohren auf ihr Schreien; Sein Angesicht ist wider die, welche Böses tun, um ihr Gedächtnis von der Erde auszurotten. Nahe ist Jehova denen, die zerbrochenen Herzens und zerschlagenen Geistes sind (V. 15–18). Der Gerechte hat Leiden zu erwarten, solange der Mensch seinen Tag hat, aber Jehova rettet ihn. Während den Gesetzlosen das Böse tötet, erlöst Jehova die Seele Seiner Knechte, und keiner, der auf Ihn traut, wird verlassen werden. Was wir hier finden, ist die völlige Zusicherung der Regierung Gottes zugunsten derer, die demütigen Herzens sind. Das befähigt sie, Gott zu preisen, und zwar nicht nur dann, wenn sie gesegnet werden – dazu gehört kein Glaube –, sondern allezeit; denn Jehova hört, bewahrt und erlöst sie, wenn sie in Trübsal sind. Christus ist das erhabene Beispiel für alles dieses. Ich glaube nicht, dass Er hier persönlich redet, obwohl dies in den ersten Versen im Geiste der Fall ist. In Vers 6 eignet sich der Glaube des Überrestes zu seiner eigenen Ermutigung das an, was mit Christo geschehen ist. Vers 20 ist auch buchstäblich bei Ihm in Erfüllung gegangen. Es ist das Geheimnis des Glaubens allein, das Kennzeichen desselben, allezeit zu preisen. Petrus wendet diesen Psalm auf die unveränderlichen Grundsätze der Regierung Gottes an (1. Pet 3). Es ist der erste Psalm, der den Charakter eines Zwiegesprächs hat (was wiederholt vorkommt, wie z. B. in Ps 91 und Ps 145), obwohl er ohne Zweifel der Ausdruck der Erfahrung des Psalmisten ist, der in Vers 11 wieder redet. Doch denke ich, dass Christus im Geiste in diesem Psalm die Wege Gottes offenbart. „Erhebet Jehova mit mir“; „ich suchte Jehova“. Er enthält die wirksamste Ermutigung für den sanftmütigen Gerechten.

Psalm 35

Psalm 35 enthält die dringende Bitte, dass das Gericht Jehovas über die unbarmherzigen und hinterlistigen Verfolger kommen möge, die nach der Seele des Gerechten trachten. Schmähung, List, Gewalt, alles wird gegen ihn angewandt. Seine Feinde behaupten, ihn erforscht zu haben. Er verlangt nach Rettung, damit Jehova möge gepriesen werden in der großen Versammlung, das heißt in der vollen Versammlung des wiederhergestellten Israel. Die Verse 13 und 14 zeigen uns die Gnade, in der der Fromme (Christus Selbst) mit jenen Feinden gehandelt hat. Obwohl der Psalm im allgemeinen auf jeden Gottesfürchtigen anwendbar ist, haben wir doch besonders Christum im Geiste hier vor uns.

Psalm 36

In Psalm 36 finden wir eine Warnung, die notwendig ist betreffs der Gottlosen, namentlich solcher, die in besonderer Weise die Feinde der Gerechtigkeit, die Werkzeuge der Macht Satans sind. Man kann nicht erwarten, bei ihnen ein Gewissen zu finden; da ist nichts, was sie in ihren bösen Plänen aufhält. Die Macht und die Güte Jehovas sind die sichere Zuflucht derer, die auf Ihn trauen. Schließlich werden die Gottlosen niedergeworfen.

Psalm 37

In diesem höchst interessanten Psalm handelt es sich hauptsächlich darum, dem Überrest, und zugleich jedem Gläubigem, tief einzuprägen, dass er auf Jehova harren und sich nicht durch das ihn umringende Böse in Verwirrung bringen lassen möge. Die Übeltäter werden wie das Gras schnell vergehen. Die Gerechten sollen sich nicht über sie erzürnen, sondern auf Jehova vertrauen und Gutes tun, sie sollen sich an Ihm ergötzen, und Er wird ihnen ihre Bitten geben. Sie sollen Ihm ihren Weg befehlen, und Er wird sie rechtfertigen. Sie sollen still dem Jehova vertrauen und auf Ihn harren, denn Er wird bald einschreiten und die Übeltäter ausrotten; dann werden die Sanftmütigen das Land besitzen. Auch der andere Charakter des Überrestes (der des gerechten Menschen) wird hier von Vers 12 an weitläufig dargestellt. Jehova vergisst Seine Heiligen nicht, sie werden bewahrt, die Gerechten werden das Land besitzen. Schließlich wird ihnen zugerufen. „Harre auf Jehova und bewahre seinen Weg!“ Die Gerechten leiden, aber sie werden nicht verlassen; die Gesetzlosen erfreuen sich großer Wohlfahrt, aber bald kennt ihre Stätte sie nicht mehr. Wie zeigt uns das hier über den Gerechten Gesagte die Tiefe der Leiden des Einen, der verlassen wurde, obwohl Er die Vollkommenheit der Gerechtigkeit war!

Dieser Psalm hilft uns auch die Verbindung erkennen, welche zwischen den Jüngern und dem Überrest der letzten Tage besteht (siehe Mt 5,5); zugleich zeigt er uns den Unterschied zwischen beiden: der Sohn war bei den Jüngern. Sie konnten für Seinen Namen leiden, und darum ist in Mt 5,12 von dem Himmel die Rede. Jesus konnte den Vater offenbaren; und das tut Er in jener Rede. Das Licht leuchtete in die Welt und war zugleich das Salz der Erde. Die Offenbarung des Vaters, der in Gnade handelte, machte die Jünger mit manchen Einzelheiten der Gnade bekannt, von denen der Überrest in den späteren Tagen nichts weiß. Doch trotz dieses Unterschiedes ist es tatsächlich derselbe Überrest.

Psalm 38

Wie ich bereits sagte, tragen die Psalm 38 und 39 einen besonderen, deutlich ausgeprägten Charakter. Bisher sahen wir, wie die Aufrichtigen nach Rettung ausschauten und verlangten, und dass ihnen die Vergebung der Sünden als Segnung gewährt wurde. In diesen beiden Psalmen jedoch liegt die Vergeltung von Seiten der Regierung Gottes für die Sünden schwer auf dem Überrest; er fühlt, warum er von der Hand Gottes leidet. In Psalm 6 flehten die Gläubigen, dass Er sie nicht strafen möge in Seinem Zorn, indem sie fürchteten, dass dies vielleicht ein Teil der Trübsal sei, die zu ihrer Stellung gehöre. Aber hier befinden sie sich völlig unter der Strafe um der Sünde willen: die Rute hat die Herde von außen, ihre Seele von innen getroffen. Es handelt sich um jeden einzelnen persönlich, obwohl es immer der Überrest ist. Die Freunde schrecken zurück vor einer solchen Plage; die Feinde, ohne Mitgefühl, verbünden sich gegen den Gläubigen und trachten nach seinem Leben. Dennoch ist er vor Jehova mit all seinem Begehr und seinem Seufzen. Sein Herz ist aufrichtig vor Gott und erkennt Ihn an, aber vor den Menschen ist er wie ein Stummer. Die Trübsale kommen für seine Seele von Jehova; und zu Ihm wendet er sich, und das mit Recht (V. 13–16), Er beugt sein Haupt und unterwirft sich. Seine Feinde sind tätig und stark. Doch obwohl Jehova ihn schlägt, vertraut der Gläubige auf Ihn; denn die demütige Seele erkennt an, dass die Strafe gerecht ist. Doch kann er Befreiung von seinen Feinden erwarten. Sie waren froh, wenn sein Fuß wankte, und freuten sich über ihn. Er aber tut seine Ungerechtigkeit kund und erkennt seine Sünde an: er entschuldigt sich nicht und verbirgt nichts in seiner Seele vor Gott. In Ihm schreit er, dass Er ihm zu Hilfe eilen möge.

Dieser Psalm ist, was den Zustand der Seele betrifft, überaus schön; der Geist Gottes hat für jeden Fall Vorsorge getroffen, selbst für den, dass der Aufrichtige gefehlt hat, was vielleicht eine schwere Züchtigung über ihn bringt und die Veranlassung wird, dass die Gottlosen sich über ihn freuen. Aber der Aufrichtige nimmt die Strafe für seine Ungerechtigkeit an und stellt sich aufrichtig vor Gott hin, indem er seine Sünde anerkennt, aber zugleich betreffs seiner Feinde auf Ihn vertraut. Wie traurig ein solcher Fall auch sein mag, so bringt doch nichts die Aufrichtigkeit vor Gott und das Vertrauen auf Ihn mehr zum Vorschein. Wie soll man seine Sünde bekennen und Hilfe von Gott erwarten, wenn man untreu gewesen ist, Ihn verunehrt hat und der Feind nun darüber frohlockt? Da ist keine Entschuldigung, kein Versuch, etwas zu verbergen – nichts von alledem; der Gläubige erkennt alles an und übergibt sich den Händen Gottes. Ohne das würde die Schilderung des Überrestes nicht vollständig gewesen sein, ebenso wenig wie die Unterweisungen der Gnade für jede Seele zu aller Zeit.

Nun entsteht die Frage: Wie weit tritt der Geist Christi in den hier geschilderten Zustand ein? Ich glaube, völlig, obwohl Christus persönlich selbstverständlich nie darin gewesen sein kann. Ohne Zweifel ist der Psalm infolge einer ernsten Züchtigung des Schreibers entstanden, einer Züchtigung, die vor allen offenbar war. Solche Fälle mögen in ihrer ganzen Ausdehnung unter dem Überrest vorkommen. Der Grundsatz ist allgemein anwendbar. Bei Christo konnte natürlich nichts sein, weswegen Er hätte gezüchtigt werden können, aber indem Er die Sünde in ihrer ganzen Tragweite vor Sich hatte und auf Seinem Pfade der ganzen Trübsal, welche das Volk treffen wird, begegnete, konnte Er, obwohl Er das grüne Holz war, in das ganze Gericht hineingehen, das über das dürre Holz kommen wird 3. Er konnte nicht das sagen, was hier gesagt wird, aber Er kann völlig mit denen fühlen, die es sagen müssen. Er hat für die passenden Worte gesorgt, die es durch Seinen Geist in ihren Herzen zum Ausdruck bringen werden. Wenn Er nicht den ganzen Zorn gerade für diese Sünden, die auf ihrem Gewissen lasten, getragen hätte, diesen Zorn, dem sie (in seiner ganzen Ausdehnung als Grimm betrachtet entrinnen, so würde nicht nur Züchtigung nötig gewesen sein, in der sie vor Jehova ihr Herz ausschütten. Daher kann Christus, wenn die Trübsal diesen Charakter trägt, mehr tun, als sie fühlen; und Er hat von all den schmerzlichen Umständen den größten Teil getragen.

Psalm 39

In Psalm 39 finden wir den Frommen noch unter den Schlägen Gottes; aber hier ist es mehr das Gefühl der Nichtigkeit alles Fleisches unter der Hand Gottes, als das des Missfallens, der Scham und der Furcht. Er beugt sich lieber vor Gott, als dass er seinem Geist erlaubt, sich zu empören und mit seiner Zunge töricht zu reden. Er hätte den Gesetzlosen antworten können, hätte gereizt werden können, Böses zu tun, aber sich zu bezwingen und zu schweigen geziemte sich für ihn, als die Hand Gottes auf ihm ruhte. Das ist immer so. Er schweigt sogar vom Guten, und sein Schmerz wird in ihm erregt; in ergreifenden Worten teilt er uns das mit. Schließlich strömt sein Herz über; aber nur um Gott die Nichtigkeit des Menschen vorzustellen, zu deren Erkenntnis sein Herz gekommen ist. Er wünscht das Maß seiner Tage zu wissen. Wie gering ist er! Er sieht, dass alles Eitelkeit ist, aber er sieht seine eigene Übertretung und Sünde in der Gegenwart des Gottes, dessen Züchtigung gleich der Motte die Schönheit des Mannes verzehrt. Von Jehova erwartet er die Rettung; Seine Schläge sind es, die Ihn bekümmern. Auf Ihn vertraut er, dass Er ihn nicht zum Hohne des Toren machen wird. Es ist von großer Schönheit, wie der Psalmist hier die Eitelkeit des Menschen und sein eigenes Nichts auf gleich niedriger Stufe erblickt und dennoch auf Gott vertraut, dass Er ihn von dem Hochmut des Menschen befreien werde.

Hiermit endet die moralische Geschichte des Überrestes (d. h. dessen, was in ihrem Innern vorgeht), soweit der Überrest auf Bundesboden als in Verbindung mit Jehova stehend betrachtet wird, indem er den Namen Jehovas anruft, weil er mit Ihm verbunden ist. Daher finden wir auch in den Psalmen des ersten Buches so vieles von Christo Selbst.

Fußnoten

  • 1 Der einzig mögliche Sinn, den sie in bezug auf ihn haben könnten, ist die Befreiung Seiner Seele (als Tatsache in jenem Augenblick) von dem Fluche, den Er für uns trug, wobei Er Gott hinsichtlich unserer Sünden und als für uns zur Sünde gemacht vollkommen verherrlicht hatte. Doch der Herr gebraucht diese Worte nicht. Obwohl Er tatsächlich sterben musste, waren doch die Bitterkeit und der Stachel des Sterbens vorüber.
  • 2 Welcher Räuber, der hingerichtet wird, würde einen anderen, von demselben Schicksal betroffenen Räuber schmähen? Aber der Räuber am Kreuze hat dies Christo gegenüber getan.
  • 3 Obwohl das dürre Holz im vollen Sinne des Wortes das leblose Israel ist, werden doch die Gläubigen des Überrestes, die so lange Jesum, den Messias, verworfen haben, da sie mit der Nation vermengt sind, in ihrem Herzen und Ihrem Geiste die Trübsale mit durchmachen, die über die Nation kommen, mit Ausnahme des Endgerichts von Seiten Gottes. Das hat Christus für sie getragen; Er starb für die Nation. Aber mit Ausnahme dieses Gerichts gehen sie durch alles, und fühlen in bitterem Schmerz und großer Angst in gewisser Beziehung vorher mehr, als wenn das Gericht kommt, weil sie das Gefühl der Sünde haben, die es herbeiführt. Daher konnte Christus, der die Ursache des Gerichts kannte und das Gericht voraussah, durch das Er gegangen ist, völlig in ihre Lage eintreten. Er ging durch die Bedrängnis, ohne irgendwelche Befreiung zu sehen, weil die Stunde gekommen war, in der Er unter die Gesetzlosen gerechnet werden sollte. Obwohl Er in Liebe in ihre Lage eintrat, stand doch die Gerechtigkeit, die Israel bedrohte, vor Ihm.
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