Betrachtung über das Buch der Richter (Synopsis)

Kapitel 7-8

Betrachtung über das Buch der Richter (Synopsis)

Zweiunddreißigtausend Mann folgten Gideon nach. Der HERR will aber nicht so viele haben. Er allein muss bei ihrer Errettung verherrlicht werden. Ihr Glaube war tatsächlich so schwach, sogar während der Geist Gottes wirkte, dass, als sie dem Feind gegenüberstanden, zweiundzwanzigtausend Mann zufrieden waren, auf die Aufforderung Gideons hin zurückzukehren. Eine durch den Glauben eines anderen bewirkte Bewegung ist etwas ganz anderes als ein persönlicher Glaube.

Zehntausend Mann sind aber immer noch zu viele. Die Hand des HERRN allein muss gesehen werden. Nur die dürfen bleiben, die sich nicht aufhalten, um ihren Durst bequem zu stillen, sondern die sich der Gelegenheit gemäß in Eile erfrischen, die sich mehr dem Kampf widmen als ihrer eigenen Bequemlichkeit auf dem Weg. Das war es, was für Israel nötig war – dass der HERR seinen Platz in ihren Herzen und in ihrem Glauben haben sollte; und es passte zu dem gerechten Urteil Gottes in Israel, dass sie in Bezug auf ihren Platz in dem Werk an dessen Herrlichkeit keinen Anteil haben sollten.

Gideon legt jetzt völliges Vertrauen auf Gott an den Tag. Vordem ließ ihn die Schwachheit seines Glaubens zuviel auf sich selbst blicken, statt einfach auf Gott zu schauen. Sein tiefes Bewusstsein von dem Zustand des Volkes hinderte ihn daran, auch nur einen Augenblick zu zögern, weil das Volk nicht mit ihm war, was konnte man schon mit diesem Volk tun? Bei dem Misstrauen, das sich aus der Neigung ergab, zuviel auf sich selbst zu schauen, brauchte er die Gewissheit, dass der HERR mit ihm war. Da er jetzt aber die Sicherheit hatte, dass der HERR Israel durch seine Mittel erretten würde, vertraut er Ihm völlig.

Der HERR wirft Furcht und Schrecken in die Mitte des Feindes und tut das Gideon kund. Es ist ergreifend, die Fürsorge Gottes zu sehen, die Gott anwendet, um seinem Knecht ein Vertrauen einzuflößen, das der Not entspricht, die der Zustand der Dinge geschaffen hatte. Schon verbreitete der Name Gideons in dem zahlreichen Heer der Midianiter Schrecken. Dann – vom Schrecken erfüllt – vernichten sie einander. Die Zuversicht der Midianiter, die nur auf Israels Mangel an Kraft gegründet war, zerschmilzt vor der Energie des Glaubens, denn die Werkzeuge des Feindes haben immer ein schlechtes Gewissen. Der HERR ist es, der alles tut. Nur die Posaunen und die Fackeln verkünden seine Gegenwart und die seines Knechtes Gideon. Die ganze Menge Israels verfolgt den Feind, sich den Glauben eines anderen zunutze machend, obwohl sie selbst ohne Glauben waren, das übliche Ergebnis einer solchen Bewegung.

Dennoch schlossen sie sich nicht alle Gideon bei der Verfolgung der Midianiter an. Für den Augenblick aber verachtet Gideon die Feigheit, die ihn durch eine noch zurückgebliebene Furcht vor der Macht des Bedrängers verleugnet. Bei seiner Rückkehr züchtigt er in gerechtem Unwillen des Glaubens diejenigen, die in einem solchen Augenblick dem Feind Wohlwollen erzeigt hatten, wo die Knechte Gottes ermattet waren und nachjagten (Ri 8).

Während das Werk noch zu tun war, befassten sie sich damit und schritten weiter voran; wenn das Werk getan ist, ist noch genug Zeit für die Rache. Gideon besaß auch die Klugheit, sich zur Seite zu stellen, um den Neid derer zu beruhigen, die sich in ihrem Stolz verletzt fühlten, weil Gideon mehr Glauben gehabt hatte als sie. Sie rühmten sich nicht ihrer eigenen Bedeutung, noch baten sie darum, gerufen zu werden, als Midian die Macht über das Land Israel besaß. Es wäre unrecht, mit solchen Leuten zu streiten. Wenn wir damit zufrieden sind, dass wir das Werk Gottes getan haben, werden sie mit der Beute zufrieden sein, die sie bei der Verfolgung des Feindes finden; sie werden es sich als einen Sieg anrechnen. Das muss man ihnen erlauben, denn sie haben tatsächlich etwas für die Sache Gottes getan, obwohl sie sich ihrer spät annahmen. Sie kamen, als sie gerufen wurden, und anscheinend willig; sie befolgten die Anweisung Gideons und brachten ihm die Häupter der Fürsten. Das Geheimnis des Glaubens und des HERRN war bei Gideon. Es nützte nichts, mit ihnen darüber zu reden. Das Volk erkannte nicht seine eigene Schwachheit. Gideon muss auf der Seite des HERRN für Israel stark sein, da Israel nicht so mit ihm sein konnte. Aber gerade um dieser Ursache willen konnten sie nicht verstehen, warum sie vordem nicht gerufen worden waren. Es musste ungeklärt bleiben, ein Beweis für den traurigen Zustand Israels. Die Gefahr war aber gebannt und die Schwierigkeit beseitigt, da Gideon sich weise damit begnügte, sie dadurch zu beruhigen, dass er nicht auf seiner eigenen Wichtigkeit bestand, die sich aus einem Glauben ergab, von dem sie nicht fühlten, dass sie ihn nicht fassen konnten; sie konnten die Schwierigkeiten nicht richtig einschätzen, denn sie besaßen diesen Glauben nicht. Wir müssen Gott nahe sein, um zu empfinden, woran es in dem Zustande seines Volkes in Bezug auf Ihn mangelt, denn in Ihm ist es, wo wir das finden, was uns dazu befähigt, seine Kraft und die dringenden Erfordernisse unserer Beziehung zu Ihm zu verstehen.

Zu Lebzeiten Gideons wohnte Israel in Frieden. Obwohl die Einzelheiten dieser Errettung besonders interessant sind, so scheint sie mir einen niedrigeren Zustand des Volkes zu kennzeichnen als zur Zeit der früheren Errettungen. Damals schien es ganz natürlich zu sein, dass irgendein Knecht des HERRN, auf seinen Arm vertrauend, das Volk von dem Joch, das sie bedrängte, rettete. Oder aber – durch die Worte einer Prophetin erweckt – befreite sich das Volk selbst und gewann mit der Hilfe Gottes den Sieg über seine Feinde. In diesem Fall aber musste sogar das Bewusstsein der Beziehung des HERRN zu seinem Volk wiederhergestellt werden. Wie wir gesehen haben, ist es das, was Gott mit Gideon tut, und zwar mit rührender Herablassung und Zärtlichkeit. Es war aber erforderlich dies zu tun. Deshalb vollbrachte Gott allein die Errettung seines Volkes. Das Volk durfte nicht dazu gebraucht werden, sonst hätte sie es sich selbst zugeschrieben; denn je weiter wir von Gott entfernt sind, desto mehr neigen wir dazu, uns selbst das, was nur Ihm allein zukommt, zuzuschreiben.

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel