Das Evangelium nach Lukas

Kapitel 14

Das Evangelium nach Lukas

In den letzten Versen des vorhergehenden Kapitels sahen wir, wie der Herr Seine Verwerfung annahm und deren Folgen für Jerusalem voraussagte. Trotzdem unterbrach Er nicht Sein Handeln und Seine Belehrungen in Gnade, wie der Anfang dieses Kapitels zeigt. Die Pharisäer wünschten ihr Sabbatgesetz wie einen Strick zu benutzen, um damit Seine barmherzigen Hände zu binden und Ihn von Seinem Handeln abzuhalten. Er zerriß ihr Seil und zeigte, daß Er zumindest ebensoviel Barmherzigkeit mit den leidenden Menschen haben würde, wie sie üblicherweise an ihren Haustieren übten. Seine Gnade überströmte alle ihre gesetzlichen Vorurteile.

Von Vers 7 ab nimmt Lukas den Bericht über Seine Belehrungen wieder auf; einen weiteren Bericht über Werke des Herrn finden wir erst wieder, wenn wir zu Kapitel 17,11 kommen. An erster Stelle legt der Herr Nachdruck auf das Verhalten derer, die die Gnade empfangen haben. Die gefallene menschliche Natur ist energisch und überheblich, aber die Gnade kann aufgenommen werden, wenn sich Demut zeigt. Der Gast, der zu einer Hochzeit geladen wird, betritt den Festsaal aufgrund einer großmütigen Geste und pocht nicht auf Recht oder Verdienst, und entsprechend sollte er sich betragen. Man kann erwähnen, daß in weltlichen Gesellschaftskreisen heute dreiste Selbstbehauptung nicht zur guten Form gerechnet wird. Wir geben das zu und werten es als ein Zeugnis dafür, daß christliche Ideale noch vorherrschen. In ungebildeten Kreisen würde solche Aufdringlichkeit mit Beifall bedacht werden, und das wird sich zunehmend in dem Maß zeigen, wie ungebildete Ideale vordringen.

Die Erniedrigung derer, die sich selbst erhöhen, und die Erhöhung derer, die sich selbst erniedrigen, ist bisweilen in diesem Leben zu sehen, wird aber völlig in Erscheinung treten, wenn Er, der sich selbst im äußersten Maß erniedrigte, sogar bis zum Tod am Kreuz, öffentlich hoch erhoben ist und jedes Knie sich vor Ihm beugt. In Vers 11 können wir die beiden Adame unterscheiden. Der erste versuchte, sich selbst zu erhöhen, und fiel; der letzte erniedrigte sich selbst und sitzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.

In den folgenden drei Versen finden wir, daß der Herr nicht den Gast, sondern den Gastgeber belehrt. Auch er soll in dem Geist handeln, der der Gnade geziemt. Die menschliche Natur ist selbst bei ihren Wohltaten noch ichsüchtig, indem sie bei Einladungen an künftigen Nutzen denkt. Wenn wir, unter dem Einfluß der Gnade, an solche denken, die nichts haben, um es uns anzubieten, dann rechnen wir nicht mit einer irdischen Belohnung. Doch gibt es Belohnung für die Handlungen der Gnade, die aber in der vor uns liegenden Welt der Auferstehung aufbewahrt wird.

Unterweisungen dieser Art bewegten einen der Zuhörer zu dem Ausruf: „Glückselig, wer Brot essen wird im Reiche Gottes.“ Sehr wahrscheinlich wurden diese Worte unter dem Eindruck gesprochen, daß der Eingang in das Reich eine sehr schwierige Sache wäre und daß jemand, der dort Brot ißt, eine besonders glückliche Person sein muß. Diese Bemerkung führte den Herrn dazu, das Gleichnis vom „großen Abendmahl“ auszusprechen, in dem Er zeigte, daß die Tür zum Reich für alle offensteht, und wenn jemand nicht eintritt, so ist es sein eigener Fehler. Das Gleichnis enthält einen prophetischen Gesichtspunkt, d. h., der Herr schaut voraus und spricht von Ereignissen, die sich in unserer Zeit erfüllen. Es ist in erster Linie das Gleichnis vom Evangelium.

„Ein gewisser Mensch machte ein großes Abendmahl und lud viele.“ Kosten und Arbeit waren seine Sache; die Wohltat sollte vielen zugute kommen. Die Leute, die zuerst eingeladen wurden, waren bereits von irgendwelchen Dingen in Beschlag genommen: einem Acker, einem Ochsen, einer Frau. Die Geladenen sind ein Bild der Juden mit ihren religiösen Führern im Land, die zuerst die Botschaft hörten. Aufs ganze gesehen, wiesen sie die Einladung zurück, und gerade ihre religiösen Vorrechte, die sie schon besaßen, machten sie gegenüber dem Wert des angebotenen Evangeliums blind.

Als der Hausherr von ihrer Ablehnung hörte, wurde er „zornig“. In Hebräer 10,28.29 wird jemand, der „den Geist der Gnade geschmäht hat“, „ärgerer Strafe“ wert geachtet als einer, der das Gesetz Moses' verworfen hat. Was hier vor uns tritt, stimmt damit überein. Der Zorn des Hausherrn bedeutete tatsächlich, daß keiner von denen, die in dieser Weise die Einladung verachtet hatten, sein Abendmahl schmecken würde, wie Vers 24 feststellt. Aber die gütige Freundlichkeit des Hausherm war damit nicht zu Ende. Vielmehr wurde dem Diener befohlen, eilends hinauszugehen und Arme und Notleidende hereinzubringen - solche, die nach menschlichem Urteil dafür am wenigsten in Frage kamen.

Aber diese sollten in den „Straßen und Gassen der Stadt“ gesammelt werden; so vertreten sie unserer Meinung nach die Armen, die Geplagten, die Unwürdigen in Israel - Zöllner und Sünder im Gegensatz zu den Schriftgelehrten und Pharisäern. Solchen wandte sich der Herr selbst jetzt zu, und das Werk unter ihnen setzte sich fort bis in die Tage, von denen die Apostelgeschichte in den ersten Kapiteln berichtet. Dann kam der Augenblick, wo die Einladung unter ihnen in der deutlichsten Form verkündigt wurde. Und obwohl viele ihr nachkamen, konnte der Diener die freudige Mitteilung machen: „Es ist noch Raum.“

Das führte zu einer Erweiterung der freundlichen Einladung. Noch heißt es: „Geh hinaus.“ Die armen Hilflosen an den Wegen und Zäunen, außerhalb der Grenzen der Stadt, sollen auch noch hineingebracht werden, um das Haus zu füllen. Das ist ein Bild davon, daß das Evangelium auch zu den Heiden gelangen würde. Das führt uns zum Schluß der Apostelgeschichte, wo wir die Worte des Paulus finden: „Dieses Heil Gottes ist den Nationen gesandt, sie werden auch hören.“

Das Gleichnis stellt das Evangelium zweifellos weniger vom Menschen aus dar als von Gott aus. Er macht das Abendmahl, Er sendet den Diener, Er verfolgt Seinen eigenen Weg und füllt Sein Haus trotz der Verkehrtheit des Menschen. Der Diener, den Er sendet, ist der Heilige Geist, denn kein Geringerer als Er kann eine Macht ausüben, der nicht widerstanden werden kann. Die nachfolgenden Diener, sogar von der Größe eines Apostels Paulus, können nicht weitergehen, als die Menschen zu überreden (siehe 2. Kor 5,11). Allein der Geist des lebendigen Gottes kann so kräftig auf Menschenherzen einwirken, und sie nötigen, hereinzukommen. Aber das ist es, was Gott tut und für jeden von uns getan hat. Gepriesen sei dafür Sein Name!

Als sie diese Dinge hörten, gingen große Mengen mit Ihm. Es gibt viele Menschen, die gern bei Angeboten zuhören, die man umsonst bekommt. Der Herr wandte sich um und legte ihnen die Bedingungen der Jüngerschaft vor. Die Gnade Gottes legt keine Bedingungen auf, aber das Evangelium, das diese Gnade verkündet, stellt unsere Füße auf den Pfad der Jüngerschaft, der nur recht betreten werden kann, wenn wir uns diesen strengen Bedingungen unterwerfen. Vier werden hier erwähnt. (1) In den Zuneigungen des Jüngers muß der Meister den ersten Platz einnehmen, und zwar so sehr, daß alle andere Liebe damit verglichen wie Haß sein muß. (2) Wenn wir Ihm nachfolgen, müssen wir das Kreuz tragen; das bedeutet die Bereitschaft, ein Todesurteil von seiten der Welt anzunehmen. (3) Es sind die Kosten bezüglich unserer Hilfsquellen zu überschlagen; es ist notwendig, sich alles dessen, was wir in Christus, dem wir nachfolgen, besitzen, bewußt zu sein und es wertzuschätzen. (4) Gleicherweise sind die Mächte, die gegen uns aufgeboten werden, richtig einzuschätzen.

Wenn wir nicht die Kosten in jeder dieser Richtungen überschlagen, werden wir sehr wahrscheinlich einerseits über unser Maß hinausgehen oder aber andererseits von Furcht erfüllt werden und mit dem Gegner Kompromisse schließen. Wenn wir, wie Vers 33 sagt, tatsächlich alles, was wir haben, preisgeben, werden wir gänzlich auf die Hilfen des großen Meisters, dem wir folgen, angewiesen sein, aber dann steht uns auch der Pfad der Jüngerschaft in wunderbarer Weise offen.

Nun ist der wahre Jünger das Salz; und Salz ist gut. In Matthäus 5 hören wir den Herrn sagen: „Ihr seid das Salz der Erde“ (V. 13), und Er sprach zu „Jüngern“ (V. 1). Wenn der Jünger Kompromisse schließt, gleicht er dem Salz, das seine Kraft verloren hat, und er ist zu nichts mehr tauglich. Welch ein Wort, das auch uns gilt! Die Gnade hat uns berufen, und unsere Füße sind auf den Pfad der Jüngerschaft gestellt worden. Kommen wir den ernsten Bedingungen nach, so daß wir in der Tat Jünger werden? Möchten wir Ohren haben, die hören!

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