Vorträge über die Sendschreiben

Pergamus

„Ich weiß wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist.“ Hier zeigt sich das Böse unter einem anderen und feineren Charakter. Der Herr erkennt alles an, was Er anerkennen kann. Die Versammlung war durch die Verfolgung hindurchgegangen und treu geblieben: „Du hältst fest an meinem Namen und hast meinen Glauben nicht verleugnet, sogar als Antipas, mein treuer Zeuge ermordet wurde.“ Jetzt aber handelt es sich nicht nur um Verfolgung von außen, von Seiten der Welt – diese prüfte die Kirche, reinigte sie aber auch – sondern um verderbte Lehre im Innern. Die Versammlung Gottes hat ihren Platz der Verantwortlichkeit in der Welt, wo Satans Thron ist. Wird sie nicht mehr von der Welt verfolgt, weil sie aufgehört hat eine  himmlische  Zeugin zu  sein,  so wohnt  sie doch in derselben. Das ist von jenem Tage an bis heute ihr Platz gewesen, was ihre äußeren Formen betrifft. Es ist hier nicht die Rede von dem Betragen der Einzelnen,  sondern von  der  Stellung  der Versammlung  als Körper.

Man denkt und spricht oft so, als ob Satan seit der Kreuzigung Christi aufgehört habe, der Fürst dieser Welt zu sein. Ich möchte im Gegenteil sagen, dass gerade damals Satan im vollen Sinne des Wortes Fürst dieser Welt geworden ist. In Bezug auf das menschliche Herz war er es immer; allein bis zur Verwerfung Christi durfte man hoffen, dass noch in irgend einer Weise etwas Gutes im Menschen gefunden oder hervorgebracht werden könne; aber das Kreuz hat die völlige Sklaverei des menschlichen Herzens unter Satan bewiesen und festgestellt, dass nichts im Stande war, dasselbe zu befreien. In der Tat war das Kreuz die Zerstörung der Macht Satans; denn dort hat Christus „den zunichte gemacht, der die Macht des Todes hat, das ist der Teufel.“ Handelt es sich um die Erfüllung des Werkes, wodurch jenes geschehen sollte – um die Gerechtigkeit vor Gott – so ist seine Macht zu Ende; der Kopf der Schlange ist zertreten worden, obwohl die Frucht jenes vollbrachten Werkes noch nicht in Macht geoffenbart ist. Der Mensch ist auf jede Weise auf die Probe gestellt worden; zuletzt kam er in dem jüdischen System unter die Verantwortlichkeit des Gesetzes und wurde auf dem Boden des Gehorsams geprüft. In dieser Stellung hat er gefehlt; aber er ist geneigt zu denken, dass er, wenn er ganz nach eignem Willen handeln könnte, alles wieder zu Recht bringen würde. Auch hierin ist er auf die Probe gestellt worden, als seinen Händen, in der Person Nebukadnezars, die Macht übergeben wurde; aber auch diese Probe bestand er nicht. Danach kam Christus. Satan bot alles auf, um Ihn aus dem Weg zu räumen; allein alle seine Anstrengungen endigten mit seiner eigenen Niederlage. Gleichwohl ist es ihm erlaubt, noch für eine Zeit die Welt zu regieren, die Welt, aus welcher Christus ausgeworfen wurde, und welche in ihren allgemeinen und verschiedenartigen Formen das Werkzeug Satans ist, wie wir dies bei der Kreuzigung des Herrn sehen. Satan, der Fürst dieser Welt, kam und fand nichts in Christo; aber die Hohenpriester, die Pharisäer, Pontius Pilatus, die Juden und die Macht der Nationen – alles stand unter seiner Leitung. Selbst die Jünger verließen Christum aus Furcht vor der Macht Satans, die sich in der Welt kundgab. Mit einem Wort, die ganze Welt wurde durch Satan angetrieben, Christum zu verwerfen. Von jenem Augenblick an ist er der offenbare Fürst dieser Welt. Ehe Christus verworfen war, konnte Satan dieser Titel nicht beigelegt werden. Der Herr aber erkennt ihn als solchen an; Er nennt ihn „Fürst dieser Welt,“ indem Er sagt: „Jetzt ist das Gericht dieser Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden.“ „Der Fürst der Welt kommt und hat nichts in mir.“

Die Versammlung Gottes ist gänzlich aus der Welt herausgenommen, um mit dem Fürsten Gottes im Himmel verbunden zu werden; und deshalb sollen die Christen nicht das als ihren Wohnplatz und ihre Heimat betrachten, wo Satan thront; sie sollen nicht in der Welt und wie die Welt leben. Aber ach! die Versammlung hat praktischer Weise vernachlässigt, „das Haupt“ fest zu halten, und hat einen irdischen Charakter angenommen. Wenn „das Leben für mich Christus ist,“ so befinde ich mich in keiner weltlichen Religion, denn der Mensch im Fleische muss etwas zwischen sich und dem Haupte haben. Der Unterschied zwischen wahrem Christentum und der Religion der Welt ist unermesslich groß. „Wenn ihr mit Christo den Elementen dieser Welt gestorben seid, was unterwerft ihr euch den Satzungen, als lebet ihr noch in der Welt?“ Ein Mensch in der Welt muss Satzungen haben: wie könnte er ohne solche religiös leben? Aber Satzungen sind nicht Christus; sie sind an Sein Kreuz genagelt worden. Es ist unmöglich, von der Religion der Welt, von den Satzungen und dergleichen loszukommen, es sei denn, dass man die Kraft eines gestorbenen und auferstandenen Christus kennt und in dieser Kraft wandelt. Der Mensch im Fleische muss eine Religion von Satzungen zwischen sich und Gott haben. Ist aber jemand mit dem Haupte im Himmel verbunden, so kann ihn nichts näher bringen, denn er ist eins mit Christo; wer nicht mit dem Haupte eins ist, der ist von Christo getrennt. Bringt man irgendetwas zwischen Christum und die Seele, so ist alles verloren; die ganze Stellung ist dann verändert.

Diese verderbliche Neigung, sich mit der Welt zu verbinden, führte von Seiten Gottes die Züchtigung herbei, aber mit derselben auch die angemessene Verheißung: „Sei getreu bis zum Tode, und ich will dir die Krone des Lebens geben.“ Es ist vollkommen wahr, dass der Herr Trübsale kommen lässt; aber nie finden wir bei Ihm irgendwelche moralische Duldung des Bösen. Der Herr kann nicht durch falsche Lehren versuchen. Er zeigte der Versammlung das Böse ihrer verderblichen Verbindung mit der Welt, indem Er diese in eine verfolgende Welt verwandelte; aber nie hätte Er ihnen Balaams falsche Lehre senden können. Unmöglich kann Christus moralische Versuchungen kommen lassen als eine Rute zur Züchtigung der Heiligen, obwohl Er dieselben in Seiner heiligen Weisheit erlauben mag. Die Anstrengung des Feindes in Pergamus war etwas ganz anderes, als die Verfolgung, von welcher in Smyrna die Rede ist. Balaam suchte die Gläubigen in eine religiöse Verbindung mit der Welt zu bringen, und das ist ein weit größeres Übel, als wenn Satan seine Macht zu öffentlicher Verfolgung benutzt.

In Ephesus sahen wir den Anfang des Abfalls; „die erste Liebe“ war verlassen. In Smyrna wurde die Versammlung in den Feuerofen geworfen; doch Satan hatte durch die Verfolgung seine Zwecke erreicht. Eine Treue bis zum Tode hatte den Leidenden die Märtyrerkrone eingebracht. In Pergamus erhebt sich jedoch eine neue Gefahr. Die Versammlung wohnte jetzt da, wo Satans Thron ist, d. h. in der Welt; verderbliche Lehren wurden verbreitet, welche dem Fleische gefielen und die Versammlung mit der Welt verbanden. Der Feind war im Innern wirksam. „Du hast dort, die an der Lehre Balaams halten.“

Es besteht also ein sehr großer und lehrreicher Unterschied zwischen der Verfolgung in Smyrna und der Verführung in Pergamus. Zu Smyrna sagt der Herr: „Der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen, auf dass ihr geprüft werdet. Sei getreu bis zum Tode, und ich will dir die Krone des Lebens geben.“ Ich bin gestorben für euch; deshalb seid auch ihr getreu bis zum Tode für mich. In Smyrna wollte der Herr nicht einschreiten, um die Folgen der Stellung, in welcher die Versammlung sich befand, d. h. die Verfolgung, zu verhindern, sondern Er benutzte dieselbe, um die abweichende Versammlung in ihrem wahren Charakter zu erhalten, indem Er zugleich die Versicherung einer ewigen und himmlischen Verheißung, einer Krone für den Getreuen, gab. In Pergamus aber sehen wir die Versammlung in Verbindung mit der Welt; sie wohnt da, wo der Thron Satans ist; und der Herr konnte nicht den Fallstrick dadurch entfernen, dass Er auf die Welt einwirkte, Er hätte denn die Welt richten müssen. Satanische List war im Einverständnis mit der Welt und durch ihren Geist in der Versammlung wirksam. Ein falscher Prophet brachte sie mit dem Platz in Verbindung, wo der Thron Satans war, mit der Welt, welche aufgehört hatte, eine Verfolgerin zu sein. Es ist hier Balaam und noch nicht Jesabel. Der Charakter Balaams ist ein überaus schlechter und verderbter. In Folge der Vergehungen Israels war einst die Frage erhoben worden, ob Gott das Volk ins Land bringen, oder ob es Satan durch Seine Werkzeuge, Balak und Balaam, gelingen würde, ihren Einzug in Kanaan zu verhindern. Sie gaben sich alle Mühe, Jehova zu bewegen, den Fluch über Israel auszusprechen, aber vergebens. Angesichts des Anklägers „sieht Er kein Unrecht in Israel.“ Ebenso war es ganz unmöglich, Satans Macht wider das Volk Gottes zu benutzen, weshalb Balaam sagt: Da ist keine Zauberei wider Jakob, und keine Wahrsagerei wider Israel.“ Gott wehrte Balaams Lippen und zwang ihn, gegen seinen Willen Segnungen statt Flüchen auszusprechen. „Widersteht dem Teufel, und er wird von euch fliehen.“ Wenn der Teufel als Widersacher kommt, so hat er keine Macht; das Geheimnis seiner Kraft besteht darin, dass er als Versucher und Verführer an uns herantritt. Als er Jehova nicht bewegen konnte, Israel zu verfluchen, verführte er das Volk zur Gottlosigkeit, „Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben.“ Wie konnte jetzt der heilige Gott sie ins Land einführen? (Siehe 4. Mose 25)

In Pergamus tritt Satan als ein Verführer in die Versammlung, während er in Smyrna außerhalb derselben blieb. Deshalb wird an Smyrna die Ermahnung gerichtet: „Fürchte nichts von dem, was du leiden wirst.“ In der „Furcht“ ist Schwachheit, sie bringt Gefahr. Befindet der Heilige sich außerhalb der Verfolgung, so zittert er oft und ist voll Furcht, wenn er auf dieselbe hinblickt; ist er aber völlig in derselben und hat Glauben, so blickt er zu Gott empor und findet, dass er nie vorher so glücklich war. So ist er von der Welt getrennt und fähig gemacht, sein eigenes, wahres Teil zu genießen. Wenn aber die Versammlung Gottes auf dem Gebiet Satans wohnt, so wird er ihr, falls er nicht als Verfolger auftritt, so viel von der Welt geben, als er nur kann; denn er selbst sagt: „mir ist sie übergeben, und wem irgend ich will, gebe ich sie.“ (Lk 4,6) Und kann von der Welt gesagt werden, dass sie die Versammlung reich gemacht hat, so wird sie und nicht das auferstandene Haupt ihr Herz besitzen; „denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.“ Balaam war ein Prophet, wenn auch ein falscher; er konnte von dem Namen Jehovas Gebrauch machen und erklären, dass er Sein Wort allein reden müsse. In Pergamus sehen wir seinen Geist in die Versammlung eindringen, um es ihr in dieser Welt behaglich zu machen. Der böse Knecht, der in seinem Herzen sagt: „Mein Herr verzieht zu kommen, und anfängt... zu essen und zu trinken und sich zu berauschen,“ wird als Knecht behandelt, jedoch als ein böser. Sobald es Satan gelingt, einem Christen es angenehm und behaglich zu machen in der Welt, so hat er seinen Zweck erreicht.

Die Lehre der Nikolaiten führte die Wirksamkeit des Fleisches in die Versammlung Gottes ein, diejenige des Balaam den Geist der Welt. Die Einführung dieses Geistes geschah durch den falschen Propheten, und zwar zu dem Zwecke, um die Versammlung mit der Welt zu verbinden und ihr in einer Welt, die Christum getötet hat, ein ruhiges und behagliches Leben zu verschaffen. Wir begegnen hier einem Lehrer, einer Art von religiösem Unterweiser; denn es heißt: „die an der Lehre Balaams halten, der den Balak lehrte, ein Ärgernis zu legen vor die Kinder Israel.“ „Also hast auch du, die an der Lehre der Nikolaiten halten, gleicherweise.“ Bei Ephesus werden die Werke der Nikolaiten erwähnt; hier aber handelt es sich um eine Lehre, welche schlechte Handlungen gutheißt, was nicht nur gegen das Gesetz, sondern auch gegen Christum war. Es war ein Verderben im Innern der Kirche, dem durch die Verbindung mit der Welt von außen Vorschub geleistet wurde. Es ist sehr schmerzlich, zu sehen, (und wir sollten an dem, was in der Versammlung vorgeht, stets den innigsten Anteil nehmen), wie bald die Versammlung neue Rückschritte machte. Ihre Drangsal in Smyrna, die auf den ersten Fall in Ephesus folgte, hatte ihr Licht auf eine kurze Zeit für Gott heller brennend gemacht. Die Wurzel des Bösen aber war vorhanden, und als die äußere Ruhe und Behaglichkeit zurückkehrten, war die Versammlung zufrieden, da zu wohnen, wo Satans Thron ist. Auf diese Weise wurde die Tür geöffnet für schlechte Lehre, falsche Unterweisung, für die Vermengung des Fleischlichen mit dem Geistlichen. Satan wünschte nicht, da zu verfolgen, wo er verderben konnte; denn seine Verfolgungen bewirkten Läuterung der Seele für Gott, während das verführerische Verderben Satans unvermerkt die Seele von Gott entfernt. Wir haben hier noch nicht die volle Reife der Bosheit, wie zur Zeit Jesabels, sondern nur die Unterweisung in der Lehre, welche diese bösen Werke gestattete. In der nächsten Versammlung sehen wir jedoch, dass Kinder aus diesem Bösen geboren wurden;  das Böse war ihr moralischer  Geburtsort.

Das Auge und Herz des Herrn folgten der Versammlung dahin, wo sie wohnte, selbst bis zu dem Throne Satans; Er sagt: „Ich weiß, wo du wohnst.“ Und von dort (d. h. von dem Geist der Verbindung mit der Welt) wünschte Er sie mit dem Mahnruf zurückzubringen: „Tue nun Buße; wenn aber nicht, so komme ich dir bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem Schwerte meines Mundes.“ Hier wird das Wort in richterlicher Weise angewandt, als ein Schwert, das aus dem Munde Christi hervorgeht. Bei einem solchen Zustand der Dinge ist das Wort Gottes die Quelle, zu welcher der Heilige hingezogen wird. Die Verheißungen werden jetzt viel persönlicher: „Dem, der überwindet, will ich von dem verborgenen Manna geben.“ Die verborgene Treue sollte durch die Verheißung des verborgenen Mannas unterstützt werden. Diese Treue wurde insofern gesehen, als ihre Früchte allen offenbar wurden. Die Versammlung als Körper wohnte in der Welt, und als eine notwendige Folge zeigte sich das verborgene Leben des Herzens der treuen Seele mit Gott in der Kraft des Wortes: es ist das innere Band mit dem, was seinen Charakter nie verändert und was die verborgene Treue vor Gott unterstützt. Wie verschieden ist dies von dem richterlichen Gebrauch des Wortes, wenn es sich als ein Schwert aus Christi Munde im Kampfe erweist. Die lebendigen Glieder sind vereinigt mit Christo, der auf Erden litt, jetzt aber im Himmel ist.

Das Manna bezeichnet den Sohn Gottes, der Fleisch geworden ist, um unsern Seelen das Leben zu geben. Sein Eintreten in Niedrigkeit in alle unsre Umstände. Es ist unsere tägliche Nahrung während unsers Wandels durch die Wüste; denn es wird von dem Manna gesprochen in Verbindung mit Jesu, als dem lebendigen, vom Himmel gesandten Brote. „Das lebendige Brot, das aus dem Himmel hernieder gekommen ist.“ (Joh 6,51) Was aber ist das verborgene Manna? Das Manna für Israel wurde um das Lager hergestreut, und täglich sollten sie es zu ihrer Speise sammeln. Ebenso soll Christus, so lange wir in der Wüste weilen, die tägliche Speise unsrer Seele sein; aber das ist nicht das verborgene Manna. Es musste ein goldner Krug, der mit Manna gefüllt war, vor Gott aufbewahrt bleiben, damit die Israeliten, wenn sie ins Land Kanaan gekommen waren, sich dessen erinnerten, was sie in der Wüste genossen hatten. Dies verborgene Manna ist die Erinnerung an einen leidenden Christus hienieden – die Erinnerung an das, was Christus in der Wüste, als Mensch, als ein erniedrigter und leidender Mensch war – Er, Der der Gegenstand der ewigen Wonne Gottes im Himmel ist. In unserm ewigen Zustande werden alle, die überwunden und mit Christo sich treu von der Welt getrennt haben, den ewigen Genuss der Gemeinschaft mit Gott in Seiner Wonne an dem einst erniedrigten Christus teilen; es wird dieselbe Wonne, wenn auch in verschiedenem Maße, sein. Wenn wir mit einem verworfenen Christus treu wandeln, anstatt Balaam in unsre Herzen einzulassen, so werden wir Christum im Geist hienieden genießen; aber wir können dies nicht, wenn unsre Seelen mit irgendwelcher Gottlosigkeit verbunden sind. Sollte aber jemand behaupten, dass er Ihn dennoch genieße, so ist das Nikolaitismus. Nach dem Maße aber, wie unsre Seelen das Geheimnis dessen, was Christus in der Welt war, aufnehmen und verstehen, werden wir uns auch von Ihm nähren; dies ist jedoch unmöglich, wenn wir im Geiste der Welt wandeln. Selbst die Darstellung Christi in den Evangelien können wir nicht genießen, es sei denn, dass es eine Speise für die Seele ist. Es mag jemand sagen: diese oder jene Wahrheit ist sehr schön, wenn er aber nur sein Wissen dadurch bereichert, so nützt es ihm nichts. Gott hat Seinen Sohn nicht hingegeben, um hienieden zu leiden, damit man hernach eine angenehme Unterhaltung habe, sondern dass man sich von Ihm nähre.

Der „weiße Stein“ erinnert im Allgemeinen an die Abgabe seiner Stimme zu jemandes Gunsten; es ist das verborgene Zeichen des Beifalls, das der Eine dem Andern gibt. Im Himmel gibt es öffentliche Freuden, die allen gemein sind – Tausende und aber Tausende von Stimmen, die in Gemeinschaft und in Danksagung den Lobgesang widerhallen lassen. Ebenso gibt es hienieden Freuden, die wir in Christo miteinander teilen. Aber Er muss ebenso wohl unsre persönlichen Zuneigungen, als unsre gemeinsamen haben. Meine eigene persönliche Freude in Christo kann ein anderer nicht kennen, noch kann ich die seinige genießen, und dies ist wahr von den höchsten Zuneigungen. „Einen neuen Namen geschrieben, den niemand kennt, als wer ihn empfängt.“ Dieser Name kann nur für den Bedeutung haben, der ihn empfängt. Christus offenbart sich der Seele in einer Weise, dass sich kein Fremder in ihre Freude einmischen kann. Die persönliche Freude und Gemeinschaft ist von der gemeinschaftlichen Freude verschieden, wiewohl sie dieselbe erhöht; und diese persönliche Freude, die wir hienieden kennen, wird nie unterbrochen werden.

Diese wie jede andere an die Versammlung gerichtete Verheißung bezieht sich auf die zukünftige Zeit der himmlischen Segnung; aber sie ist auch die Quelle der Freude und Kraft in der Gegenwart. Der Geist Gottes lässt uns den Tag im Voraus genießen; ich kann schon jetzt im Geiste diesen weißen Stein in Christo haben – diesen innigen und verborgenen Ausdruck Seiner Gnade und Liebe, den andere nicht für mich haben können, noch ich für sie. Wie macht dieser Gedanke den „weißen Stein“ über alles andere wertvoll! Welche verborgene Quelle der Kraft ist es, ob auch die ganze Welt mir Unrecht geben sollte, wenn ich diesen „weißen Stein“ des Beifalls Christi besitze, der in der Bewahrung des Wortes erlangt und im Herzen gekannt wird! Doch ich wiederhole es, ich muss alles durch das Wort Gottes beurteilen, mit diesem Schwerte Seines Mundes, welches alle Wirkungen Balaams kraftlos macht und von denselben befreit. Ich bin alsdann ohne Sorge, mag die Welt über Dinge denken, wie sie will – Christus hat zu mir geredet, und an dem zukünftigen Tage der Herrlichkeit wird Er alles anerkennen, was Er zu mir gesagt hat.

Es ist in der Tat schmerzlich genug, wenn Balaam in der Versammlung lehrt, aber sicher gibt es unter den Heiligen keine Prüfung, die nicht die Treue dessen offenbart, der bereit ist, den Überwinder zu segnen; und so wird die Seele in eine Gemeinschaft mit Christo gebracht, wie nichts anderes es vermocht hätte. Da ist nichts, was der Seele Christo gegenüber so sehr das gesegnete Bewusstsein Seines Beifalls gibt, als die Treue, wenn das Böse zu verderben beginnt. Handelt es sich um falsche Lehre im Innern, so heißt es hier, wie bei der Verfolgung und bei allem andern: „Überwindet!“ Wer ein Ohr hat zu hören, was der Geist der Versammlung sagt, der soll das Böse, das dieselbe bedroht, überwinden, welcher Art es auch sein mag.

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