Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)

Psalm 2

Betrachtung über die Psalmen (Synopsis)

Das nächste wichtige Element für die Lage Israels und für die Regierung Gottes ist der Messias, die Ratschlüsse Gottes in Bezug auf Seinen Gesalbten. Hier werden die Heiden eingeführt, ja sie bilden den Hauptgegenstand des Psalmes; und wieder sehen wir uns in die letzten Tage versetzt, in denen die Rechte Christi gegenüber den Königen der Erde und allen Widersachern zur Geltung kommen werden. Doch ist Israel hier wieder der Mittelpunkt und Bereich der Ausführung dieser Ratschlüsse Gottes: der Gesalbte muss König in Zion sein. Die Widersacher sind die Großen der Nationen; aber das Böse erstreckt sich auch bis zu den Obersten von Israel, welche, wie wir sehen werden, „sterben werden wie ein Mensch, und fallen werden wie einer der Fürsten“ (Ps 82, 7) – „eine lieblose Nation“ (Ps 43, 1), wie auch Petrus uns gelehrt hat in Anwendung dieses Psalmes.

Ich sagte, dass die Ratschlüsse Gottes bezüglich des Messias das hier eingeführte Element der Wege Gottes sind, von denen die Psalmen handeln. Indes beginnt der 2. Psalm mit dem Auftreten der Nationen, um Gottes Oberhoheit von sich abzuschütteln, und dem Einschreiten Jehovas, welcher diese Oberhoheit aufrecht hält. Die abtrünnigen Juden sind leider, wie wir gesehen haben, in diesen großen Aufstand wider Gott verwickelt. Die Nationen toben, die Völkerschaften sinnen Eitles; die Könige der Erde und die Fürsten wollen die Bande Jehovas und Seines Gesalbten zerreißen. Aber diese Empörung führt nur Zorn und Ungnade herbei, gegen die jeder Widerstand eitel ist. Der im Himmel thront, lacht, Adonai (der Herr) spottet ihrer; Jehova hat allen zum Trotz Seinen König auf Seinen heiligen Berg gesetzt. Das ist der feste Beschluss Gottes, ausgeführt durch Seine Macht. Die Vermessenheit des Menschen, indem er sich gegen Gott auflehnt, führt nur seinen Untergang herbei.

Doch mehr als das tritt ans Licht. Wer ist dieser König? Jehova hat zu Ihm gesagt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“ Es ist Einer, der – gezeugt in dem, was man „heute“ nennen kann, d. h. gezeugt in der Zeit – von Jehova als Sohn anerkannt wird. Es ist hier also nicht die Rede von der gesegneten und köstlichen Wahrheit der ewigen Sohnschaft bei dem Vater, obschon es nicht davon getrennt werden kann, als ob das eine ohne das andere bestehen könnte, sondern es handelt sich um Einen, um Ihn, den gesalbten Menschen, um das Heilige, das in diese Welt hineingeboren wurde mit dem Titel (auch infolge Seiner Geburt hienieden): Sohn Gottes, der von Jehova als Sohn anerkannt wird. Deshalb sagt uns auch Paulus (in Apg 13, 33), dass diese Erweckung (nicht Auferweckung) Jesu die Erfüllung der den Vätern gegebenen Verheißungen sei, indem er unseren Psalm als Bestätigung seiner Worte anführt. Für Seine Auferstehung und Unverweslichkeit nennt er eine andere Stelle.

So sehen wir denn, dass der auf dieser Erde geborene Christus von Jehova als Sohn Gottes anerkannt wird. Dieser Titel ist von außerordentlicher Tragweite. Christus hat nur von Jehova zu fordern, und die Nationen werden Ihm zum Erbteil gegeben und die Enden der Erde zum Besitztum. Mit eisernem Zepter wird Er sie zerschmettern, wie Töpfergefäße sie zerschmeißen – zerschmeißen mit unwiderstehlicher Gewalt, indem Er Gericht ausübt über all die gottlose und ohnmächtige Auflehnung gegen Seinen Thron. Aber diese Ausübung des Gerichts ist noch nicht in Erfüllung gegangen. Der Psalm fordert die Könige und Richter auf, sich dem Sohne zu unterwerfen und Ihn demütig anzuerkennen, damit sie nicht umkommen, wenn Sein Zorn nur ein wenig entbrennt. Er selbst ist es, auf den man vertrauen muss; und wer könnte ein solches Vertrauen fordern außer Jehova?

Beachten wir, dass diese Aufforderung an die Könige der Erde sich gründet auf die Feststellung des Anspruchs Christi auf königliches Gericht und königliche Macht auf Erden. Ist denn Christus schon als König in Zion eingesetzt? Nein, Er wurde aus Zion hinausgeworfen und ans Kreuz gehängt, um eine bessere Segnung und eine höhere Herrlichkeit zu erlangen, als Er Selbst bei dem Vater hatte, ehe die Welt war. Aus Zion, dem Er Sich als König vorgestellt hatte, ist Er also hinausgeworfen worden; und was die Heiden und das irdische Erbe betrifft, so hat Er es noch nicht eingefordert; aber wenn Er es tun wird zu der vom Vater bestimmten Zeit, so wird der Vater es Ihm sicher geben und Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße legen. Er erklärt Selbst (Joh 17), dass Er nicht betreffs der Welt bitte, sondern betreffs derer, die Ihm aus der Welt gegeben seien. Die Könige der Erde fahren fort zu regieren; manche tragen selbst Seinen Namen und werden doch unter der Zahl der Empörer gefunden werden, wenn Er Seine große Macht annehmen wird, wenn die Nationen zornig geworden sind und Sein Zorn gekommen ist. Noch hat das eiserne Zepter sie nicht berührt, noch ist das zertrümmerte Töpfergefäß nicht ihr Bild. Der Herr ist noch nicht aufgewacht, um dieses Bild zu verachten (Ps 73, 20), sie regieren noch durch die Autorität Gottes. Aber in Zion ist kein König; Christus ist verworfen worden. Indessen wissen wir, dass Er der Herr (Adonai) in den Himmeln ist.

Somit haben wir die Grundzüge der Geschichte der letzten Tage vor uns: ein jüdischer Überrest erwartet das Gericht; die Gesetzlosen sind noch vorhanden; die Heiden toben gegen Jehova und Seinen Gesalbten; der im Himmel thront, lacht ihrer nutzlosen Wut; Jehova setzt Christum als König ein, ja, auf Seine Forderung gibt Er Ihm alle Nationen zum Erbteil (indem die Unterwerfung aller durch ein unwiderstehliches Gericht erzwungen werden muss). Keine Leiden werden hier erwähnt, selbst nicht für den Überrest in Psalm 1; es sind vielmehr die Ratschlüsse und Vorsätze Gottes, und eine Macht, der nichts zu widerstehen vermag. In gewissem Sinne sind die Könige der Erde schon aufgetreten, die Fürsten haben miteinander beratschlage und zwar mit Erfolg, soweit es die irdische Macht und den irdischen Schauplatz betrifft: Christus ist verworfen worden und hat keinen Widerstand geleistet.

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