Betrachtung über den Propheten Jeremia (Synopsis)

Kapitel 24-25

Betrachtung über den Propheten Jeremia (Synopsis)

Zwei Dinge fesseln unsere Aufmerksamkeit in Kapitel 24. Erstlich: Unterwerfung unter das Gericht Gottes, wenn Er es ausführt, ist der Beweis von Einsicht in Sein Wort, von einer wirklich geistlichen Gesinnung. Wo der Glaube fehlt, stützt man sich nicht auf die Unveränderlichkeit der Verheißungen, sondern, indem man die Verheißungen vorschützt, auf die Unveränderlichkeit der äußeren Verordnungen und auf die Verläßlichkeit der Menschen, denen sie gegeben worden sind. Diejenigen, welche sich diesem Gericht Gottes über die Untreue des Menschen unterwerfen (einem Gericht, das den Genuß dieser Verheißungen und die Beiseitesetzung der Verordnungen herbeiführt, deren Unveränderlichkeit Gott nicht verbürgt hatte, aber in Verbindung mit denen der Mensch, wenn er treu gewesen wäre, die Verheißungen genossen haben würde) - diejenigen, wiederhole ich, welche sich diesem Gericht unterwerfen, werden den Genuß der vollen und ganzen Erfüllung dieser Verheißungen haben; denn Gott kann unmöglich Seinen Verheißungen gegenüber untreu sein. Die zweite Sache, die sich unserer Beachtung aufdrängt, ist diese: Wenn Gott den Glauben derer ermutigen will, die sich Seinem Gericht unterwerfen (indem sie durch diese Unterwerfung zu der heiligen Überzeugung geführt werden, daß der Mensch das Gericht verdient hat), ruht Er nicht eher, bis Er die Verheißungen, die von Seiner Treue abhängen, wie groß auch immer die Untreue des Menschen gewesen sein mag, voll und ganz erfüllt hat - eine Erfüllung, die nur genossen werden kann und wird vermittelst eines Werkes Gottes im Menschen, welches ihn in eine Stellung bringt, die zu dieser Erfüllung passend ist (siehe Vers 6 und 7). Die Stellung des Volkes zur Zeit der Weissagung Jeremias bot eine passende Gelegenheit, diese beiden Grundsätze ans Licht zu stellen; denn das Volk und das Haus Davids hatten in ihrer Treue gegen Gott völlig gefehlt. Es ist sehr betrübend und sehr demütigend, wenn wir uns zu dem Bekenntnis genötigt sehen, daß die Feinde Gottes recht haben. Der einzige Trost ist dann der, daß Gott recht hat (Hes 14, 22. 23) und daß Er schließlich nicht ermangeln kann, Seine gnädigen Verheißungen zu erfüllen.

Kapitel 25 schließt sozusagen diesen Teil der Weissagung mit einer allgemeinen Übersicht der Gerichte Gottes über die Erde, indem Er diese in die Hand Nebukadnezars gibt. Die unmittelbare Anwendung des Kapitels auf bereits erfüllte Ereignisse bietet nicht viel Schwierigkeit dar, aber weit schwieriger wird es, wenn man hier auch Anspielungen auf die letzten Tage suchen will. Israel, dem immer die Tür offen gehalten worden war, wird zuerst gerichtet. Das Kapitel beginnt mit der Ankündigung des Gerichts Gottes über Jerusalem, weil es sich geweigert hatte, auf den Ruf zur Buße zu hören, der dreiundzwanzig Jahre hindurch an die Stadt gerichtet worden war. Und hier laßt uns die Hartnäckigkeit des Herzens des Volkes beachten, das selbst im Unglück kein Gefühl hatte und sich weigerte, seinen Nacken vor dem Zeugnis Gottes zu beugen, trotz all der Mühe, die Gott Sich gab (wenn wir so reden dürfen), um es zu warnen. Und in der Tat, Seine eigenen Worte lauten: „Jehova hat alle seine Knechte, die Propheten, zu euch gesandt, frühe sich aufmachend und sendend, aber ihr hörtet nicht“ (vgl. 2.Chr 36, 15). Jehova hatte dem Volke stets eine volle und bleibende Segnung vorgestellt, sofern es Buße täte, aber es wollte nicht. Der Prophet kündigt an, daß Jehova alle Geschlechter des Nordens unter Nebukadnezar gegen Jerusalem und gegen alle Nationen ringsumher bringen werde, welche alle sicherlich den Becher des Gerichts, den der Herr für sie gemischt hatte, trinken sollten. Jerusalem würde dem König von Babel siebenzig Jahre dienen; und danach würde der König von Babel selbst gerichtet werden und seine Strafe erhalten, gemäß der Weissagung Jeremias gegen alle Nationen. Denn bei Jerusalem beginnend, sollte es ein allgemeines Gericht werden; und zwar sollte das Gericht über die Nationen rings um Palästina her unverzüglich stattfinden, während dasjenige über Babel, das als Werkzeug des Gerichts über jene diente, später eintreten sollte. Die Tatsache, daß die Stadt, die nach dem Namen Jehovas genannt war, verwüstet werden sollte, schloß das Gericht aller Nationen ein. Daher werden in der sinnbildlichen Handlung der Weissagung alle Nationen, die mit Israel in Verbindung standen, alle, die der damals bekannten Welt angehörten, gezwungen, den Becher zu trinken. Doch dies wird in Worten ausgedrückt, welche die Völker der ganzen Erde einschließen. Die geschichtliche Anwendung von Vers 26 kann nicht weiter ausgedehnt werden als auf das, was vermittels Nebukadnezars, des Königs von Scheschak, geschah, der nach den anderen den Zornkelch trinken sollte. Doch ist hierin ein Grundsatz allgemeinen Gerichts enthalten: das allgemeine Unglück wird angekündigt (V. 29-38). Die einzige Frage, die erhoben werden kann, ist die, ob in dieser Zerstörung aller Königreiche der Erde der Ausdruck „König von Scheschak“ noch auf einen anderen Herrscher angewandt werden kann, der dasselbe Gebiet besitzen wird wie einst Nebukadnezar, oder ob nur dieser damit gemeint ist. Ich zweifle daran, daß er eine weitergehende Bedeutung hat 1. Das Bild eines allgemeinen Gerichts schließt den ersten Teil der Weissagung. Das nun Folgende macht uns mit näheren Einzelheiten und besonderen Vorkommnissen bekannt 2.

Fußnoten

  • 1 In jedem Falle scheint mir das Gericht nicht weiter zu gehen, als bis zur Unterdrückung der Völker durch den König der Nationen, der anstelle des Thrones Gottes zu Jerusalem eingesetzt worden ist, und bis zu seinem eigenen Untergang am Ende seiner bösen Laufbahn.
  • 2 Die Zerstörung Babels war aus zwei Gründen von hervorragender Bedeutung. Erstens hatte Gott Selbst es anstelle Seines Thrones in Jerusalem aufgerichtet, und zweitens war es die einzige Macht aus den Nationen, die unmittelbar von Ihm ihren Platz erhielt, obwohl ja alle Macht von Ihm ist. Die anderen Mächte traten an die Stelle Babels unter der Leitung der göttlichen Vorsehung. Daher wird bei der Zerstörung Babels Jerusalem wiederhergestellt (wenn es auch nur teilweise geschieht, so wird doch dadurch der Grundsatz geoffenbart), und die Macht, welche Babel richtet, ist dieselbe, welche das Volk Gottes wieder in die heilige Stadt bringt. Babel, seine Aufrichtung, seine Herrschaft und sein Untergang, begreift die Gesamtheit der unmittelbaren Wege und Handlungen Gottes mit den Nationen und Seinem Volke in Macht in sich. Alles andere schloß sich nur als eine Verlängerung nach und nach an.
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